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Rasen und Rasten

Wer in einem Unternehmen arbeitet, in dem es keine Gehaltserhöhungen für die Mitarbeiter, dafür aber einen Porsche für die Geschäftsführung gibt, muss den Euro zweimal umdrehen, bevor er ihn ausgeben kann. Das führt dazu, dass die eigene Unterwäsche mehr Löcher hat als ein Golfplatz und man den Gerichtsvollzieher öfter sieht als das eigene Spiegelbild. Im Alltag bedeutet das dann: Sparen, auch beim Essen. Verschimmeltes Obst wird nicht gleich weggeworfen, sondern als bio deklariert und frischer Salat durch das ersetzt, was zwischen den Fliesen auf dem Balkon wächst…

Die Zeiten sind vorbei, in denen es sich jemand ohne reiche Erbtante und mit Lohnsteuerklasse 1 leisten konnte, täglich etwas Warmes zu essen und nach jedem Toilettengang zu spülen. Wer beim Essen dennoch auf Qualität besteht und Klopapier nicht beidseitig benutzen möchte, hat heutzutage schnell einmal in einer Woche das Haushaltsgeld für das gesamte Quartal verbraucht. Während Besserverdiener genug Bares für einen Sportwagen vor der Garage haben, reicht es bei Normalverdienern oft nicht einmal für einen Einkaufswagen vor dem Supermarkt…

Die einen stecken demnach beim Autohändler in ihren Wagen alles das, was sie möchten, die anderen beim Einzelhändler in ihren Wagen nicht einmal alles das, was sie bräuchten. So bekommen die einen ihren Hals und die anderen ihren Magen nicht voll. Hummer hier, Hunger da! Viele Menschen aus der Mittelschicht überlegen inzwischen zurecht, ob sie ihr schwer verdientes Geld heute besser sparen, um sich morgen etwas leisten zu können, oder ob sie ihr Geld heute besser für etwas zu essen ausgeben, um morgen überhaupt noch zu erleben…

Nie war satt sein so teuer wie heute. Da ist es eigentlich ganz günstig, dass die Lebensmittelpreise allein schon den Appetit verderben. Wer hart arbeitet, sollte sich ab und an jedoch auch belohnen dürfen. Der eine leistet sich wegen der Öde im heimischen Schlafzimmer einen teuren Bordellbesuch, der andere wegen der Öde in der heimischen Küche lieber einen teuren Restaurantbesuch. Bei beiden muss es meist schnell gehen und sollte die Kleidung nicht versaut werden. Zudem hofft Mann danach, dass die Frau zuhause nicht kocht und man keine Probleme mit Pilzen bekommt…

Ich gehöre zu der Gruppe, die Blätterteigwürstchen dem Entblättern des Würstchens vorzieht. Ich mag scharfe asiatische Schenkel und Brüste lieber auf dem Serviersteller als auf dem Präsentierteller und finde Blasen vor Fremden nur bei heißen Suppen okay. Ja, ich esse gerne gut. Auch wenn mir bewusst ist, dass teurer Lachs auf dem Teller am Tag danach in der Schüssel nicht anders aussieht wie billiger Rollmops. Wenn schon nicht in Sachen Intelligenz, Sozialverhalten und Aussehen möchte ich mich als Homo sapiens zumindest in meinen Essgewohnheiten von Primaten unterscheiden…

Wer einmal hochpreisig schlemmen möchte, geht jedoch nicht in ein Feinschmeckerrestaurant. Um zu genießen, was man sich nicht alle Tage leisten kann, speist man adäquat in einer Autobahnraststätte. Wer der Meinung ist, der Italiener um der Ecke mache mit Nudeln Reibach, wird beim Besuch eines Rasthofimbisses erstaunt sein, welche Gewinnspanne wirklich in einfachsten Gerichten stecken kann. Das, was eine Familie dort in Currywurst, Pommes und Getränke investiert, reicht anderswo für eine Woche Urlaub. Und das, obwohl es statt Sterne hier von Michelin nur Straßenkarten gibt…

Essen an der Autobahn ist etwas, an das man sich noch lange erinnert. Und das nicht nur wegen der Magenprobleme. Goldgelbe Schnitzel, deren Preis sich nur rechtfertigen ließe, wenn diese wirklich aus Gold wären oder zumindest das aus ihnen triefende Fett von einer nahezu ausgestorbenen Walart stammen würde. Riesenbockwürste, die nach zwölf Stunden unter der Wärmelampe als Minirostbratwürstl verkauft werden und Suppen, in denen mehr Undefinierbares schwimmt als in einem Putzeimer. Mett statt Gourmet lautet hier die Devise…

Rechnet man den Preis für eine Portion Fritten aufs Kilo hoch, wird klar, dass man dafür einen ganzen Kartoffelacker samt Erntehelfer bekäme, die die Knollen schält. Wer dazu noch Ketchup möchte, sollte frühzeitig mit seiner Bank über einen Sofortkredit verhandeln. Mit was man wirklich Gewinn auf dem Weltmarkt macht, ist nicht etwa Erdöl aus dem Tank, sondern Salatsoße aus der Tanke. Das Nierengulasch aus der Imbisstheke dürfte kaum teurer sein, wenn man es statt mit Schweinenieren vom Großmarkt mit Menschennieren vom Schwarzmarkt zubereiten würde…

Der teuerste Kaffee der Welt ist nicht etwa der von Schleichkatzen verdaute Kaffee aus Indonesien, der frisch aufgebrüht wird, sondern stundenlang auf einer Heizplatte köchelnder Filterkaffee aus der Tankstelle. Teurer kann ein Heißgetränk selbst dann nicht sein, wenn es statt in Pappbechern in echtem Meißner Porzellan verkauft wird. Wenigstens gibt es Zucker kostenlos dazu. Wobei bei dem Becherpreis für einen Cappuccino in den kleinen weißen Tütchen statt Zucker durchaus auch Kokain sein könnte, ohne dass die Tanke beim Verkauf nennenswerten Verlust machen würde…

