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Was für ein Freak!

Radio, Fernsehen, Internet und Konzertbühnen – Freaky Jörn lässt wirklich nichts aus. Dabei sieht er nicht nur komisch aus und macht komische Sachen, der ist auch wirklich noch so! Was da schiefgegangen ist, haben wir versucht im Gespräch mit einem der auffälligsten Saarländer herauszufinden.

Jörn Dressler ist ein etwas anderer freier Journalist, Moderator und Musiker. Er kommt aus Aßweiler im Biosphärenreservat Bliesgau, wohin er nach langen Jahren im Saarbrücker Nauwieser- und Luisenviertel und nach Gründung einer Familie wieder zurückgekehrt ist. Er ist Jahrgang 1980, mittlerweile also 42 Jahre alt und weiß, dass man es ihm das nicht ansieht, gibt aber zu, dass es sich mitunter so anfühlt, besonders sonntagmorgens. Er hat praktisch alle Schulformen durchgemacht, die es so gibt, inkl. Gewerbeschule, Sozialpflegeschule bis hin zur Krankenpflege mit Praktika in Krankenhäusern. Allerdings hat er immer wieder nach längerer oder kürzerer Zeit für sich selber gemerkt: nö, das ist es nicht. Irgendwann hat er sich dann gedacht, mal eine Maler-, Lackierer- und Raumgestalter-Lehre zu machen. Diese zog er auch drei Jahre bis zum Gesellenbrief durch, sagte sich aber anschließend, okay, ein Jahr arbeite ich noch in dem Betrieb, aber dann höre ich auf. Immerhin hatten seine Eltern ihm eindringlich erklärt, wenn er einmal einen Abschluss erreicht hat, kann er anschließend machen, was er will.

Just zu dieser Zeit, etwa 1997, hat er das vielleicht für ihn einschneidendste Erlebnis und gewinnt bei einem Metalhammer-Gewinnspiel ein Meet&Greet mit Lemmy Kilmister von Motörhead.

„Ich traf die Band anlässlich eines Konzerts in Mannheim. Gitarrist Phil Campbell und Schlagzeuger Phil Taylor saßen ganz relaxed in einem Backstage-Raum und unterschrieben mir meine CDs und Platten. Dann entdecke ich eine offenstehende Tür zum Nachbarraum – und da saß er. Ganz klassisch am Daddelautomaten, mit einem Päckchen Kippen, ‘ner Flasche Cola und ‘ner Flasche Whisky und vor allem mit seinen weißen Schlangenlederstiefeln. Und frech wie ich bin, lief ich natürlich gleich auf ihn zu, nur um nach wenigen Schritten von einem Security-Typen gestoppt zu werden, der mir kurz und knapp aber sehr eindringlich erklärt hat: Niemand, aber auch wirklich niemand, geht zu Lemmy. Wenn, dann kommt Lemmy zu Dir! In dem Moment haben dann zwei Leute ihn für die Show aus seinem Sitz hochgehievt – vor der Show so beeindruckt. Er hat sich dann zu mir umgedreht, den Arm um meine Schultern gelegt, auf einen von zwei kleinen Kühlschränken gezeigt und mir erklärt: Das ist Deiner, daneben ist meiner und den rührst Du nicht an. So kam ich voller Stolz zu meinem eigenen Kühlschrank voller Dosenbier im Backstage von Motörhead. Dann hat er auch noch ein Foto mit mir gemacht – mit Stinkefinger! Zuerst wusste ich nicht, was ich davon halten sollte, aber als in einer späteren Metalhammer-Ausgabe ein Poster rauskam mit Lemmy und allen möglichen anderen Superstars, denen er allen den Finger zeigt, da wusste ich, ich bin angekommen! Und spätestens da wurde mir klar wie cool es ist, berühmte Leute zu treffen und mit denen zu schnacken, das weiter zu geben und vielleicht auch ein bisschen damit anzugeben.“

(Foto <IMG_8683>, Jörn mit Lemmy)

Hals und Beinbruch

Neben Chucks und Tubesocks sind vor allem auch kurze Hosen dein unverkennbares Markenzeichen. Waren die normalen, langen alle in der Wäsche?

„Bei mir kam das durch New Metal und hat angefangen, mit Korn und den Deftones, deren Sänger hatte sowas immer an. Mit Skaten hatte das weniger zu tun, einfach weil ich immer der schlechteste Skater von allen war und hab‘ mir auch immer regelmäßig richtig weh getan. Deswegen war ich auch ständig im Krankenhaus, was sich im Übrigen bis heute nicht geändert hat. Einmal im Jahr bin ich mindestens im Hospital und seit ich bei der Sportarena bin, wird das sogar dokumentiert. Ich soll zum Beispiel ein Probetraining bei einer Footballmannschaft mitmachen, zack, Rippe gebrochen. Mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, Schulter gebrochen, beim Beachvolleyball mit einer Hörergruppe in Spanien den Meniskus zertrümmert, Knöchel und Handgelenk gebrochen, die Liste hat kein Ende. Als ich neulich mit einer meiner Töchter im Fitness-Studio angemeldet habe, hat mich eine Angestellte nach Vorerkrankungen gefragt und ob ich schon mal was gebrochen gehabt hätte. Zu der hab‘ ich nur gesagt, sie soll sich setzen und wie viel Zeit sie denn hätte.“

Doch zurück zum Beginn des Mythos Freaky Jörn. Das Karma schlug damals in Gestalt der Großmutter seines besten Freundes zu, die in der Zeitung über UnserDing gelesen hatte und darüber, dass der Saarländische Rundfunk für dieses neue, junge Radio Leute suchen würde und ein Casting veranstalten würde. Da solle er doch mal hingehen, weil er ja sowieso den ganzen Tag nur am schwätzen wäre und so bekäme er vielleicht auch noch Geld dafür. Also macht er sich auf zum Halberg und muss dort als erste Aufgabe in jenem Casting eine Nachrichtenmeldung so umschreiben, dass auch ein elfjähriges Kind sie verstehen könne. Da wurde im klar, dass es sich um eine Veranstaltung für News-Redakteure handelte und das wollte er ja gar nicht sein. Aber wenn er schon mal da war, nahm er die eigentlich todernste und traurige Meldung und formulierte sie komplett um zu einem lustigen und leichten Beitrag, nicht zuletzt, weil ihm klar war, dass er hier keinen Blumentopf gewinnen würde. Als anschließend die Siegerin verkündet wurde ist er schon auf dem Weg nach draußen, als ihn eine SR-Mitarbeiterin aufhält und ihn bittet, mal ganz kurz mitzukommen. So lernt er seinen späteren, langjährigen Chef Sokrates Evangelidis kennen, der ihn zwar augenzwinkernd fragt, was er sich bei dem Text gedacht hätte, ihm dann aber ebenfalls einen Praktikumsplatz anbietet. Ein ganz wichtiges und folgenschweres Detail zu diesem Treffen, darf nicht unerwähnt bleiben: Jörn trägt ein T-Shirt seiner damaligen Band „Urobäx“, auf dem vorne nur groß „Freak“ draufstand. Als Evangelidis das sieht, meint er nur knapp: „Japp, das passt! Freaky Jörn!“ Dass er dabei quasi nebenbei einen Markennamen aus der Taufe hebt, ist in seiner vollen Tragweite erst jetzt heute klar.

Die ganze Zeit über blieb Freaky Jörn sich und seinem Style absolut treu, doch vor knapp zwei Jahren kommt es zu einem einschneidenden Ereignis. Er trennte er sich von einem seiner Markenzeichen, seinen Dreadlocks, die er seit der Jahrtausendwende bis auf eine beeindruckende Länge von über einem Meter „gezüchtet“ hatte. Wie konnte es dazu kommen?

„Neben meinem Dasein als Moderator, Musiker und Rampensau, bin ich auch für das Kultusministerium und das Landesinstitut für Pädagogik und Medien an Schulen unterwegs. Ich mache da beispielsweise Wochenprojekte mit den Schülern und zeige denen, wie macht man Frühstücksfernsehen, eine Radiosendung oder wie führt man ein Interview macht. Bei so einer Gelegenheit war ich an einer Schule in Luxemburg im Einsatz und da kommt auf einmal ein Mädel auf mich zu, zeigt auf den Boden hinter mir und sagt: “Entschuldigung, sie haben da gerade was verloren.“ Ich hab‘ mich rumgedreht und da lag dann ein fast ein Meter langer Dreadlock von mir. Mir war sofort klar, jetzt wird’s Zeit, jetzt bin ich in der Mauser.“

(Foto <vivien.huss.fotografie-09669 3>, Jörn mit ohne Haare)

Seinen Status als freier Mitarbeiter nutz er weidlich aus, um seinen unterschiedlichsten Talenten und Ambitionen Raum zu geben. Neben offensichtlichen Auftritten in verschiedensten Radio- und Fernseh-Formaten, Off-Air Moderationen auf Konzerten und Festivals, machte er beispielsweise auch viel Öffentlichkeitsarbeit für den SR und produziert mit großem Spaß Beiträge für die „Sportarena“.

„Das erste was ich da gemacht hatte, war ein Stück über den olympischen Fünfkampf, was ich mit den Jungs von Ungekocht Genießbar realisiert habe. Das war einfach unglaublich, ich habe sofort wieder Blut geleckt und gesagt: Das brauch ich und will ich und in Zukunft noch viel mehr!“

Wer probt, kann nix

Wovon er außerdem noch viel mehr braucht, gerade nach den letzte zweieinhalb Jahren, ist natürlich Musik machen.

„Die letzten Jahre waren für uns alle eine harte Zeit und ich hatte echt keinen Bock mehr nur noch via Facetime präsent zu sein. Wir hatten zwar lustige Projekte und Ideen, um uns bei Laune zu halten, aber ich war jetzt echt froh, als diese Zeit vorbei war und wir tatsächlich nochmal richtig loslegen konnten. Trotzdem ist es in dieser Zeit um meine Band Membran etwas ruhiger geworden, neue Projekte haben sich gebildet und letztlich haben wir Membran jetzt nach 16 Jahren zumindest zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Für mich hieß das zum Beispiel, Zeit zu haben für das Project „Midlife Crisis“ mit Sascha Waack. Hat alles sauviel Spaß gemacht, aber jetzt bin ich gerade an einem echt großen Ding dran, einer Metal Big Band! So richtig mit Bläsern und Background Sängern, aber halt richtig hart. Insgesamt stehen dann mit mir, zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, drei Sängerinnen, drei Bläser, einem Keyboarder und einem DJ dreizehn Leute auf der Bühne. Das sind dann schon so viel, dass wir nicht mehr zusammen proben können, aber das braucht man ja heute gar nicht mehr – und überhaut, wer probt kann nix. Das Ganze heißt „Stillmuff“. Ich fand das Wort schon vom Aussehen her richtig cool und dachte mir, wenn man das jetzt noch englisch ausspricht und ihm einen mittelmäßigen Schriftfont verpasst, dann ist das unschlagbar. Dann kommt keiner drauf, dass Stillmuff eigentlich eine praktische und kleinformatige Alternative zum Stillkissen bezeichnet, damit die Köpfchen von kleinen Babys beim Stillen nicht unbequem auf dem harten Unterarm zu liegen kommen.“ In jedem Fall hab‘ ich den Namen und entsprechende Websites schon schützen lassen.

Und wie sieht’s aus mit Live-Auftritten? Wann können wir Stillmuff auf der Bühne bewundern?

„Das ist momentan gar nicht mal so unbedingt unsere Priorität. Mein Fokus liegt im Augenblich erstmal darauf geile Songs zu produzieren, im Studio. Was ich gerade saugut finde ist, einen einzelnen Song zu machen, dann dazu ein Video und das dann rausballern und gucken was passiert. Natürlich stehe ich auch immer noch auf Bands, die so Konzeptalben gemacht haben, die man von vorne bis hinten durchhören kann, aber die Zeit ist jetzt eine andere. Und da ich ja einer bin, der ja auch beruflich ständig auf der Bühne steht, brauch‘ ich das im Augenblich nicht mehr so sehr.“

Wie sieht es aus mit anderen Projekten neben der Bigband? Du hast doch bestimmt einiges am Start?

„Was mich sehr gefreut hat, war tatsächlich, dass die Saarländische Krebshilfe auf mich zugekommen ist, mit der Frage, ob ich mir vorstellen könnte, bei einer Plakatkampagne für sie mitzumachen. Weil wenn ich mich als professioneller Spaßvogel da einbringe, erzeugt das eine ganz besondere Aufmerksamkeit und catcht die Leute nochmal mehr. Und natürlich habe ich sofort ja gesagt. Ansonsten bin ich dringend auf der Suche nach einem alten Kaugummiautomaten, weil ich mir einen Bienenfütterautomaten bauen will. Neben meinem Haus führt ein Wander- und Fahrradweg vorbei, da kommen jeden Tag hunderte von Leuten vorbei, und hintendran fängt gleich ein Feld an. Da will ich so einen Automaten aufstellen und Blumensamen reinmachen, die man sich dann für 20 Cent ziehen und ein Stück weit die Welt retten kann.“

Da bleibt uns nur uns für das Gespräch zu bedanken und falls unter den Lesern jemand einen Kaugummiautomaten übrighat, bitte einfach bei uns in der Redaktion abgegeben. Vielleicht geben wir ihn an Jörn, wenn er uns nicht gefällt.

Sitzen ist das neue Rauchen

Bewegung ist eine feine Sache! Tanzen, essen, sich fortpflanzen sind nur einige Beispiele für den Spassfaktor an der körperlichen Betätigung. Aber muss es denn unbedingt auch Laufen sein? Wir haben mit Betroffenen gesucht und schnell mit ihnen gesprochen, bevor sie wieder losgelaufen sind. 

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Überall und zu jeder Tageszeit begegnen einem Laufende – und es scheinen immer mehr zu werden. Da kommt nicht zu Unrecht die Frage auf, ob da was dran ist an der Rennerei oder ob es sich bei den Betroffenen nur um Leugner der Evolution oder Weltgeschichte handelt. Man könnte ja glattweg behaupten, wenn Mutter Natur gewollt hätte, dass der Mensch läuft, hätte er immer noch vier oder mehr Beine. Und auch der Umstand, dass die bedeutendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte wie Rad, Auto, Fernseher und Flugzeug dem Streben nach Bewegungsvermeidung entsprungen sind, lässt sich bestimmt irgendwie wegschwurbeln. Blöd ist nur, dass die Jungs & Mädels mit den schicken Sportschuhen so gar nichts von gemeinen Querdenkern haben, sondern im Gegenteil eher vernünftig und dazu noch beneidenswert gesund rüberkommen.

Vielleicht ist es einen Art Gen-Defekt, der erst ab einem gewissen Alter seinen verhängnisvollen Einfluss geltend macht? Denn während junge Erwachsene zwischen 20 und 30 ihren Bewegungsdrang üblicherweise auf Partys, in Clubs und bei zwischenmenschlichen Interaktionen ausleben, scheint alles das, was körperlichen Spaß macht, nach Vollendung des dritten Lebensjahrzehnts vergessen und verdammt zu sein. Stattdessen rennt die Generation Ü30 zunehmend scheinbar ziel- und sinnlos durch Parks, Straßen und Wälder und das zumeist auch alleine, gerade so als würde das Laufen in Gruppen Erinnerungen daran wieder hervorrufen, was man mit anderen Menschen so alles anstellen könnte. Aber ist das wirklich die alles erklärende Lösung für den Lauf-Hype der letzten Jahre? Ist da am Ende doch mehr dran?

