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L!VE-Redaktion

Abbruchfreude

Hallo Mikrokosmonauten: Nicht jede Kapitulation ist gleich eine Niederlage!

In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der unseren ist es nicht ungewöhnlich, dass wir uns tagtäglich und immer wieder aufs Neue die Sporen geben und uns wie Rennpferde zu Höchstleistungen antreiben. Wir müssen funktionieren. Im Job und im Leben. Viel schlimmer als das pure Prinzip der funktionstüchtigen Maschine in Menschengestalt ist obendrein der Gedanke des Gewinnens. Das Streben nach Erfolg. Nach Ruhm. Nach Macht. Oder einfach nur das vermeintlich sieghafte Beendigen einer arbeitsintensiven Woche, in der mal wieder alles andere zu kurz kam, man sich nach Feierabend nur mit Hängen und Würgen noch ins Gym schleppt und wo für Treffen mit Freunden einfach keine Zeit ist oder die Kraft fehlt. Wow, wir können echt stolz auf uns sein. Nicht!

End-Scheidet euch!

Ab einem gewissen Punkt im Leben ist es an der Zeit, sich die Frage zu stellen: Weitermachen oder abbrechen? Getreu dem Motto: Ziele aufgeben, um neue Ressourcen zu schaffen, habe auch ich gewisse Pläne ad acta gelegt. Nein, ich möchte nicht mehr im Ausland leben und auch keine Strandbar mehr in Portugal eröffnen. Mich von einigen Life-Goals zu verabschieden, schmerzte sehr, hinterließ dieser Schritt schließlich eine kleinere oder größere Lücke in meinem Leben. Dabei muss ich gestehen, dass ich bis vor kurzem diese gewissen abbruchfreudigen Leute verteufelt habe, die Beziehungen beenden, weil es quietscht im Getriebe oder die alle zwei Jahre einen neuen Job haben, weil sie meinen, sich jedes Mal wieder neu erfinden zu müssen. Heute weiß ich, dass auch diese Menschen mit sich ringen, ehe sie diese Entscheidungen fällen. Die meisten zumindest. Und dass auch sie sich mitunter schäbig und mies fühlen, wenn ein gestecktes Ziel nicht erreicht wurde. Etwas anderes kann ich mir kaum vorstellen. Aber ist nicht genau dann der richtige Zeitpunkt, um neue Projekte anzufangen? Focus on! Und für alle anderen, die sich immer noch nicht sicher sind, ob sie nun weitermachen oder abbrechen sollen, gilt der simple Tipp mit der Münze: Kopf oder Zahl?

Sich von fremden Wünschen und Erwartungen freimachen

Vieles ist zur Gewohnheit geworden. Sind wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg oder sind wir irgendwann zwischen beruflicher Etablierung und korrektem Commitment falsch abgebogen? Was ich damit sagen will: Es lohnt sich, auf dem Weg zu seinem Ziel mal eine Pause zu machen und sich zu fragen: Will ich überhaupt noch dahin? Vielleicht handelt es sich nämlich lediglich um die erstrebenswerten Visionen von anderen und weniger den eigenen. Vielleicht haben wir uns nämlich selbst inzwischen insoweit transformiert, dass wir auch gar nicht mehr dorthin wollen, wo wir noch vor einigen Jahren hinwollten. Denke ich heute an meine vergangenen Vorhaben und Pläne, bin ich regelrecht erleichtert, dass ich manche Ziele nicht ganz so konsequent verfolgt habe, sonst wäre ich heute wahrscheinlich eine unglückliche Ehefrau an der Seite eines alten Oligarchen. Oder eine Heiratsschwindlerin. Und der ganz große Plan war ja auch, als wunderschöne Leiche in der besten Suite im Plaza Athénée gefunden zu werden und damit die Titelblätter sämtlicher Gazetten zu schmücken: „Außer ihren Perlen trug sie nichts.“

Und dennoch dürfen wir uns niemals selbst entfremden, in dem wir nur leben, um es anderen recht zu machen und deren Erwartungen zu erfüllen. Übrigens ein Thema, auf das ich in meinen Texten nur zu gerne eingehe. Vielleicht, weil es mich auch selbst immer wieder betrifft und es wohl zu einer meiner  Lebensaufgaben geworden ist. Es ist dauerhaft einfach toxisch, immer Dinge zu sagen, die andere hören wollen und den Verhaltenskodex zu wahren, den andere voraussetzen. Nicht immer, aber immer öfter. Und am Ende ertappen wir uns dabei, wie wir unweigerlich zugeben müssen:

Wir sind nicht in unserem Element.

Ich möchte hiermit eine Lanze brechen für all diejenigen, die kämpfen und kämpfen, obwohl die Lage aussichtlos ist. Ich fühle mit euch. Vielleicht, weil unter meiner harten Schale ein empathischer Kern steckt. Und das Eingeständnis: „Ich bin eine von euch!“. Ich hatte in den letzten Monaten und Jahren viel Stress. Unverdaute Wut. Und einen exorbitant hohen Ungeduldigkeits-Level, der mich allmählich zur Strecke bringt. Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, Leute nicht verstehen, was ich ihnen sagen will oder ich nur schon 5 Minuten im Stau stehe, explodiere ich. Machen wir uns nichts vor, aber Stress, das Festhalten an unrealistischen Plänen und diese ganzen aussichtlosen Kämpfe sind allesamt Krankmacher. Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen: „Ist es der chronische Durchfall wirklich wert?“.

Drop it!

Es ist doch so: Man scheitert nicht gleich, wenn man aufgibt. Vielmehr befreien wir uns von etwas, was einfach nicht gepasst hat, oder die Zeit erst noch kommt. Bis dahin steckt man sich neue Ziele, aber nicht, bevor man erstmal durchatmet und sich fragt, was man eigentlich will. Was kann bleiben, was muss weg? Und über all dem die Gefühle zulassen, die vorübergehende Leere spüren, den Schmerz gewähren lassen. Und ja, auch die Gedankenspirala à la „War es die richtige Entscheidung?“, „Hätte ich mehr tun müssen?“ und so weiter akzeptieren. Durch diese Lektion müssen wir wohl oder übel durch.

Und einfach so kommt ein neues Ziel.

Es gibt einen einfachen Mood-Booster. Eine Imaginations-Strategie, in der man sich positive Fantasien ausmalt und diese im nächsten Step auf Hindernisse abcheckt. Danach versucht man möglichst realistisch einzuschätzen, wie gut die Chancen sind, diese zu überwinden. Das Gute an all dem ist, dass nach einem aufgegebenen Ziel beim nächsten Ziel viel sorgfältiger vorgeht. Man hat schließlich dazugelernt.

Seid euch über eines gewiss: Ihr seid nicht alleine. Es ist bekanntermaßen so, dass man alle drei bis sieben Jahre einen Transformationsprozess durchläuft, in dem man sich neue Ziele steckt, neue Pläne schmiedet und sich neu ausrichtet. Das ist weder verwerflich noch abnormal. Und zuweilen gibt man einfach auf. Um zu gewinnen.

Endlich wieder Urlaub

Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Christoph Columbus zum Beispiel wusste was zu erzählen, nachdem er auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien irgendwo im Atlantik falsch abbog und Amerika entdeckte. Was ihm bis heute niemand verziehen hat. Ebenso Marco Polo, der alle übrigen Länder der Welt entdeckte und seine Erlebnisse in kleinen Reiseführern mit Insider-Tipps niederschrieb. Selbst meine Ex-Freundin weiß stets von ihren Reisen zu erzählen. Wenn auch nur, dass sie in der Karibik nicht nur Rum mochte, sondern auch rum machte. Was ihr einen unvergesslichen Trip, vor allem aber auch einen noch unvergesslicheren Tripper bescherte…

Reisen dienen seit jeher dazu, fremde Kulturen und Arten zu erleben. Egal ob im tiefsten Südamerika, Senegal oder Sachsen. Noch besser geeignet sind Reisen jedoch dazu, bereits bekannte Kulturen und Unarten zu erleben. Noch lehrreicher als einen Vierbeiner des Nachbarkontinents im Zoo zu beobachten, ist es, einen Zweibeiner des Nachbartischs im Urlaub zu beobachten. Ganz ohne Zaun oder Gitter kann man da Verhaltensweisen studieren, die man sonst nur aus Tierreportagen im Fernsehen kennt: Futterneid, Revierkämpfe und Balzrituale. Der Urwald auf Madagaskar ist nichts gegen den Urlaub auf Mallorca. Das hätte man nach zwei Jahren Pandemie fast schon vergessen…

Im Vergleich zu Menschen in einem Pauschalurlaub verhalten sich Tiere in freier Wildbahn geradezu menschlich. Beobachtet man das Gedränge und Geschiebe am Büffet eines Pauschalurlauber-Hotels, gewinnt man den Eindruck, es ginge um Leben oder Tod und nicht bloß um Fleisch oder Fisch. Als stünde ein Krieg bevor, kennen hungrige All-Inclusive-Urlauber keine Gnade, wenn es um die größten Portionen geht. Ob das, was da im Affekt handbreit auf dem Teller übereinander gestapelt wird, überhaupt zusammenpasst oder ob man da nicht doch gerade Eierlikörsoße über den Blumenkohl gießt, ist erst einmal Nebensache. Liegenlassen kann man es ja schließlich immer noch…

Wie wir alle spätestens seit Corona wissen dürften: Der Mensch kann einfach nicht das intelligenteste Lebewesen auf diesem Planeten sein. Ameisen schaffen es zu Abertausenden, sich zu organisieren und aus dem Weg zu gehen. Wir Menschen dagegen sind nicht einmal im Dutzend in der Lage, zu begreifen, an welcher Seite einer Büffetschlange man sich anstellen muss. Dabei sind es keineswegs nur die an Linksverkehr gewöhnten Engländer, die einem am Büffet als Geisterfahrer mit Teller und Besteck entgegenkommen. Wahrscheinlich würde es eine mittelbegabte Ameise auch eher schaffen, eine FFP2-Maske richtig über ihrer Nase zu tragen, wenn sie denn eine Maske und eine Nase hätte…

