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Homosexualität: Wo steht unsere Gesellschaft?

Ist Homosexualität in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen – endlich nach jahrzehntelangen Kämpfen um Gleichberechtigung? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten!

Einerseits erfolgt gerade die kritische Auseinandersetzung und Aufbereitung der Bundeswehr zur Historie des eigenen Umgangs mit Homosexualität – zweifelsfrei mit dem klar erkennbaren Ziel jene von institutioneller Diskriminierung Betroffene zu rehabilitieren. Dabei ist auch das authentische Ansinnen deutlich erkennbar, den Umgang mit Homosexualität im eigenen Hause zu reformieren und zu modernisieren. Andererseits ist es in unserer Gesellschaft offenkundig noch legitim, die persönliche Antihaltung zur „Ehe für Alle“ durch eine Gleichstellung von Homosexualität mit zurecht strafrechtlich verfolgten Handlungen (Inzest) und Polygamie zu argumentieren.

Gleichzeitig ist das Signal wiederum begrüßenswert,die LSU (Lesben und Schwulen in der Union) als eigenständige CDU/CSU-Parteiorganisation innerhalb der Unionsfamilie anzuerkennen. Denn diese Entscheidung suggeriert ganz klar die längst überfällige Besinnung auf die christlichen Werte.
Hin zur vollständigen Volkspartei, durch klare Abkehr blinder Gefolgschaft der Wertevorgaben einer kirchlichen Institution mit mittelalterlichen Dogmen und unreflektierten Glaubensriten. In diesem Kontext wird glücklicherweise auch die parteiübergreifende Diskussion und ernsthafte Forderung lauter, die Diskriminierung schwuler Männer durch das Blutspendeverbot abzuschaffen – endlich!

Denn aktuell dürfen schwule Männer kein Blut spenden, es sei denn sie leben nachweislich mindestens zwölf Monate enthaltsam. Hiermit wird unterstellt, homosexuelle Männer seien Krankheitsüberträger. Eine demütigende Ausgrenzung, die angesichts fehlender Blutkonserven nicht nachvollziehbar ist. Solche „Diskriminierungen“ nähren folglich auch den Boden für fanatische Religionsanhänger, die meinen, dass queere Menschen für die Ausbreitung des COVID 19-Virus verantwortlich seien.

Derartiger Unfug hat die polnische Regierung gleichwohl dazu bewogen, landesweit insgesamt 103 Gemeinden, Landkreise und so genannte Woiwodschaften zu „LGBT-freie Zonen“ zu erklären. Dieser Haltung schließen sich die eindeutig homophoben Positionierungen der amtierenden Präsidenten der mitunter größten Weltmächte USA und Russland nahtlos an.

Diese Beispiele und angedeuteten Wirkungsketten offenbaren: auch heutzutage sind wir in unserer Gesellschaft noch weit entfernt von einem gelebten Selbstverständnis von LGBTQ in allen Lebensbereichen. Dem widersprechen schlichtweg die erlebten Fakten. Auch im 21. Jahrhundert scheint es zur echten Gleichberechtigung von LGBTQ (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell/Transgender und Intersexuell) leider noch ein weiter Weg.

Ein Weg den es sich weiter zu gehen lohnt – nach jahrzehntelangen Kämpfen um Gleichberechtigung.
In Zeiten der Strafbarkeit war es insbesondere die Leistung vieler sehr mutiger, schriller Paradiesvögel, die sich gegen die damalige Strafbarkeit und Willkür gegen Homosexuelle zur Wehr setzten. Sie legten damit die Grundlage für unsere bereits erreichte Gleichberechtigung und Freiheit der heutigen Zeit, auch wenn damit viele schmerzvolle Opfer einhergingen.