Im letzten Jahr ging grob ein Drittel aller Deutschen ab 14 Jahren mehr oder weniger regelmäßig laufen oder joggen. Der Grund dafür waren weder fehlende fahrbare Untersätze noch der schlecht ausgebaute ÖPNV, sondern tatsächlich die Lust an der Bewegung und die Erfahrung echte Qualitätszeit für sich selbst zu erleben. Laufen ist eben eine ganzheitliche Sportart, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringt und dabei nicht nur ein idealer Sport, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen oder ein wesentlicher therapeutischer Baustein bei Erkrankungen wie Diabetes, nach einem Burnout, bei Depressionen oder Angststörungen, sondern nicht zu unterschätzenderweise auch unglaublich günstig. Wer allerdings mit der Gesamtsituation auf unserem Erdenrund nicht wirklich zufrieden ist, sollte sich das mit dem Laufen vielleicht noch mal überlegen, denn regelmäßiges Laufen erhöht die Lebenserwartung, verlängert also das Elend auch noch. Frauen leben etwa fünfeinhalb Jahre länger, Männer werden sogar im Schnitt durchschnittlich knapp über sechs Jahre älter. Dieser Effekt tritt schon ein, wenn man mindestens eine halbe Stunde pro Tag moderat läuft, das heißt, laufen ohne zu schnaufen. Diejenigen unter uns, die sich schon länger nur zwischen Couch und Kühlschrank bewegt haben oder über 35 Jahre sind, sollten beim Einstieg in den Laufsport Vorsicht walten lassen. Ein Besuch beim Hausarzt und Orthopäden sollte sicherstellen, dass Herz und Kreislauf der ungewohnten Aufgabe gewachsen sind und die Gelenke in entsprechender Verfassung sind. Ebenso nicht ganz unwichtig, die ehrliche Erkenntnis in welcher Gewichtsklasse man mit dem Laufen beginnen sollte. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist dabei natürlich die Ausrüstung, wie der saarländische „Lauf-Papst“ und Ausrüstungs-Spezialist Henning Jochum erklärt, der selber sein Hobby zum Beruf gemacht hat, in der Woche in Abhängigkeit von seinem Trainingsplan auch mal bis zu 60 km zurücklegt:

„Das Wichtigste überhaupt ist natürlich der Schuh. Der muss individuell auf die Anatomie und den ganzen Menschen passen. Ein typischer Anfängerfehler, den man tunlichst vermeiden sollte, ist zum Beispiel das Benutzen irgendwelcher alter Schuhe und mit denen einfach mal loszulegen. Dabei sollte man bedenken, dass so ein Schuh, selbst wenn man nicht damit läuft, maximal eine Haltbarkeit von etwa zwei Jahren hat, dann fängt er an auszuhärten. Mitunter ist es schon witzig zu sehen, dass Leute hier mit zehn oder fünfzehn Jahren alten Schuhen in den Laden kommen und sich wundern, dass irgendwie nix mehr geht. Eine Faustregel lautet, dass ein Laufschuh 800 bis 1000km hält. Die der Entscheidung für einen Laufschuh zugrunde liegende Analyse sollte entsprechend regelmäßig wiederholt werden, dass sich Schuhe, aber auch der Laufstil ändern. Deswegen einfach beim nächsten Schuhkauf beim kompetenten Fachhändler kurz aufs Laufband zum Check. Man muss unbedingt darauf achten, wie ein Mensch sich bewegt und dass sich der Schuh genau dieser Bewegung anpasst. Man muss sich einfach vorstellen, dass das Laufen ja immer eine Flugphase besitzt und selbst wenn man langsam läuft, ist die Belastung auf Füßen, Hüfte und Gelenken bei jedem Schritt ungefähr so, als ob ich von einem 20 – 25 cm, hohen Kasten springe. Bei einem Lauf von 5 km macht man etwa 5000 Schritte, d.h. 5000 Sprünge und Landungen. Das gibt einem eine ganz gute Vorstellung, was das für eine Belastung für Fußgelenke und Knie bedeutet. Deswegen sollte da schon der richtige Schuh am Start sein, der damit umgehen kann. Deswegen auf keinen Fall bei den Schuhen sparen! Laufen ist auf die Zeit gesehen ein unheimlich günstiger Sport, auch wenn ein guter Schuh seinen Preis hat. Trotzdem wird halt leider oft am falschen Ende gespart und dann kommen die Verletzungen. Und natürlich gehört zum Schuhkauf immer die sachkundige Beratung im Fachgeschäft, inklusive einer gründlichen und kompetenten Analyse auf dem Laufband. Bei der übrigen Bekleidung kommt es auf Zweierlei an. Einmal ein Baumwollunterhemd, dass halt wirklich die Feuchtigkeit von der Haut wegtransportieren kann und eine gute Jacke für Herbst und Winter, die nach außen absperrt. Sowas hält dann auch zig Jahre. Ich hab‘ eine zwanzig Jahre alte Gore-Jacke, die funktioniert immer noch.“

Prahlen mit Zahlen

Ist das alles abgeklärt, sollte eher zurückhaltend ins Laufgeschäft eingestiegen werden. Am besten ist es, erstmal nur zwei bis drei Minuten zu laufen und dann eine ebenso lange Geh-Phase einzulegen. Die Lauf-Phasen sollte man fünf Mal wiederholen und dieses Pensum dann langsam steigern. Ideal ist es, drei Mal die Woche eine halbe Stunde zu laufen. Bei einem solchen sanften Start und konsequenter Steigerung der Laufeinheiten, werden sich schon innerhalb von vier Wochen Ausdauer und Leistung merkbar verbessern, was natürlich auch für neuerliche Motivation sorgt. Henning Jochum ergänzt:

„Nicht zu übertreiben ist ungemein wichtig. Nicht zu viel zu trainieren und nicht nur das Laufen sehen, sondern zum Beispiel auch Krafttraining und das Dehnen nicht zu vernachlässigen. Also nicht nur rennen, sondern auch ein bisschen rechts und links gucken. Die Abwechslung macht’s und der Muskulatur immer wieder andere Impulse setzen.“

Auch Mirko Stublic, dank Facebook und Instagram vielleicht einer der bekanntesten Läufer an der Saar hat einen guten Ratschlag für Frischlinge:

„Jeder der anfangen will, sollte das einfach mal ein paar Wochen probieren, das aber konsequent. Strecke egal, Tempo egal, Wetter egal. Ich bin halt recht schnell zum Glück und laufe wie gesagt mindestens 10 km, aber ich ziehe vor jedem den Hut, der dreimal in der Woche 5km läuft. Dranbleiben, auf gutes Equipment achten und los geht’s!“

Es gilt achtsam und aufmerksam mit sich umzugehen. Gerne wird zu viel in zu kurzer Zeit und Fehler gewollt oder erzwungen und Fehler schleichen sich ein, die den Körper eher belasten als ihm gutzutun. Die Motivation geht flöten und im worst case kommt es sogar zu Verletzungen. Eigentlich sagt der Körper einem, ob ihm gerade Gutes getan oder ob übertrieben wird, man muss nur darauf hören. Bei starken Schmerzen, Atemnot oder anhaltendem Schwindel, sollte unbedingt eine Pause eingelegt werden. Der Kreislauf macht meist schlapp, wenn der Trainingszustand noch nicht besonders gut ist und die Laufintensität oder die Laufdauer zu hoch gewählt wurden. Wenn das anhält, kann ein neuerlicher Besuch beim Arzt nicht schaden – im Gegenteil! Durch eine Überlastung des Knorpels an der Kniescheibe oder im Kniegelenk selbst, oftmals verursacht durch nicht passendes Schuhwerk oder eine falsche Lauftechnik kann es zu zunehmenden Schmerzen beim Laufen kommen. In jedem Fall sollte das Laufen unterbrochen werden und bei wiederkehrenden Knieproblemen unbedingt frühzeitig zur Abklärung zum Sportarzt. Bei Muskelkater und Seitenstechen gilt: Pausieren und dem Körper Ruhe gönnen. Seitenstechen betrifft auch eher Untrainierte, deren Atemsystem sich erst an die sportliche Belastung gewöhnen muss. In diesem Fall sollte man das Lauftempo reduzieren, tief durchatmen und gegebenenfalls Zeigefinger und Daumen locker aneinander reiben (klingt komisch, hilft aber wirklich).

Wer dies alles beachtet, ist ohnehin auf dem richtigen Weg, doch gerade jetzt im Sommer, gibt es Weiteres zu beherzigen, wie Dr. Peter Kessler rät:

„Wenn der Dermatologe ans Laufen denkt, fallen ihm generell sofort zwei Sachen ein: oben und unten! Mit „oben“ sind der Kopf und das Gesicht gemeint, bei Glatzenträgern auch die hohe Stirn. Sonne droht hier – insbesondere um die Mittagszeit – Schäden zu setzen, insbesondere Sonnenbrand und Hitzschlag. Daher immer gut eincremen (gilt natürlich auch für alle anderen ungeschützten Körperstellen), Mütze nicht vergessen und im Schatten laufen. Mit „unten“ sind die Füße gemeint. Gut passendes Schuhwerk schützt vor Schwielen und Hühneraugen, regelmäßiges Lüften der Schuhe und konsequente Fußhygiene ist das A und O in der Vorbeugung des Fußpilzes. Und generell gilt: Trinken nicht vergessen – wie immer!“

Und als ob das alles nicht genug wäre, nutzen die allermeisten Getriebenen gnadenlos alles, was modernste Technik und die sozialen Medien zu bieten haben, um ihre Mitmenschen über alles mögliche Zahlenmaterial auf dem „Laufenden“ zu halten. Läufer sind scheinbar echte Statistik-Nerds: Geschwindigkeiten, Kilometer, Höhenmeter, gelaufene Zeit, Herz-, Schritt- und Atemfrequenz. Wer es ganz genau wissen will, analysiert noch seine vertikale Bewegung, die Bodenkontaktzeit und die eigene Schrittlänge. Natürlich alles in Abhängigkeit zur Laufgeschwindigkeit, dem eigenen Wohlbefinden und den vorherrschenden Wetterverhältnissen. Aber mal ehrlich, dieses Prahlen mit Zahlen und sich mit seinenLaufergebnissen zu rühmen gehört wohl eindeutig zu den Schattenseiten des Laufsports. Keine Frage, wer einen Wettkampf gelaufen, egal ob gegen andere oder nur gegen den inneren Schweinehund, hat – unabhängig, ob 5, 10, 21 oder 42 Kilometer –, jeden Respekt verdient. Das dabei gewonnene Zahlen- und Datenmaterial ist letzten Endes für alle anderen außer einem selbst völlig irrelevant und grenzt an digitale Umweltverschmutzung. Nicht wirklich anders verhält es sich übrigens mit den gerne geposteten „nachher“ Fotos, die den Betrachter oftmals mit dem Gedanken spielen lassen, Rettungskräfte oder zumindest Sauerstoffzelt-Verleiher auf den Plan zu rufen.

­­­­­­­­­­­­­­­­­­­Ich habe mit dem Laufen angefangen, damit ich mehr essen kann!“

Aber jetzt mal im Ernst und ohne jede Ironie, was sind das für Menschen und aus welchen Gründen strapazieren sie regelmäßig ihre Lungen, Beine und Füße. Tatsächlich haben wir gleich mehrere „Laufende“ getroffen, die nicht gleich vor unseren Fragen davongerannt sind und kamen nicht um die Erkenntnis herum, dass wohl doch mehr am Laufen dran ist, als wir faulerweise gemutmaßt hatten. Das zeigt sich schon bei den Gründen, aus denen mit der Lauferei begonnen wurde. Jenny Kriesche zum Beispiel, die mittlerweile alle paar Wochen an Wettkämpfen teilnimmt und für die Teilnahme an einem Marathon auch mal bis nach Hawaii fliegt, hat eine einfache und sehr nachvollziehbare Erklärung:

„Zum Laufen gekommen bin ich hauptsächlich durch meinen Papa, der auch Marathonläufer ist und mit dem ich gerne mal einen Marathon laufen wollte (bin ich den ersten 2016 gemeinsam mit ihm) und seitdem bin ich dabeigeblieben. Laufen ist für mich ein guter Sport, da man nicht viel dafür braucht und es von überall aus ausüben kann.“

Ein gutes Stück weit pragmatischer lief das beim ehemaligen Sneaker-Papst Mirko Stublic, der schon lange bevor er selber in Gang kam, seinen Kunden zumindest sehenswertes Schuhwerk näherbrachte:

„Nachdem ich nach Saarlouis gezogen war, musste ich erstmal neue Kontakte aufbauen und hab‘ die freie Zeit genutzt, um mit dem Laufen anzufangen und habe dann schnell festgestellt, dass mir das richtig Freude macht. Für mich ist die Triebfeder inzwischen ganz einfach, das ganze Jahr über, wenigstens dreimal die Woche raus an die frische Luft zu kommen.“

Wiederum etwas anders gelagert war die Anfangsmotivation bei der Miriam Bilke-Perkams. Sie ist insofern eine untypische Wiederholungstäterin, da nach einer verletzungsbedingten Pause wieder angefangen hat, vor allem, um den unausweichlichen Folgeerscheinungen ihres anderen Lieblingshobbys, Torten- und Kuchenbacken, entgegen zu wirken. Gelaufen ist sie schon immer, beziehungsweise hat Sportarten betrieben in denen laufen eine Rolle spielt, wie z.B. Crossfit.

„Nach einem Achilles-Sehnenriss 2014 bekam ich die Prognose: Sie können gerne weiter Sport machen, aber nichts mehr was mit Laufen zu tun hat. Da habe ich meinen Sport fast ganz zurückgefahren. Dann kam zu Beginn der Pandemie eine Freundin zu mir, die auch eine längere Pause eingelegt hatte, mit einem „Wiedereinsteiger“ 5 km Trainings-Plan zu mir kam. Der lag zwar dann erstmal ein paar Wochen bei mir rum, aber nachdem ich mir mit einer anderen Freundin ein ausgedehntes Torten-Battle auf Instagram geliefert hatte, dachte ich mir: Wenn ich so weitermache, sehe ich nach Corona aus wie ein Oger. Da habe ich in den Plan in die Hand genommen und mir gesagt: Okay, wenn ich weiter viel essen will, sollte ich jetzt wieder mit dem Laufen anfangen. Und da war dann auch schon der Ehrgeiz es dem Orthopäden zu zeigen, was dann auch nach viel Mühen und dank der Unterstützung meines ehemaligen Crossfit-Trainers geklappt hat.“

Auch sonst ist bei der Sulzbacherin mit Laufschuh-Größe 43-44 manches anders als bei der Durchschnittsläuferin:

„Ich bin halt mit 1,83m ein bisschen größer und schwerer und werde so auch im Bereich der Hobbysportler keine Bestzeiten erreichen. Ich bin eben langsamer und kann damit leben und ich laufe halt so, dass ich hinterher keinen Herzinfarkt bekomme. Entsprechend gering ist mein sportlicher Ehrgeiz angesiedelt, was den Vergleich mit anderen angeht oder gar die Hatz nach Rekorden. Was ich auch nicht mache, ist, auf bestimmte Ereignisse, wie zum Beispiel der Berlin-Marathon gezielt hinzutrainieren. Tatsächlich laufe ich, wenn ich überhaupt bei Wettbewerben mitmache, fast nur Spendenveranstaltungen. Nach entsprechenden Fällen in der Familie habe auch ich mich mit dem Thema Krebs beschäftigt und fand es einen sehr guten Gedanken, durch Laufen die Leute dazu zu bringen zu spenden. Ich fand es gerade während der Pandemie wichtig etwas dafür zu tun, dass das Thema Krebs nicht hinten runterfällt. Spendenläufe sind da eine gute Gelegenheit und dann mache ich das auch gerne!“

Mit dieser Einstellung ist sie nicht alleine, denn auch Jenny Kriesche engagiert sich durch und über das Laufen hinaus:

„Ich minijobbe als Lauftrainer bei der Laufschule Saarpfalz, da ich auch sehr gerne in Gruppen unterwegs bin und auch gerne andere beim Erreichen der sportlichen Ziele unterstütze, von Anfänger – bis Marathontraining. Zudem bin ich in dem Verein Miteinander gegen Krebs e.V., die jährlich den Spendenlauf Cross against Cancer in Homburg veranstalten, dessen Einnahmen gespendet werden um Krebspatienten zu unterstützen. Da ist es schön zu sehen, wie gut das Laufen auch der Psyche tut.“