Wenn es um Essen geht, muss Corona kurz warten. Was das Einhalten von Abständen betrifft, sollte man gerade mit uns Männern Nachsicht haben. Seit der Pubertät haben wir nachweislich Probleme damit, Längen richtig abzuschätzen. Beim wem 30 Zentimeter gerade einmal so lange sind wie ein Finger, ist 1,50 Meter Abstand zum Vordermann eben auch nicht mehr als eine Tellerbreite. Gerade für viele männliche Ü20er ist aufgrund der Corona-Beschränkungen in Bars und Diskotheken das Hotelbüffet noch die einzige Möglichkeit, beim Malle-Urlaub dem anderen Geschlecht ungefragt näher zu kommen und ihm das Sommerkleid zu versauen…

Im Gegensatz zum Verhalten vieler Hotelurlauber beim Essen wirkt es geradezu friedfertig, wenn ein ausgehungerter Löwe ein Gnu bei lebendigem Leibe zerfetzt. Die Tischsitten in Urlaubshotels erinnern weniger an das Essverhalten von Homo sapiens als an das von Würgeschlangen, die Beute am Stück herunterschlingen. Die lange Zeit im Home-Office in der Pandemie hat auch hier Spuren hinterlassen. Viele haben hörbar vergessen, dass Rülpsen und Furzen ursprünglich keine üblichen Tischgespräche waren. Es ist faszinierend wie erschreckend zugleich, wie manche Menschen ein weichgekochtes Ei essen und es schaffen, dass danach der Tisch aussieht, als wäre ein ganzes Huhn explodiert…

Die Geräuschkulisse in All-In-Hotelrestaurants erinnert an das Geschmatze einer Ferkelherde. Von fressenden Schweinen sind essende Hotelgäste oft nur durch die teilweise Bedeckung ihres Specks zu unterscheiden. Sofern Muskelshirts bei Ihm und Wickeltücher bei Ihr als Kleidung zählen und nicht bereits als Zumutung. Da kann im Hotelprospekt zigmal stehen, dass Abendgarderobe erwünscht ist. Wenn Papi Shorts, Sandalen und Socken tragen möchte und Mutti ein zu knappes, durchsichtiges Strandkleid, dann tun sie es. Der Gast ist schließlich König. Ich bin für solche Anblicke eigentlich immer dankbar, mindern sie als natürliche Appetitzügler doch die Gefahr, im Urlaub zuzunehmen…

Es ist beeindruckend wie befremdlich zugleich, die Hast und Aggression vieler Erholungssuchender zu sehen, die im Urlaub mehr Stress haben als zuhause. Daher sind viele nach zwei Wochen auch froh, wenn es wieder heimwärts geht, wo alles seine gewohnte Ordnung hat und es sonntags Rinderrouladen gibt. Schließlich ist Erholen gar nicht so einfach, wenn man sich andauernd Gedanken machen muss, ob noch genügend Nachtisch und freie Plätze am Pool vorhanden sind. Vor allem bei uns Deutschen gilt: Was inklusive ist, wird auch genutzt! Das gilt für Snacks am Mittag ebenso wie für Shows am Abend. Egal ob man Lust auf sie hat oder nicht. Bezahlt ist schließlich bezahlt…

Auch wenn er gar nicht vorhat, sich an den Pool zu legen, markiert der anständige Deutsche in aller Herrgottsfrühe mit seinem Handtuch oder jetzt noch wirksamer mit seiner Mund-Nasen-Maske sein Territorium am Becken. Auch wenn er die Liege eigentlich gar nicht braucht, heißt das nicht, dass er sie jemand anderem gönnt. Dabei ist der Pool eigentlich nichts für Deutsche mittleren Alters. Sammeln sich im Wasser doch immer nur Keime und Kinder. Und beide möchte man sich im Urlaub vom Leibe halten. Außerdem ist da ja eh wieder kein Hotelpersonal, das überwacht, dass niemand vom Beckenrand springt. Da könnte man sich ja nicht mal erholen, wenn man sich erholen könnte…

Wer glaubt, entsprechenden Exemplaren der eigenen Spezies aus dem Weg gehen zu können, indem er sich ein Urlaubsziel sucht, das nicht jeder kennt, der muss leider eines Besseren belehrt werden oder in die Antarktis reisen. Egal ob Mallorca, Malta oder Madeira, Pauschalurlauber gibt es wie Corona überall. Und beide nerven ähnlich. Weltreisen, die Columbus und Polo noch Ewigkeiten im Voraus planen mussten, können heute last-minute beim Discounter gebucht werden. Was Herpesviren für den Menschen, sind Pauschaltouristen für Urlaubsorte: Jeder hat sie, es ist nur die Frage, wann sie unangenehm in Erscheinung treten und einem die Laune vermiesen…

Warum ich selbst trotz allem ab und an Pauschalurlaub mache? Weil ich gerne Bücher auf blockierten Poolliegen vertausche und es mag, mir am Büffet ausgiebig Zeit zum Studieren der Essensschilder zu nehmen. Das entspannt ungemein, zumindest mich. Das Gute am Pauschalurlaub während der Pandemie ist übrigens, dass man sich dank hoher Inzidenzwerte und überfülltem Charterflug keine Gedanken mehr zu machen braucht, was man den Lieben zuhause mitbringt. Und was ist nach einer Woche Urlaub im Süden schöner als noch eine Woche Urlaub zuhause hinterher? Manches muss man eben einfach positiv sehen. Endlich wieder Urlaub… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Geschichten, Hotelhandtücher oder Corona – Mitbringsel gehören zu jedem Urlaub.

The Show must go on

Whitney Houston, Elton John, Snoop Dogg, die Rolling Stones und Queen, David Guetta oder Bruce Willis, Kevin Costner und zahllose andere Megastars hätten garantiert keine Verbindung zu Saarbrücken, wenn da nicht Veranstalter Dragan Nikitovic wäre. Der arbeitet nämlich seit über 50 Jahren nur mit den wirklich ganz Großen im Showbusiness zusammen. Jetzt feierte der Mann seinen 70. Geburtstag gehabt.

Ganz aktuell sind seine nächsten Konzerte Gitarrenlegende Eric Clapton in Prag und die mehrfache Grammy-Abräumerin Dua Lipa in Bratislava. Allein damit stellt Dragan Nikitovic zweierlei unter Beweis: erstens die unglaubliche Bandbreite an Megastars, die er auf die Bühne bringt und zweitens sein internationales Renommee, das es ihm erst ermöglicht, solche Events in aller Herren Länder auf die Beine zu stellen. Entsprechend erreicht Namedropping bei ihm ganz andere Größenordnung, denn die Reihe der bereits genannten lässt sich praktisch beliebig und durch alle Musikrichtungen ergänzen: AC/DC, Foo Fighters, Motörhead, Simple Minds, Lionel Richie, Ice-T, 50 Cent, Kylie Minogue,  Bob Marley, Julio Iglesias, Jose Carreras, Montserrat Caballé – um nur mal ein weiteres Dutzend seiner „Schützlinge“ zu nennen.

Aber beginnen wir am Anfang. 1962 kommt er mit seinen Eltern ins schöne Saarland immigriert und wächst in Spiesen auf. Er geht ganz normal zur Schule, mal abgesehen von der Tatsache, dass damals sogenannte „Gastarbeiterkinder“ schon noch einen gewissen Seltenheitswert hatten und schafft es zuletzt sogar aufs Gymnasium in Dudweiler. Doch schon mit 15 Jahren erwischt ihn dann der Konzertvirus, der sein Leben bis heute bestimmt. Sein erstes Konzert veranstaltete Dragon in der Spiesener Turnhalle. Die lokale Band Napalm und RS Rindfleisch aus Saarbrücken stehen auf der Bühne und das Ganze wird ein voller Erfolg. 1970 setzt er sich in den Kopf, die Krautrocklegenden Guru Guru, die in Deutschland ganz weit vorne waren, zu buchen. Die Kohle für die Vorkasse, insgesamt 3.000 Mark (Für die jüngeren und ungebildeteren Leser, das war die Währung, bevor der Euro kam. – Anm. d. Red.), musste er sich von seinem Vater leihen, der ihm im Gegenzug das Versprechen abnahm, sich danach voll auf die Schule zu konzentrieren. Entsprechend angespannt war der knapp 18jährige dann am Abend der Veranstaltung.

„Das Konzert begann um 19.00 Uhr mit einer Vorband und als dann gerade mal fünf oder sechs Leute kamen, verlor ich ein bisschen die Nerven, bin aus der Halle raus, und ins „Lord Nelson“ gefahren, die erste Disko von Frank Farian. Da war ich dann drauf und dran mir die Kante zu geben, obwohl ich eigentlich ja nicht trinke, aber dann kamen immer mehr Leute rein, die erzählten, dass in beim Konzert mittlerweile die Hölle los war und Mitfahrgelegenheiten suchten. Ich ins Auto und zurück in die Halle und die platzte tatsächlich aus allen Nähten.“

Sensationelle 4.000 Mark hat er an diesem Abend verdient. Trotzdem erinnerte sein Vater ihn an das Versprechen, sich auf die Schule zu konzentrieren, was aber dann komischerweise irgendwie im Sande verlief. Denn Dragan hat in der Folge praktisch alle bekannten deutschen Bands nach Spiesen und Völklingen gebucht und hatte damit auch Erfolg. Immerhin war er damals tatsächlich der Einzige, der im Saarland Rock-Konzerte machte. Der nächste Schritt war dann der nach Saarbrücken in die ATSV-Halle, wo damals dann die ersten internationalen Bands wie T. Rex, King Crimson oder Manfred Mann’s Earthband auf der Bühne standen. Wenn es tatsächlich mal schlecht lief, ist er Taxi gefahren und als Diskjockey war er auch noch am Start.

1975 startet er weiter durch, nutzt auf dem Uni-Campus auch Aula und Audimax für Konzerte und veranstaltet dann zusätzlich wenig später die legendären „Gaudimax“ Faschingspartys. Ein ausgesprochen erfolg- wie ertragreicher Abschnitte seines Schaffens, doch für ihn ist es der Moment für eine erste Auszeit. Er schnappt sich sein ganzes Hab und Gut, 80.000 Mark in bar, und macht sich von Istanbul aus mit dem Bus durch Persien und Afghanistan auf nach Indien. Nach elf Monaten war das Geld alle und nachdem die letzten Groschen für das Flugticket nach Frankfurt draufgegangen waren, musste er als Schwarzfahrer im Zug nach Saarbrücken reisen. Bei einem Kneipenbesuch im Jahr 1978 bekam Dragan dann zufällig mit, dass der Laden zu verkaufen war und übernahm ihn kurzerhand. So beginnen die Jahre im „Brennenden Berg“, mit kleinen Konzerten in der Kneipe und größeren unter anderem dann auch in Sulzbach und der Saarlandhalle. Aber gleich wo, alle Konzerte laufen unter dem Label „Brennender Berg präsentiert“.