Die Zeiten des einfachen Autobahnbistros sind längst vorbei. Heutzutage firmiert man als Gourmet-Oase mit verkehrsgünstiger Lage. Aus dem Imbiss von früher ist der Werbung nach Erlebnisgastronomie von heute geworden. Wer sich schon einmal hungrig und ohne auf den Preis zu achten an der Salatbar eines Autohofs bedient hat, an der 100 Gramm Grünzeug mehr kosten als anderswo 100 Hektar Grünland, wird den Adrenalinschub an der Kasse beim Blick auf den Zahlbetrag sicher nie vergessen, der bei der Weiterfahrt länger wach hält als jeder Kaffee oder Energydrink…

Wer sparen möchte, stellt Sprudelwasser besser wieder zurück und trinkt Scheibenwaschwasser an der Zapfsäule. Raststättenpersonal hat es aber auch nicht einfach. Es erfordert Professionalität, rund um die Uhr zu jedem Kunden gleich unfreundlich zu sein. Schließlich will niemand Gäste durch gute Laune verunsichern. Sich je nach Schicht zwischen Toilettenputzen und Salatputzen umstellen und unterscheiden zu müssen, welches Öl nun zum Motor und welches zum Salat passt, bedarf Erfahrung. Auch wenn Verwechslungen dem Kunden geschmacklich kaum auffallen dürften…

Kunden, die nach dem Essen wider Erwarten Wider erwartet, können den Gaumenschmaus auch gleich vor Ort wieder loswerden. Vorausgesetzt sie haben 70 Cent Eintritt für den kostenpflichtigen Toiletten-Tempel. Falls nicht, bleibt nur die Möglichkeit, sich mit einem gekonnten Limbo-Tanz durch den ein Meter hohen kostenfreien Kloeingang für Kinder zu zwängen oder, wie die Hunde der anderen Gäste, seine Notdurft auf dem angeschlossenen Kinderspielplatz zu verrichten. Wem das nicht gefällt, sollte sich bewusst sein, dass das Leben kein Ponyhof ist. Und erst Recht kein Autohof…

Warum ich dennoch immer wieder an der Autobahn esse? Weil die Dosenravioli zuhause danach schmecken wie aus dem Sternelokal. Und weil ich den Blick der Toilettenfrau mag, wenn ich frage, ob sie ihr Trinkgeld von meiner Kreditkarte abbuchen kann. Ob das fair ist? Sanifair würde ich sagen. Rasen und Rasten… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Gibt es wirklich jemanden, der an Tankstellen diese Duftbäumchen kauft?

Gesicht des Monats: Daga Wozniak

Als die ungemein beliebte „Auberge Rouge“ in St. Arnual Ende letzten Jahres schließen musste, war die Enttäuschung bei den Gästen groß. Ganze neun Monate hatte sich Betreiberin Daga Wozniak seitdem nach einer neuen Wirkungsstätte umgesehen und eröffnete nun Mitte August – nach nur drei Wochen Zeit für die Renovierung – am Daarler Markt endlich ein neues Schmuckstück. „Der Geist der alten „Auberge“ ist schon komplett eingezogen, aber die Lokalität ist natürlich eine andere. Deswegen hört der Laden auch offiziell auf „Rouge im Pulvermüller“. Die neue Karte wird etwas kleiner, aber es werden sich – sobald die Küche komplett fertig ist – trotzdem viele Klassiker aus der „Auberge“ wiederfinden. „Wichtig ist mir, mich für die Unterstützung des ganzen Stadtteils zu bedanken, ohne  die wir nicht so schnell wieder hätte öffnen können. So haben beispielsweise Freunde und Stammgäste beim Streichen mit angepackt, Sebastian Becker vom Wirtshaus „Unter der Linde“ hat mit Mobiliar und vielen anderen wichtigen Dingen ausgeholfen und Kolin Schult, Filmemacher und Mitbegründer der „Auberge Rouge“, kümmert sich trotz der Arbeit an einem neuen Filmprojekt um die künstlerische Ausstattung und das Backoffice des „Rouge“. Ich freue mich darauf, meinem alten Team eine neue Wirkungsstätte zu bieten und künftig durch abwechslungsreiche Aktivitäten, gemeinsam mit unseren Nachbarn, den Daarler Markt noch ein Stückchen attraktiver zu machen.“, verrät unser Gesicht des Monats.

Hip und hyggelig

Wer wie ich während einer lauen Sommernacht in einem Zelt gezeugt wurde, wird sein Leben lang eine innere Verbundenheit zum Camping fühlen. Als ich das Licht der Welt erblickte, war es wie der Blick durch einen spaltweit geöffneten Zeltreißverschluss mit der Frage, wie nach der langen, feuchten und unbequemen Nacht das Wetter draußen wohl sein wird. Auch wenn heutzutage kaum jemand im Alltag mehr auf Elektrozahnbürste und Eiwürfelmaschine verzichten will, entschließen sich jedes Jahr Tausende aufs Neue dazu, den Sommerurlaub in Wohnwägen, Campingbussen und Zelten zwischen Saarland und Grönland zu verbringen. Ein karges Leben unter Fremden in Enge und provisorischen Unterkünften ohne fließend Wasser hat in Deutschland eben seit der 1930ern Tradition…

Für Jüngere war Camping bis vor Kurzem kaum noch vorstellbar. Was nicht fünf Sterne, All-Inclusive und Wellnessbereich aufweisen konnte, wurde einer Übernachtung in der Ausnüchterungszelle gleich gesetzt. Unter freiem Himmel übernachten musste Uropa damals in Stalingrad. Wohnwagen und Igluzelt, das waren die 1980er, in denen die eigenen Eltern dazu gezwungen waren, ihren Urlaub in der Eifel zu verbringen, da es Pauschalreisen in die Türkei noch nicht gab und Mallorca noch nicht entdeckt war. Dann kam plötzlich die Pandemie und auch die Generation unter Fünfzig auf die Idee, dass man Camping auch einmal ohne Musikfestival und Kotzen ausprobieren könnte, da es vielleicht ja ganz „hip“ und „hyggelig“ oder sogar irgendwie romantisch sein könnte…

