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Mel´s Mikrokosmos

Let me entertain you

Hallo Mikrokosmonauten: Warum bin ich so fröhlich?

Heute Nacht hatte ich einen schlimmen Traum. Ich träumte von der Hochzeit meines längst verflossenen Ex-Freundes, und dass mich seine Angetraute doch tatsächlich ins Entertainment-Programm der Party eingeplant hatte. Ich sollte mit einer speziellen Tanzeinlage das Publikum belustigen und dabei ein Ganzkörperkostüm tragen, das aussah, wie eine Mischung aus Alf und einem Braunbären. Im Traum war ich so wütend, weil ich nicht fassen konnte, was sich diese Person erlaubt. Gleichzeitig war ich den Tränen nahe und konnte gerade noch mit letzter Mühe Nina Queer anrufen, weil ich das Gefühl hatte, dass nur sie mir weiterhelfen kann. Sie bemitleidete mich zwar, aber appellierte auch an mich und mein angebliches Talent. Sie nannte mich „Schätzchen“ und „Scheinwerferhure“ und betonte die ganze Zeit, das würde alles bestimmt total lustig werden. Ich war völlig fertig. Zumal dann auch noch meine Mutter im Traum auftauchte und meinte, ich solle mich doch glücklich schätzen, dass ich auf der Hochzeit meines Ex-Freundes noch eine Rolle spielen würde. Das wäre schließlich nicht selbstverständlich. Ich erwachte emotional sehr aufgewühlt. Ich tastete im Halbdunkel nach meinem Freund und schlug ihm versehentlich mit der Hand ins Gesicht. Ja, ich war verwirrt, verdammt! Und darüber hinaus war ich auch sehr enttäuscht. Denn selbst in meinen Träumen bin ich eine Witzfigur.

Das meine ich auch gar nicht verächtlich, wenngleich ich mir in meinem Leben nie zu schade war, mich selbst zu verunglimpfen. Aber ich halte ja schon ein bisschen was von mir und kann demnach mit Fug und Recht sagen, dass ich auch ein bisschen Stolz verspüre, wenn ich Menschen dazu bringen kann, über mich zu lachen. Sie lachen mich ja immerhin nicht aus. Oder doch? Hundertprozentig sicher bin ich mir da offen gestanden nicht.

Bin ich wirklich ein Clown oder einfach nur anders?

Kurt Cobain sagte einst: „Ihr lacht über mich, weil ich anders bin. Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid!“. Anders. So fühle ich mich oft. Das geht sogar so weit, dass ich jahrelang in einen Mann verliebt war, der Anders heißt. Er war genauso anders wie ich, deshalb hat es nicht funktioniert. Mein Leben ist nun mal nicht auf Normalität ausgelegt. Oder besser gesagt: Konventionalität. Ich habe mir das nicht ausgesucht. Es ist einfach so. Was ich mir auch nicht ausgesucht habe ist, dass ich immer und überall der Garant für gute Stimmung zu sein scheine. Wahrscheinlich habe ich instinktiv ein Gespür dafür, wer gerade einen Lacher vertragen kann. Ich wollte nie so sein, aber habe im Laufe der Jahre offensichtlich die Rolle des Pausenclowns übernommen. Immer und überall. Auch wenn ich einen schlechten Tag habe. Es ist wie Fluch und Segen zugleich. Am besten bin ich immer sau lustig, damit alles in Ordnung ist. Aber so einfach ist das nicht. Es ist, wie bei diesen Comedians. Man könnte sich im Traum nicht vorstellen, dass diese Menschen auch eine ernste Seite haben. Als Ilka Bessin aka „Cindy aus Marzahn“ ihr alter Ego damals ablegte, fragte sich jeder, wer diese doch eher scheue Frau überhaupt ist? Frei machen wollte sie sich womöglich von dem  Druck, immer und überall die Witzfigur sein zu müssen und quasi in der Pflicht zu stehen, immerzu albern zu sein. Wer hat hier einen Clown bestellt? Ich fühle mit ihr! Erscheine ich morgens im Büro mit ernster Miene, wird gleich gemunkelt, ich hätte einen schlechten Tag und wäre mies drauf. Dabei bin ich vermutlich gerade nur müde oder in Gedanken. Das liegt einfach daran, dass ich meine Mitmenschen jahrelang mit meinem Humor verwöhnt habe und sie nichts anderes von mir erwarten. Dass ich eine sehr tiefgründige, nachdenkliche Art habe, wird einfach außer Acht gelassen. Man geht schlichtweg nicht davon aus, dass ich überhaupt denke. Ich bin Pausenclown, Zeitvertreib, Büro-Animateur und Phrasenschwinger. Zu jeder Zeit. Jeden Tag. Das ganze Jahr hindurch. Es ist ja auch nicht so, dass es mir keinen Spaß machen würde, andere zum Lachen zu bringen und Alleinunterhalter zu spielen. Grenzwertig wird es nur, wer von mir nichts anderes mehr erwartet oder einfach kein Verständnis für andere Launen meinerseits hat.