Was beim nach eigenem Bekenntnis „Genussläufer“ Mirko Stublic auffällt, ist seine eher ungewöhnliche Zeiteinteilung. Denn während eine große Mehrheit das abendliche Training bevorzugt, entpuppt sich der passionierte Bart- und Mützenträger als Frühaufsteher:

„Ich laufe morgens, immer! Das macht zwar ehrlich gesagt auch nicht immer Spaß früh aufzustehen, erst recht nicht, wenn auch noch bescheidenes Wetter ist. Ich gucke höchstens mal auf der Wetter-App, ob sich das Wetter bald ändern wird und verschiebe dann nach hinten, wenn meine Zeit es zulässt. Und zur Not gibt’s ja noch Regenjacken. Als ich zur Arbeit noch nach SB musste bin ich manchmal um halb fünf früh laufen gegangen, wenn’s zeitlich nicht anders ging. Du musst Dir halt einfach die Zeit für Dich nehmen. Wichtig ist aber immer, dass es Dir Freude macht. Wenn man sich dauernd zwingen muss, dann macht das keiner lange. Bei mir ist es so, dass ich mich spätestens nach dem ersten Kilometer doch freue, dass ich losgelaufen bin.“

Und noch etwas hebt ihn aus der Masse der Rennmenschen hervor:

„Tatsächlich laufe ich wie Forrest Gump nur auf Asphalt, nur auf Straßen rum. Alle anderen ziehen ja beispielsweise Waldboden vor, aber ich habe das Glück, dass ich robust und bis jetzt verletzungsfrei bin, obwohl ich in den acht Jahren jetzt über 17.000 km gelaufen bin und dabei habe ich alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte, 5 km unter 20 min, 10 km unter 40 min und bin Halb- und Marathon gelaufen.“

Ganz offensichtlich hat das Laufen längst einen besonderen Stellenwert für unsere Probanden eingenommen. Jenny Kriesche betont:

„Laufen ist aus meinem Leben nicht wegzudenken, weil es einfach ein schönes Hobby ist, es Spaß macht und abwechslungsreich ist. Ich schätze neben dem sportlichen Aspekt auch sehr den sozialen Aspekt des Laufens und der Zusammenhalt der Läufergemeinschaft.“

Miriam Bilke-Perkams schätzt besonders mit dem Laufen verbundene Qualitäts-Zeit:

„Für mich ist Laufen „me“ Time, meine Zeit für mich. Andere machen Yoga und für mich ist es halt das Laufen. Das ist für mich neben dem Job auch ein Resilienzfaktor.“

Auch Mirko Stublic will nicht mehr wirklich ohne:

„Ich bedauere es tatsächlich schon, wenn ich wegen Terminen nicht laufen kann, hab‘ dann aber trotzdem meistens einen guten Tag. Was mir dann fehlt, ist die Kombination aus der Bewegung und der Zeit für mich.“

Und so ein bisschen schielt er auch auf seine Social-Media-Aktivitäten:

„Ich hab‘ immer Handy dabei, damit ich den Notarzt rufen kann, wenn ich umfalle – und natürlich für das Photo hinterher, Social Media sind ja so wichtig beim Laufen.“ (sagt’s und grinst). „Tatsächlich freut es mich wirklich und gibt mir Antrieb, wenn Leute zu mir kommen und sagen: ich hab‘ nur wegen Dir mit Laufen angefangen, wegen Deiner Posts!“

Damit wäre dann der Schuldige gefunden!

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Jenny Kriesche

Name: Jenny Kriesche

Alter: 35

Läuft seit: 8 Jahren

Wöchentl. Laufleistung: 30 – 50 km

Lieblingsdistanz: Halbmarathon

Ziele: London- und Honolulu-Marathon

Miriam Bilke-Perkams

Name: Miriam Bilke-Perkams

Alter: 47

Läuft: 2 Jahren

Wöchentl. Laufleistung: >30 km

Lieblingsdistanz: 10 km (mit Luft nach oben)

Ziele: Bis ins hohe Alter gesund laufen zu können

Mirko Stublic

[Foto: <live 07-2022 laufen-mirko stublic social>]

Name: Mirko 53

Läuft seit etwas über 8 Jahren

Wöchentl. Laufleistung: 40 – 70 km

Lieblingsdistanz: >10 bis 30 km

Ziele: Keine mehr, alles schon erreicht,

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Cross against Cancer

Acht laufbegeisterte Frauen gründeten 2015 in Homburg-Kirrberg den Verein
„Miteinander gegen Krebs e.V.“. Zielsetzung ist die Verhütung und Bekämpfung von Krebserkrankungen, insbesondere auch Maßnahmen & Hilfen für Krebserkrankte. Um die Vereinsziele zu realisieren, wird jährlich der Benefiz-Lauf „Cross against Cancer“ mit Spendenrunden, 5km Nordic Walking, 5, 10 & 17km rund um das Homburger Waldstadion organisiert, um auf die Thematik Krebs in der Bevölkerung aufmerksam zu machen und dazu beitragen, dass Berührungsängste gegenüber an Krebs erkrankten Menschen durch deren Integration abgebaut werden Der Erlös wird an eine Organisation oder Institution gespendet, die sich mit dem Thema Krebs beschäftigt.

Cross gegen Cancer – am Sonntag 11.09. um 10.00 Uhr im Homburger Waldstadion

Der Fotograf und die starken Frauen

Veröffentlichungen in Magazinen von Penthouse bis Harper’s und Vogue, vertreten durch eine Agentur in London und unter den Klienten nicht so ganz unbekannte Firmen wie Harley Davidson und der Reemtsma Konzern oder Labels wie Sammler Berlin und Frauenlust, stehen für eine klare Ansage: der Mann kann was!   

Ronan Budec war als Fotograf schon überall und für alle tätig. Am liebsten Fashion- und Editorial-Shootings, gerne schwarz/weiß, aber auch mal Polaroids in den eigenen Studios in Frankfurt und jetzt auch in Saarbrücken. Genau hier ist er 1974 geboren und aufgewachsen, auch wenn er einen großen Teil seiner Jugendjahre, vor allem im Sommer, im bretonischen Lorient an der französischen Atlantikküste verbracht hat. Das ist genauso dem französischen Teil seiner Familie mütterlicherseits geschuldet, wie später der Besuch des Deutsch-Französischen Gymnasium. Dieser Seite verdankt er zudem seine künstlerische Ader und das Interesse für visuelle Kunst, denn Großmutter und Tante waren Malerin bzw. Galeristin.

Noch während seiner Schulzeit beginnt er mit 13, 14 irgendwelche Sachen zu skribblen und fängt an Cover „von Hand zu Fuß“ zu gestalten, einfach weil ihn Grafik sehr interessiert. Das ist dann auch die Basis für erste Jobs bei einer Werbeagentur, für die er dann auch Webdesign macht und schließlich dort eine Ausbildung zum Kameramann absolviert. Anschließend gründet er sein eigenes Unternehmen für Web- und Screen-Design zu deren Kunden unter anderem Unternehmen aus der Bahnbranche gehören, was wiederum zusätzlich zu einem Ingenieursjob bzw. die Projektleitung beim Prototypen-Bau von Bahn-Wartehallen führt. Zeitgleich wächst aber in den frühen Neunzigern mehr und mehr die Hinwendung zur Fotografie. Helmut Newton, seine Art Bilder zu inszenieren und wie er unverwechselbar und mitunter auch sehr provokant starke Frauen repräsentiert hat, beeindrucken ihn nachhaltig. In der Folge nimmt die Arbeit am Fotoapparat einen immer größeren Stellenwert ein, bis er, nicht nur im Selbstverständnis, zum kompletten Fotografen wird. Der Rest ist dann fast schon Geschichte. Inzwischen versteht er sich als Fotograf immer auch als Choreograph eines Teams. Er kennt und schätzt die Bedeutung von Assistenten, Stylisten, Make-Up Artists und sieht sich auch in der Verantwortung, seinen Stab bei Laune halten, damit am Ende des Tages auch ein gutes Bild rauskommt, was eben ohne gute Stimmung nicht funktioniert.

L!VE: Wie um alles in der Welt gerät als gelernter Kameramann ins Ingenieurswesen bei der Bahn?

R.B.:  Indem man frankophon ist und ein deutsches Unternehmen mit einem französischen fusioniert. Da braucht es dann jemand der die interne Kommunikation übernimmt. Allerdings bin ich damals recht schnell in ein tiefes, schwarzes Loch gerutscht, weil ich für wenig Geld viel Verantwortung übernehmen musste. Schließlich folgten dann zwei Jahre in Berlin da wollte ich fotografisch etwas mehr Fuß fassen, habe aber zweigleisig auch weiter für das Bahnunternehmen gearbeitet. Der Liebe wegen bin ich danach nach Köln gegangen. Ich konnte dort sogar mein fotografisches Arbeiten weiter ausbauen, weil ich zwar immer noch die alte Firma tätig war, nur inzwischen in Tele-Arbeit. Heute würde man Home-Office sagen, die mir sehr viel Freiraum für die Entwicklung meiner Fotografie ermöglichte.

L!VE: Hast du auch eine  fotografische Ausbildung?

R.B.: Nee, ich habe mir einen Fotoapparat genommen und den „gelernt“. Alles andere war intuitiv, hat einfach funktioniert, wobei natürlich die Kameramann-Ausbildung nicht gerade hinderlich war.

L!VE: Dieser Fotoapparat, den Du „gelernt hast“, war sicher noch analog. Bist auch Du digital unterwegs?

R.B.: Meistens schon, allerdings habe ich eine große Hinwendung zu Polaroid-Bildern entwickelt. Ich hatte mal für einen Kunden eine ganze Modestrecke geschossen, natürlich digital, aber nebenbei auch Polaroids gemacht, mehr so für mich. Am Schluss kamen ausschließlich die Polaroids in das Magazin. Außerdem bin ich kein Freund von Nachbearbeitung. Je weniger ich im Nachhinein machen muss, desto besser. Bei schwarz/weiß mache ich wirklich oft gar keine Retusche, wenn‘s um Beauty-Bilder geht, da muss man dann halt Hand anlegen, aber auch versuche ich denkbar übersichtlich zu halten. Zudem eignet sich schwarz/weiß, um mit den Bildern gewissermaßen Zeitreisen zu machen. Also um moderne Fotografie zeitlos zu machen, weil die Menschen zeitlos werden. Das ist ein sehr aktuelles Thema, denn man sieht ja, wie viele junge Leute auf der Suche nach alten Analog-Kameras sind, um mit schwarz/weiß Film zu arbeiten. Aber das Analoge beschränkt sich ja nicht auf schwarz/weiß Fotografie, denn man darf nicht außer Acht lassen, dass ja auch Polaroids nichts anderes sind als analog Fotografie. Und Polaroid-Bilder sind fantastisch, der Look ist einfach irre! Ich liebe den echt!

L!VE: Gibt es einen Auftrag oder eine Arbeit, die für Dich besonders reizvoll war?

R.B.: So das eine spezielle Ding, gab es für mich nicht. Egal ob beispielsweise Mode oder Interieur, sobald Menschen mit im Bild sind, wird’s für mich interessant. Ich bin halt kein Still-Lifer, der Spaß daran hat Essen oder ein paar Schuhe zu fotografieren, die da einfach nur vor einer weißen Wand stehen.

L!VE: Wenn es Dir schon schwer fällt, einzelne Arbeiten hervorzuheben, ist es vielleicht einfacher Menschen zu benennen, die Dich durch die Zusammenarbeit beeindruckt haben?

R.B.: Ja da gab es in Berlin eine Künstlerin, Juliette Schoppmann, die durch ihren zweiten Platz in der ersten DSDS-Staffel bekannt wurde. Für die habe ich Bilder für ihre Alben gemacht, Fotos für die Cover und so weiter. Da war gleich eine Verbindung und es hat sofort funktioniert, vielleicht auch weil sie ebenfalls französische Wurzeln hat. Daraus hat sich dann unter anderem auch noch die Verbindung zu einem etwas „komischen“ Künstler ergeben, Menowin Fröhlich, weil der natürlich damals vom gleichen Management betreut wurde. Und wenn wir gerade bei den TV-Personalities sind, auch die Arbeit mit Rebecca Mir war sehr interessant

L!VE: Aktuell richtest du ein großes, neues Studio in einer ehemaligen Industriehalle ein.

R.B.: Das ist eine alte Schlosserei, die erstmal grundsaniert werden musste, was aufgrund der Größe einiges an Investitionen bedurfte. Dort entsteht eine multifunktionelle Kombination aus Studio und Location, quasi ein Kreativ-Raum und ein Raum für Seminare, Meetings, Workshops, Events und alles Denkbare. Ich hoffe, dass wir dort spätestens bis Ende Juni eröffnen können.

L!VE: Für einen Fotografen bist Du überraschend wenig auf Instagram & Co unterwegs.

R.B.: Zum einenlege ich da sowieso kein besonderes Augenmerk drauf. Andererseits fehlt mir auch manchmal einfach die Zeit dafür, gerade im Moment. Und, obwohl ich da echt nicht viel gemacht habe, ist zum Beispiel meine Facebookseite trotzdem irgendwann explodiert und bei Insta habe ich Follower im fünfstelligen Bereich. Ich lass sich das einfach weiter entwickeln. Hinzu kommt, dass viele dort unvorsichtig mit Bildern umgehen, vor allem, weil sie den wirklichen, künstlerischen Wert eines Fotos nicht mehr überblicken können. Der Wert der Fotografie als Kunst geht da komplett verloren und es geht nur noch um die Selbstdarstellung. Gerade weil sie auch mit anderen Beautystandards und Filtern vollgepumpt werden, die im Endeffekt die Menschen so darstellen, wie sie gar nicht sind. Da wird eine Fake-Welt aufgebaut. Nach den meisten Selfies würde man die Menschen im echten Leben ja noch nicht mal mehr erkennen. Als ich mich damals auf Insta angemeldet hatte, war das noch in erster Linie ein Portal für Kreative, für Fotografen, Maler, visuelle Künstler im weitesten Sinne und ist in der Zwischenzeit zum Selfie-Heaven verkommen, wo nur noch die Fassade übrigbleibt.

L!VE: Was steht in Zukunft an?

R.B.: Da gibt es eine ganz spannende Geschichte, über die ich allerdings, wie immer, nur ein bisschen was verraten kann. Gemeinsam mit meiner Partnerin Eva Zocher, arbeite ich für eine renommierte Hotelkette an deren Ausstattung mit neuen Bildern und darüber hinaus auch an der Art der Präsentation dieser.

L!VE: Das klingt doch schon sehr spannend. Wir wünschen viel Erfolg und bedanken uns für das interessante Gespräch.

R.B.: Gern geschehen und jederzeit wieder.

Mehr Infos auf www.ronanbudec.com

Das Phänomen im Bademantel

Millionen Likes, Hunderttausende Fans & Follower und Talent im Übermaß! Was der gerade mal 19jährige Daniel Klein auf die Beine gestellt hat, kann sich mehr als sehen lassen – und hören! Kein anderer DJ kann sich ähnlicher Popularität auf TikTok rühmen und im Saarland ist er sowieso mit großem Abstand die absolute Nr. 1!