„1985 habe ich AC/DC mit Whitesnake als Vorgruppe in der Saarlandhalle gemacht. Die fragten dann nach dem Konzert, wo sie denn was zu Rauchen und so bekommen könnten. Ich hab‘ denen dann gesagt, da müsst ihr in diese Kneipe, hab‘ aber verschwiegen, dass die mir gehört. Eigentlich war da Montagabends um 23 Uhr natürlich überhaupt nix los, aber da fuhren dann in dieser Nacht vier Tour-Busse vor und es gab eine Wahnsinnsparty, denn natürlich hatten auch längst „normale“ Konzertbesucher mitbekommen, wo immer die Aftershow-Partys stiegen.“

Dragan baut sein Konzertbusiness weiter aus und beginnt auch außerhalb des Saarlandes Konzerte zu organisieren. Den Brennenden Berg aber, muss er nach sieben Jahren und Streit mit den Verpächtern verlassen, findet aber sofort in Herrensohr das vormalige katholische Vereinshaus und macht daraus sein „Waldcafé“. Nach über einem halben Jahr Renovierungsarbeiten hat er jetzt nicht nur eine neue Kneipe, sondern gleich auch einen dazugehörigen Saal, der sogar für Konzerte mittlerer Größe geeignet ist. Der war zwar nur zur Hälfte gestrichen, weil schließlich das Geld nicht reichte, doch das tat der spektakulären Eröffnung mit keinem Geringerem als Eric Burdon auf der Bühne keinen Abbruch.

„Um wirklich große Namen nach Herrensohr zu bekommen, hatte ich den Agenturen, die ich ja alle längst gut kannte, ein einfaches Angebot gemacht: Wenn eure Bands auf Tour gehen, müssen die ja vorher viel proben. Das könnt ihr bei uns machen, kostenlos, und dafür kriegen wir dann das erste Konzert, wenn die Tour losgeht. Das haben viele angenommen und so haben wir Künstler präsentieren können, die sonst niemals in einer Halle dieser Größenordnung gespielt hätten. Das hatte dann aber auch zur Folge, dass es manchmal so voll war, dass wir die Tür zu den Toiletten aushängen mussten, weil die sich vor lauter dichtgepackten Leuten nicht mehr hätten öffnen lassen.“

Wirklich namhafte Acts geben sich fortan die Klinge in die Hand und auch der Saarländische Rundfunk nutzt das „Waldcafé“ für verschiedene Aufzeichnungen. Doch 1990 hat die katholische Kirche genug von dem angeblich unheiligen Treiben, aber wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere. Konzertbesucher bringen ihn auf die Idee, seine Veranstalteraktivitäten ins Ausland zu erweitern.  Damit bloß keine Freizeit aufkommt, steht also ab jetzt auch Luxembourg auf seiner Agenda. 1996 eröffnet er sogar extra eine Niederlassung im Nachbarland und bespielt künftig vor allem die großen Hallen in Remich und Bettange. Wieder sind es die Superstars der Zeit, wie Santana, Jeff Beck und Jethro Tull, die für volle Konzerte sorgen. Gleichzeitig etabliert er Dragan einen ganz neuen Geschäftszweig. Er vermittelt nur die Künstler an Konzertmacher, anstatt selber den Veranstalter zu geben.

„1998 kam eine erste Anfrage aus Russland. Da hatte Veranstalter vergeblich versucht die Soul-Legende James Brown zu buchen. Ich konnte helfen und das Resultat waren dann zwölf Konzerte in ganz Russland, von St. Petersburg bis Wladiwostok. Bei der Premiere in Moskau hatte allerdings die Airline große Teile des Gepäcks verschlampt, weswegen die Band barfuß auftreten musste. Das wiederum war dann das Thema für die russischen Reporter, die unbedingt von mir wissen wollten, warum die ohne Schuhe aufgetreten mussten und da eine Riesenstory über den Umgang mit Farbigen beim Klassenfeind erwarteten.“

Zu der Zeit beginnt Dragan dann damit Anzeigen in Lifestyle-Magazinen wie GQ oder Playboy zu schalten, um mit Blick auf die östliche Oligarchie seine Dienste bei der Vermittlung von Weltstars für private Feste der Superreichen anzubieten. So kommt zur Zusammenarbeit mit Jennifer Lopez, dann reist er mit Kylie Minogue unter anderem zu einem Auftritt bei einem 30. Geburtstag in St. Petersburg und mit Julio Iglesias zum 60. des Präsidenten von Kasachstan, feiert mit Kochikone Paul Bocuse in einem extra ausgeräumten Naturkundemuseum und eröffnet mit Bruce Willis das Filmfestival in Nur-Sultan.

„Das Problem war ganz oft der Alkohol, denn die haben Roederer Cristal Champagner gesoffen. Mir war das egal, weil ja keinen Alkohol trinke, aber mancher Künstler hatte da das Nachsehen. Eines Morgens beim Frühstück kam eine sichtlich derangierte Kylie zu mir an den Tisch und hielt sich den Kopf. Ich habe sie natürlich gefragt, was denn so schlimm sei. Da hat sie ihre Hand von der Stirn genommen und zum Vorschein kam die unübersehbar „eingeprägte“ Spur der Kante des Tisches, auf dem sie mit dem Kopf drauf eingeschlafen war.“

Seit Mitte der 2000er hat sich Dragan immer mehr auf solche Vermittlungen konzentriert, auch wenn er natürlich weiterhin eigene Konzerte auf die Beine stellt. Doch die Tatsache, dass sich zum Beispiel hier in Saarbrücken mittlerweile eine Vielzahl von Mitbewerbern gegenseitig das Leben schwer macht, bremst seine Begeisterung zunehmend. Selbstverständlich hatte auch ihn die Pandemie ausgebremst, doch ganz aktuell plant er bereits an acht Terminen mit der Band Foreigner und hat schon wieder drei eigene Riesenkonzerte in der Durchführung – mit Eric Clapton, Dua Lipa und den Red Hot Chilli Peppers. Und mit den DJ-Größen unserer Tage hat er unlängst auch schon seine Erfahrung gemacht.

„David Guetta hab‘ ich mal nach Belgrad vermittelt, noch gar nicht so lange her. Eine Viertel Million Euro für drei Stunden laut Vertrag. Nach zwei Stunden und ein bisschen meint der zu mir: „So, noch fünf Minuten.“. Ich gucke ihn verwundert an und sage: „Aber im Vertrag hatten wir doch drei Stunden ausgemacht?“ Darauf er: „Meine Stunde hat nur 45 Minuten.“ Ich direkt zum örtlichen Veranstalter und habe dem das erzählt. Der wiederum zu mir: „Sag ihm, wenn er jetzt aufhört, brechen wir ihm beide Beine und beide Arme und darüber beschweren kann er sich dann auch nicht, weil auch sein Kiefer gebrochen wird.“ Das habe ich Guetta ausgerichtet und er hat drei volle Stunden plus zehn Minuten Zugabe gespielt.“

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„Die Original „Lucille“ ist ein Geschenk von Blueslegende B.B. King und Dragan wird sie nie hergeben, auch wenn Sammler aus Fernost sechsstellige Angebote machen“

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Francis Prymerski

Einer der profiliertesten Konzertfotographen Europas

„Dragan ist einer meiner besten Freunde! Wir teilen viele Erinnerungen und Anekdoten, die sich während zahlloser Konzerte, Festivals und Tourneen angesammelt haben. Es sind diese Begegnungen, die wir nicht vergessen können, die Teil unseres Schicksals sind. Mit einem Freund wie Dragan an meiner Seite scheint in dieser Unterhaltungsindustrie kein Weg zu lang zu sein. Danke Dragan, dass du mein Freund bist! „Alte Freundschaft fürchtet keinen Rost“ (französisches Sprichwort).“

Jörn „das Freak“ Dreßler

Saarlands bekanntester Radio- und Musik-Freak

„Dragan Nikitovic, ich kenne keinen bekloppteren Musikfreak, im positiven Sinn. Von Dragan könnte der Satz stammen: „Geht nicht – Gibt es nicht!“ Ich liebe all diese verrückten Geschichten aus dem Leben des Dragan, als Frank Zappa von Dragans Mama bekocht wurde, der brennende Berg, ZZ Top und Gary Moore in Saarbrücken… Das wäre ein echt guter Stoff für einen Film!“

Jörn Mundanjohl

L!VE Konzert & Co Ressortleiter

„Wenn ich an Dragan denke, muss ich immer an ein Gespräch mit dem legendären US-Promotor Barrie Marshall im Umfeld eines Paul McCartney Konzertes in Zürich denken. Barrie Marshall fragte mich: „Aus welcher Stadt kommst du?“. Mit der Antwort „Saarbrücken, Saarland“ konnte er nicht viel anfangen konnte, bis ich erklärte „Saarbrücken, that’s the city where Dragan from Joybringer Concerts lives!“ und er freudig strahlend entgegnete „Oh yes, Dragan! All my best wishes to him and the beautiful city of Saarbrücken!“ Alles Gute zu Deinem 70. Geburtstag, Dragan!“

Anke Rehlinger

„Älter werden ist gut, weniger werden dagegen ist doof“

Die Landtagswahl im Saarland geht in die heiße Phase. Genau der richtige Zeitpunkt die Saar-SPD-Vorsitzende Anke Rehlinger zu den Inhalten ihres Wahlprogramms und über queerpolitische Themen zu befragen. Unser Autor Marc Kirch hat die aussichtsreichste Kandidatin auf den Job des nächsten Ministerpräsidenten in ihrer Saarbrücker Parteizentrale getroffen. Das vollständige Video-Interview gibt es hier:

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MK: Frau Rehlinger, Sie sind jüngst von Ihrer Partei auf Bundesebene mit überwältigender Mehrheit zur stellvertretenden Parteichefin gewählt worden. Im Ampelkoalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sind konkrete Punkte definiert, welche Gleichberechtigung von LSBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen) in unserer Gesellschaft fördern sollen. Was sind denn die Hauptziele in dieser Legislaturperiode? 
AR: In der Tat hat sich die Fortschrittskoalition auch gesellschaftlichen Fortschritt auf die Fahnen geschrieben. Diese Punkte waren in den Koalitionsverhandlungen auch mit am einfachsten auszuverhandeln, was sehr schön ist. Denn viele diesbezügliche Erfolge der Vergangenheit, wie z.B. „die Ehe für alle“ waren ja hart erkämpfte Punkte mit dem damaligen Koalitionspartner. Jetzt geht das hier offensichtlich in besserer Übereinstimmung. So finde ich ist das Selbstbestimmungsrecht ist ein ganz wichtiger Punkt, auch die Frage wie wir Lebenspartnerschaften und Verantwortungsgemeinschaften definieren. Das ist ein Punkt mit dem der Bundesjustizminister sehr früh an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ich glaube alles sind Punkte, die mit dazu beitragen, dass die rechtliche Situation nicht länger einer gesellschaftlichen Situation hinterherläuft. Dafür finde ich ist es jetzt allerdings höchste Zeit und dafür gibt es jetzt gute Signale. 