Eine fatale Falschannahme, wie sich bei vielen Neucampern schon beim ersten Versuch herausstellt, das nagelneue Zelt aufzubauen. Statistisch gesehen trennen sich mehr Paare nach dem ersten Campingurlaub als nach dem ersten Seitensprung. Camping hat für diejenigen, die es erst seit Corona für sich entdeckt haben, einen vielfach unterschätzten, jedoch entscheidenden Nachteil gegenüber dem bisherigen Hotelurlaub: Die Natur. Dort warten nämlich nicht nur malerische Campingplätze, herrliche Panoramen und traumhaftes Wetter, wie es Outdoor- und Campingzeitschriften, Internet-Blogs und geschönte Erzählungen von Freunden glauben lassen, sondern vor allem auch lästige Stechmücken, schnarchende Zeltnachbarn und betrunkene Holländer…

Was jeder, der mit einem Einkaufswagen voller Campingkram an der Ladenkasse steht, wissen sollte: Mit Campen ist es wie mit Sport. Allein das Equipment zu besitzen, heißt nicht auch, es zu können, geschweige denn, es auch zu mögen. Camping bedeutet Luftmatratze statt Federkern, Schlafsack statt Satinbettwäsche und Taschenlampe statt Lichtschalter. Ohne Klimaanlage und festes Dach über dem Kopf ist man dem Wetter hilflos ausgeliefert und dem, was es aus der Frisur macht. Camping heißt keine ständig und überall verfügbare Steckdose für das Smartphone und Toilettenbesuche, die nicht die Verdauung, sondern die Verfügbarkeit einer freien Klokabine bestimmt. Und ja, Camping heißt auch Spinnen und lauwarmes Bier. Viele Spinnen und viel lauwarmes Bier…

Zeigt sich die modebewusste Frau von heute normalerweise nicht einmal ihrem Freund oder Mann ungeschminkt, wird beim Camping von ihr verlangt, dass sie morgens über den halben Zeltplatz bis zum Waschraum läuft, wie der Sandmann sie schuf. Gemeinsam mit einer Freundin auf Toilette ist okay, aber neben einer Fremden Zähne putzen ist gegen die Menschenwürde. Wie ein Huhn auf der Stange soll Sie zwischen unbekannten Frauen, die womöglich auch noch weniger Cellulite haben, vor einem schlecht beleuchteten Spiegel in ein paar Minuten Spachtelarbeiten an ihrem Gesicht verrichten, die zuhause schon einmal ein paar Stunden dauern können. Mund-Nasen-Bedeckungen haben da schon Vorteile. Vor allem, wenn man sie über das gesamte Gesicht zieht…

All-Inclusive bedeutet beim Camping, dass man sich um alles inklusive Essen und Abwasch selbst kümmern muss. Statt Pasta vom Buffet vom Ober heißt es Ravioli aus der Dose von Opa. Für Neucamper ist es schon eine Umstellung, dasselbe Handtuch mehrere Tage benutzen zu müssen, vor allem, wenn es nicht wie im Hotel jeden Morgen vom Zimmerservice zu einem Schwan gefaltet wird. Und dann auch noch der ungewohnt unfreundliche, preußische Platzwart, der im Gegensatz zum sonst gewohnt überfreundlichen, südländischen Hotelrezeptionisten weit weniger zuvorkommend ist, wenn man nachts um zwei Uhr nach Eiswürfeln und Zitrone für den Gin-Tonic fragt oder – noch viel schlimmer – während der mittäglichen Platzruhe mit seinem Auto vom Campinggelände möchte…

Wegen der großen Nachfrage ist ein Wochenende im Wohnmobil mittlerweile teurer als im Wellnesshotel. Vor der Pandemie waren viele noch der Ansicht, dass kein Erwachsener, der es sich anderes leisten kann, freiwillig Urlaub mit Indianerspielen verbringt. Dabei sind Toiletten deutscher Mittelklasse-Campingplätze den Küchen balerarischer Mittelklasse-Hotels hinsichtlich Hygiene sogar überlegen, wo weit mehr Scheiße in den Schüsseln landet. Man muss sich später zuhause nur etwas umstellen, wenn man Freunden statt von Liegestühlen am Pool und Cabrio nun von Klappstühlen am Weiher und Fahrrad erzählt. „Barbecue bei Kerzenlicht mit landestypischen Cocktails“ hört sich da übrigens besser an als „Grillen im Halbdunkeln mit Tütenwein aus dem Campingplatz-Minimarkt“…

Camping heißt Respektieren. Wie bei jeder Tierart gibt es auch bei Campern eine Rangordnung, bei der sich der unerfahrene Neucamper mit Zwei-Personen-Zelt und Kartuschen-Gaskocher dem routinierten Dauercamper mit 42 qm-Caravan und Einbauküche zu unterwerfen hat. Autos mit Wohnwägen und gelben Nummernschildern haben grundsätzlich Vorfahrt, egal was Schilder auf dem Platz sagen. Wehe man steuert unwissend auf eine vermeintlich freie Duschkabine zu, ohne sich vorher erkundigt zu haben, ob diese nicht täglich um die gleiche Zeit von Dauercampern genutzt wird. Man läuft Gefahr, von einem pensionierten Studienrat in Unterwäsche belehrt zu werden als hätte man seiner Tochter an den Hintern gefasst und an den ihrer Mutter gleich mit…

Camping heißt Ignorieren. Camper sind wie Ameisen. Sie leben gemeinsam auf engstem Raum, versuchen aber, sich aus dem Weg zu gehen. Sie nehmen ihr Umfeld einfach aus ihrer Wahrnehmung heraus. Während man zuhause Wäsche niemals dort aufhängen würde, wo Nachbarn sie sehen, ist es auf dem Campingplatz normal, wenn zwischen den Bäumen Schlüpfer wie Fahnen im Wind wehen. Nachdem sie zuvor öffentlich am Becken im Waschhaus von den Spuren der gestrigen Bohnensuppe befreit wurden. Nur durch das wortlose Nebeneinander ist es Campern auch möglich, ihre Notdurft zu verrichten. Können viele zuhause nicht einmal auf Toilette, wenn ihr Partner auf der gleichen Etage ist, reichen beim Camping dünne Sperrholzkabinen für eine mehrstimmige Kakophonie schon aus…