Vor zwei Jahren war Daniel Klein noch ein ganz normaler Abiturient im Kehl am Rhein. Ein paar kleinere Bookings als Bass und Future House DJ hatte er schon erfolgreich absolviert, aber nichts was auf die atemberaubende Karriere, mit über 450.000 Followern auf TikTok und knapp 25.000 auf Instagram, hätte schließen lassen, die der 1,87 Hüne inzwischen hingelegt hat. Tatsächlich war der Lockdown für ihn der Startschuss richtig Gas zu geben und als erster DJ auf TikTok Livestreams zu veranstalten. Aus Daniel Klein wurde D.Cline und als ihm nach seinen ersten 18 Videos die Outfits ausgingen, ereilte ihn beim Verlassen der heimischen Dusche ein Geistesblitz in Form seines Bademantels. Der wurde inzwischen zu seinem unverwechselbaren Erkennungszeichen. Inzwischen hat der Algorithmus-Flüsterer sein Abitur in der Tasche und ist wegen seines Ausbildungsplatzes seit August 2020 in Saarbrücken heimisch und bis auf den Dialekt hat er an seiner Wahlheimat nichts auszusetzen. Die „Sprache“ des TikTok Algorithmus hingegen, hat er problemlos durchschaut. Gepaart mit seinem besonderen Talent hat ihm das eine beachtenswerte Karriere als DJ und Content Creator beschert. Und so ist er praktisch direkt nach unserem Treffen auf Einladung JBL Audio schnell mal zu einem Wochenende zur Snow Party u.a. mit Martin Garrix nach Val Thorens aufgebrochen. Nicht gerade ein unangenehmer Zeitvertreib für einen jungen Mann, der noch vor wenigen Jahren mit seinem Talent am klassischen Streichinstrument überzeugte.

L!VE: Du hast wirklich Cello gespielt?

Daniel Klein: „Ja klar, ich komme aus einer relativ musikalischen Familie. Meine Mutter ist Musiklehrerin, spielt Trompete und Klavier, mein Vater hat mal Schlagzeug gespielt und meine Geschwister Kontrabass, Klarinette und Klavier. Cello habe ich seit ich acht Jahre alt war gespielt. Mit etwa elf war ich auch irgendwann mal unter den Top 16 in Baden-Württemberg. Ich habe damals jeden Tag mindestens 20 bis 30 Minuten geübt und habe das wirklich sehr gerne gemacht, besonders auch im Orchester zu spielen. Quasi als Abschluss hatte ich im Winter 2019 noch einen großen Soloauftritt mit Orchester und allem Drum und Dran, habe dann aber mit 18 aufgehört.“

L!VE: Erleichtert diese musikalische Vorbildung das DJ-Dasein?

D.K.: „Auf jeden Fall! Ich bin zwar bestimmt kein DJ bei dem alle Tracks mixed in key (in einer Tonart – Anmerkung der Red.) sein müssen, aber ich glaube so ein bisschen sollte man schon darauf achten. Man kann halt viel rumspielen als DJ. Ich zum Beispiel nutze gerne A Capellas, setze einen Loop und lasse einen zweiten Track laufen. Wenn der dann in einer komplett anderen Tonalität sein sollte, dann merkt das im Club auch einer mit 3,0 Promille.

L!VE: Zurück in die Gegenwart. Wie kommt ein talentierter Badenser ins Saarland?

D.K.: „Das hatte sich ganz lustig ergeben. Ich war ja damals schon mit meinen Live-Streams online und die kamen ja auch ganz gut an. Als ich mir dann mal die Kommentare hinterher angesehen habe, entdeckte ich eine Nachricht, ob ich nicht Lust hätte bei einer Veranstaltung der Karlsberg Brauerei in Homburg dabei zu sein. Bei diesem Influencer Stammtisch habe ich dann auch aufgelegt und bin dabei eben mit meinem jetzigen Ausbilder ins Gespräch gekommen. Nach dem Abitur war ich unsicher, was genau ich machen wollte, fand aber den Gedanken cool, eine neue Stadt kennenzulernen und habe mich dann auf Saarbrücken für meine Ausbildung zum Kaufmann für Marketing und Kommunikation eingelassen. Marketing ist für einen DJ ohnehin ganz interessant und wegen meines Abiturs konnte ich die Ausbildung ja auf zwei Jahre verkürzen und werde dann jetzt im Sommer fertig.

L!VE: Was genau hat Dich getriggert nicht nur als DJ zu performen, sondern damit auch viral zu gehen?

D.K.: „Ich glaube, das war Neugierde und vielleicht auch ein bisschen Langeweile. Über einen Freund, DJ Olde, der ja auch schon hier in der Alten Schmelz aufgelegt hat, bin ich an ein paar Clubs und meine ersten Warm-Up Gigs gekommen. 2017 hatte ich mit dem Auflegen begonnen, was von Anfang an großen Spaß gemacht hat, auch wenn ich damals noch nicht wirklich 18 war. Als dann der Lockdown kam, haben recht schnell viele Deejays damit begonnen, zum Beispiel auf YouTube live zu streamen. Das fand ich schon cool, wollte da auch was machen, aber auf jeden Fall mein individuelles Ding mit etwas ganz Neuem. Das war dann TikTok, wo zu dem Zeitpunkt nicht ein einziger DJ was gemacht hat. Damals hatte TikTok aber eine Sperre, die verhinderte, dass man live streamen konnte, bevor man nicht wenigstens 1.000 Follower hat. Das hieß für mich im ersten Schritt, Videos hochzuladen, um auf diese Zahl zu kommen. Das mit den Videos hat sich dann so krass entwickelt, dass ich es weiter gemacht habe, auch als ich längst streamen konnte, einfach auch um meine Live-Streams zu pushen. Denn damals war es so, dass die Streams nur so erreicht werden konnten, indem eine Person dir folgte und benachrichtigt wurde oder wenn du mit einem Video auf der „For you“ Page erscheint und du genau in dem Augenblick auch live bist. Deswegen hatte ich das dann damals genau durchgeplant. Ich habe meine Videos immer um Punkt 19.30 Uhr hochgeladen, weil ich herausbekommen hatte, dass der Algorithmus ungefähr eine halbe Stunde brauchen wird, bis er bewertet, ob das Video viral gehen wird oder nicht. Wenn das Video dann nach 30 Minuten schon zehn- oder zwanzigtausend Aufrufe hatte, dann geht es noch wesentlich höher. So bin ich dann immer genau nach dieser halben Stunde „live“ gegangen, weil das dann genau der Zeitpunkt war, wo es komplett ausgestrahlt wurde. Und weil die Leute dann das Video auf ihrer „For You“ Page hatten, gelangten sie entsprechend auch zum Live-Stream. Und man muss natürlich zusehen, dass man die Leute bei der Stange hält. Da kommt dann auch der Bademantel ins Spiel, auch wenn das Anfang schon ein bisschen skurril war. Aber es catcht die Leute einfach und so habe ich die Leute auch ein bisschen gereizt, indem ich am Anfang gesagt habe, bei 200 Zuschauern kommt der Bademantel. Anfangs hatte ich ganz normal aufgelegt, aber wenn dann die Zahlen stimmten und ich im Bademantel aufgelegt habe, kam es halt auch vor, dass neue Leute dachten „Ach wie irre, da gibt es einen DJ auf TikTok und der legt auch noch im Bademantel auf!“. Mit den Videos ist es so, dass ich mir sage, ich möchte den Leuten einfach nur für eine Minute ein gutes Gefühl geben und sie sich unterhalten fühlen. Das ist natürlich leichter, wenn man von den Songs immer nur kurze Ausschnitte nutzt und langweilige Intros weglässt. So wird dann richtig viel Dopamin ausgeschüttet. Das ist halt die Gefahr bei TikTok, weil es so rasend schnell von einem Video zum nächsten geht, da man ja nur mit einem Fingern scrollen muss.

L!VE: Wie wichtig ist es, die TikTok zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und sich zu eigen zu machen?

D.K.: „Die ersten Posts Ende 2019 waren nur so ein Ausprobieren. So richtig los ging das dann mit dem ersten Lockdown im Februar 2020. Da hatte ich ein virales Video gehabt, ein Mashup von Kazim Akbogas „Is mir egal“ mit Michael Wendlers „Egal“, dass wirklich durch die Decke ging und total im Trend lag. Ich hatte das ohne großartige Hintergedanken oder Erwartungen hochgeladen und am nächsten Morgen hatte das Teil Hunderttausende Aufrufe. Das war schon irgendwie irre, wie schnell das welche Ausmaße angenommen hat. Den einen Augenblick sitzt man noch in der Schule und am nächsten Tag fast einen halbe Million Views mit Tausenden von Kommentaren. Das war die unglaubliche Chance, die TikTok damals geboten hat und die das Medium auch zum damaligen Zeitpunkt einmalig machte. Das wäre auf keiner anderen Plattform möglich gewesen, in so kurzer Zeit so stark organische Reichweite zu generieren. Der TikTok Algorithmus hatte so stark darauf basiert, dass zur Beurteilung des Contents immer genau drauf geschaut wurde, wie die Leute, die sich das angeschaut hatten, darauf reagierten. Umso positiver die Reaktion, an umso mehr Nutzer wurde das Video dann ausgestrahlt. Auf diese Weise hat sich halt „guter“ Content mit Qualität durchgesetzt. Das hat sich inzwischen geändert, da TikTok die Beiträge eher in verschieden Gruppen kanalisiert. Trotzdem mache ich gerne da weiter meine Videos, einfach um die Leute zu unterhalten, während ich zum Beispiel auf Instagram den Fokus darauflege, meine Gigs und Termine zu promoten.

L!VE: Hat Dein „virtueller“ Fame Deine Art aufzulegen verändert, jetzt wo die Clubs wieder da sind?

D.K.: „Das hat natürlich meine Performance komplett beeinflusst, sowohl vom musikalischen Genre her wie auch beim Auftritt. Wenn ich früher in den Clubs aufgelegt habe, hatte ich schon immer wieder versucht ein bisschen Ironie oder lustige Momente einzubringen. Ich mag es mit kurzen Memes den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und dann kommt ein geiler Drop, das liebe ich! Oder ich spiele manchmal auch einen „Heidi“ Remix, wenn der so richtig ballert, das ist für die Leute schon extrem lustig, genau wie ein „Barbie Girl“ Remix von mir. Sowas habe ich schon aufgelegt, bevor ich TikTok gemacht habe, aber mein Auftritt an sich hat sich jetzt schon massiv verändert. Früher habe ich in den Clubs ja viele Stunden am Stück aufgelegt, inzwischen spiele ich ja nur noch 90 Minuten-Sets. Die sind professionell aufgebaut und vorbereitet. Und wenn ich dann zur Peaktime, vom Warm-Up-Deejay angekündigt und mit Einspieltrack direkt im Bademantel auftrete, stehen sie alle schon da mit Handylampen und-kameras und filmen und machen Fotos. Das kann man wirklich nicht mehr mit früher vergleichen. Als ich beispielsweise im Secret Club in Trier aufgelegt habe, hat der Besitzer mir vorher schon mal den Club gezeigt und obwohl ich noch „normale“ Kleidung anhatte, wurde ich schon viermal auf Fotos angesprochen. Nach meinem Set haben die Leute dann nochmal mit mir im Bademantel noch mehr als eine halbe Stunde Fotos und Selfies gemacht. Das ist dann schon ein ganz besonderes Gefühl, eine ganz andere Wirkung, wenn man die Popularität so hautnah erfährt. Die Zahlen auf Social Media sind ja irgendwie irreal, was sind 450.000 Follower? Wie viel das aber in Wirklichkeit ist, erfährt man dann eben auch runterskaliert im Club. Das war so der erste Moment, wie viele das in Wirklichkeit sind. Das ist schon sehr beeindruckend!“

L!VE: Wie wichtig ist das Ziel, davon leben zu können?

D.K.: „Es ist auf jeden Fall ein Traum. Damit meine ich noch nicht mal unbedingt das Geld, sondern vor allem auch die Möglichkeit, die Welt zu bereisen, am Wochenende aufzulegen und davon eben leben zu können. Als Grundlage dafür muss man aber die Interessenlage möglicher Kooperationspartner verstehen. Die schauen nicht mehr nur stur nach Reichweite, sondern nach Qualtität und der Möglichkeit Markenidentitäten zu realisieren. Wenn irgendein Influencer zwar momentan viele Follower hat, da aber kein wirklicher Markenkern dahintersteckt, dann ist das für die Firmen nicht attraktiv sich zu engagieren. Sie würden zwar eine Menge Leute erreichen, aber nicht wirklich was, um ihre Marke auszubauen. Was das angeht, bin ich in dieser Hinsicht attraktiver, weil ich stabile Alleinstellungsmerkmale biete. Aber natürlich achte ich darauf, mir auch andere Standbeine aufzubauen, verlasse mich auf keinen Fall nur aufs Djing. Ich weiß auch wie schnell es in den Sozialen Medien rauf und runter gehen kann und versuche mich deswegen breiter aufzustellen.

L!VE: Das bedeutet doch nicht etwa ein mögliches Ende des Bademantels?

D.K.: „Da lege ich mich nicht fest. Als ich jetzt mit einem Designer aus England zusammengearbeitet, der mein Logo umgesetzt hat, war es mir wichtig, dass der Bademantel nicht Bestandteil des Logos ist, einfach um auch in dieser Beziehung unabhängig zu sein. Aber der Bademantel hat schon einen enormen Wiedererkennungswert, weswegen ich ganz aktuell keinen Grund sehe mich von ihm zu trennen.

Die nächste Gelegenheit sich von den wirklich herausragenden Skills von DJ D.Clinemusic beeindrucken zu lassen, bietet sich am 28. Mai bei der InfluencAreLovers in der KUFA mit Top-Influencern aus ganz Deutschland, darunter DJ Elias Everest aus Hamburg und natürlich legt der Meister im Bademantel auch selbst Hand an. Immerhin feiert er bei der Gelegenheit in seinen Geburtstag rein, den Zwanzigsten.

Die Fotoprinzessin

Take a closer look, there is so much more

Genau hingucken lohnt sich auf jeden Fall, nicht nur bei der ungemein attraktiven Fotografin Jennifer Prinz selbst, sondern insbesondere bei ihren Fotografien. Kaum zu glauben, dass sie erst seit knapp zwei Jahren „ernsthaft“ durch den Sucher schaut. Umso mehr ein wirklich guter Grund hier mal einen ganz aufmerksamen Blick zu riskieren – oder zwei!

Ganz viele junge Menschen träumen von einem Job als Fotograf, genau das wäre aber für die gebürtige Püttlingerin das exakte Gegenteil ihres Wunschtraums. Für Jennifer Prinz steht der Spaß an erster Stelle und für den braucht sie vor allem künstlerische Freiheit, die sie durch die Zwänge eines Broterwerbs mehr als gefährdet sehen würde. Ihre Fotografie soll auf gar keinen Fall in Stress ausarten und unbedingt immer noch Spaß bleiben. Gelernt hat sie mal Hotelkauffrau in einem durchaus renommierten Haus in Saarbrücken, betreibt aber mittlerweile gemeinsam mit ihrer Mutter eine kleine Kette von Dampfläden und bietet dort alles rund um E-Zigaretten, Dampfen und e-Liquids.

Ihre „Fotokarriere“ war von Beginn an ein Selbstläufer und ein Schritt ergab sich immer aus dem vorherigen, ohne dass sie viel dafür tun musste. Angefixt vom Vater ihres Verlobten, der ihr erste Tipps gab, hatte sie angefangen mit Makroaufnahmen, die es ihr schon immer angetan hatten, genau wie Landschaftaufnahmen. Beides nicht unbedingt typische Themen für viele junge Fotokünstler, aber eben genau ihr Ding. Dann kamen schnell die Leute auf sie zu und fragten nach Portraits, dann nach Hochzeitsbildern und so kam eins zum anderen. Für sie in jedem Fall wichtig, ist immer die Stimmung, aus der heraus ihre Aufnahmen entstehen. Gerne ist Jennifer Prinz auch mit einer Gruppe Gleichgesinnter unterwegs und mit denen sitzt dann auch mal stundenlang in der Gegend rum und wartet auf einen Sonnenaufgang.

L!VE: Seit wann machst du „ernsthaft“ Fotos?