MK: Die von Ihnen erwähnte sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung durch Erweiterung Artikel 3 des Grundgesetzes ist ja jüngst, nicht zuletzt durch die Enthaltung des Saarlandes bei der diesbezüglichen Abstimmung, auf Bundesebene gescheitert. Können Sie der LGBTQ-Community denn heute einen Ausblick geben, wie lange das voraussichtlich noch dauern wird, bis da ein Erfolg zu erwarten ist? 
AR: Na ja, in der Tat habe ich es bedauert, dass wir uns als Saarland enthalten mussten. Ich hätte dem Antrag bei der letzten Abstimmung bereits sehr gerne zugestimmt. Den exakten Zeitplan muss ich jedoch leider schuldig bleiben. Es gibt momentan noch kein veröffentlichtes Arbeitsprogramm. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass das einer der frühen Punkte ist, die man aufgreift. Es gibt eine große Einigkeit innerhalb der Koalition. So wichtig und so groß der Schritt auch ist, den man damit geht und die Aussage die damit verbunden ist, so rechtlich kompliziert scheint es mir nicht zu sein. Deshalb könnte man es jetzt auch relativ früh anpacken! Also ich wäre auf jeden Fall gerne dabei. 

MK: Weiterer Punkt ist das Blutspendeverbot für homosexuelle Männer. Die jüngste Verbesserung, dass homosexuelle Männer nun nur 4 Monate enthaltsam leben müssen, wohingegen es vorher noch nachweislich mindestens 12 Monate sein mussten, ist „nur„ eine „Aufweichung“. Den Umstand der diesbezüglichen „institutionalisierten Diskriminierung“ homosexueller Männer schafft diese „Verbesserung“ jedoch nicht ab. Ist das auch ein Punkt, den wir als lösbar im Rahmen der aktuellen Ampelkoalition erwarten dürfen? 
AR: Ich glaube der Punkt muss lösbar sein, denn ich finde das ist ein Unding! Ich war gerade bei der Blutspende und habe auch dafür geworben, dass das viele andere auch tun. Dann muss man ja immer diesen Zettel ausfüllen bezüglich der Verwendung und der diesbezüglichen Zustimmung. Dann stehen dort die Gründe, in welchen Fällen das gespendete Blut nicht verwendet werden darf und weshalb man dann „nein“ sagen soll. Ich schaue da jedes Mal völlig erschüttert auf diesen Zettel und denke mir immer: ´Mein Gott, das ist einfach Diskriminierung pur!´Deshalb, ich finde: ´je schneller desto besser! Ich hoffe dass wir das jetzt wirklich gelöst bekommen. Diese Regelung ist einfach von vor vor vorgestern – und selbst da war es nie aktuell und angemessen! 

MK: Gibt es denn schon weitere im Ampelkoalitionsvertrag verankerte Punkte, die schon jetzt Auswirkungen auf die saarländische Landespolitik haben, welche die Förderung von Gleichberechtigung zum Inhalt haben und welche die Ent-Diskriminierung von LSBTI betrifft? 
AR: Meines Erachtens durchaus die Frage, wie wir jetzt mit dem Thema von Verantwortungsgemeinschaften umgehen. Das hat nochmals unmittelbare Rückwirkungen. Wichtig ist aber auch, dass wir als Land nicht nur nach Berlin schauen. Ganz viel wird ganz grundsätzlich dort geregelt, das stimmt wohl. Ganz viel haben wir aber auch selbst in der Hand. Wir haben das jetzt erlebt mit dem saarländischen Landesaktionsplan, der endlich gekommen ist. Wie ich glaube ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Man hätte ihn etwas früher gehen können, das tut jedoch der Qualität dieses Schritts zunächst einmal keinen Abbruch. Jetzt gehts darum, was wird davon konkret, wie schnell und wie beherzt angegangen. Auch wesentlich: „was kann man als saarländische Landesregierung noch darüber hinaus tun, in einer nächsten Legislaturperiode?“ Ich persönlich finde, dass die Bekämpfung von trans- und homophober Gewalt ein weiterer wichtiger Punkt ist! Das beginnt bereits bei der Sichtbarmachung, dass diese in einer relevanten Größenordnung existieren. Das gelingt einem natürlich am besten, wenn man diese begangenen Straftaten tatsächlich auch in einer Kriminalstatistik ausweist und damit gleichzeitig auch Gefahren aufzeigt. Darüber hinaus sollte dafür eine Anlaufstelle geschaffen werden, möglicherweise bei der Polizei. 

MK: In der Polizeigewerkschaft bzw. der Landespolizei einiger anderer Bundesländer gibt es bereits LGBTIQ-Beauftagte. Auf bundespolitischer Ebene ist Sven Lehmann von den Grünen in ein neu geschaffenes Amt des offiziellen „Queer-Beauftragten der Bundesregierung“ berufen worden. Wenn wir nach der bevorstehenden Landtagswahl als neuen Ministerpräsidentin des Saarlandes beglückwünschen dürfen, wären dann auch solche Ämter einer bzw. eines Queerbeauftragten auf Landesebene und/oder bei der Polizei konkret geplant? 
AR: Darüber kann man auf jeden Fall reden. Wenn man deren/dessen Aufgaben beschreibt, gilt es zu klären und wo diese/r angesiedelt sein sollte, damit sie/er auch angesprochen wird/werden von Betroffenen. Das ist denke ich ein sehr sensibler Punkt. Denn nur durch die konkrete Ansprache und Benennung von Fällen, können diese einer Lösung zugeführt werden und man kann ggf. auch dort wo die Dinge nicht in Ordnung sind ein Schlaglicht darauf werfen. Dadurch erreichen wir auch die erhoffte Sichtbarkeit dieser Delikte. Das ist sicherlich ein Punkt der in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden kann. 

MK: Der von Ihnen angesprochene saarländische Landesaktionsplan „Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identität akzeptieren – gegen Homo- und Transfeindlichkeit“ definiert konkrete Handlungen und Maßnahmen in allen Lebensbereichen, um diskriminierungs- und gewaltfreie Lebensbedingungen zu schaffen und die Akzeptanz von Vielfalt mit allen Kräften ministerienübergreifend zu fördern.    Wie sehen Sie die Relevanz dieses Landesaktionsplans, wenn der aktuelle Ampelkoalitionsvertrag der Bundesregierung bereits viele dieser Punkte übergeordnet regelt? Wird dieser deshalb obsolet oder für das Saarland sogar noch wichtiger? 
AR: Ich finde der Rechtsrahmen ist immer das eine, aber wie der Name schon sagt: Ein „LandesAKTIONsplan“ sollte ja bestenfalls dann auch zu AKTIONEN führen, in einem dann besseren Rechtsrahmen. In einem Rechtsrahmen der ausgeweitet ist, der präziser ist, der den Anliegen mehr Rechnung trägt. Insofern finde ich erst recht, dass dieser Landesaktionsplan eine gute Arbeitsgrundlage dafür bietet, zu definieren was denn jetzt der jeweils nächste Schritt ist, wie wir diesen angehen und was wo dazu erledigt werden muss. Insofern finde ich, wenn uns rechtlich mehr Möglichkeiten gegeben werden, wird der Landesaktionsplan für mich umso wichtiger. So gilt es ihn auch zu aktualisieren und fortzuschreiben. 

MK: Sie kandidieren als SPD-Spitzenkandidatin Ihrer Partei bei der am 27. März bevorstehenden Landtagswahl. Wenn Sie zur nächsten Ministerpräsidentin des Saarlandes gewählt werden, was sind dann ihre Hauptanliegen und was liegt ihnen dann am meisten am Herzen? 
AR: Bezüglich unserer heutigen Kernthemen wie wir mit Gleichberechtigung und mit Selbstbestimmung umgehen, ist es mir ein absolutes Kernanliegen dafür zu sorgen, dass es hier bei uns im Saarland ein dafür förderliches Klima gibt. Klimaschutz wird ja momentan in einem völlig anderen Zusammenhang diskutiert. Ich finde ein gutes Klima in einem Land zu haben, heißt nicht nur auf die CO2-Werte zu blicken, sondern auch auf die Fragen des Miteinanders, des Respekts, des zwischenmenschlichen Umgangs. Da kann man natürlich auch auf die Frage, wie man Dinge miteinander bespricht, wie man in der Öffentlichkeit über bestimmte Fragestellungen redet, dazu beitragen dass sich das Thema positiv entwickelt. Ich bin sehr dafür, dass wir einen respektvollen und toleranten Umgang miteinander pflegen. Das ist immer auch eine Aufgabe die von der Spitze genau so wahrgenommen werden muss. Dies ist mir ein sehr wichtiges Anliegen. Gleichzeitig sage ich: Der gute Umgang miteinander ist das eine. Frei sein von existenziellen Ängsten und Nöten ist das andere -völlig unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlecht oder Herkunft, spielt das für alle gleichermaßen ebenfalls eine wichtige Rolle. Deshalb ist für mich auch die Frage von Arbeitsplätzen für unser Land Kernthema. Meine Kernanliegen sind der Erhalt von bestehenden Arbeitsplätzen, das Schaffen neuer Arbeitsplätze in einer extrem herausfordernden Zeit. Das würde ich gerne, so wie ich es als Wirtschaftsministerin bereits getan habe, dann als Ministerpräsidentin zur Chefinnensache machen. Ich finde wir sollten im Saarland da auch gar nicht ambitionslos sein und uns wirklich etwas zutrauen. 400.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, das sollte ein Punkt sein, den wir uns ambitioniert vornehmen! Trotz aller Schwierigkeiten oder vielleicht gerade angesichts der bestehenden Herausforderungen, die uns die Möglichkeit geben die Dinge nochmal neu zu gestalteten und dabei neue Kräfte zu entfalten. Das ist mir ein sehr wichtiger Punkt, zusammen mit der Fragestellung: „Wie kann Klimaschutz dazu beitragen, dass wir neue Geschäftsmodelle entwickeln und dabei neue zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem Land entstehen?“. Das wird uns auch nur gelingen, wenn wir neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und gewinnen, die mit den neuen Technologien umgehen können. Folglich sind Weiterbildung und Qualifizierung wichtige Themen. Bereits angefangen beim Beginn der Bildungskette in Kitas und Schulen, gilt es Investitionen in Bildung als wirkliche Zukunftsinvestitionen in unser Land zu verstehen. Das sind alles ein paar wenige, aber sehr bedeutsame Punkte, von denen ich denke dass wir dort richtig rangehen müssen! 