Camping heißt Kennenlernen: Unter Campern findet man dennoch rasch Anschluss. Wer nach dem nächtlichen Toilettengang versehentlich im falschen Zelt landet, hat schnell und unverhofft neue Bekannte. Auch wer im Dunkeln über fremde Zeltschnüre stolpert, hat rasch einen neuen Freund gewonnen. Mit Anmachen wie „Willste Bier?“ hat man aber auch beim Campen nur wenig Chancen. Dagegen kann ein „Willste Klopapier?“ durchaus vor einem beschissenen Tag retten. Und was das nebenan neu angereiste Pärchen mit dem Vierbeiner angeht, weiß der Zeltplatz spätestens am nächsten Morgen, ob beide den Urlaub nur mit Hund oder auch mit Vögeln verbringen…

Ob ich Campingurlaube mag? Klar! Am liebsten sind mir schreiende Kinder und Eltern, die das Geplärre nicht interessiert. Den Kleinen schenke ich abends beim Zähneputzen dann gerne eine große Dose Red Bull. Gute Nacht! Hip und hyggelig… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Die Aufschrift „2 Seconds“ bei Wurfzelten bezieht sich übrigens nur auf den Aufbau. Beim Abbau muss es eher „2 Hours“ heißen.

Der traurige Gorilla

Hallo Mikrokosmonauten: Ich spüre das Tier in mir: Es ist ein Faultier.

Als mich neulich eine Dame ziemlich unwirsch zurechtwies, weil ich mich in einer Warteschlange gedankenverloren versehentlich vordrängelte, wurde mir wieder eines klar: Ich ziehe Tiere den Menschen einfach vor. Das war schon immer so. Als Kind „rettete“ ich regelmäßig Bauernhofkatzen, weil ich der Meinung war, dass sie besser vor den heimischen Kamin passen, als in eine verwahrloste Scheune. Ich kommunizierte mit diesem unglücklichen Gorilla im Zoo, der mir alleine durch seinen Blick verdeutlichte, wie trist sein Leben hinter Glasfassaden ist. Und schlussendlich schwang ich mich wagemutig regelmäßig auf den Rücken eines völlig fremden Pferdes auf einer noch fremderen Koppel und trabte mit ihm ohne Sattel und Zaumzeug davon. Da vertraute ich Hottehü bedenkenlos. Ich wirke auf Tiere offensichtlich ziemlich anziehend, zumindest verfolgen sie mich, wo immer ich auf sie treffe. Wenngleich es mir beim Joggen zuweilen unangenehm ist, wenn sich freudig hechelnde Rüden von den Leinen ihrer Besitzer reißen und mit mir mitlaufen möchten. Na ja, schlimmer wäre es, wenn die Besitzer hecheln würden. Ich bin mir sicher, dass ich in irgendeiner Art mit Noah verwandt bin. Zwar habe ich keine Arche in petto, aber ein geräumiges Auto, in dem zumindest meine Katzen gerne mitfahren.

Ein Herz für Tiere zu haben ist jedoch nicht immer leicht. Ich empfange natürlich meistens positive Gefühle, aber Leid und Schmerz solcher Geschöpfe fühle ich intensiver, als mir manchmal lieb ist. Mein Empathie-Level steigt ins Unermessliche, wenn ich sehe, wie wir mit diesen Lebewesen umgehen. Nicht zuletzt zerriss es mir fast das Herz bei dieser Olympia mit diesem panischen Pferd – als „Sportgerät“ benutzt – und dieser Reiterin und diesen befremdlichen Szenen, ihr wisst schon.

Überdies zog eine weitere Geschichte die Aufmerksamkeit auf mich. Der saarländische Gnadenhof „Haus der Hoffnung e.V.“ nahm vor kurzem Nala bei sich auf. Nala ist eine französische Bulldogge, die über Facebook verschenkt werden sollte wie Restposten bei Ebay. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, stellte sich heraus, dass Nala todkrank ist, weil sie aus einer Qualzucht kommt. Nala ist ein Paradebeispiel für Inzucht und verantwortungslose Vermehrerei einer sowieso schon fragwürdigen Rasse. Aber solange eine Nachfrage besteht, wird so etwas nicht aufhören. Inzwischen geht es Nala zwar besser, aber Tausende andere ihrer Art überleben die ersten Wochen ihres Lebens nicht. Und das alles nur, weil es so viele Menschen da draußen gibt, die für möglichst wenig Kohle einen Rassehund abstecken wollen. Zum Fremdschämen!

Viele Tierschützer mögen mich nicht

Ich möchte mich dennoch nicht zwangsläufig mit Menschen anfreunden, die sich für Tiere engagieren. Ich würde sogar behaupten, dass ich mit einigen dieser selbst ernannten Tierschützer massiv aneinander rasseln würde. Oder sie mit mir. Nicht alle Tierliebhaber ticken gleich. Besonders nicht, wenn sie ihre Katzen und Hunde vegan ernähren, weil sie selbst vegan leben. Oder diejenigen, die von dir erwarten, dass du, bloß weil du dich vegetarisch ernährst und auf Tierschutz-Demos gehst, auch politisch mit ihnen konform gehst. Ohnehin ein ganz schwieriges Thema. Ich bin Vegetarier und liebe Tier, aber deshalb bin ich noch lange nicht grün, Herrgott nochmal! Regel Nummer Eins war für mich immer: „Wenn du auf eine Veranstaltung zugunsten von Tieren gehst, solltest du nie erwähnen, dass dein Shirt nicht nachhaltig ist, du einen Benziner fährst und Käse und Eier konsumierst. Es könnte dein gesellschaftlicher Ruin in diesen Kreisen sein.“ Eine schlaue Frau hat mal zu mir gesagt, dass Menschen, die sich den Tieren verschreiben keine sonderlich großen Menschenfreunde sein können, sonst wären sie ja nicht in die Welt der Tiere gewechselt. Seit ich vor Jahren mit einer Mitarbeiterin des Tierheims Saarbrücken im Katzenhaus in lautstarken Streit geraten war, weil wir unterschiedlicher Ansicht über eine vermeintlich hochgefährliche Katze waren, kann ich das nur bestätigen. Ich war damals in Tränen ausgebrochen, weil ich die Katze liebgewonnen hatte und nicht verstehen konnte, dass man sie nicht in ihrem Zimmer besuchen und streicheln durfte und die Mitarbeiterin mir das herrisch und ohne Feingefühl vermittelte. Von Social Skills war sie zwar weit entfernt, dafür ging sie jedoch umso liebevoller mit den Katzen um. Ein Phänomen, das ich häufig beobachte.