Jennifer Prinz: „Ich habe schon immer gerne fotografiert, allerdings vor ein paar Jahren einfach so, mit wenig Ahnung und ‘nem alten Handy, so richtig ernsthaft fotografiere ich seit Herbst/ Winter 2020.“

L!VE: Wie kam es dazu?

J. P.: „Meine künstlerische Ader habe ich auf jeden Fall von meiner Mutter geerbt, die, seit ich denken kann, alles bemalt und dekoriert, was ihr in die Finger kommt. Jedoch war mein Schwiegervater in spe schuld am Kauf meiner ersten richtigen Kamera. Er hat früher häufiger für Online- Magazine fotografiert und als ich das erste Mal seine Kamera in Händen hielt, war es um mich geschehen!“

L!VE: Hast Du einfach losgelegt und Dir Deine Skills selber beigebracht?

J. P.: „Mein Schwiegervater in spe hat mir alle wichtigen Basics, um eine Kamera überhaupt manuell bedienen zu können, beigebracht. Meine beste Freundin hat sich dann Gott sei Dank auch häufig als Model zur Verfügung gestellt. Der Rest kam dann von allein, Stück für Stück.“

L!VE: Welche Kamera war Dein Einstieg und womit fotografierst Du aktuell am liebsten?

J. P.: „Meine erste Kamera war eine Panasonic Lumix GX80, dann kam die Lumix G9, die ich heute noch für meine Makroaufnahmen benutze. Aktuell fotografiere ich hauptsächlich mit der FUJIFILM X-T4. Ziemlich retro, mit vielen kleinen Rädchen und Knöpfchen und eigenem Kopf. Die liebe ich so sehr, dass ich sie jetzt als Tätowierung auf meinem Oberschenkel trage.“

L!VE: Welche Einflüsse sind wichtig für Dein heutiges Arbeiten?

J. P.: „Schwer zu sagen, es gibt viele Künstlerinnen auf Instagram und Co., die ich sehr beeindruckend finde. Am wertvollsten und lehrreichsten sind für aber immer noch die Fototouren mit Freunden, bei denen wir uns austauschen und einfach irgendwo an Spots rumsitzen, mit einem kühlen Bier in der Hand, um dann auf den „perfekten“ Sonnenuntergang zu warten.“

L!VE: Hast Du eine spezielle Motivation?

J. P.: „Alles geht in der heutigen Zeit so schnell, Bilder werden in Sekundenschnelle konsumiert und ich möchte, dass Leute bei meinen Fotos vielleicht kurz im „Scrollrausch“ innehalten und die eingefangene Stimmung auf sich wirken lassen.“

L!VE: Hast Du irgendwelche bevorzugten Stilrichtungen oder Lieblingsmotive?

J. P.: „Da bin ich ganz frei. Ich liebe Naturaufnahmen, Makros, Portraits, Familienshootings und Hochzeiten. Am wichtigsten ist es für mich, echte Momente festzuhalten. Wenn die Mutter des Bräutigams während der Zeremonie ein paar Tränchen vergießt, wird eben draufgehalten, komme was wolle!“

L!VE: Noch kurz zur Technik die Gretchenfrage: digital oder analog?

J. P.: „Digital! Ich mag den analogen Look zwar sehr, aber die Möglichkeiten in der schnellen Nachbearbeitung, direkt nach dem Shooting sind für mich einfach essenziell.“

L!VE: Was nimmst du für die Nachbearbeitung?  

J. P.: „Ich nutze fast ausschließlich Lightroom. Die Nachbearbeitung spielt schon eine große Rolle, ich verändere meine Bilder nie grundlegend, aber ein bisschen Sättigung hier und ein bisschen mehr Schärfe da, können schon einiges bewirken. Das Ganze auch mal gerne in der abgespeckten Version auf dem iPad, einfach weil das Arbeiten mit einem Stift schon richtig cool ist.“

L!VE: Welche Rolle spielt Social Media bei der Veröffentlichung Deiner Bilder für Dich?

J. P.: „Ich poste meine Bilder seitdem ich ernsthaft fotografiere, sowohl auf Facebook als auch auf Instagram. Beides dient mir als Portfolio und ich mag es die Leute auf meiner fotografischen Reise mitzunehmen und zu schauen wie die Reaktionen sind.“

Mehr Foto-Prinzessin auf foto-prinzessin.jimdosite.com und @foto.prinzessin

The Show must go on

Whitney Houston, Elton John, Snoop Dogg, die Rolling Stones und Queen, David Guetta oder Bruce Willis, Kevin Costner und zahllose andere Megastars hätten garantiert keine Verbindung zu Saarbrücken, wenn da nicht Veranstalter Dragan Nikitovic wäre. Der arbeitet nämlich seit über 50 Jahren nur mit den wirklich ganz Großen im Showbusiness zusammen. Jetzt feierte der Mann seinen 70. Geburtstag gehabt.

Ganz aktuell sind seine nächsten Konzerte Gitarrenlegende Eric Clapton in Prag und die mehrfache Grammy-Abräumerin Dua Lipa in Bratislava. Allein damit stellt Dragan Nikitovic zweierlei unter Beweis: erstens die unglaubliche Bandbreite an Megastars, die er auf die Bühne bringt und zweitens sein internationales Renommee, das es ihm erst ermöglicht, solche Events in aller Herren Länder auf die Beine zu stellen. Entsprechend erreicht Namedropping bei ihm ganz andere Größenordnung, denn die Reihe der bereits genannten lässt sich praktisch beliebig und durch alle Musikrichtungen ergänzen: AC/DC, Foo Fighters, Motörhead, Simple Minds, Lionel Richie, Ice-T, 50 Cent, Kylie Minogue,  Bob Marley, Julio Iglesias, Jose Carreras, Montserrat Caballé – um nur mal ein weiteres Dutzend seiner „Schützlinge“ zu nennen.

Aber beginnen wir am Anfang. 1962 kommt er mit seinen Eltern ins schöne Saarland immigriert und wächst in Spiesen auf. Er geht ganz normal zur Schule, mal abgesehen von der Tatsache, dass damals sogenannte „Gastarbeiterkinder“ schon noch einen gewissen Seltenheitswert hatten und schafft es zuletzt sogar aufs Gymnasium in Dudweiler. Doch schon mit 15 Jahren erwischt ihn dann der Konzertvirus, der sein Leben bis heute bestimmt. Sein erstes Konzert veranstaltete Dragon in der Spiesener Turnhalle. Die lokale Band Napalm und RS Rindfleisch aus Saarbrücken stehen auf der Bühne und das Ganze wird ein voller Erfolg. 1970 setzt er sich in den Kopf, die Krautrocklegenden Guru Guru, die in Deutschland ganz weit vorne waren, zu buchen. Die Kohle für die Vorkasse, insgesamt 3.000 Mark (Für die jüngeren und ungebildeteren Leser, das war die Währung, bevor der Euro kam. – Anm. d. Red.), musste er sich von seinem Vater leihen, der ihm im Gegenzug das Versprechen abnahm, sich danach voll auf die Schule zu konzentrieren. Entsprechend angespannt war der knapp 18jährige dann am Abend der Veranstaltung.

„Das Konzert begann um 19.00 Uhr mit einer Vorband und als dann gerade mal fünf oder sechs Leute kamen, verlor ich ein bisschen die Nerven, bin aus der Halle raus, und ins „Lord Nelson“ gefahren, die erste Disko von Frank Farian. Da war ich dann drauf und dran mir die Kante zu geben, obwohl ich eigentlich ja nicht trinke, aber dann kamen immer mehr Leute rein, die erzählten, dass in beim Konzert mittlerweile die Hölle los war und Mitfahrgelegenheiten suchten. Ich ins Auto und zurück in die Halle und die platzte tatsächlich aus allen Nähten.“

Sensationelle 4.000 Mark hat er an diesem Abend verdient. Trotzdem erinnerte sein Vater ihn an das Versprechen, sich auf die Schule zu konzentrieren, was aber dann komischerweise irgendwie im Sande verlief. Denn Dragan hat in der Folge praktisch alle bekannten deutschen Bands nach Spiesen und Völklingen gebucht und hatte damit auch Erfolg. Immerhin war er damals tatsächlich der Einzige, der im Saarland Rock-Konzerte machte. Der nächste Schritt war dann der nach Saarbrücken in die ATSV-Halle, wo damals dann die ersten internationalen Bands wie T. Rex, King Crimson oder Manfred Mann’s Earthband auf der Bühne standen. Wenn es tatsächlich mal schlecht lief, ist er Taxi gefahren und als Diskjockey war er auch noch am Start.

1975 startet er weiter durch, nutzt auf dem Uni-Campus auch Aula und Audimax für Konzerte und veranstaltet dann zusätzlich wenig später die legendären „Gaudimax“ Faschingspartys. Ein ausgesprochen erfolg- wie ertragreicher Abschnitte seines Schaffens, doch für ihn ist es der Moment für eine erste Auszeit. Er schnappt sich sein ganzes Hab und Gut, 80.000 Mark in bar, und macht sich von Istanbul aus mit dem Bus durch Persien und Afghanistan auf nach Indien. Nach elf Monaten war das Geld alle und nachdem die letzten Groschen für das Flugticket nach Frankfurt draufgegangen waren, musste er als Schwarzfahrer im Zug nach Saarbrücken reisen. Bei einem Kneipenbesuch im Jahr 1978 bekam Dragan dann zufällig mit, dass der Laden zu verkaufen war und übernahm ihn kurzerhand. So beginnen die Jahre im „Brennenden Berg“, mit kleinen Konzerten in der Kneipe und größeren unter anderem dann auch in Sulzbach und der Saarlandhalle. Aber gleich wo, alle Konzerte laufen unter dem Label „Brennender Berg präsentiert“.

„1985 habe ich AC/DC mit Whitesnake als Vorgruppe in der Saarlandhalle gemacht. Die fragten dann nach dem Konzert, wo sie denn was zu Rauchen und so bekommen könnten. Ich hab‘ denen dann gesagt, da müsst ihr in diese Kneipe, hab‘ aber verschwiegen, dass die mir gehört. Eigentlich war da Montagabends um 23 Uhr natürlich überhaupt nix los, aber da fuhren dann in dieser Nacht vier Tour-Busse vor und es gab eine Wahnsinnsparty, denn natürlich hatten auch längst „normale“ Konzertbesucher mitbekommen, wo immer die Aftershow-Partys stiegen.“

Dragan baut sein Konzertbusiness weiter aus und beginnt auch außerhalb des Saarlandes Konzerte zu organisieren. Den Brennenden Berg aber, muss er nach sieben Jahren und Streit mit den Verpächtern verlassen, findet aber sofort in Herrensohr das vormalige katholische Vereinshaus und macht daraus sein „Waldcafé“. Nach über einem halben Jahr Renovierungsarbeiten hat er jetzt nicht nur eine neue Kneipe, sondern gleich auch einen dazugehörigen Saal, der sogar für Konzerte mittlerer Größe geeignet ist. Der war zwar nur zur Hälfte gestrichen, weil schließlich das Geld nicht reichte, doch das tat der spektakulären Eröffnung mit keinem Geringerem als Eric Burdon auf der Bühne keinen Abbruch.

„Um wirklich große Namen nach Herrensohr zu bekommen, hatte ich den Agenturen, die ich ja alle längst gut kannte, ein einfaches Angebot gemacht: Wenn eure Bands auf Tour gehen, müssen die ja vorher viel proben. Das könnt ihr bei uns machen, kostenlos, und dafür kriegen wir dann das erste Konzert, wenn die Tour losgeht. Das haben viele angenommen und so haben wir Künstler präsentieren können, die sonst niemals in einer Halle dieser Größenordnung gespielt hätten. Das hatte dann aber auch zur Folge, dass es manchmal so voll war, dass wir die Tür zu den Toiletten aushängen mussten, weil die sich vor lauter dichtgepackten Leuten nicht mehr hätten öffnen lassen.“

Wirklich namhafte Acts geben sich fortan die Klinge in die Hand und auch der Saarländische Rundfunk nutzt das „Waldcafé“ für verschiedene Aufzeichnungen. Doch 1990 hat die katholische Kirche genug von dem angeblich unheiligen Treiben, aber wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere. Konzertbesucher bringen ihn auf die Idee, seine Veranstalteraktivitäten ins Ausland zu erweitern.  Damit bloß keine Freizeit aufkommt, steht also ab jetzt auch Luxembourg auf seiner Agenda. 1996 eröffnet er sogar extra eine Niederlassung im Nachbarland und bespielt künftig vor allem die großen Hallen in Remich und Bettange. Wieder sind es die Superstars der Zeit, wie Santana, Jeff Beck und Jethro Tull, die für volle Konzerte sorgen. Gleichzeitig etabliert er Dragan einen ganz neuen Geschäftszweig. Er vermittelt nur die Künstler an Konzertmacher, anstatt selber den Veranstalter zu geben.

„1998 kam eine erste Anfrage aus Russland. Da hatte Veranstalter vergeblich versucht die Soul-Legende James Brown zu buchen. Ich konnte helfen und das Resultat waren dann zwölf Konzerte in ganz Russland, von St. Petersburg bis Wladiwostok. Bei der Premiere in Moskau hatte allerdings die Airline große Teile des Gepäcks verschlampt, weswegen die Band barfuß auftreten musste. Das wiederum war dann das Thema für die russischen Reporter, die unbedingt von mir wissen wollten, warum die ohne Schuhe aufgetreten mussten und da eine Riesenstory über den Umgang mit Farbigen beim Klassenfeind erwarteten.“

Zu der Zeit beginnt Dragan dann damit Anzeigen in Lifestyle-Magazinen wie GQ oder Playboy zu schalten, um mit Blick auf die östliche Oligarchie seine Dienste bei der Vermittlung von Weltstars für private Feste der Superreichen anzubieten. So kommt zur Zusammenarbeit mit Jennifer Lopez, dann reist er mit Kylie Minogue unter anderem zu einem Auftritt bei einem 30. Geburtstag in St. Petersburg und mit Julio Iglesias zum 60. des Präsidenten von Kasachstan, feiert mit Kochikone Paul Bocuse in einem extra ausgeräumten Naturkundemuseum und eröffnet mit Bruce Willis das Filmfestival in Nur-Sultan.

„Das Problem war ganz oft der Alkohol, denn die haben Roederer Cristal Champagner gesoffen. Mir war das egal, weil ja keinen Alkohol trinke, aber mancher Künstler hatte da das Nachsehen. Eines Morgens beim Frühstück kam eine sichtlich derangierte Kylie zu mir an den Tisch und hielt sich den Kopf. Ich habe sie natürlich gefragt, was denn so schlimm sei. Da hat sie ihre Hand von der Stirn genommen und zum Vorschein kam die unübersehbar „eingeprägte“ Spur der Kante des Tisches, auf dem sie mit dem Kopf drauf eingeschlafen war.“

Seit Mitte der 2000er hat sich Dragan immer mehr auf solche Vermittlungen konzentriert, auch wenn er natürlich weiterhin eigene Konzerte auf die Beine stellt. Doch die Tatsache, dass sich zum Beispiel hier in Saarbrücken mittlerweile eine Vielzahl von Mitbewerbern gegenseitig das Leben schwer macht, bremst seine Begeisterung zunehmend. Selbstverständlich hatte auch ihn die Pandemie ausgebremst, doch ganz aktuell plant er bereits an acht Terminen mit der Band Foreigner und hat schon wieder drei eigene Riesenkonzerte in der Durchführung – mit Eric Clapton, Dua Lipa und den Red Hot Chilli Peppers. Und mit den DJ-Größen unserer Tage hat er unlängst auch schon seine Erfahrung gemacht.