MK: Wenn wir bei diesen wesentlichen Punkten nochmals die Brücke zum Landesaktionsplan schlagen. In ihrer aktuellen Position als Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr haben sie die diesbezüglichen Handlungsfelder und Maßnahemen des Landesaktionsplans federführend mit gestaltet. Welche Rolle und Relevanz kommt denn der Förderung von Vielfalt und gleichberechtigender Akzeptanz für LGBTQ zu, bei den von ihnen genannten Schwerpunktthemen Arbeitsplätze und Bildung?  
AR: Ganz klar: Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens! Das ist jetzt auch nicht nur nett daher gesagt. Sondern das ist mittlerweile auch anhand zahlreicher Studien und Statistiken handfest nachgewiesen: Unternehmen die vielfältig aufgestellt sind, die sich offen zeigen – gegenüber Familien traditioneller Art, gegenüber LSBTIQ, gegenüber Migration etc., gegenüber allem was Vielfalt ausmacht – diese Unternehmen sind schlicht und ergreifend erfolgreicher. Weil es anscheinend ein gutes Miteinander gibt, eine gute Kooperation gibt. Wenn es einen respektvollen Umgang miteinander gibt, dann ist das ein Ort an dem man sich wohlfühlt, an dem es auch um Kreativität geht. Also kein Ort an dem die Motivation leidet, weil man ausgegrenzt wird. Sondern im Gegenteil, weil man sich als Teil eines erfolgreichen gemeinsamen Projekts versteht. In diesem Sinne geht es wirklich darum, den Unternehmen, die das vielleicht noch nicht verstehen und diese Chance für sich noch nicht erkannt haben, diesen Weg aufzuzeigen und dafür zu werben. Man kann innere Haltung schlecht verordnen, insofern geht es dabei um überzeugen, lenken und leiten sowie das Fördern dieser Selbsterkenntnis was die jeweilige Unternehmensführung auch angeht. Das halte ich für eine ganz ganz wichtige Aufgabe, gerade für ein Bundesland, das die Herausforderung einer negativen demokratischen Entwicklung hat. Wir werden im Saarland leider weniger und wir werden älter. Älter werden ist gut, weniger werden hingegen ist doof. Wir müssen also dafür sorgen, dass die jungen Leute hier bleiben, dass sie gar nicht erst weggehen, weil sie sich hier wohlfühlen. Gleichzeitig sollten andere ein Blick auf dieses Land haben und erkennen welch schöner Ort das hier ist und spüren dass sie hier willkommen sind. Direkt neben „willkommen“ liegt dann auch „will bleiben“. Das hilft dann auch unserem Wirtschaftsstandort Saarland. Und das fällt hier auch auf einen fruchtbaren Boden, denn Saarländerinnen und Saarländer sind zumindest nach meiner Einschätzung bodenständig und gleichzeitig weltoffen. Das wird uns auch so zugeschrieben und hat sicher mit unserer Geschichte und unserer geografischen Lage zu tun. Daraus können wir gemeinsam etwas machen! Denn wir erleben es ja auch gerade in anderen Bundesländern, die gerade in diesen Fragen mit einem Negativimage kämpfen. Ich prophezeie, dass diese Länder auch wirtschaftlich abgehängt werden! Ich möchte natürlich solche Grundhaltungsfragen und Fragen des Respekts sowie der Würde des Menschen nicht wirtschaftlich taxieren, wenn es allerdings gleichzeitig zusätzliche Argumente dafür sind, dann ist es legitim diese auch dafür anzuwenden. 

MK: Dafür gibt es auch Förderprogramme, die dieses von Ihnen angesprochene unternehmerische Bewusstsein dafür auch schärfen sollen und eine solche Unternehmenskultur – bei Bedarf auch wandelnd – harmonisch zu integrieren. Welche Fördermöglichkeiten sind das? 

AR: Ja in der Tat gibt es über saaris (saarland.innovation&standort e.V.) bestimmte Beratungsprogramme bei denen es auch darum geht Fachkräftesicherung in Unternehmen zu betreiben und zu überprüfen, wie bin aufgestellt, was heißt das für das Thema Gesundheit in meinem Unternehmen, Gesundheit am Arbeitsplatz, Familienfreundlichkeit, Diversity und wie viel Vielfalt lasse ich tatsächlich zu? Da ist das also einer der wesentlichen Punkte unter der großen Überschrift „Arbeitgeberattraktivität als Schlüssel zur Fachkräftesicherung“. Hier wollen wir aktiv unterstützen und beraten. Dazu einfach auf den Webseiten des Wirtschaftsministeriums oder bei saaris vorbeischauen und sich über die aktuellen Hinweise und Möglichkeiten informieren. 

MK: Im Kontext der bereits angesprochenen Themen Wertschätzung und Respekt in Unternehmen und in unserer Gesellschaft, sind auch so genannte „Schutzräume“ für LGBTQ ein damit eng verwobenes Thema. Diese „Schutzräume“ sind ein vom LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland) und der Community selbst oft angesprochenes Thema in Corona-Zeiten. Die große Sorge ist es, dass es durch die Pandemie-bedingte wirtschaftlich sehr herausfordernde Lage, die letzten saarländischen Schutzräume – wie zum Beispiel das History, der Einraum 2.0 oder die Finally-Party – diese Zeit nicht überstehen werden. Die große Sorge ist es, dass diese letzten noch vorhandenen Schutzräume dauerhaft schließen müssen. Gibt es hier mit Ausblick auf die kommende Legislaturperiode Möglichkeiten diese „Schutzräume“ zu „schützen“ bzw. deren Erhalt zu unterstützen? 
AR: Wir haben natürlich allgemein die Situation, dass Corona sehr sehr viele belastet, insbesondere die Gastronomie und die Veranstaltungswirtschaft. Wir versuchen hier grundsätzlich den Branchen generell so gut es geht zu helfen. So greifen in diesen genannten Fällen natürlich die allgemeinen Unterstützungselemente, die wir zur Verfügung stellen. Ich verstehe die in dem genannten Zusammenhang die besondere Problematik und Relevanz, dass der Erhalt dieser noch wenigen vorhandenen „Schutzräume“ für die Community besonders wichtig ist. Hier müssen wir vielleicht auch gar nicht die letzte Legislaturperiode abwarten, denn die Probleme sind ja bereits jetzt schon da. Ich biete dafür deshalb schon jetzt sehr gerne das konkrete Hilfs- und Unterstützungsangebot an, mit allen die einen solchen LGBTQ-Schutzraum betreiben und erhalten möchten, zusammenzukommen und gemeinsam nochmal drüberzuschauen, ob alle Hilfen bereits beantragt sowie ausgeschöpft sind und was wir ggf. noch tun können, um einen dauerhaftes Fortbestehen zu gewährleisten. Wenn das gewünscht ist, machen wir da eine Runde mit allen Betreibern bzw. Veranstaltern von LGBTQ-Schutzräumen. So etwas ist im Saarland immer schnell und gut möglich, dafür stehe ich sehr gerne zur Verfügung. 

MK: Vielen Dank für dieses konkrete Angebot. Sehr können sich die Betroffenen auch bei uns zum Stichwort „L!VE Magazin Perspektivwechsel“ melden. Wir koordinieren dann sehr gerne diese gemeinsame Runde. 

Gesicht des Monats: Andreas Laubenthal

Der Diplom-Designer Andreas Laubenthal aus Nohfelden ist gleich aus doppeltem Grund unser „Gesicht des Monats“. Zum einen war der engagierte Läufer schon vor 25 Jahren Ideengeber, und gemeinsam mit dem damaligen saarländischen Landeslaufwart Erwin Schütz, Realisator des ersten „Saarländischen Zwei-Seen-Panorama-Erlebnislauf“ in der Achse Bostalsee und Nonnweiler Talsperre. Zum anderen ärgert er auch noch heute seine frühere Entscheidung, die Veranstaltung nach den sehr erfolgreichen, ersten Veranstaltungen auf kommunaler Ebene belassen zu habe. Denn der Erlebnislauf hatte das Potential, sich in ein überregional bedeutendes Ausdauersport-Event zu entwickeln. Ausgestattet mit namhaften Sponsorenzusagen hätte er sich leicht als bedeutendes Saar-Event auch überregional positionieren können. Stattdessen wurde die ursprünglich zweitägige Großveranstaltung an die Nachbargemeinde Nonnweiler weitergegeben, die sie bis heute als kleineres, lokales Breitensportereignis weiterführt. Die jetzige Erkenntnis, dass sowohl eine einmalige Chance verpasst wurde, zeigt nicht nur seine Fähigkeit, eigenes Handeln kritisch zu hinterfragen, sondern auch das über Jahrzehnte andauernde Interesse und Engagement fürs Gemeinwohl und Breitensport an der Saar. Beides Dinge von denen wir mehr gebrauchen könnten!

