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Mel´s Mikrokosmos

Licht, Kamera, Action

Hallo Mikrokosmonauten: Ich habe es mal wieder im TV versucht…

Vor ein paar Monaten kam ein neuer Praktikant in unsere Abteilung. Adrian. Schwul. Unterhaltsam. Lustig. Wir verstanden uns auf Anhieb ziemlich gut und merkten so ganz nebenbei, dass wir die anderen ständig zum Lachen brachten. In einer spontanen und überschwänglichen Ideen-Klüngelei an einem trüben Freitag-Nachmittag bewarben wir uns deshalb spontan bei einer Quiz-Show im TV. Außerdem hielten wir uns für schlau genug, um in einem solchen Format zu punkten. Eine totale Selbstüberschätzung.

Es kam, wie es kommen musste. Ein paar Wochen später klingelte das Telefon und eine Casting-Agentur war dran. Sie fänden uns als Team irgendwie lustig, weil wir so unterschiedlich wären. Schon alleine altersbedingt. Er 20. Ich jenseits der 30. Und so nahm alles seinen Lauf. Wenn man ins Fernsehen will – das muss man wissen – sollte man sich zuallererst mal klar machen, dass man fast ausschließlich mit Leuten zu tun hat, die mit dir sprechen, als wären sie deine Lieblingskollegen in einer Werbeagentur. Du wirst ständig mit deinem Vornamen angesprochen und alles wirkt immer unheimlich easy und positiv. Man muss wissen, dass es immer ein bisschen gestellter zugeht, als in anderen Branchen. Fernseh-Leute versuchen eben Authentizität zu vermitteln, sind aber eigentlich das genaue Gegenteil. Bis auf wenige Ausnahmen natürlich. Aber vielleicht übt es gerade deswegen einen gewissen Reiz aus.  Letztendlich entschied sich SAT1 tatsächlich für uns, weil wir im Casting wussten, dass Budapest die Hauptstadt von Ungarn ist und der Eiffelturm höher ist als der Kölner Dom.  Für den Sender waren wir somit also schon mal keine kompletten Hirnis. Darüber hinaus teilte uns der Sender mit, sie müssten uns jetzt nur noch ein passendes Gegner-Team suchen und wir fragten uns, ob es tatsächlich jemanden da draußen geben würde, der dümmer ist als wir. Wir zweifelten daran.

Und so saßen wir an einem tristen Dezembertag im Zug nach Nirgendwo. Oder besser gesagt: Nach Hamburg. Ins Studio 9. Es ging um Geld, aber am Ende tatsächlich auch um Wissen, Bildung und Intellekt. Von jemandem, der bei „Stärken“ im Bewerbungs-Fragebogen angegeben hatte, von fast jedem Promi das Sternzeichen zu kennen und unter “Was ich mag”: „In meiner Pinguin-Bettwäsche schlafen!“, kann man das eher nicht erwarten, oder? Uns wurde allmählich klar: Wir waren als das Team eingeladen, dass weniger durch Intellekt als mehr durch peinliche Aussetzer punkten sollte. Vielleicht wollte man die Einschaltquoten hochtreiben oder so.

Fernsehen ist in Wahrheit alles andere als glamourös. In einem kargen Raum mit zwei Stühlen und einem großen Schreibtisch aus 1987 unterzog man uns zuerst mal einem Corona-Schnelltest. Durch die Nase wohlgemerkt. Noch während dieses ekelhafte Stäbchen in meinem Hirn steckte, hörte ich von rechts jemanden raunen: „Ist halb so wild, Anna. Ich bin übrigens der Kai, euer Betreuer für heute.” Da war er wieder. Dieser Ton, der immer etwas “zu nett” klingt. Und dieser Elan, der immer etwas too much ist. Nachdem ich klargestellt hatte, dass ich Melanie heiße und feststellte, dass Kai tatsächlich okay ist, lernten wir unser Gegner-Team kennen. Kai flüsterte mir zu: „Die kommen gegen euch nicht an!“. Er musste das wohl sagen. In einem weiteren tristen Raum saßen wir der richtigen Anna und ihrem Ehemann Andy gegenüber. Ein typisches Ehepaar aus der Vorstadt. Sie Kommunikations-Coach. Er Berufssoldat. Eltern von Zwillingen („Jeder Tag ohne die Kinder ist für uns wie Urlaub!”). Ich konnte sie auf Anhieb nicht leiden. Nicht, weil sie unsere Gegner waren, sondern weil ich sofort wusste, dass sie definitiv schlauer waren als wir. Bestätigt wurde meine Annahme, als Adrian wissen wollte, wo deren Heimatort Krefeld denn liege? Ich wollte im Erdboden versinken. Ging aber nicht. Vor uns tänzelte eine Regie-Assistentin herum, um uns die Regeln des Spiels näher zu  bringen und Tipps zu geben. Ich muss gestehen, dass wir dann während der Show keinen einzigen ihrer Ratschläge umsetzten, weil das Hirn bei laufender Kamera, und wenn es um Geld geht tatsächlich Matsch ist. Ich hielt das bis dato für ein Gerücht. Danach scheuchte man uns in unsere Garderobe zurück. Ja, wir hatten eine Garderobe. Sogar eine, auf der unser Name an der Türe stand: „Anna und Adrian“. Noch ehe ich Einspruch erheben konnte, saß ich auch schon in der Maske und aus lauter Frust sagte ich dem hübschen Make-up-Mädel, sie solle mir alles ins Gesicht klatschen, was sie da hätte. „Na klar, Anna, machen wir!“. Adrian war begeistert: „Wow, siehst du gut aus! Wie ein Ladyboy!“. Na super. Jetzt konnte ja nichts mehr schief gehen. Egal, Hauptsache, ich sah nicht aus, wie Anna.