Murron, My, Bee und Pepe

Vor kurzem geschah dann das Unmögliche: Ich besuchte „Murrons Sommerfest“. Benannt nach einer ganz entzückenden querschnittgelähmten Katzen-Dame. Initiiert wurde das Ganze von „Katzenstimme grenzenlos“, einem Verein, der sich um behinderte, gequälte und vernachlässigte Straßenkatzen und -hunde in ganz Europa kümmert. Ein Gartenfest mit 40 Personen, die mir gänzlich unbekannt waren. Komischerweise waren mir diese Leute aber ganz sympathisch, ich fühlte mich auch nicht unsicher oder fehl am Platz. Im Mittelpunkt standen ohnehin die Tiere und das vegane Buffet, das übrigens phänomenal war. Es beeindruckte mich in diesem Moment zutiefst, dass die Veranstalterin Lara mit drei querschnittsgelähmten Katzen, einem querschnittsgelähmten Hund und zwei weiteren älteren Hunden zusammenlebt und so viel Herzblut in dieses Projekt steckt. Normalerweise hätte ich diese Menschen niemals kennengelernt, aber an diesem Tag hatten wir alle die gleiche Vision: Ein Fest zugunsten der Tiere veranstalten und ihnen helfen, das Leben lebens- und liebenswert zu machen. Wenn ich mir überlege, wie viel Zeit Lara in die Pflege und Fürsorge dieser Tiere steckt, fühle ich mich ziemlich klein und unbedeutend. Aber bevor ich mir an diesem Nachmittag den Kopf zerbrechen konnte, bekam ich schon wieder am laufenden Band Besuch. Von Rolling Pepe, dem kleinen schwarzen Mischling in seiner Laufhilfe oder Felinchen, einer alten, blinden Spitz-Dame. Oder eben von diversen Hunden, die zu Gast waren und sich zu meinen Füßen legten, weil das Tiere eben gerne bei mir machen.

Ich dachte nach: Wenn ich all meine Bedenken gegenüber vermeintlich militanten Veganern, Nachhaltigkeits-Fans und Tierschützern ad acta legen würde, wäre es doch ganz einfach, oder? Im Grunde schauen wir doch alle in die gleiche Richtung und haben, wenngleich wir anderweitig völlig unterschiedlich sind, doch das gleiche Ziel, oder?

So war es auch Bestimmung, als ich an einem kalten Tag im November 2018 das Katzenhaus Oberwürzbach besuchte und eigentlich nur gucken wollte. Am Ende des Tages gab es in meinem Leben plötzlich Mick und Malo, zwei Katzenbrüder.

Am Ende ist es doch so: Ob Nala, My, Murron, Mick,  Malo, Bee oder Pepe – hinter all diesen Tieren stehen Menschen, die – wie ich – schon früh erkannten, dass ihr Herz für Tiere schlägt. Vielleicht standen sie sogar – wie ich – damals vor der Glasfassade und kommunizierten mit dem traurigen Gorilla im Zoo. Weil sie auch diese Gabe haben. Und machen wir uns nichts vor: Die Welt braucht Menschen, die für Eichhörnchen bremsen, Igel über die Straße helfen, Vögel eine Tränke im Garten schaffen, sich um die Nachbarskatze kümmern, wenn die Besitzer im Urlaub sind, kranke Tiere pflegen oder ihnen einen schönen Lebensabend bieten und so weiter.

Wer unterstützen will:

Katzenstimme grenzenlos (Facebook),

www.haus-der-hoffnung.org,

www.katzenfreunde-wadgassen.de

Alles nur Theater

Im September beginnt die neue Spielzeit, rechtzeitig zum möglichen Ende der Pandemie, und die saarländischen Bühnen sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber.

Lange waren die Bühnen verstummt oder ins Netz gebannt, doch jetzt starten die Theater in die neue Spielzeit. Hinter den Fassaden wurde kräftig geplant und vorbereitet. Und manche Spielpläne muten an, als hätte es Corona nie gegeben. Rausgehauen wird, was längst geplant und geprobt war – in der Hoffnung, es möge nicht wieder schlimmer kommen.  Weiter wie zuvor: Ist das das Motto? Hat die Krise die Häuser nicht verändert? Was liegt da näher als saarländische Theatermacher nach ihren persönlichen Erfahrungen und Erwartungen zu fragen.

Wir haben mit verschiedenen Beteiligten gesprochen, deren persönliche Eindrücke und Gedanken einen breiten Querschnitt der Szene abbilden. Da wäre Gaetano Franzese, der ursprünglich 1989 als Tänzer für ein viermonatiges Gast-Engagement ans Saarbrücker Staatstheater kam. Daraus sind inzwischen 32 Jahre geworden und er ist mittlerweile von der Bühne als Regieassistent vor die Bühne gewechselt und inszenierte mittlerweile auch schon selbst. Barbara Bruhn und Frank Lion sind für die Geschicke der Maria-Helena verantwortlich, das seit 2007 das einzige fahrende Theaterschiff Deutschlands ist und als feste aber mobile Spielstätte dient, die jede Theatervorstellung zu einem ganz besonderen Erlebnis macht. Petra Lamy und Nancy Fischer von der privaten Schauspielschule Acting and Arts kennen insbesondere die Perspektive aus Sicht der Schauspieler, während Julia Hennings als Leiterin des Kulturamts in Saarlouis auch Hausherrin des Theaters am Ring ist.