Mein Lieblingsding: Der Garten

Ein Stück weit kann der Corona-Frust auch ganz besonders positive Folgen haben. Zumindest für Roman Körner aus Nonnweiler. Der 46jährige nutzte die Zeit, um den heimischen Garten in einen echten Hingucker-Park zu verwandeln. Mit tatkräftiger Unterstützung seines Mannes erschuf er in weniger als einem Jahr  sein absolutes Lieblingsding: Einen traumhaften Garten. Der Personaler und Buchhalter erklärt: „Seitdem ist der Garten mein Ort zum Ankommen, Wohlfühlen, Kraft tanken, Entspannen, Ruhe und Frieden finden und Energie speichern.“ Sein Schmuckstück erstreckt sich in der aktuellen Ausbaustufe über gut 400 Quadratmeter und der nicht eben kleine Teich fasst satte 20.000 Liter. Abschließend meint er mit einem Augenzwinkern „So einen sollte jeder haben, denn es tut einfach saumäßig gut!“

Unvergängliche Antiquitäten & guter Zweck

In Saarbrücken befindet sich direkt am Fuße des Halbergs das Geschäft „Brockenhaus Antiquitäten“. Vom alten Bauernschrank bis hin zum Blechblasinstrument, Lampen, Tische, Stühle, Kommoden, Schrank, Sofa, die Liste ist beinahe endlos und so vielfältig wie die Stilrichtungen. Hier findet sich wirklich immer was für jeden Geschmack und alle denkbaren Anlässe. Darüber hinaus wird noch mehr geboten, denn das Antiquitätenhaus verkauft nicht nur die schönsten Stücke, sondern verwendet einen Teil des Erlöses für wohltätige Zwecke, indem es Kinderheime in der Region und das Bertha-Bruch-Tierheim unterstützt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag von 10.00 bis 17.00 Uhr.

Brockenhaus Antiquitäten – Am Halberg 1, 66121 Saarbrücken, Tel: 0681-842798

Money, Money, Money …

Hallo Mikrokosmonauten: Geld allein ist auch eine Lösung

Pünktlich am 1.1.2022 um 0 Uhr 1 sprach ich es laut aus: „Dieses Jahr werde ich reich!“ Es waren die ganzen Umstände, die mich das sagen ließen auf diesem riesigen Balkon mitten im Münchner Zentrum, mit Blick auf Rathaus, Frauenkirche und Löwenturm. Ich hatte das komplette Wochenende in einer Stadt verbracht, in der Reichtum etwas völlig Normales zu sein scheint und wo sich Deutschlands Elite tummelt. Eine Stadt, die zum Leben immer teurer wird, die Lebensqualität jedoch enorm nach oben treibt. Es schien mir sogar, dass die Luft klarer und frischer ist, als die im Saarland. Und der Himmel erst! Ein sattes Blau mit weißen Wölkchen, wie Farbtupfer in einem Gemälde. Je länger ich durch Münchens Straßen wandelte, desto mehr wurde ich zu München und irgendwann war mir so, als hätte ich nie woanders gelebt. Als gäbe es die heimatliche saarländische Provinz nicht. Sie war ja auch so fern!

Ihr könnt jetzt denken, was ihr wollt, aber für mich steht seither eines ganz klar im Fokus: Liebe, Freiheit, Gesundheit sind ja schön und gut, aber ohne Geld bist du in dieser Welt einfach am Arsch! Verzeiht mir, aber es wäre Augenwischerei, euch zu erzählen, dass Luft und Liebe eure Versicherungen bezahlen. Es mag Menschen unter uns geben, die felsenfest davon überzeugt sind, dass es mehr gibt, als Geld und dass man reich ist, wenn man liebt, geliebt wird, gesund ist und Freunde hat. Aber sei es drum: Diese Leute wissen tief in ihrem Innern, dass es ungemein beruhigend ist, wenn das Konto prall gefüllt ist. Die Frage, die ich mir hier jedoch stelle ist:

Wie werde ich möglichst schnell reich?

Im Optimalfall natürlich mit möglichst wenig Aufwand. Im Grunde kann ich nämlich nichts, was mir zum Reichtum verhelfen könnte. Obwohl, ich kann andere zum Lachen bringen. Also habe ich Humor. Aber lässt sich mit Humor viel Geld verdienen? Ich glaube nicht. Ich bin auch ein bisschen kreativ. Also ich kann zumindest unheimlich gut Geschichten erfinden. Erfinden möchte ich demnächst auch ein Mandarinen-Schälgerät. Mir fehlen nur noch Leute, die so ein Ding kaufen würden. Ich bin allerdings unsicher, ob die bei „Die Höhle der Löwen“ mir ein Angebot machen würden. Ich fürchte nicht.

Wenn ich bei „Google“ die Frage „Wie werde ich reich?“ eintippe, erscheinen mir so allerhand Tipps. Langfristig denken, Kosten reduzieren und Finanzen nicht dem Zufall überlassen. Mir wurde dann bewusst, dass ich de facto kein Kapital besitze, um es nicht dem Zufall zu überlassen. Schlechte Ausgangssituation. Da stehen auch solche Sachen wie „Kosten reduzieren“. Wie soll denn das gehen? Ich bin kein Mensch, wenn ich nichts kaufen darf. Richtig lebendig fühle ich mich nur in einem gut gefüllten begehbaren Kleiderschrank. Und gäbe es ebensolche Kühlschränke, wäre mein Glück perfekt. Und getreu dem Motto: „Konto leer, Schrank voll“ friste ich also mein Dasein als anonyme Kaufsüchtige. Aber ich investiere in mich selbst und das führt bekanntlich auch zu finanziellem Erfolg. Also irgendwann. Eventuell. Vielleicht.  

Es muss aber doch irgendwas anderes geben, um an zu Geld zu kommen. Irgendwas fernab von harter Arbeit oder messerscharfem Verstand. Lotto vielleicht. Es schadet zwar nicht, aber außer Ausgaben hat mir das bis jetzt nichts eingebracht. Wobei, doch! 12,50 Euro. Kurz vor Weihnachten. Und ich hatte nicht damit gerechnet. Ich fühlte mich kurzzeitig wie Krösus und überlegte kurz, in welchen Noten ich mir den Betrag auszahlen lassen soll. Letztendlich dämmerte es mir, dass ich über Zwanzig Euro für den Lottoschein bezahlt hatte und somit Verlust gemacht hatte.

Mehrere Standbeine aufbauen

Um reich zu werden, reicht es also nicht, einfach nur dazusitzen und Lotto zu spielen. Ich muss augenscheinlich zu einem Tausendsassa mutieren, um meine Chancen auf Ruhm zu erhöhen. Job & Kolumnen texten reichen also nicht mehr aus. Ich habe es mit Schreiben versucht. Also ein richtiges Buch. Ich bin immer noch dran und es macht auch Spaß, aber da ich wirklich sehr ungeduldig bin, könnte das Buch bestenfalls ja schon längst fertig geschrieben und gedruckt sein und auf der Spiegel-Bestseller-Liste stehen. Zusammen mit meinem Praktikant kann man mich seit kurzem auch buchen. Wir sind zwar frei von Talent, aber als volksnahe Idioten hat man uns gerne an seiner Seite. Und so haben wir uns gedacht, dass wir als musikalisches, künstlerisches oder generell bespaßendes Duo zu Ruhm und Ehre gelangen könnten.

Aber wie ich es auch drehe und wende: Richtig erfolgsversprechend erscheint mir nichts von alldem. Ich mag aber ungern in die illegalen Abgründe abdriften, als Bankräuber, Drogenboss oder gar Auftragsmörder arbeiten, um die große Kohle zu machen.  Wobei mich das bestimmt ungemein interessant machen würde. Wer kann schon von sich behaupten, mit einer Drogenboss liiert zu sein? Und Stoff für mein Buch brächte dieses Leben allemal. Ich könnte natürlich auch reich erben. Das müsste aber bedeuten, dass niemand aus meinem näheren Umfeld sterben darf, weil ich die alle mag. Vielleicht ein entfernter Urgroßonkel aus Tasmanien oder so. Aber am Ende komme ich immer an den gleichen Punkt. Das alles sind Hirngespinste der allerfeinsten Art.

Machen wir uns mal nichts vor: Wenn wir nicht gerade zur rechten Zeit am rechten Ort sind, Glück haben oder einfach ein außerordentliches Talent besitzen, wird das mit dem reich werden wohl vorerst nichts. Was bleibt, ist die Tatsache, dass wir sparen, sparen, sparen müssen und gleichzeitig arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ein gefühlt nicht endender Alptraum. Für mich jedenfalls. Und damit nicht genug. Grundregel des Reichtums ganz profan gesehen: Je weniger man von seinem Nettoeinkommen ausgibt, umso größer ist das verbleibende Vermögen. Na toll. Das klingt ja fast so, wie eine von Mister Miyagis Weisheiten und ist ähnlich schwer umsetzbar. „Wer Fliege fangen mit Stäbchen, der vollbringen alles.“.

Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich empfinde Sparen als entsetzlich. Mag ja sein, dass es nie zu spät ist, ein paar Kröten zur Seite zu legen oder anzulegen, allerdings gehöre ich zu den Menschen, die bereits jetzt schon aus den Vollen schöpfen möchten und nicht erst, wenn ich alt und grau bin. Ich hätte gerne jetzt die Millionen und nicht erst dann, wenn ich Väterchen Tod gegenüberstehe. Und ihr wisst ja: Das letzte Hemd hat keine Taschen mehr.

Am Ende ist es doch so: Wie Carrie Bradshaw schon sagte: „Ich mag mein Geld am liebsten dort, wo ich es sehen kann – hängend in meinem Kleiderschrank.“. Obendrein sehe ich mein Geld aber auch gerne in meinen Reisen, meinen Vergnügungen und in meinen Abenteuern davon schwimmen. Also zumindest das Geld, das ich immer wieder zusammenkratzen kann und jedes Mal staune, dass es gereicht hat.

Ein weiser Spruch lautet: „Verfolge die Vision, nicht das Geld. Das Geld wird dir folgen.“. Ich darf also die Hoffnung nicht aufgeben, dass dieses Mandarinenschälgerät irgendwann mein Triumph werden wird. Also eventuell. Vielleicht.

Hauptsache was mit Mode

Wie kommt eine „Germany’s Next Topmodel“ Gewinnerin nach Saarbrücken? Weil das Saarland in Sachen Mode einfach mehr zu bieten hat, als man denkt. Neben talentierten Modemachern und Fotografen, von denen wir ja schon einige in unserem Magazin vorgestellt haben, gibt es hier auch außergewöhnliche Models und Stylisten. Der Saarbrücker Oliver M. Fall vereinbart gleich beide Jobs in einer Person.  Da haben wir gerne mal genauer hingeschaut.

Seit gute Nachrichten Mangelware sind, macht es besonders viel Spaß, auch mal von etwas Positivem zu berichtigen, das nicht auf einen Corona-Infekt hindeutet. Besonders, wenn es um einen gewissen Oliver M. Fall geht. Der Mann, der noch nicht wirklich entschieden hat, ob er nun Art Director, Model, Fashion-Stylist oder Personal Shopper ist, wuchs in Saarbrücken auf und will auf jeden Fall etwas mit Mode machen. So vielfältig wie seine Talente sind auch seine Wurzeln. Sein Vater ist Moslem und kommt aus dem Senegal. Seine Mutter stammt aus Israel. Er selbst sieht sich daher – wenig verwunderlich – aus Mix aus einem Mix. Das erklärt vielleicht seine vielfältigen Talente.

