• Termine, News und Wissenswertes aus Saarbrücken, dem Saarland und der Welt:

Grüne Tomaten schlafen wütend

Aprilwetter

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der April und mit ihm die Zeit, in der das Wetter unberechenbarer ist als eine angetrunkene Zwanzigjährige. Beschränkt der Mensch seine üblen Späße für gewöhnlich auf den ersten Apriltag, präsentiert das Wetter seine Aprilscherze oft den ganzen Monat über. Da ist es schon einmal möglich, dass man bei zwanzig Grad und blauem Himmel mit dem Auto in die Waschstraße fährt und diese nur Minuten später bei zwei Grad und Schneeregen wieder verlässt. Die lang ersehnte erste Cabriofahrt des Jahres kann einem im April durchaus schon einmal vermiest werden, wenn man blauäugig dem Wetterbericht vertraut und Sonne erwartet, mit offenem Verdeck auf der Autobahn dann jedoch eines Besseren belehrt wird und bis zur nächsten Ausfahrt das Wasser bereits knöchelhoch im Fußraum hat…

Früher machte Petrus das Wetter, später dann Jörg Kachelmann. Mittlerweile präsentieren unzählige Internetseiten und Smartphone-Apps für den gleichen Ort zur gleichen Zeit völlig unterschiedliche Wetterprognosen, die alle nur darin übereinstimmen, dass keine von ihnen richtig ist. Darüber sehen viele Nutzer jedoch großzügig hinweg, solange zumindest die neben den bunten Wettersymbolen eingeblendeten noch bunteren Werbeanzeigen zu günstigen Schuhangeboten oder Viagra der Wahrheit entsprechen. Früher hielten sich die Wettervorhersagen gerade im April mit klaren Aussagen bewusst zurück und kündigten stets nur „heiter bis wolkig, zeitweise Regen“ an. Keiner traute sich damals mehr Verbindlichkeit zu. Heute liefern Internet und Apps bereits Monate im Voraus zielsicher Temperatur- und Luftdruckangaben auf die zweite Nachkommastelle genau für jede Hausnummer…

Allen Wetterdiensten und Wetterregeln zum Trotz ist zu Beginn des Frühjahrs niemand wirklich in der Lage, verlässlich vorherzusagen, was sich in der Atmosphäre tut. Selbst Siri und Alexa wissen morgens noch nicht, ob man mittags besser Flipflops oder Gummistiefel bestellen sollte. Das Wetter im April verhält sich wie ein Teenager mit Frühlingsgefühlen, dessen Stimmungsschwankungen einem den Tag verhageln können. Auch wenn es kein Wetterfrosch zugeben würde, übersteigt die Prognosegenauigkeit der Wettermodelle zu Anfang des Frühlings kaum die Trefferquote einer Jahrmarktswahrsagerin. Eher findet man die richtigen Lottozahlen in einer Buchstabensuppe als die richtigen Temperaturen für den Folgetag in einem Wetterbericht. Irgendwie passen die Vorhersagen nicht zum Wetter oder – wie der Meteorologe sagen würde – das Wetter nicht zu den Vorhersagen…

Meist wird von Wetterexperten, nachdem zur Eröffnung der Grillsaison bei angekündigten frühsommerlichen Temperaturen erst einmal der Grill vom Schnee befreit werden musste, die Schuld auf ein Tief geschoben, das irgendwie nicht hoch kam und sich lange nicht entscheiden konnte, ob es nun über Island schlummern oder sich bei uns austoben will. Man muss sich ja auch nicht wundern, dass das Wetter nie zur angekündigten Zeit am angekündigten Ort ist: Bei dem Gewirr aus Linien, Zahlen und Farben, das sich auf Wetterkarten findet, ist es nicht anders als mit den Autofaltkarten von früher, die auch nie dabei halfen, ans richtige Ziel zu kommen und mehr als nur den einen Familienurlaub ins Wasser fielen ließen, als Vati erst nach Stunden auffiel, dass Mutti die Karte falsch herum gehalten hatte und man deshalb den Alpenurlaub an der Nordsee verbringen durfte…

Im Wetterbericht der 1980er war stets noch der Golf von Biskaya Ursprung allen Übels. Als Kind lernte man, dass schlechte Menschen aus Russland, schlechte Angewohnheiten vom vielen Fernsehen und schlechtes Wetter aus dem Golf kommt, von dem niemand wusste, wo er eigentlich liegt. Irgendwann hat es sich die Biskaya dann wohl mit dem Deutschen Wetterdienst verscherzt. Stattdessen hört man heutzutage von Funtensee, dem deutschen Kältepol bei Berchtesgaden. Ankündigungen von Fronten und Stürmen aus Berchtesgaden sind dem deutschen Volk ja vertraut. Dort wusste man schließlich schon vor achtzig Jahren am besten, ob man Bombenwetter oder Blitz kriegt. Hätte man damals zeitig erkannt, dass die angekündigten Hochs eigentlich Tiefs waren, man hätte sich viel Heizen sparen und für den Ausflug nach Stalingrad statt Sonnencreme noch ein Paar Socken mehr einpacken können…

Wer Wetterberichte im Fernsehen verfolgt, dem stellen sich unweigerlich Fragen: 1.) Nach welchem Prinzip werden eigentlich die Städte ausgewählt, die auf den Wetterkarten abgebildet sind? 2.) Sind die Ratiopharm-Zwillinge und der Grippostad-Pinguin überhaupt daran interessiert, dass es gutes Wetter gibt? Und 3.) Woher kommen die vermeintlich seriösen Wetterfeen, die keine Schwierigkeiten hätten, bei Heidi Klum einen Vertrag zu bekommen, es aber vorziehen, im Nachmittagsprogramm über Kaltluft im Hunsrück zu berichten? Geht man von der üblichen Meteorologie-Studentin aus, die selbst nackt aussieht, als würde sie einen Norwegerpulli tragen, vollbringt Fernsehschminke entweder wahre Wunder oder aber die Modelmiezen, die tief dekolletiert über das Wetter am Jadebusen berichten, haben keine Ahnung von dem, was sie ablesen und halten einen Zyklon für eine einäugige Sagengestalt und Graupel für den Körnerkram in Omas Suppe…

Und so harre ich in diesen Tagen wieder einmal jeden Abend aufs Neue gespannt vor dem Fernseher in zweifelhafter Erwartung auf eine neue Wettermärchenstunde, während ich mich mit Wolldecke und Tee vom angekündigten „ersten herrlichen Frühlingstag“ erhole, der mich mittags beinahe weggeblasen hätte, wäre ich nicht vorher schon weggespült geworden. Während sie im Fernsehen etwas von einer gestern noch nicht absehbaren Verzögerung des Hochs und garantiert blauem Himmel für morgen berichten, beginnen meine Terrassenmöbel über den regenüberfluteten Balkon zu treiben, während seltsam weißes Zeug vom Himmel fällt. Aber was will man auch schon von einem Hoch erwarten, das Kevin heißt? Aprilwetter… gruenetomaten@live-magazin.de.

 

Patrik Wolf

P.S. Satte 299 Euro plus Mehrwertsteuer kostet die Namenspatenschaft für ein Hochdruckgebiet. Dafür kann man nun wirklich gutes Wetter erwarten.

Previous ArticleNext Article