„David Guetta hab‘ ich mal nach Belgrad vermittelt, noch gar nicht so lange her. Eine Viertel Million Euro für drei Stunden laut Vertrag. Nach zwei Stunden und ein bisschen meint der zu mir: „So, noch fünf Minuten.“. Ich gucke ihn verwundert an und sage: „Aber im Vertrag hatten wir doch drei Stunden ausgemacht?“ Darauf er: „Meine Stunde hat nur 45 Minuten.“ Ich direkt zum örtlichen Veranstalter und habe dem das erzählt. Der wiederum zu mir: „Sag ihm, wenn er jetzt aufhört, brechen wir ihm beide Beine und beide Arme und darüber beschweren kann er sich dann auch nicht, weil auch sein Kiefer gebrochen wird.“ Das habe ich Guetta ausgerichtet und er hat drei volle Stunden plus zehn Minuten Zugabe gespielt.“

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„Die Original „Lucille“ ist ein Geschenk von Blueslegende B.B. King und Dragan wird sie nie hergeben, auch wenn Sammler aus Fernost sechsstellige Angebote machen“

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Francis Prymerski

Einer der profiliertesten Konzertfotographen Europas

„Dragan ist einer meiner besten Freunde! Wir teilen viele Erinnerungen und Anekdoten, die sich während zahlloser Konzerte, Festivals und Tourneen angesammelt haben. Es sind diese Begegnungen, die wir nicht vergessen können, die Teil unseres Schicksals sind. Mit einem Freund wie Dragan an meiner Seite scheint in dieser Unterhaltungsindustrie kein Weg zu lang zu sein. Danke Dragan, dass du mein Freund bist! „Alte Freundschaft fürchtet keinen Rost“ (französisches Sprichwort).“

Jörn „das Freak“ Dreßler

Saarlands bekanntester Radio- und Musik-Freak

„Dragan Nikitovic, ich kenne keinen bekloppteren Musikfreak, im positiven Sinn. Von Dragan könnte der Satz stammen: „Geht nicht – Gibt es nicht!“ Ich liebe all diese verrückten Geschichten aus dem Leben des Dragan, als Frank Zappa von Dragans Mama bekocht wurde, der brennende Berg, ZZ Top und Gary Moore in Saarbrücken… Das wäre ein echt guter Stoff für einen Film!“

Jörn Mundanjohl

L!VE Konzert & Co Ressortleiter

„Wenn ich an Dragan denke, muss ich immer an ein Gespräch mit dem legendären US-Promotor Barrie Marshall im Umfeld eines Paul McCartney Konzertes in Zürich denken. Barrie Marshall fragte mich: „Aus welcher Stadt kommst du?“. Mit der Antwort „Saarbrücken, Saarland“ konnte er nicht viel anfangen konnte, bis ich erklärte „Saarbrücken, that’s the city where Dragan from Joybringer Concerts lives!“ und er freudig strahlend entgegnete „Oh yes, Dragan! All my best wishes to him and the beautiful city of Saarbrücken!“ Alles Gute zu Deinem 70. Geburtstag, Dragan!“

Hauptsache was mit Mode

Wie kommt eine „Germany’s Next Topmodel“ Gewinnerin nach Saarbrücken? Weil das Saarland in Sachen Mode einfach mehr zu bieten hat, als man denkt. Neben talentierten Modemachern und Fotografen, von denen wir ja schon einige in unserem Magazin vorgestellt haben, gibt es hier auch außergewöhnliche Models und Stylisten. Der Saarbrücker Oliver M. Fall vereinbart gleich beide Jobs in einer Person.  Da haben wir gerne mal genauer hingeschaut.

Seit gute Nachrichten Mangelware sind, macht es besonders viel Spaß, auch mal von etwas Positivem zu berichtigen, das nicht auf einen Corona-Infekt hindeutet. Besonders, wenn es um einen gewissen Oliver M. Fall geht. Der Mann, der noch nicht wirklich entschieden hat, ob er nun Art Director, Model, Fashion-Stylist oder Personal Shopper ist, wuchs in Saarbrücken auf und will auf jeden Fall etwas mit Mode machen. So vielfältig wie seine Talente sind auch seine Wurzeln. Sein Vater ist Moslem und kommt aus dem Senegal. Seine Mutter stammt aus Israel. Er selbst sieht sich daher – wenig verwunderlich – aus Mix aus einem Mix. Das erklärt vielleicht seine vielfältigen Talente.

L!VE: Bei Dir wird es ja schon bei der Frage nach dem Beruf etwas tricky?

Oliver M. Fall: „Es geht, eigentlich bin ich bin gelernter Kaufmann im Einzelhandel, habe aber die letzten gut 18 Jahre fast alles querbeet in der Modebranche gemacht. Angefangen als normale Aushilfe in der Boutique für 5,80 Euro ohne Mindestlohn damals, weil ich einfach, was starten wollte, bis hin zum Bezirksleiter und Visual Merchandise, wenn es ums Kreative ging. Aktuell bin ich stellvertretender Storemanager bei einem bekannten Filialisten. Im „Zweitberuf“ versuche ich als Stylist und Multitalent im Bereich Fashion weiter durchzustarten, zum Beispiel bei Fotoshootings mit „Germanys Next Topmodel“ 2018 Gewinnerin Toni oder auch überregional bekannten Fotografen wie Sabrina Kleinas, die ich bei ihren Shootings supporte.“

L!VE: Der Job im Einzelhandel ist also quasi „nur“ die sichere Basis, was in Pandemiezeiten ja sicher nicht das Schlechteste ist?

O.M.F.: „Ja, klar. Die Branche ist im Moment schon sehr unsicher. Hat man Aufträge, hat man Geld, aber das ist in der Coronazeit nichts, worauf man sich alleine verlassen kann. Im Handel hingegen, kommt es zwar drauf an, wie gut die Onlineshops des jeweiligen Unternehmens etabliert sind. Ich habe bis vor Kurzem noch für Bershka gearbeitet, die ja wie z.B. Zara zu Inditex gehören und muss sagen, die haben sich wirklich sehr schnell mit der Corona-Situation arrangiert. Statt Homeoffice haben wir zu Beginn der Pandemie die Online-Sendungen im geschlossenen Store fertig gemacht. Als es wieder losging, war dann aber auch der Laden ganz schnell wieder für den „normalen“ Kunden hergerichtet, weil die Ware ja schon vor Ort war. Mann muss schon erkennen, dass vor der Pandemie der Online-Anteil des Geschäfts bei 15 bis 20 Prozent lag, während wir uns mittlerweile trotz wieder geöffneter Läden bei knapp 50 Prozent bewegen. Das wirkt sich natürlich auch auf den „klassischen“ Verkauf vor Ort an sich aus und sorgt schon hier und da für etwas bangen.“

Egal welcher Style, bei Mode blühe ich auf!

L!VE: Auf deinem Insta-Account findet sich neben Model, Art Director und Stylist auch noch der Eintrag „Personal Shopper. Wie funktioniert das denn?

O.M.F.: „Das war tatsächlich so, dass mich immer wieder Leute gefragt haben, was sie tragen sollen oder was sie wie kombinieren könnten. Stellenweise läuft das dann genauso ab, wie man es mitunter bei den entsprechenden Sendungen und Serien im TV sieht. Das heißt, ich gucke zuerst mal was denjenigen überhaupt als Person beschreibt, dann natürlich auch nach Lieblingsfarben und -Silhouetten. Gibt es Vorbilder, was den Look angeht, in was wird sich am wohlsten gefühlt? Auf diesen Key-Items baue ich dann auf und beginne damit, den Kleiderschrank komplett neu zu organisieren, erstmal ohne shoppen zu gehen. Aus dem Vorhandenen baue ich dann Outfits, die als Grundlage dienen. Dann allerdings geht’s an Shoppen mit sorgfältiger Beratung und Begleitung. Denn dabei muss man aufpassen, dass man Items kauft, die einem stehen, den eigenen Look ausbauen, die man auch wirklich trägt und man nicht nur mit irgendwelchen exotischen Sachen nach Hause kommt, die dann aber nur ewig im Schrank hängen und schließlich auf Vinted oder anderen Portalen verkauft oder getauscht werden.“

L!VE: Und dafür gibt es einen Markt an der Saar?

O.M.F.: „Ich biete das ja nicht nur hier im Saarland an. Das fing damit an, dass Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis mich fragten, ob ich nicht mal vorbeikommen könnte und schon war ich in Mannheim oder Frankfurt. Und wenn die Kunden zufrieden sind, wechseln auch schon mal dreistellige Beträge den Besitzer. Diese Dienstleistung ist halt immer noch eine Marktlücke und tatsächlich baue ich meinen Kundenkreis immer weiter aus. Wenn es hier überhaupt jemand gibt, der sich in irgendeiner Form mit dem Thema beschäftigt, dann sind das die typischen Influencer oder Blogger. Die posten dann Hunderte von Fotos, die dann zwar von sehr vielen Menschen gesehen oder geliket werden, aber die geben halt nicht wirklich Tipps, wie man erfolgreich einen Look kreiert. Tolle gestylte Outfits sind dank Instagram und Co. allgegenwärtig. Die Leute vergleichen und messen sich immer mehr damit, erkennen aber im gleichen Augenblick, dass sie das selber nicht hinkriegen.“

L!VE: Aber sollte das nicht Sache des Einzelhandels sein?

O.M.F.: Ich denke, da gibt es einen untersorgten Bedarf, denn eigentlich war es noch nie so einfach sich gut anzuziehen und zu stylen wie heutzutage. Aber ohne richtige Beratung, die es eben im Einzelhandel ja kaum noch gibt, fühlen sich viele Leute echt überfordert. Hinzu kommt, dass das Personal inzwischen allerdings auch so ausgedünnt ist, dass die schnell, schnell von einem Kunden zum nächsten springen müssen. Da bleibt dann oft auch keine Zeit für Beratung und bei den Kunden entsteht dann der Eindruck, dass sei auch nicht erwünscht und die trauen sich dann deswegen nicht in den Läden zu fragen. Das Resultat ist dann wie gesagt, dass eine 1:1 Beratung nicht mehr stattfindet. Genau in dieser Bresche springe ich dann und biete echten Service.

L!VE: Zurück zum Anfang. Ursprünglich bist Du ja mal als Model gestartet, wie kam es dann zum Art-Director und Stylisten mit Shootings in Paris zum Beispiel?

O.M.F.: „Das fing schon zu meiner Schulzeit an. Immer mehr Leute sagten, ich solle es unbedingt mal mit dem Modeln versuchen. Das habe ich dann auch gemacht, damals noch etwas holprig. Ich wurde hier halt immer in so eine androgyne Schiene gedrängt, also war schnell klar, ich musste hinaus in die große weite Welt. Dennoch blieb es so, dass ich auf einen bestimmten Typ festgelegt wurde, was für die Commercial Schiene nicht wirklich zuträglich war. Zeitgleich war es aber auch so, dass es bei dem Merchandising, also die neue Ware immer kreativ zusammenzustellen und stimmig im Lokal und Schaufenster als Marketingtool zu präsentieren, was ich nach meiner Ausbildung ja als erstes intensiv betrieben habe, mehr und mehr das Gefühl hatte, ständig das Rad neu erfinden zu müssen. Da dachte ich mir, wenn man immer wieder Schaufensterpuppen anzieht oder eine Kollektion neu aufbaut, dass könnte ich auch mit Models machen. Das wollte ich dann probieren und so ergab sich eine erste Zusammenarbeit mit einer befreundeten Fotografin, nach dem Motto: gemeinsam sind wir stark. Sie hatte als Französin immer schon gute Verbindungen nach Paris und dann dort immer mehr Shootings gemacht. Schließlich war auch ich dann jedes Wochenende in Paris. Während ich in Saarbrücken immer ein bisschen untergegangen war, hat es dort dann funktioniert.“

Germany‘s Next Topmodel“ in Saarbrücken

L!VE: Und wie kam es zu der Zusammenarbeit mit „Germanys next Topmodel“ Gewinnerin Toni?

O.M.F.: „Ich bin schon seit der ersten Staffel riesengroßer GNTM-Fan und feiere die Show jeden Donnerstag. 2018 war meine Favoritin von der ersten Sendung an ganz klar Toni. Meiner Freundin Sabrina ging das genauso, nur meinte sie dann noch: die will ich shooten! Ich hab‘ dann noch versucht das zu relativieren, weil ich mit nicht vorstellen konnte, dass sie, wenn sie wirklich gewinnt, so einfach zu buchen wäre. Immerhin kannten wir sie weder persönlich noch ihre Agentur. Tatsächlich hat mich meine Freundin dann kurz nachdem Toni gewonnen hatte, angerufen und mich mit der Nachricht überrascht, dass wir sie schon in zwei Wochen shooten könnten. Da musste ich dann ganz schnell die Outfits für sie zusammen bekommen, damit wir ein Storyboard zusammensetzen können, damit die Agentur entscheiden konnte, schicken wir sie dahin oder eben nicht. Das war natürlich ein Riesendruck. Aber zack, war sie dann irgendwann tatsächlich da. Das war natürlich auch ein Stück weit surreal, immerhin hatten wir sie monatelang im Fernsehen verfolgt und ewig mitgefiebert, dass sie gewinnt. Da stand sie also vor mir und ich musste sie stylen. Das war für mich ein Riesending, auch wenn die Location, eine Abraumhalde bei Fischbach war.“

L!VE: Gibt es schon neue Projekte über die Du schon was verraten kannst?

O.M.F.: „Tatsächlich bin ich gerade dabei mich ein bisschen mehr in Richtung Selbstständigkeit zu fokussieren. Ich spiele immer mehr mit dem Gedanken den Leerstand auch in besten Lagen in der City für mich und den Namen, den ich mir draußen in der Welt geschaffen habe, zu nutzen mit einem Projekt, dass es so hier vorher noch nicht gab. Was die Lage angeht, könnte ich mir am besten den St. Johanner Markt vorstellen. Einfach weil da auch eher noch die Klientel unterwegs ist, die sagt, okay ich nehme jetzt für einen gute Beratung auch Geld in die Hand. Aber ich möchte nicht zu viel verraten und bleibe bin in der Hinsicht am liebsten ein Überraschungsei. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich viel mehr Kreative hier vor Ort engagieren müssten. Und man sollte in der Region schon ein bisschen besser zusammenhalten, bzw. zusammenarbeiten, zum Nutzen aller.“

L!VE: Du gehörst also nicht zu denen, die Saarbrücken bei der ersten Gelegenheit schreiend verlassen, sondern siehst Dein Engagement auch künftig hier?

O.M.F.: „Ich finde Saarbrücken hat immer noch richtig viel Potential und finde es schade, wenn viele junge Leute sagen, sie müssten hier unbedingt weg. Klar, auch ich bin gerne in Berlin, in Barcelona oder Paris unterwegs, aber für mich ist es einfach so, dass ich sage: warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah liegt? Ich finde Saarbrücken hat sehr viel zu bieten und dazu noch die Nähe zu Luxemburg und Frankreich. In diesem Dreiländereck könnte noch viel mehr entstehen, wenn manche Leute sich mehr Mühe machen würden, statt immer nur den einfachsten und bequemsten Weg zu gehen. Vielleicht wäre manches in Berlin oder sonst wo einfacher, aber wie schon meine Mutter zu sagen pflegt: Schiffe sind nicht gebaut, um nur im sicheren Hafen zu liegen. Also wenn ich was Neues mache, dann gehe ich da All-In, ganz oder gar nicht! Lieber sitze ich mit 80 da und sage, oops, scheiße gelaufen damals, aber ich habe es wenigsten probiert.“

Osthafen unter Strom

Der Saarbrücker Unternehmer Andreas Hoffmann setzt sich für eine Neugestaltung des ehemaligen Osthafens zum nachhaltigen Kulturort ein. Woher er als Geschäftsführer eines der führenden europäischen Unternehmen der Solarenergie-Branche Zeit, Energie und Motivation nimmt, verrät er uns im Gespräch

Die Greencells Group startete im Jahr 2009 als kleine Montagefirma in Saarbrücken. Seither ist das Unternehmen zu einem der größten europäischen Anbieter von Solarkraftwerken gewachsen, der weltweit über 300 Mitarbeitern beschäftigt und Tochtergesellschaften in Asien, dem Mittleren Osten und den USA gründete. Der Weg dorthin erfordert besonders von Gründer und Geschäftsführer Andreas Hoffmann immer wieder Einsatz, gerade weil sich die Branche in jüngster Zeit in einer Krise befand und auch die Corona-Pandemie für zusätzliche Schwierigkeiten sorgte.