Wo also steht das Theater nach zwei Lockdowns und vielleicht mit dem Ende der Pandemie in Sicht?

Gaetano Franzese schildert seine Corona-Zeit: „Wir haben in der ganzen Zeit im Staatstheater weitergearbeitet. Auch wenn es immer wieder Zeitspannen gab, in denen keine Vorstellungen möglich waren, haben wir doch hinter den Kulissen corona-konforme Inszenierungen entwickelt und neue Premieren vorbereitet. Unsere „Rheingold“ Produktion ist beispielsweise in der Zeit bis kurz vor die Orchesterproben gediehen. Sobald es wieder möglich ist, können wir also sofort loslegen. Die erste Premiere jetzt im September wird „Ariadne auf Naxos“ sein, auch bereits bestens vorbereitet, da fehlen nur noch zwei Wochen Probe und dann bringen wir das auf die Bühne – vor Zuschauern. Wie viele müssen wir sehen, bei „Macbeth Underworld“ am Ende der letzten Spielzeit konnten wir von über 900 Plätzen nur 250 besetzen. Und selbst die waren nicht immer alle besetzt, weil die Leute nachvollziehbarerweise sehr vorsichtig waren und auch Angst hatten.“

Willkommen, Bienvenue, Welcome

Die Schauspielschule von Petra Lamy ist gleichzeitig auch Spielort: „Wir sind ja nicht nur Schule, sondern haben aufgrund unserer großzügigen räumlichen Situation auch die Möglichkeit, hier Aufführungen durchzuführen. Wir hatten ein grandioses Hygienekonzept umgesetzt, neue Sitzmöglichkeiten fürs Publikum geschaffen und vieles mehr. Der Aufwand war extrem und ungeachtet aller Hilfen und Unterstützungen mussten wir das erstmal stemmen. Das allerschlimmste war der Verordnungswirrwarr, der sich noch dazu gefühlt alle zwei Wochen geändert hat. Dennoch haben wir in der Zeit sechs öffentliche Produktionen auf die Beine stellen können. Natürlich ist das nur ein kleiner Teil dessen, was wir unter „normalen“ Umständen realisiert hätten.“

Das Theaterschiff von Frank Lon und Barbara Bruhn sorgte erst kürzlich als Spielstätte des „Encore“ Festivals für größtmöglichen Publikumszuspruch am Ufer der Saar. „Die Resonanz auf das Festival war gigantisch.“, berichtet Frank Lion. „Wir haben zum Glück viel Platz hier draußen, so dass wir problemlos auf Abstand achten konnten. Es herrschte eine super Atmosphäre und alle waren glücklich. Wir planen im Monent noch nicht für innen und haben uns entschieden, erstmal nach draußen zu gehen. Ich will im Oktober nicht die neue Spielzeit eröffnen und dann wegen der vierten Welle gar nicht spielen zu können.“ Barbara Bruhn ergänzt: „Ich denke schon, dass Theater wieder mehr wertgeschätzt wird, weil die Leute es einfach vermisst haben. Das merkten wir ja schon bei den Außenveranstaltungen, dass sie wirklich alle wieder ganz, ganz froh sind, dass wieder was passiert.“

Diese Wertschätzung erlebt auch Petra Lamy: „Ich glaube, durch die wiedergekehrte Präsenz hat die Wertschätzung auch für Schauspiel und Schauspielunterricht genauso zugenommen. Wer hätte denn zuvor jemals gedacht, dass sich Schüler wünschen wieder in die Schule gehen zu können. Da hat sich ja auch was verändert, insbesondere menschlich.“ Dozentin Nancy Fischer sieht auch die ganz persönliche Seite: „Ich habe das Gefühl, dass die Hemmungen einfach viel größer geworden sind. Schauspiel hat ja sehr viel damit zu tun, sich zu öffnen. Dieser Gedanke ist in Pandemiezeiten einfach viel, viel schwieriger umzusetzen.“

Doch wie kann ein Neustart aussehen? Die durch Covid ausgelöste Krise ist ein gnadenloses Brennglas. Bleibt die Bühne leer, rücken veraltete Strukturen und Hierarchien ins Rampenlicht. Werden die Theater diese Chancen nutzen, um sich neu auszurichten – und wenn ja, in welche Richtung? Manch ein Verantwortlicher scheint die Sehnsucht des Publikums nach Ablenkung, nach leichter Kost, gut zu verstehen. Doch Belanglosigkeit kann nicht das Gebot der Stunde sein, oder? Frank Lion hat eine klare Meinung: „Wir haben schon immer auf gute und anspruchsvolle Unterhaltung gesetzt, die nichts mit Krawall oder Klamauk Theater zu tun hat – und das werden wir auch weiter machen. Ich bin mir sicher, dass das Publikum sich aktuell oder nach der Krise nochmal in epischer Breite mit dem Thema Corona auseinandersetzen will. Keine Frage, dass es ab und an sinnvoll sein kann, das Thema aufzugreifen, aber ich glaube, das muss man dann sehr gut durchdacht angehen.“

Theater ist nicht Fernsehen

Notgedrungen entdeckten da viele Theater die digitalen Medien. Es entstanden neue Formen und Formate, mit dem viele Häuser versuchten, ihre schon vor der Pandemie schwindenden Publikumszahlen zu kompensieren. Streaming sollte das möglich machen. Als wegen des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 keine Besucher mehr kommen konnten, wurde die Kultur digital. Nun, da viele Häuser wieder öffnen, stellt sich allerdings die Frage: Was wird bleiben von der schönen neuen Streamingwelt?