L!VE: Bei Dir wird es ja schon bei der Frage nach dem Beruf etwas tricky?

Oliver M. Fall: „Es geht, eigentlich bin ich bin gelernter Kaufmann im Einzelhandel, habe aber die letzten gut 18 Jahre fast alles querbeet in der Modebranche gemacht. Angefangen als normale Aushilfe in der Boutique für 5,80 Euro ohne Mindestlohn damals, weil ich einfach, was starten wollte, bis hin zum Bezirksleiter und Visual Merchandise, wenn es ums Kreative ging. Aktuell bin ich stellvertretender Storemanager bei einem bekannten Filialisten. Im „Zweitberuf“ versuche ich als Stylist und Multitalent im Bereich Fashion weiter durchzustarten, zum Beispiel bei Fotoshootings mit „Germanys Next Topmodel“ 2018 Gewinnerin Toni oder auch überregional bekannten Fotografen wie Sabrina Kleinas, die ich bei ihren Shootings supporte.“

L!VE: Der Job im Einzelhandel ist also quasi „nur“ die sichere Basis, was in Pandemiezeiten ja sicher nicht das Schlechteste ist?

O.M.F.: „Ja, klar. Die Branche ist im Moment schon sehr unsicher. Hat man Aufträge, hat man Geld, aber das ist in der Coronazeit nichts, worauf man sich alleine verlassen kann. Im Handel hingegen, kommt es zwar drauf an, wie gut die Onlineshops des jeweiligen Unternehmens etabliert sind. Ich habe bis vor Kurzem noch für Bershka gearbeitet, die ja wie z.B. Zara zu Inditex gehören und muss sagen, die haben sich wirklich sehr schnell mit der Corona-Situation arrangiert. Statt Homeoffice haben wir zu Beginn der Pandemie die Online-Sendungen im geschlossenen Store fertig gemacht. Als es wieder losging, war dann aber auch der Laden ganz schnell wieder für den „normalen“ Kunden hergerichtet, weil die Ware ja schon vor Ort war. Mann muss schon erkennen, dass vor der Pandemie der Online-Anteil des Geschäfts bei 15 bis 20 Prozent lag, während wir uns mittlerweile trotz wieder geöffneter Läden bei knapp 50 Prozent bewegen. Das wirkt sich natürlich auch auf den „klassischen“ Verkauf vor Ort an sich aus und sorgt schon hier und da für etwas bangen.“

Egal welcher Style, bei Mode blühe ich auf!

L!VE: Auf deinem Insta-Account findet sich neben Model, Art Director und Stylist auch noch der Eintrag „Personal Shopper. Wie funktioniert das denn?

O.M.F.: „Das war tatsächlich so, dass mich immer wieder Leute gefragt haben, was sie tragen sollen oder was sie wie kombinieren könnten. Stellenweise läuft das dann genauso ab, wie man es mitunter bei den entsprechenden Sendungen und Serien im TV sieht. Das heißt, ich gucke zuerst mal was denjenigen überhaupt als Person beschreibt, dann natürlich auch nach Lieblingsfarben und -Silhouetten. Gibt es Vorbilder, was den Look angeht, in was wird sich am wohlsten gefühlt? Auf diesen Key-Items baue ich dann auf und beginne damit, den Kleiderschrank komplett neu zu organisieren, erstmal ohne shoppen zu gehen. Aus dem Vorhandenen baue ich dann Outfits, die als Grundlage dienen. Dann allerdings geht’s an Shoppen mit sorgfältiger Beratung und Begleitung. Denn dabei muss man aufpassen, dass man Items kauft, die einem stehen, den eigenen Look ausbauen, die man auch wirklich trägt und man nicht nur mit irgendwelchen exotischen Sachen nach Hause kommt, die dann aber nur ewig im Schrank hängen und schließlich auf Vinted oder anderen Portalen verkauft oder getauscht werden.“

L!VE: Und dafür gibt es einen Markt an der Saar?

O.M.F.: „Ich biete das ja nicht nur hier im Saarland an. Das fing damit an, dass Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis mich fragten, ob ich nicht mal vorbeikommen könnte und schon war ich in Mannheim oder Frankfurt. Und wenn die Kunden zufrieden sind, wechseln auch schon mal dreistellige Beträge den Besitzer. Diese Dienstleistung ist halt immer noch eine Marktlücke und tatsächlich baue ich meinen Kundenkreis immer weiter aus. Wenn es hier überhaupt jemand gibt, der sich in irgendeiner Form mit dem Thema beschäftigt, dann sind das die typischen Influencer oder Blogger. Die posten dann Hunderte von Fotos, die dann zwar von sehr vielen Menschen gesehen oder geliket werden, aber die geben halt nicht wirklich Tipps, wie man erfolgreich einen Look kreiert. Tolle gestylte Outfits sind dank Instagram und Co. allgegenwärtig. Die Leute vergleichen und messen sich immer mehr damit, erkennen aber im gleichen Augenblick, dass sie das selber nicht hinkriegen.“

L!VE: Aber sollte das nicht Sache des Einzelhandels sein?

O.M.F.: Ich denke, da gibt es einen untersorgten Bedarf, denn eigentlich war es noch nie so einfach sich gut anzuziehen und zu stylen wie heutzutage. Aber ohne richtige Beratung, die es eben im Einzelhandel ja kaum noch gibt, fühlen sich viele Leute echt überfordert. Hinzu kommt, dass das Personal inzwischen allerdings auch so ausgedünnt ist, dass die schnell, schnell von einem Kunden zum nächsten springen müssen. Da bleibt dann oft auch keine Zeit für Beratung und bei den Kunden entsteht dann der Eindruck, dass sei auch nicht erwünscht und die trauen sich dann deswegen nicht in den Läden zu fragen. Das Resultat ist dann wie gesagt, dass eine 1:1 Beratung nicht mehr stattfindet. Genau in dieser Bresche springe ich dann und biete echten Service.

L!VE: Zurück zum Anfang. Ursprünglich bist Du ja mal als Model gestartet, wie kam es dann zum Art-Director und Stylisten mit Shootings in Paris zum Beispiel?

O.M.F.: „Das fing schon zu meiner Schulzeit an. Immer mehr Leute sagten, ich solle es unbedingt mal mit dem Modeln versuchen. Das habe ich dann auch gemacht, damals noch etwas holprig. Ich wurde hier halt immer in so eine androgyne Schiene gedrängt, also war schnell klar, ich musste hinaus in die große weite Welt. Dennoch blieb es so, dass ich auf einen bestimmten Typ festgelegt wurde, was für die Commercial Schiene nicht wirklich zuträglich war. Zeitgleich war es aber auch so, dass es bei dem Merchandising, also die neue Ware immer kreativ zusammenzustellen und stimmig im Lokal und Schaufenster als Marketingtool zu präsentieren, was ich nach meiner Ausbildung ja als erstes intensiv betrieben habe, mehr und mehr das Gefühl hatte, ständig das Rad neu erfinden zu müssen. Da dachte ich mir, wenn man immer wieder Schaufensterpuppen anzieht oder eine Kollektion neu aufbaut, dass könnte ich auch mit Models machen. Das wollte ich dann probieren und so ergab sich eine erste Zusammenarbeit mit einer befreundeten Fotografin, nach dem Motto: gemeinsam sind wir stark. Sie hatte als Französin immer schon gute Verbindungen nach Paris und dann dort immer mehr Shootings gemacht. Schließlich war auch ich dann jedes Wochenende in Paris. Während ich in Saarbrücken immer ein bisschen untergegangen war, hat es dort dann funktioniert.“

Germany‘s Next Topmodel“ in Saarbrücken

L!VE: Und wie kam es zu der Zusammenarbeit mit „Germanys next Topmodel“ Gewinnerin Toni?

O.M.F.: „Ich bin schon seit der ersten Staffel riesengroßer GNTM-Fan und feiere die Show jeden Donnerstag. 2018 war meine Favoritin von der ersten Sendung an ganz klar Toni. Meiner Freundin Sabrina ging das genauso, nur meinte sie dann noch: die will ich shooten! Ich hab‘ dann noch versucht das zu relativieren, weil ich mit nicht vorstellen konnte, dass sie, wenn sie wirklich gewinnt, so einfach zu buchen wäre. Immerhin kannten wir sie weder persönlich noch ihre Agentur. Tatsächlich hat mich meine Freundin dann kurz nachdem Toni gewonnen hatte, angerufen und mich mit der Nachricht überrascht, dass wir sie schon in zwei Wochen shooten könnten. Da musste ich dann ganz schnell die Outfits für sie zusammen bekommen, damit wir ein Storyboard zusammensetzen können, damit die Agentur entscheiden konnte, schicken wir sie dahin oder eben nicht. Das war natürlich ein Riesendruck. Aber zack, war sie dann irgendwann tatsächlich da. Das war natürlich auch ein Stück weit surreal, immerhin hatten wir sie monatelang im Fernsehen verfolgt und ewig mitgefiebert, dass sie gewinnt. Da stand sie also vor mir und ich musste sie stylen. Das war für mich ein Riesending, auch wenn die Location, eine Abraumhalde bei Fischbach war.“

L!VE: Gibt es schon neue Projekte über die Du schon was verraten kannst?

O.M.F.: „Tatsächlich bin ich gerade dabei mich ein bisschen mehr in Richtung Selbstständigkeit zu fokussieren. Ich spiele immer mehr mit dem Gedanken den Leerstand auch in besten Lagen in der City für mich und den Namen, den ich mir draußen in der Welt geschaffen habe, zu nutzen mit einem Projekt, dass es so hier vorher noch nicht gab. Was die Lage angeht, könnte ich mir am besten den St. Johanner Markt vorstellen. Einfach weil da auch eher noch die Klientel unterwegs ist, die sagt, okay ich nehme jetzt für einen gute Beratung auch Geld in die Hand. Aber ich möchte nicht zu viel verraten und bleibe bin in der Hinsicht am liebsten ein Überraschungsei. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich viel mehr Kreative hier vor Ort engagieren müssten. Und man sollte in der Region schon ein bisschen besser zusammenhalten, bzw. zusammenarbeiten, zum Nutzen aller.“

L!VE: Du gehörst also nicht zu denen, die Saarbrücken bei der ersten Gelegenheit schreiend verlassen, sondern siehst Dein Engagement auch künftig hier?