So lustig bin ich gar nicht

Ist so. Und ich möchte endlich ernst genommen werden. Denn ich kann ernst. Ganz bestimmt. Ich frage mich nur so oft, wie das denn dauerhaft funktionieren soll. Dann kam ich drauf: Ich rede zu oft schlecht über mich selbst und über andere. Ein Debakel! Wie oft ertappe ich mich dabei, wie ich denke: „Ich Trottel habe den Schlüssel vergessen.“ Oder „Ich Idiot hätte da mal lieber anders handeln sollen!“ Gott sei Dank habe ich mein Mundwerk bereits so gut unter Kontrolle, dass ich es nicht laut ausspreche. Meistens. Okay, hin und wieder. Na gut, eigentlich kaum. Ich platze eigentlich fast immer unverzüglich mit den dummen Dingen heraus, die mir wieder passiert sind. Es ist wie ein Zwang. So ähnlich wie Tourette. Neulich ist mir beim Friseur was absolut Peinliches passiert und ich konnte diese Story meinen Arbeitskolleginnen einfach nicht vorenthalten. Beim Bezahlen wies mich der Chef des Ladens darauf hin, ich hätte da gerade etwas fallen lassen. Ich hatte ihn erst akustisch nicht verstanden, womöglich war ich gerade so in meinen Gedanken darüber, ob ich ihn jetzt attraktiv oder mütterlich süß finden soll. Er wiederholte seinen Satz: „Äh, ich glaube, Sie haben da was fallenlassen!“. Ich schaute unter mich und entdeckte einen Tampon zu meinen Füßen. Ich muss allerdings gestehen, dass in Zeiten von Werbung über Scheidenpilz und Blasenschwäche ein verlorener Tampon gewiss kein Grund zum Suizid ist. Anyway, die Geschichte sorgte – wie soll es anders sein – wieder mal für Lacher. Und es wäre auch nicht schlimm, wenn man mich dafür als „Trottel“ titulieren würde. Wieso auch nicht, ich tituliere mich ja selbst so. Wäre das nicht so, wäre die Hemmschwelle über und mit mir zu lachen sicherlich nicht so gering, aber irgendwie schaffe ich es einfach nicht, mich doch immer wieder selbst in charmanter und witziger Art zu verballhornen. Vielleicht habe ich auch einfach Angst, dass ich sonst nix kann?!

Ich darf mir nichts vormachen: Ein Ernst könnte einem Anders nie das Wasser reichen. Zumal ich noch nie jemanden kennengelernt habe, der Ernst heißt. Trotzdem versuchte ich in letzter Zeit des Öfteren eine ebensolche ernste Miene aufzusetzen. Die Reaktionen reichten bis jetzt von Unsicherheit bis Unverständnis. Und immerzu wurde gemunkelt, mit mir stimme etwas nicht. Sei es drum: Es ist wohl mein Schicksal, andere zu entertainen. Vielleicht liegt es mir einfach im Blut. Und dennoch habe ich eins gelernt: Ich bin gerade sehr bemüht, mich nicht mehr so oft negativ über mich selbst und vor allem über andere zu äußern. Selbst wenn es mir zustehen würde. Schlimm genug, wenn andere hinter meinem Rücken schlecht über mich sprechen. Laut Psychologie nimmt man nämlich Menschen, die sich mit dem „Virus des Schlechtmachens“ infiziert haben weniger ernst, weil sie sich und anderen gegenüber keinen Respekt eingestehen.

Am Ende ist es doch so: Ich mag es, andere zum Lachen zu bringen, schließlich ist mein Naturell eher fröhlich als griesgrämig. Eventuell würde ich mich auch wirklich auf der Hochzeit meines Ex-Freundes im Kostüm lächerlich machen. Es gibt Schlimmeres. Aber ich gestehe mir neuerdings Ruhepausen ein, ganz egal, was andere denken. Ich habe manchmal schlichtweg einfach keine Lust, witzig zu sein. Der englische Historiker Edward Gibbon sagte einst: „Die Stille ist eine große Kunst der Unterhaltung.“ In diesem Sinne bin ich dann wohl einfach mal ernst. Und ruhig.

 

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