Die Generalprobe war niederschmetternd. Die Show, das muss ich kurz erklären, ist eine Quizshow, in der man auf einem großen LED-Fußboden Ringe auf Stellen legen muss, nach denen gefragt wird. Sobald der Ring auf der richtigen Stelle liegt, bekommt man einen bestimmten Betrag. Die Fragen werden von Runde zu Runde natürlich schwieriger und die Ringe kleiner. Aber die Summe natürlich höher. Wir scheiterten bereits an der Frage, in einem Weinregal eine fehlende Flasche zu markieren, während unsere Gegner es natürlich ganz vorbildlich auf die Reihe bekamen. Wie wahrscheinlich alles im Leben. Ich musste dringend aufs Klo. Um nochmal durchzuatmen. Ich durfte. Kai, unser Betreuer zeigte allerdings mit einem sau freundlichen, aber bestimmten Move auf seine Uhr. Auf dem Klo selbst fiel mir mein Mikro in die Schüssel und eine indische Putzfrau musste es mir wieder rausfischen. Ich war mit den Nerven am Ende. Zurück im Studio standen Adrian bereits die Schweißperlen auf der Stirn. Offiziell wegen der Scheinwerfer, aber ich glaubte ihm nicht. Dann ging es los.

In Wahrheit war es der peinlichste TV-Auftritt meines Lebens. Und ich habe mich beileibe schon oft zum Affen gemacht. Ich war Gast in Talk-Shows, drehte halbnackt in einer Sauna und wollte Wetterfee werden. Alles ohne Erfolg. Aber dass ich irgendwann einmal neben Steven Gätjen stehen, ihm falsche Sternzeichen von Promis nennen würde, während mein Team-Partner ihm erklärt, dass er neben Pinguin auch in Frozen-Bettwäsche schlafen, aber den zweiten Teil von Frozen noch nie gesehen hätte, setzt allem noch die Krone auf. Ganz nebenbei ging es dann ja auch noch um Geld und nachdem unser Gegner-Team schon bei 4.500 Euro war, weil es die ersten Fragen souverän richtig gelöst hatte, prangte hinter uns auf der Leinwand immer noch die fette Null! Es war unerträglich. Ich raunte Adrian zu, wir müssten die Nerven behalten. Ich versuchte außerdem, eine Verbindung zu meinem verstorbenen Opa aufzunehmen und zu Cäsbert, meinem verstorbenen Kater. Ich blickte an die Studio-Decke und schickte Stoßgebete nach oben, während Steven unser Gegner-Team gerade in einen Small-Talk über deren besondere Hobbys ausfragte. Andy: „Ich habe bei „Wetten, dass…“ mit einen Dart-Pfeil aus 50 Meter Entfernung in die Mitte getroffen.“ Steven: „Wirklich? Das ist ja erstaunlich!“. Anna: „Ja, mein Mann hat auch außerdem ein gefährliches Halbwissen. Wenn ich schlafe, liest er noch stundenlang!“. Ich verspürte einen leichten Brechreiz. Komischerweise passierten ab diesem Moment seltsame Dinge. Adrian und ich legten urplötzlich den Ring richtig. Zwar mit Hilfe eines Jokers, aber wir legten den Ring auf den Breitengrad in Deutschland, der durch Paris verläuft. Er befindet sich übrigens etwa bei München. Steven war nun gezwungen, sich wieder mit uns zu beschäftigen und wir erzählten, dass wir einen Teil unseres Gewinns querschnittsgelähmten Katzen spenden würden. Ich dachte dabei wieder an Opa, an Cäsbert und an eine dieser kleinen Kätzchen, die so lebenshungrig sind, obwohl sie ihre Hinterbeine nicht mehr bewegen können.

Am Ende ist es so: Wenn man um kosmische Hilfe bittet, kommt sie auch. Und wenn man nicht an diesen esoterischen Quatsch glaubt, sollte man wenigstens daran glauben, dass jeder irgendwann mal Glück hat. Unser Betreuer Kai sagte hinterher zu uns: „Seht ihr, ich hab doch gesagt, die anderen kommen gegen euch nicht an! Wollt ihr noch ein Bild mit Steven? Ach, ich sehe, der ist schon weg!“. Ich denke, er findet „Frozen“ scheiße und Sternzeichen auch.

Wer den peinlichsten TV-Auftritt meines Lebens sehen will: 25. Februar 2021, 19 Uhr, SAT1, „Five gold rings“.

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