O.M.F.: „Ich finde Saarbrücken hat immer noch richtig viel Potential und finde es schade, wenn viele junge Leute sagen, sie müssten hier unbedingt weg. Klar, auch ich bin gerne in Berlin, in Barcelona oder Paris unterwegs, aber für mich ist es einfach so, dass ich sage: warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah liegt? Ich finde Saarbrücken hat sehr viel zu bieten und dazu noch die Nähe zu Luxemburg und Frankreich. In diesem Dreiländereck könnte noch viel mehr entstehen, wenn manche Leute sich mehr Mühe machen würden, statt immer nur den einfachsten und bequemsten Weg zu gehen. Vielleicht wäre manches in Berlin oder sonst wo einfacher, aber wie schon meine Mutter zu sagen pflegt: Schiffe sind nicht gebaut, um nur im sicheren Hafen zu liegen. Also wenn ich was Neues mache, dann gehe ich da All-In, ganz oder gar nicht! Lieber sitze ich mit 80 da und sage, oops, scheiße gelaufen damals, aber ich habe es wenigsten probiert.“

Fast furios

Während heutzutage schon derjenige als Draufgänger gilt, der sich nicht nach jedem Essen die Zähne putzt, seinen leeren Joghurtbecher ungespült in die gelben Tonne wirft oder die FFP2-Maske nicht täglich wechselt, gab es früher noch richtige Gesetzlose, die das wirkliche Abenteuer suchten. An ihrer Seite nicht mehr als ein treues Pferd, ein Säckchen Gold und ein Revolver. Nur eine kleine, um die Welt verstreute Gruppe Menschen hat sich diese Freiheit bis heute bewahrt. Sie wissen nicht, wohin ihr Schicksal sie führen und welche Aufgabe ihre nächste sein wird. Sie sind die Outlaws unserer Zeit und leben auf der Straße, wo jeder sie fürchtet. Sie sind Taxifahrer…

Taxifahrer sind die Cowboys unserer Städte. Ihr treues Pferd ist ein Mercedes Diesel, ihr Säckchen Gold ein Beutel Wechselgeld und ihr Revolver ein Elektroschocker in der Türablage. Sie sind die Wildwesthelden von heute. Sie leben aus, wovon andere träumen: Unabhängigkeit, Ungebundenheit und Fahren auf der Busspur. Keine Ampel ist ihnen zu rot, keine Lücke zu eng, kein Auffahren zu dicht. Nur Taxifahrer wagen es, den Verkehrsregeln vor den Augen der Polizei zu trotzen und sich Straßenbahnen in den Weg zu stellen. Taxi bedeutet Vorfahrt. Hand an der Hupe, Fuß auf dem Gas, das ist ihr Leben. Dazu ihr Ehrenkodex: Keine Zeit verschenken und erst recht keinen Euro…

Völlig zu Unrecht werden Taxifahrer von vielen als arbeitslose Lehrer oder Langzeitstudenten abgestempelt und ihnen nachgesagt, sie seien raubeinige Straßenrassisten mit Lederjacke und Ellbogen im geöffneten Seitenfenster, die Worte wie Deo und Freundlichkeit nur aus dem Kreuzworträtselbuch auf dem Armaturenbrett kennen. Ja, viele Taxifahrer schnallen sich nicht an und biegen ab, ohne zu blinken. Ja, die meisten Taxifahrer kümmern Geschwindigkeitsbegrenzungen wenig. Ja, Taxifahrer nutzen ihren Mittelfinger zum Grüßen anderer Verkehrsteilnehmer. Alles richtig, aber das Leben auf der Straße ist eben nicht, wie es einem in der Fahrschule vorgegaukelt wird…

Ein Leben als Taxifahrer ist ein Leben auf der Überholspur. An manchen Tagen hat man dabei mehr nach Alkohol stinkende Typen bei sich drinnen als eine gut besuchte Prostituierte. Hier wie dort geht es um schnelles Geld und darum, rasch zum Ziel und danach an den nächsten Kunden zu kommen. Die Konversation beschränkt sich derweil nur auf das Notwendigste. Man sollte sich über Taxifahrer jedoch nicht beschweren, sondern stattdessen diesen Helden des Alltags lieber Tribut zollen. Da sie Tag für Tag rund um die Uhr auf Abruf zu Diensten stehen, um uns nach dem Verlust von Muttersprache und Gleichgewicht von der Kneipe sicher zu unserem eigenen Auto zu fahren…

Man muss kein Uber-Flieger sein, um als Taxifahrer Erfolg zu haben, jedoch wissen, wo die eigenen Grenzen sind und wann man an den Bahngleisen dem heraneilenden Schnellzug den Vorrang lässt. Der Kunde ist im Taxi König, zumindest so lange er nicht auf den Rücksitz kotzt und Trinkgeld zahlt. Was Taxifahrer auszeichnet, ist mehr als ihr Wissen, was auf der Titelseite der aktuellen Bildzeitung steht, und die Kenntnis, wo die besten Strapsibars der Stadt sind. Es ist vor allem ihre Gelassenheit, wenn sie tiefenentspannt mit 80 Sachen durch verkehrsberuhigte Zonen cruisen und Rentner mit Rollatoren mittels Lichthupe dazu anspornen, schneller zur Seite zu gehen…

Es ist schon erstaunlich, wie Taxifahrer es schaffen, ihre elfenbeinfarbenen Boliden mit einer Hand am Lenkrad und der anderen Hand im Schritt durch spielende Kinder zu manövrieren, ohne dabei freie Kindergartenplätze zu schaffen. Der Fahrgast im vollklimatisierten Fond der Limousine bekommt derweil vom Gekreische heraneilender Waldorfkindergarten-Mütter nichts mit und genießt das Gefühl der Geborgenheit, das ihm Seitenaufprallschutz und Airbags vermitteln. Nie fühlte man sich sicherer in einem Auto, das eine knappe Million Kilometer auf dem Tacho hat und von jemandem gefahren wird, der im Monat mehr Punkte in Flensburg sammelt als man selbst in einem Jahr im Supermarkt…

Taxifahrer, das ist eine Mischung aus Psychologen und Psychopaten. Wie keine andere Berufsgruppe des Personenbeförderungsgewerbes verstehen sie es, aus einer einfachen Stadtfahrt eine Reise per Anhalter durch die Galaxis zu machen. In einer Viertelstunde prasseln auf den Fahrgast Eindrücke nieder, die sich außerhalb des Taxenkosmos nur in Jahren der Kriegsgefangenschaft ansammeln. Anders als Busfahrer oder Polizisten, die einen sonst heim bringen, baut sich zwischen Taxifahrer und Fahrgast in wenigen Minuten ein Verhältnis auf, das jeden Fahrgast dazu bewegt, seine Probleme jemand Wildfremdem anzuvertrauen, dem er sonst nicht einmal freiwillig die Uhrzeit sagen würde…

Eine Taxifahrt bleibt meist unvergesslich. Ob nun wegen des Kettenrauchers hinter dem Steuer, der beim Einsteigen des Gastes auf das Rauchen-Verboten-Schild am Handschuhfach deutet, oder wegen der Fahrtroute, die an das Einkreisen von Wild bei der Treibjagd erinnert. Aber wer will schon morgens um vier den kürzesten Weg nach Hause, wenn er für ein paar Euro mehr einen pittoresken Ausflug durch die schönsten Gewerbegebiete der Umgebung bekommt? Dank moderner Computer kann man verlässlich das Wetter der nächsten drei Wochen voraussagen, jedoch nicht die Fahrtroute eines Taxis in den nächsten drei Minuten. Ideal für Menschen mit Verfolgungswahn…

Wie bei einem Blinddate weiß man auch bei einer Taxifahrt vorher nie, was einen erwartet. Die Zahl unterschiedlicher Taxis ist so groß wie die Zahl unterschiedlicher Routen zum gleichen Ziel. Vom akkuraten deutschen Taxi mit gehäkelten Sitzüberzügen, das am liebsten rechts abbiegt, bis hin zum fahrenden indischen Gemischtwarenladen mit eigenem E-Bay-Shop ist alles möglich. Wartet am Steuer nun ein Osteuropäer mit dem mimiklosen Gesicht eines Profikillers, der seinen Auftrag ohne Fragen erledigt, oder doch ein Südländer, der wasserfallartig von seiner Großfamilie berichtet und Fotos zeigt, auf denen alle seine Verwandten unabhängig vom Geschlecht einen Bart tragen…

Vielleicht erwischt man aber auch ein heimisches Urgestein, das seit 50 Jahren „Kraftdroschke“ fährt und es schafft, in fünf Minuten sein gesamtes Lebens zu erzählen. Wobei er ohne Redepause den Spagat zwischen Wetter, Politik, Exfrau und seiner Vorliebe für thailändische Prostituierte schafft und nicht hinter dem Zaun hält, dass die Pandemie längst vorbei wäre, wenn jeder tun würde, was er sagt. Besonders beeindruckend sind auch Taxifahrer, die selbst keine zehn Worte Deutsch sprechen, es aber schaffen, den Röchellauten ihrer sturzbetrunkenen Fahrgäste das gewünschte Fahrziel richtig zu entnehmen. Dies bestätigt dann wohl, dass sich jede Sprache nach zwölf Bier gleich anhört…

Wer selten Taxi fährt, dem sei Folgendes als Tipp mit auf den Weg gegeben: 1.) Man ist kein Rassist, wenn man ein weißes Taxi mit ausgestrecktem Arm anhält. 2.) Die vermeintliche Stoppuhr, die vorne im Taxi mitläuft, zeigt nicht den Jackpot der nächsten Lotto-Ziehung an, sondern den Fahrpreis, der schneller steigt als die Zahl der Corona-Neuinfektionen. 3.) Stets in den letzten Wagen am Taxistand einsteigen und nie in eine der Taxen davor, die schon seit Stunden auf Kundschaft warten. – Wer nach der Fahrt zufrieden war, sollte 19,90 Euro ruhig mal gerade sein lassen und sich großzügig mit einem Zwanziger bedanken. Taxifahrer zu sein, ist: Fast furios… gruenetomaten@live-magazin.de

Patrik Wolf

P.S. Gegen den Typen am Taxifunk spricht René Mariks Maulwurf perfektes Deutsch.