Ganz klar…lange Zeit war es notwendig mit schrillen ausgelassenen Paraden zu zeigen „Wir sind da! Uns gibt es und ihr könnt unsere Existenz nicht leugnen! Wir feiern, dass wir anders sind. Wir stehen dazu und lassen uns nicht unterkriegen!“ In Zeiten des §175 StGB und offener Denunzierung war das alleinige Stattfinden einer Parade bereits wichtige Botschaft an sich.

Aber nimmt heute noch jemand diesen Hintergrund bzw. politischen Inhalte während der CSD-Demonstration wahr? Oder steht hier mittlerweile ausschließlich das ausgelassene Faschingstreiben im Vordergrund, das ausschließlich die Klischees befeuert, Schwule seien ausschließlich schrille tuntige Paradiesvögel, die gut feiern können und unisono Promiskuität zelebrieren?

Das wäre ebenso schade wie auch falsch! Ganz klar das gibt es. Das ist jedoch keinesfalls ein allgemeingültiges und stereotypes Verhaltensmuster oder Wesen eines schwulen Mannes. Genau so, wie auch nicht jede lesbische Frau LKW-Fahrerin ist. Bedauerlicherweise wird dieses falsche Bild von Homosexuellen auch noch durch die eigene „Szene“ oft befeuert, die Klischees demonstrativ – offenbar als Trotzreaktion oder Schutzschild gegen Ablehnung – überzeichnet zelebriert.

Oftmals ereknnt „die Szene“ nicht, dass sie sich mit diesem Verhalten selbst im Weg steht. Zum Beispiel bei dem eigenen Wunsch nach einer monogamen Liebesbeziehung in Form einer gelebten Partnerschaft, die offen ausgelebt wird.

Das ist heute möglich! Und genau diese Freiheit und Selbstverständlichkeit ist die Errungenschaft unserer Gesellschaft und aller Vorreiter, die eine solche Option zur Selbstverständlichkeit erkämpft haben. Bei aller Vielfalt gilt es, genau diese Selbstverständlichkeit jetzt einzufordern und sichtbar zu leben – ohne sich selbst oftmals diskreditierender Klischees unbewusst zu unterwerfen.

Der Grundstein dafür ist gelegt; heute genießt das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare in Form der „Ehe für alle“ die Akzeptanz und den Schutz des Staates – eine gesellschaftliche Errungenschaft, die in den mutigen Pionieren des Christopher Street Days ihren Anfang fand.

Also lasst uns für diese Werte der Selbstverständlichkeit, Freiheit und Gleichberechtigung einstehen und diese zelebrieren:

Bis ein Profifußballer auch während seiner Karriere selbstverständlich zu seinem Mann steht, und damit nicht mehr bis zur Beendigung seiner Laufbahn wartet – weil es noch immer der gesellschaftliche Druck von ihm fordert.

Bis nicht mehr ausschließlich Klischees befeuernde Hupfdohlenformate wie Prince Charming als Errungenschaft der Gleichberechtigung im deutschen Fernsehehen gelten, sondern einfach der nächste James Bond selbstverständlich schwul sein darf.

Bis homosexuelle Rapper selbstverständlich und öffentlich über ihre schwule bzw. lesbische Beziehung rappen, ohne Mobbing und Ausgrenzung aus dem Business zu befürchten.

Bis ein homosexuelles Paar selbstverständlich gemeinsam bei einem offiziellen Staatsempfang erscheint – ohne dass der gleichgeschlechtliche Partner die Öffentlichkeit meidet, weil es die Gesellschaft vermeintlich nicht akzeptiert.

Deshalb: Werdet nicht zum unbewussten Argumentationslieferanten für Spalter und Volksverhetzer, die Homosexualität noch immer kriminalisieren oder pathologisieren. Sondern macht euch selbst zum Anwalt und Kämpfer für die Selbstverständlichkeit von Homosexualität in allen Lebensbereichen unserer Gesellschaft! Lasst uns gemeinsam einstehen für integrative Selbstverständlichkeit, für Respekt und Wertschätzung von Vielfalt. Das sind die wahren Werte und Errungenschaften für neue Generationen!

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