Trotzdem fand der 44jährige noch die Zeit gefunden, sich beispielhaft für ein Projekt zur nachhaltigen Wiederbelebung des ehemaligen Saarbrücker Osthafens, eines seit langem leerstehenden Industriekomplexes, einzusetzen. Vor allem die zwischenzeitliche kreative gastronomische Nutzung der Fläche hat das Gelände zu einem echten Lieblingsort vieler Saarbrücker gemacht. In Abstimmung mit dem dort aktiven Vereinen Sektor Heimat und WiWo entwickelte Andreas Hoffmann jetzt ein Konzept für den Osthafen, das ausreichend Raum für die kulturelle Nutzung lässt und der lokalen Kunstszene den erforderlichen Raum lässt, um sich frei entfalten zu können.

L!VE: Wo nimmst du die Zeit her, um neben deiner hauptberuflichen Tätigkeit noch solche Projekte zu entwickeln?

Andreas Hoffmann: Es wird tatsächlich Zeit, dass ich ein bisschen runterfahre. Bei Greencells war es so, dass wir eigentlich zu spät gestartet sind. Denn die erste große Solarwelle war schon am Abebben und die Branche steuerte gerade auf eine Krise zu, als wir loslegten. Dann gab es plötzlich keinen Markt mehr in Deutschland und wir mussten ins Ausland, um unser Unternehmen nicht schon unmittelbar nach dem Start sterben zu sehen. Was wir dann getan haben, war jedoch keine total clevere Internationalisierungsstrategie, sondern eher „run for your life“. Es gab nur zwei Alternativen: Entweder aufgeben und untergehen oder dort arbeiten, wo es funktioniert. Obwohl wir uns für die zweite Möglichkeit entschieden, agierten wir weiter von Saarbrücken aus. Unser größeres Büro in Berlin wurde geschlossen, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellen sollte. Denn eine Zeit lang ist es uns hier in Saarbrücken sehr schwergefallen, Mitarbeiter zu finden oder Leute zu begeistern hierher zu kommen. Wenn du in Berlin einen chilenischen Mittelspannungsingenieur suchst, dann hast du am nächsten Tag fünf Bewerbungen. In Saarbrücken hättest du jemand Schmerzensgeld zahlen müssen, abgesehen davon, dass man nicht den Fehler machen darf, die Leute bei schlechtem Wetter im November hierher einzuladen. Letztlich mussten wir flexibel sein und die Leute von dort aus arbeiten lassen, wo auch immer sie waren bzw. arbeiten wollten. Diese Routine hat uns dann in der Covid-Krise sogar geholfen. Wir hatten weiter hier in Saarbrücken unsere Homebase und dehnten uns in ganz Europa aus. Leider haben wir uns dann auch noch auf andere Kontinente begeben, was zu immensen Reisetätigkeit und Raubbau am eigenen Körper geführt hat… Im Nachhinein, wenn ich’s nochmal machen dürfte, würde ich das vermeiden, denn manchmal bin ich aufgewacht und wusste wirklich nicht wo ich bin. Da waren schon viele 16-Stunden-Tage und an den Wochenenden auch nochmal sechs bis acht Stunden. Bei manchen Aktionen, muss ich sagen, kommt man dann auch nicht so gut raus. Ähnlich wie in einer Bobbahn, einmal losgefahren, musst du da dann bis zum Ende durch. Aussteigen tut echt weh und führt  zu schlimmen Kollateral-Schäden. Ein oder zwei mögliche Haltestellen hab‘ ich leider verpasst. Jetzt nähere ich mich wieder so einer Haltestelle und die will ich dann aber auch sehr bewusst wahrnehmen. Deshalb, auch wenn der Akku schon ziemlich leer ist, bis jetzt hab‘ ich alles hingekriegt. Im Leben geht es oftmals um Timing und manchmal ist das Timing auch gut. Das Projekt Osthafen hätte ich in den letzten 18 Monaten nie so beherzt angehen können, wenn nicht die Pandemie gekommen wäre, denn dann hätte ich im Flieger gesessen.

L!VE: Was liegt dir mehr am Herzen. Die Firma Greencells oder die Entwicklung des Osthafens?

A.H.: „Beides triggert mich auf unterschiedliche Weise. Bei Greencells war es für mich die Idee, seit langem wieder was Sinnstiftendes zu tun, etwas wie es eigentlich in meiner Jugend und Kindheit von Bedeutung war. Zwischendurch, bei den Ausflügen in die Gastronomie oder die Werbung, verfolgte ich eher spaßgetriebene Projekte. Angesichts der Möglichkeit, wieder was Sinnstiftendes tun zu können, habe ich mir gesagt, das will ich jetzt mal durchziehen, bis ich wirklich der Meinung bin, es hat seine volle Ausbaustufe erreicht. Allerdings habe ich unterschätzt, was das bedeutet. Dann kam noch massiv der Einfluss exogener Faktoren hinzu, was ich vorher so nicht kannte. In den Projekten, die ich vorher gemacht hatte, gab es nicht so wirklich Sachen, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen und dann doch voll reinhauen… Was mich dagegen beim Projekt Osthafen antreibt und warum ich die Leute am Silo seit Jahren unterstütze, ist die Tatsache, dass Saarbrücken meiner Meinung nach, im Moment auf einem schmalen Grat unterwegs ist. Wir stehen an einem Scheideweg, leisten uns eine Universität, wo Leute einen Heulkrampf kriegen, wenn sie durch die ZVS hierherkommen. Wenn wir doch aber das viel Geld für eine Uni ausgeben, dann wollen wir doch auch, dass manche Leute anschließend hierbleiben. Oft hört man von solchen Leuten, dass sie ihr Meinung ganz schnell geändert hätten, weil der Saarländer ja so warmherzig und hilfsbereit sei. Aber trotzdem gehen diese Leute nach dem Studium. Sie sagen zwar, es war super hier und sind irgendwo vielleicht auch gute Botschafter für das Saarland, aber so richtig was gewinnen, tun wir hier dabei nicht, denn es wäre natürlich schöner, wenn die Menschen auch im Saarland bleiben würden. Und was bewegt denn junge Menschen nach dem Studium, in einem Alter wo sie ja noch richtig aktiv sind, auch und gerade in ihrer Freizeit. Das Thema Familiengründung findet erst wieder später statt. Um deren Ansprüchen zu genügen, muss die Stadt attraktiv bleiben. Und dazu gehört eben auch das, was Leute wie Tim Grothe am Ludwigskreisel, Michael Kastel und Giovanni D’Arcangelo in der City, Janis Mudrich am Silo oder ihr mit eurem Magazin auf die Beine stellt. Die halten eben nicht nur die Fahne des Nachtlebens hoch, sondern schaffen darüber hinaus die Verbindung zu Kunst und Kultur, was ja durchaus auch nahe beieinander liegt. So erreichst du eben ein signifikant breiteres Publikum, nicht nur die Tänzer und Raver, sondern sprichst auch die Leute an, die einen anderen, weiteren kulturelle Horizont haben, kommen dann dazu. Dann wird’s halt urban und dieses Urbane müssen wir stärken hier. Und weil ich nun mal hier lebe, ist es für mich wichtig, dass diese Stadt sich entwickelt. Wir haben natürlich ein paar Vorteile und die sollten wir aber auch wirklich nutzen!“

L!VE: Warum spricht dich das Thema so an?

A.H.: „Am Anfang habe ich bei meinen Managerjob das Nachtleben vermisst, weil es mir einfach Spaß gemacht hatte. Das ist dann irgendwann verschwunden, vielleicht auch über meine Rolle als Vater. Trotzdem wollte ich den Jungs da helfen, vielleicht auch irgendwie noch eine Rolle spielen und nicht ganz aus dieser Szene raus zu sein. Was die Gastronomie angeht, juckt es mich eigentlich nicht mehr, das können andere viel besser. Dann habe ich auch gemerkt, dass wenn ich noch Ambitionen hatte, da mitzugestalten, dann hat das am Schluss doch keinen Spaß gemacht. Da waren halt Leute am Start, die das tags wie nachts mit 100% betreiben und beherrschen. Die haben sich dann auch manchmal gedacht: „Ey Andy, ist ja nett, dass du uns hilfst, aber was soll das denn jetzt?“. Hier und da mal ein bisschen rumfummeln, hat nicht funktioniert und so bin ich dann einfach nur noch Gast gewesen, was dann auch immer weniger wurde. Jetzt aber freue ich mich, dass dieses Projekt, das inzwischen so viel Formen angenommen hat, von Kunsthandwerk und Ateliers, von Inklusion von Behinderten bis Gewaltprävention, von Proberäumen und Studios, einen Spannungsbogen schafft, alle kulturellen Facetten, die Saarbrücken bietet, jenseits von den etablierten und professionellen Institutionen wie Staatstheater und Museen dort zu beheimaten. Wenn das gelingt, habe ich erreicht was ich wollte.“

L!VE: War dein Leben als erfolgreicher Unternehmer eher Fluch oder Segen bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen?

A.H.: Das habe ich so nicht wahrgenommen. Vielleicht war das auch gut so. Früher waren wir immer ungeduldig. Alles musste schnell gehen und gut werden. Dahinten haben wir jetzt über vier, fünf Jahre vorgearbeitet und uns erstmal ein gewisses Maß an Vertrauen erworben. Das hat auch schon mal wehgetan, wenn man dann keine richtige Unterstützung erfahren hat, wo ich aber heute sage, wenn wir dieses Gebäude auch noch übernehmen wollen und viel Geld investieren, gibt es ja unter Umständen auch Fragezeichen bei Außenstehenden, ob das wohl alles mit rechten Dingen zugeht oder ob wir vielleicht sogar was geschenkt bekommen. Deswegen gibt es die europaweite Ausschreibung nach EU Richtlinien, es gab einen städtebaulichen Wettbewerb und dadurch sind wir auf der sicheren Seite was mögliche Kritiken angeht, da wäre etwas gemauschelt worden. Die würden das Projekt nämlich schädigen. Wir haben diese Zeit also ohne Hilfen überstanden und vielleicht ist das gut, weil wenn wir jetzt Mitte Februar den Zuschlag erhalten, kann keiner was sagen.Mir ging es einfach darum, dass dort etwas passiert. Auch wenn wir nicht gewinnen, gelten doch trotzdem die Bedingungen wie sie in der Ausschreibung definiert wurden – und so ist dann auch das Ziel für den Osthafen erreicht.“

L!VE: Am Schluss muss eine Frage einfach kommen: was ist das nächste Projekt?

A.H.: Hoffentlich nix!

Der Macher: Boris Röder, das Saarland und die Bundesliga

Zum Glück gibt es Menschen, von deren Engagement und Einsatz in Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport wir alle profitieren. Jenen Glücksfällen fürs Gemeinwohl ist diese Rubrik gewidmet, die künftig solche Personen würdigen wird und vielleicht auch ein Stück weit zur Nachahmung anregen will. Den Anfang macht Boris Röder, unter anderem Präsident der Saarland Hurricanes und darüber hinaus einer derjenigen, die den Sport in unserer Region prägen und voranbringen.

Eigentlich wollte der gebürtige Freiburger Boris Röder nur zum Feiern mit Freunden zu einem der legendären Raves in der Frankfurter Music-Hall. Ein anschließender Zwischenstopp bei der nicht minder kultigen Space-Party unweit des heutigen Osthafens, führte ihn erstmals nach Saarbrücken. Das ist jetzt fast 29 Jahre her und aus dem Raver wurde längst eine der interessantesten Persönlichkeiten, nicht nur in der saarländischen Geschäftswelt. Nach Studium von Sport und BWL stellte Röder sein Talent als Diplom-Betriebswirt in die Dienste von Ursapharm Arzneimittel, wo er mittlerweile die Position des Leiters der Unternehmenskommunikation einnimmt. Doch neben dieser Funktion in einem der wichtigsten saarländischen Unternehmen, galt sein Engagement schon immer der Welt des Sports. Seine eigene aktive Zeit als Fußballer liegt zwar etwas länger zurück, aber als Funktionär hat er gleich in mehreren Sportarten, von Triathlon und Badminton über Handball bis Darts seine Spuren hinterlassen. Er trat als Pressesprecher der SV Elversberg in Erscheinung, war Vorstand Marketing im Rennclub und ist seit August 2020 Präsident der Saarland Hurricanes. Dabei ging und geht es ihm immer um wesentlich mehr, als nur darum Sponsorengelder zu verteilen. Jedes Mal bringt er auch sich und seine Expertise mit ein. Beleg für dieses Engagement waren auch die Bestrebungen, ihn in einer schwierigen Phase des Landessportverbands Saar für dessen Spitze zu gewinnen. Aber auch da sprach er eine klare Sprache.

L!VE: Die Tatsache, dass das Unternehmen, aus dem Du kommst, nicht in irgendwelche Raster oder politische Zwänge eingebunden ist, ist sicher Voraussetzung für Deinen Einsatz?

Boris Röder: Wichtig ist, unabhängig zu denken und entscheiden zu können. Wenn es eine klitzekleine Kritik am Saarland gibt, dann dass hier viele Entscheidungen nicht aus Qualitätsgründen getroffen werden, sondern eher darin begründet liegen, wessen Steigbügel zu halten ist. Das betrachte ich auch durchaus als Herausforderung, dementsprechend zu handeln. Ich habe eine Meinung und ich sage meine Meinung. Dass ich als möglicher LSVS-Präsident ins Spiel gebracht worden bin, hat mich zwar sehr geehrt, aber das wäre absurd für mich gewesen. Der Sportverband ist eine Institution, die enormen Zwängen aus vielen Richtungen unterliegt. Das wäre dann so ziemlich das Gegenteil davon gewesen, kleine unabhängige Projekte zu entwickeln, was mir eigentlich am meisten Spaß macht. Ich bin in der glücklichen Lage, in einem Unternehmen arbeiten zu dürfen, das bekanntermaßen mit einer sportbegeisterten Geschäftsführung besetzt ist und das Sport für sich auch als Kommunikationsmittel entdeckt hat. Sport ist ein sehr emotionales Thema, über das man eben vielerlei Dinge transportieren kann und eben auch ein bisschen was zurück geben kann an die Scholle, wo man herkommt, wo der unternehmerische Erfolg erzielt wird. Das ist schon etwas Besonderes.

L!VE: Du verstehst Dich also nicht nur als Geldbote für die Bandenwerbung?

B.R.: Es gibt natürlich auch rein werbliche Maßnahmen, was bei uns im Haus ganz klar der FC Bayern ist. Das ist Sponsoring und da ist natürlich mit Teilhabe an der Entwicklung nicht viel möglich. Andere Projekte, wo man wirklich was bewegen kann und gemeinsam den Erfolg erreicht, sind auch für mich richtig spannend. Das hat in meiner Zeit angefangen mit Jan Frodeno und unserer Unterstützung saarländischer Triathleten. Das Thema Speerwurf rund um Boris Obergföll, erst seine aktive Karriere und nun die herausragende Zeit als Bundestrainer. Da kamen dann vielerlei kleinere Projekte hinzu und rückblickend darf man sagen, da hat doch einiges funktioniert. Es ist immer ein Unterschied zwischen einer gekauften Werbefläche und einer aktiven Teilhabe an der Entwicklung. Außerdem ist mir schon bewusst, dass für mich aufgrund meines beruflichen Hintergrunds zwar manche Türen einfacher aufgehen, aber man muss ja immer noch durchgehen. Ich nehme mir dann auch raus, ein bisschen mitzureden und ich glaube auch, dass sich das mittlerweile ziemlich viele gerne anhören. Der Erfolg spricht ja für sich.