Überaus positive Erfahrungen mit dem Streamen hat Julia Hennings, die Leiterin des Theaters am Ring in Saarlouis, gemacht: „Wir haben verschiedenste Veranstaltungen gestreamt und das wurde vom Publikum begeistert angenommen. Tatsächlich können wir uns vorstellen, dieses Medium auch künftig zu ausgesuchten Gelegenheiten weiterhin zu nutzen.“ Eher kritisch sieht das Gaetano Franzeses: „Für mich sind Live Streams keine Sache. Theater ist kein Fernsehen! Natürlich lassen sich Theater-Aufführungen auch aufnehmen, aber das geht entweder nur aus der Zuschauerperspektive, dann wird dem Betrachter quasi sein Blick vorgegeben, oder mit richtig viele Aufwand und zig Kameras auf der Bühne, im Orchestergraben, in den Kulissen, wobei das dann allerdings eher eine Fernsehspiel-Inszenierung ist und der eigentliche Theater-Charakter verloren geht. Theater lebt vom Publikum und der Live-Atomsphäre.“

Frank Lion sieht das ganz ähnlich: „Live Streams kamen für uns von Anfang an überhaupt nicht in Frage. Theater ist Theater und Fernsehen ist Fernsehen. Wenn ich selbst bei Lars Eidingers Richard III schon nach einer halben Stunde vor dem Bildschirm Ermüdungserscheinungen bekomme, obwohl das eigentlich richtig toll ist, dann denke ich, dass müssen wir echt nicht machen. Das ist für uns kein sinnvolles Angebot.“ Und Barbara Bruhn ergänzt: „Außerdem hatten wir ja auch gar nicht die technischen Kapazitäten und Kompetenzen das zu realisieren, das kommt noch dazu. Aber es wäre auch wirklich nicht unseres gewesen.“ Schauspielschuldozentin und Schauspielerin Nancy Fischer kann sich ebenso nicht wirklich mit den Streams anfreunden: „Für das menschliche Auge ist es immer noch ein großer Unterschied, ob es etwas in 2D oder 3D wahrnehmen kann, ob man auch die leisesten Sachen hört und spürt oder ob ich den Geruch des Raumes mitbekomme, den keine Kamera transportieren kann.“

Losgelöst von der technischen Umsetzung, stellt sich die Frage, ob Theater den aktuellen Geschehnissen von Querdenken bis Afghanistan geschuldet, nicht deutlich Stellung beziehen muss und wieder politischer werden sollte? „Theater ist immer Politik“ ist sich Gaetano Franzee sicher. „Theater bietet immer ein Spektrum von sich amüsieren und die Außenwelt hinter sich zu lassen, bis zur Anregung zum Nachdenken und der Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Problemstellungen. Entscheidend ist, wie ein Thema aufbereitet wird. Ein Stück kann auf der Bühne die Realität „draußen“ widerspiegeln oder hinterfragen. Theater muss bewegen, kann aber gleichzeitig auch unterhalten. Das muss kein Widerspruch sein.“ Petra Lamy spürt zudem die Notwendigkeit einer Neuorientierung: „Jetzt fühlt es sich für mich so an, dass ganz viele den Sinn dafür verloren haben, welches Thema es überhaupt noch wert ist, jetzt erzählt zu werden. Rückzug? Isolation? Ein Stück über die Pandemie? Ein Stück über Isolation haben wir schon vor Corona gehabt. Sollen wir das jetzt nochmal machen, nur mit einer anderen Konnotation? Vielleicht also eher kein Stück über die Pandemie, sondern darüber, was sie mit den Menschen gemacht hat.“

Zugabe

Alle Maßnahmen, alle Förder- und Überbrückungstöpfe nehmen den Sonderfall an, nach dem man baldmöglichst zu den Verhältnissen vor der Pandemie zurückkehrt. Setzen Kunst und Kultur in Zeiten niedriger Inzidenzen komplett auf den Präsenzbesuch? Und was passiert, wenn doch der nächste Lockdown droht?

Gaetano Franzese sieht das Staatstheater bestens präpariert: „Unsere Leitung, also Intendant Bodo Busse und der kaufmännischer Direktor Prof. Dr. Matthias Almstedt, haben einen sehr guten Plan A, aber auch B und C und so weiter. Wir sind bestens vorbereitet, wenn es irgendwann nochmal zu strengeren Reglementierungen und Einschränkungen kommen sollte. Wie gesagt, unser Programm steht, mindestens die erste Hälfte der Spielzeit ist fertig. Nur wie genau das Publikum eingebunden werden kann, das müssen wir sehen, aber wir können flexibel reagieren.“ Auch das Theaterschiff ist nicht ganz unvorbereitet, weiß Barbara Bruhn: „Wir haben einen kleinen Plan in der Schublade, ein Kinderstück mit nur einer Person, was deswegen ja auch funktionieren könnte hinsichtlich der Abstände auf der Bühne. Ansonsten sind wir aber auch ganz gut darin, sehr flexibel und schnell zu handeln.“ Auch Frank Lion ist nicht ohne Hoffnung: „Die positive Seite der Pandemie könnte zweifellos sein, dass Dinge passiert sind, die ohne sie nie in Bewegung geraten wären. Kooperationen und Menschen, die sich zusammengetan haben. Da ist wirklich in dieser Zeit viel passiert und das lässt auch für die Zukunft hoffen!“

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Gesicht des Monats: Wolfram Jung

Die Aktion #GeileStadtBrauchtGeileAktion war eine kleine, bunte und vielleicht auch leicht größenwahnsinnige Vision, zu der sich ein paar Saarbrücker Musiker, Gastronomen und Instagramer angestoßen vom SR-Journalisten und Filmemacher Wolfram Jung, zusammengeschlossen haben – und genau deswegen ist der Mann quasi stellvertretend unser Gesicht des Monats. Ein Ziel des Projekts war durch kleine Werbevideos und eine Crowdfunding Kampagne unter dem Hashtag #GSBGA Geld fürs Nauwieser Viertel einsammeln. Mit dem Ergebnis sind die Initiatoren im Prinzip sehr zufrieden, sagt Wolfram Jung: „Viele Menschen hatten Spaß an der Aktion, die Rückmeldung der Gastro ist super positiv, Mitte Juli hatten wir eine total verrückte und lustige Abschluss Aktion und es stehen schließlich knapp 3.000 Euro auf dem Konto. Neben dem Geld haben sich aber auch Kontakte ergeben, die helfen wollen. Der ladyscircle 66sb zum Beispiel wird bei der Organisation der Kinderbelustigung helfen, so dass dort erst gar keine Kosten entstehen. Außerdem helfen die Ladys bei der finanziellen Abwicklung, was bedeutet, wir sind jetzt offiziell gemeinnützig, können Spendenquittung ausstellen und so. Und der Circle wird wohl in Kooperation mit #GSBGA noch etwas im Viertel veranstalten, das sie komplett bezahlen. In der Planung ist noch ein Viertel-Wochenende, an dem wir das gesammelte Geld raushauen. Kinderbelustigung, Musiker, Nachwuchs DJ Wettbewerb. Dieses Wochenende soll dafür da sein, dass die Geschäfte im Viertel sich präsentieren können. Kein Fest, eher so was wie verkaufsoffener Sonntag. Klar ist schon mal, die Ladycanes werden wieder dabei sein – und es wird klein bisschen einhorny.“

Mein Lieblingsding: Das Skelett

Die 27jährige Christina Gros ist von Haus aus gelernte Physiotherapeutin und beendet demnächst noch eine Ausbildung zur Osteopatin. Die gebürtige Homburgerin teilt ihr Leben mit gleich zwei Lieblingen, wobei die Nummer Eins dabei ganz klar ihr Freund Florian ist, denn der ist aus Fleisch und Blut. Im Gegensatz dazu ist ihr Lieblings-Ding nur aus Kunstsoff, zum Glück, denn es handelt sich um ein ausgewachsenes Skelett in Originalgröße. Der knochige Geselle, der klaglos auf immer wechselnde Namen hört, hat seinen Weg in ihrem Haushalt berufsbedingt gefunden, denn er diente während der Ausbildung als Anschauungsexemplar beim Lernen. Mittlerweile hat er aber auch andere Anwendungsgebiete erobert, wie zum Beispiel Halloween-Partys, bei denen er gerne seinen dekorativen Beitrag leistet. Kennenlernen können Saarbrücker den wortkargen Zeitgenossen allerdings erst nächstes Jahr, wenn sich Christina selbstständig macht – und dabei darf er natürlich nicht fehlen.

Wasting my young years

Hallo Mikrokosmonauten: Lasst uns zurückkehren zur Unbeschwertheit! 

Sommer 1994. Ich hoffte, er ginge nie zu Ende. Meine Cousine hatte gerade den Führerschein frisch in der Tasche und wir düsten mit dem alten Kadett ihres Vaters durch unsere Hood. Sie war damals neben Alicia Silverstone aus den Aerosmith-Videos mein absolutes Vorbild. Wir liebten Holzfällerhemden und schnitten die Hosenbeine unserer ausgemusterten 501er so kurz es ging und es für unsere Mütter moralisch noch im Rahmen war. Unser Bewegungsradius begrenzte sich auf etwa 15 Kilometer. Für mich bedeutete eine Fahrt von meinem Heimatort nach Saarbrücken fast eine Weltreise. Ich ließ mir heimlich ein Nasenpiercing stechen und nahm es zum Sonntags-Besuch bei Opa immer raus. Gelegentlich gab es einen  Jungen, den ich in einer dunklen Ecke küsste. Und immer wieder Freibad, zelten und Pizza beim Lieblings-Italiener. Natürlich zum Mitnehmen und an einem verlassenen Ort essen. Gerne an einer Lichtung zwischen zwei Wäldchen. Letztendlich war dies die schönste Zeit meines Lebens, wenngleich es auch damals schon schöne und weniger schöne Tage gab. An den weniger schönen rief niemand an oder das Wetter war schlecht. Oder der süße Junge aus dem Schwimmbad lächelte nicht zurück. Oder mein geliebtes Joghurt-Eis war aus. Andere Probleme gab es nicht. Read more

Überleben unter Kollegen

Wer kennt die Momente nicht, in denen man sich mit lauter nackten Models auf seiner Luxusyacht räkelt, kühlen Champagner aus heißen Bauchnabeln schlürft und Delfine bei deren Luftakrobatik beobachtet, bevor man sie mit der Harpune zum Essen einlädt. Augenblicke, von denen ein Mann sich wünscht, sie würden nie enden. Was sie jedoch abrupt tun, wenn einen der Wecker aus der sonnigen Traumwelt reißt und in die düstere Realwelt zurückholt. Plötzlich ist alles nur noch halb so erotisch, wenn einem im Halbschlaf bewusst wird, dass da die ganze Zeit keine heiße Mieze am Ohr knabberte und zu einem ins Bett wollte, sondern bloß der eigene Hund…

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PLEASURE – Made in Saarland

Meerora ist Sabrina Kleinas und Sabrina Kleinas ist Meerora – und dennoch ist beides nicht dasselbe.

Die Saarbrücker Künstlerin Sabrina Kleinas ist von Mutter Natur reicht beschenkt worden. Sie hat nicht nur ein ungemein attraktives Äußeres, sondern ist auch mit vielen, unterschiedlichen Talente gesegnet. Ihre Karriere begann sie mit einer eher unspektakulären Ausbildung zur Bürokauffrau, startete dann als Model und Fotografin durch und pendelt seither zwischen Saarbrücken, Paris und anderen Metropolen hin und her. Mit ihrer Reihe „Women in Explosion“, die Frauen während des Orgasmus‘ unter Wasser zeigt, erreichte sie vor drei Jahren einen beachtlichen Bekanntheitsgrad, arbeitet aber längst an neuen Projekten. Jetzt präsentiert das Multitalent zusätzlich ihre musikalische Begabung in Form ihres Alter Ego „Meerora“, einer Fusion aus den Worten „Meer“ und „Ora“, dem hebräischen Begriff für Licht, das für sie eine wichtige Rolle spielt. Dieser Charakter ist eigentlich nur die stimmige Weiterentwicklung ihres künstlerischen Kosmos rund um die Werte, für die sie bereits mit ihren fotografischen Arbeiten steht. Jetzt hat sie ihren ersten Titel „Pleasure“ veröffentlicht. Der Release des höchst sehenswertem Videos war bereits Anfang Juli, und lässt nur einen Schluss zu: Wer kann, der soll!

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