L!VE: Als Du letztes Jahr Präsident der Canes wurdest, warst Du vorher schon mehrere Jahr im Aufsichtsrat. Was gab den Ausschlag Dich noch mehr einzubringen?

B.R.: Man kann nicht immer nur die Klappe aufreißen, mit dem Finger auf dieses und jenes zeigen und sich dann aber, wenn es um die Wurst geht, aus dem Staub machen. Was sich seitdem getan hat ist schon irre, fast surreal. Ende Februar waren wir noch Zweitligist ohne irgendwelche allzu großen Perspektiven – und dann sind wir am grünen Tisch wegen eines durch die Euro-League frei gewordenen Spots in die höchste deutsche Spielklasse hochgerutscht. Dass wir dort dann bestehen konnten, verdanken wir der Kompetenz, die wir in unseren Reihen haben, wie speziell unseren Sportvorstand, den ehemaligen Nationalspieler und Europameister Dr. Paul Motzki oder Finanzvorstand und Geschäftsführer Football-Urgestein Hans Hennrich. Das war für mich auch eine Grundbedingung den Präsidentenposten zu übernehmen, diese beiden hochkompetenten Mitstreiter an meiner Seite zu haben. Die machen einen Top-Job und unter die Final Four zu kommen, steht einfach für eine herausragende Saison, trotz eines vergleichsmäßig schmalen Budgets. Dann schließlich von einem Team mit einem ganz großen Namen und einem Millionen-Etat geschlagen zu werden, war dann auch kein Beinbruch.

L!VE: Bei solchem Einsatz zusätzlich zur Beanspruchung durch Deinen Job im Management der Ursapharm, bleibt da noch Privatleben?

B.R.: Ach… Meine Söhne brauchen altersbedingt nicht mehr so viel Aufmerksamkeit. Der Älteste ist schon ausgezogen, von daher passt das. Mit kleinen Kindern würde das nicht gehen. Ich habe halt einfach Spaß daran, Dinge zu bewegen und etwas zu gestalten. Man hört mir zu und allein das ist schon herausragend (lacht). Schon früher, zu meiner aktiven Zeit, war Mannschaftssport mein Ding und in der Gemeinschaft was zu erreichen. Mein Engagement ist ja gerade keine Röder-One-Man-Show, denn nur als Team funktioniert es. Ich schaffe es manchmal, mich in verschiedene Positionen reinzudenken und so andere Standpunkte auszuleuchten. Das hilft mir ein klares Bild zu kriegen und eine fokussierte Diskussion zu führen, wo die Reise dann hingehen soll. Mir ist auch durchaus bewusst, dass es jetzt mit den Canes nicht automatisch so weiterlaufen wird wie dieses Jahr. Wir müssen sicher hier und da nachbessern.

L!VE: Und der sportliche Erfolg ist dann das Sahnehäubchen auf der Kirsche?

B.R.: Wenn dann so ein Ding herauskommt, wie das Viertelfinale gegen Köln, ja sicher! Vor dem Spiel bis Du noch unsicher, ob wir alles richtig gemacht hast, ob wir den nötigen Aufwand betrieben haben und, und, und… Dann stehst Du da mit deinen Leuten, alle total angespannt und dann ist das Spiel ist zu Ende und wir haben gewonnen. Die Gänsehaut, dieses Gefühl, das war sensationell. Das sind die Dinge, weswegen man sowas macht im Sport.

L!VE: Und wenn bei alledem doch mal versehentlich freie Zeit übrigbleibt, dann gründet man halt einen eigenen Golfclub und wird dessen Sportwart?

B.R.: „Na ja, beim Golf verletzt man sich halt weniger als beim Fußball. Den Golf Club Saar Lorraine haben wir tatsächlich 2019, noch kurz vor Corona, in Saargemünd selbst gegründet und sogar innerhalb kürzester Zeit vom deutschen Golfverband die komplette Spielberechtigung bekommen. Das ist ein spannendes Thema, auch weil da die europäische Idee umgesetzt wird. Halt ein deutscher Club in Frankreich, mit deutschen und französischen Mitgliedern und in Deutschland spielberechtigt. Wir haben jetzt schon zwei große Turniere dort veranstaltet. Das läuft bei mir tatsächlich so ein bisschen nebenher. Unterm Strich bedeutet das am Wochenende, wenn ich nicht auf einer Sportveranstaltung bin, dann bin ich auf dem Golfplatz.

L!VE: Mal Hand aufs Herz, für eine eventuelle Zeit nach den Canes, hast Du doch bestimmt schon die nächste Sportart im Visier?

B.R.: Das würde ich nicht ausschließen, aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Ich habe mit den Canes noch Großes vor. Ich bin zwar nicht wirklich eitel, aber ich muss schon sagen, dass das auch mir einen kleinen Schub gegeben hat, zu wissen, Du bist im Präsidium eines Vereins, der um die deutsche Meisterschaft mitgespielt hat. Das ist schon was anderes, als irgendwo in der vierten, fünften, sechsten Liga rumzuwurschteln, bei allem Respekt. Auf der anderen Seite habe ich mir während so mancher Zoom-Verbandssitzung schon gedacht, wow, hier geht’s es tatsächlich um Bundesliga-Sport, aber das Niveau, auf dem der Verband hier kämpft hat schon sehr, sehr viel von Landesliga. Da können wir noch richtig viel machen und die Canes auch so noch ganz weit nach vorne bringen. Es ist ja nicht nur das Sportliche, sondern zum Beispiel auch die enorme Anerkennung von Mannschaften, die bei uns zu Gast waren, wie alles bei uns gehandelt wird. Natürlich spielt da auch unser tolles Stadion eine Rolle, aber eben auch wie wir uns selber darstellen, zum Beispiel über unseren eigenen Stream. Das ist schon wirklich ein echtes Brett! Da haben wir einfach vor ein paar Jahren angefangen, unsere Spiele selbst zu produzieren und haben mittlerweile mit Achim Schmolke, einem positiv Verrücktem aus dem Verein, ein Niveau erreicht, das fast schon Champions League würdig ist. Das ist halt toll, wenn man sieht wie man durch kleine Maßnahmen und viel persönlichen Einsatz mehr erreichen kann, als andere Vereine, die versuchen alles mit Geld zuzukleistern. Auch in der Beziehung gibt es einen sportlichen Wettbewerb. Früher hat man als Sportler auf dem Feld gekämpft, heute misst man sich als Funktionär hinter den Kulissen – und das macht mindestens genauso viel Spaß!

L!VE: Vom Standortnachteil für das Saarland also erstmal keine Spur?

B.R.: Standortnachteil ist zu viel gesagt. Wir haben unsere Schwierigkeiten im Saarland. Medial könnte einiges besser laufen. Aber ich fände es toll, wenn man sich im Saarland mehr zutrauen und nicht nur in den alten, eingefahrenen Schienen denken würde, wie Sport und Sportförderung zu funktionieren haben. Sondern, wenn man den richtigen Leuten genau zuhört, sich ein detailliertes Bild der Gegebenheiten macht und dann ganz gezielt fördert. Das ist dann meistens besser als irgendwie nur in größeren Sportarten mit Gewalt etwas zu versuchen. Das ist der Punkt, wo ich sage, dass wir im Saarland vielleicht noch zu viel verschwenden. Denn oft geht es gar nicht um den einzelnen Sport oder Sportler, sondern viel mehr um Hintergründe und Befindlichkeiten. Es gibt unheimlich viel Potential im Saarland, aber oft trauen sich das die entscheidenden Leute nicht zu. Da sollten wir ansetzen!

Wenn plötzlich alles anders ist …

Die Diagnose „Krebs“ verändert den Alltag. Ängste und Unsicherheiten belasten die Betroffenen und ihr Umfeld. Angehörige fühlen sich überfordert, Freunde und Bekannte sind verunsichert. Gegen Krebs braucht es Medizin, aber auch einfühlsamen Rat, Informationen und so viel Unterstützung wie möglich.

Allein im Saarland erkranken jährlich rund 8.500 Menschen erstmalig an Krebs, insgesamt betroffen sind über 50.000 Saarländerinnen und Saarländer. Die Saarländische Krebgesellschaft e.V., gegründet im Jahre 1958, ist seit über 60 Jahren für das Wohl dieser Menschen im Saarland tätig und steht Betroffenen und Angehörigen zur Seite. Die Betroffenen im Saarland finden Hilfe in den acht ambulanten Krebsberatungsstellen der Saarländischen Krebsgesellschaft. Sie bieten psychoonkologische und psychosoziale Unterstützung für Krebskranke und Ihre Angehörigen.

Die Berater unterstützen vor, während und nach der stationären Behandlung, bei belastenden Therapien, beim Ausfüllen von Formularen sowie bei der Beantragung von Leistungen. Geboten werden Gespräche zum Umgang mit körperlichen und seelischen Belastungen, z. B. Ängsten, zur Neuorientierung, zu Auswirkungen auf Ehe, Partnerschaft, Familie und Bekanntenkreis, aber auch zu Veränderung und Folgen der Erkrankung. Vermittelt wird an weiterführende Hilfsangebote, wie Integrationsfachdienste, Selbsthilfegruppen oder Hospizdienste etc. Einen wichtigen Stellenwert haben auch Informationen über Anschlussbehandlungen und Nachsorgekuren, Schwerbehindertenausweise, Krankschreibung und oder Berentung, berufliche Umschulungs- und Eingliederungsmaßnahmen, finanzielle Hilfsmöglichkeiten in Notlagen, Sozialgeld, Pflegegeld, Krankenkassenleistungen sowie häusliche Pflege und Ernährung.

Die Organisation kümmert sich inzwischen flächendeckend im ganzen Saarland um Menschen mit Krebs und ihre Familien. Das Netz an Beratungsstellen wird ständig weiter ausgebaut, so dass qualifiziertes Fachpersonal ortsnah in allen Regionen des Saarlandes zur Verfügung steht. Aktuell gibt es Beratungsstellen in Saarbrücken, Homburg, Lebach, Saarlouis, Neunkirchen und ganz neu auch in St. Ingbert. Alle Angebote sind für die Ratsuchenden kostenfrei. Die Beratung geschieht qualitätsgesichert durch Fachkräfte mit zusätzlicher psychoonkologischer Qualifikation. Alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.

Über die Einzelberatungen hinaus bietet die Saarländische Krebsgesellschaft ein vielfältiges Kurs- und Veranstaltungsprogramm für Betroffen und Angehörige. Denn Experten sind sich einig, dass Betroffene in fast jeder Krankheitssituation davon profitieren, aktiv zu sein oder sich sportlich oder auch kreativ zu betätigen. Eine weitere Säule der Arbeit des gemeinnützigen Vereins ist die Aufklärung und Krebsvorsorge. Mit regelmäßigen Informationsveranstaltungen, Vorträgen, Infoständen bei öffentlichen Events sowie dem Kinder-Sonnenschutzprojekt „SunPass“ leistet die Saarländische Krebsgesellschaft e.V. hier einen wichtigen Beitrag. Die Geschäftsführerin der Saarländischen Krebsgesellschaft Sabine Rubai, erklärt: „Die Beratung bei uns läuft ganz unkompliziert und unbürokratisch ab, Termine können auch kurzfristig vereinbart werden. In unseren Räumen herrscht eine gemütliche, familiäre Atmosphäre. Denn genau das ist es, was Menschen und dieser Situation brauchen und was unsere Patientinnen und Patienten hier so sehr schätzen. Wir geben Halt. Bei uns ist Raum zum Reden, zum Lachen und auch zum Weinen. Und es tut oft einfach unglaublich gut, das mit jemandem tun zu können, der nicht selbst in der schlimmen Situation mit drinsteckt. Uns erreichen fast täglich liebe und rührende Rückmeldungen von Menschen, die wir begleiten dürfen. Es ist schön zu sehen, dass wir schwere Wege ein Stück leichter machen können.“

Projekt Regenbogen

Neben vielen anderen Angeboten, Kursen und Veranstaltungen liegt ein besonderer Focus auch auf dem „Projekt Regenbogen“. Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, leiden die Kinder mit. Ihr Kummer äußert sich jedoch anders als bei Erwachsenen. Kleinere Kinder können ihre Sorgen und Ängste meist noch nicht in Worte fassen. Und auch Jugendlichen fallt es manchmal schwer, ihre Gefühle auszudrücken. Es ist deshalb wichtig, Kinder krebskranker Eltern gezielt zu unterstützen. Mit dem Projekt „Regenbogen“ bietet die Saarländische Krebsgesellschaft e.V. ein spezielles Programm für Kinder krebskranker Eltern. Dabei erhalten die Eltern in Einzelberatungen viele hilfreiche Tipps, wie sie altersgerecht mit ihren Kindern über die Erkrankung sprechen können. Außerdem spielen auch ganz praktische Themen wie Fragen zu Kinderbetreuung, Haushaltshilfe oder Reha-Maßnahmen eine große Rolle. Kinder und Jugendliche können in „ihrer“ Sprechstunde ganz offen mit einem Psychoonkologen über aufkommende Fragen, Sorgen, Probleme und Ängste zu sprechen. Wichtig ist hierbei insbesondere ein kindgerechter Kommunikationsstil und Einsatz altersadäquater Materialien. Außerdem gibt es erlebnispädagogischen Gruppenangebote und Ausflüge, die das Ziel haben, den Familien unbeschwerte Zeit und positive Erlebnisse zu ermöglichen. Kinder und Eltern können gemeinsam etwas Schönes erleben, den Sorgen entfliehen und einfach mal abschalten. Dabei sehen die Familien auch, dass sie nicht alleine sind. So können Sie gestärkt in ihren Alltag zurückkehren. Ein positiver Nebeneffekt ist zudem, dass die Eltern in ungezwungener Atmosphäre leicht in Austausch kommen und sich über den Umgang mit ihren Kindern und der Krankheit unterhalten können. Alle Angebote und Aktivitäten im Rahmen des Projekts Regenbogen für die Familien sind kostenfrei und werden von Psychoonkologen begleitet. Sabine Rubai denkt gern an die gemeinsamen Ausflüge mit betroffenen Familien: „Die strahlenden Kinderaugen und glücklichen Eltern sind der beste Beweis, dass wir mit dem Projekt Regenbogen den richtigen Schritt getan haben“, erzählt sie. „Wir schenken gemeinsame Zeit, Erlebnisse und schöne Erinnerungen, aus denen alle wieder Kraft schöpfen können.“ „Es ist einfach Segen für uns“ lautete beispielsweise eine Nachricht, die Sabine Rubai nach einem Tag auf dem Bauernhof per WhatsApp erhielt „Ich wollte euch nur sagen, dass es ganz, ganz toll war. Er hat super gutgetan, es war seit sehr langer Zeit ein richtig guter Tag mit kaum Schmerzen und schöner Gesellschaft. Danke für den schönen Tag!“

Unterstützung aus dem Saarland für das Saarland

Alle Angebote der Saarländischen Krebsgesellschaft e.V. sind kostenfrei, die Projekte finanzieren sich über Spenden und freiwillige Zuschüsse. Um Betroffenen und Angehörigen weiterhin auf vielfältige Art und Weise zur Seite stehen zu können, benötigen der gemeinnützige Verein Spenden und Unterstützung: aus dem Saarland für das Saarland. Sabine Rubai ergänzt: „Uns ist es ein großes Anliegen, unsere Arbeit bekannter zu machen, so dass jeder, der der Diagnose Krebs gegenübersteht oder jemanden kennt der davon betroffen ist, weiß, dass es bei uns Hilfe und Begleitung in dieser schweren Zeit gibt. Neben finanzieller Unterstützung sind wir daher auch sehr dankbar für jegliche Art der Öffentlichkeitsarbeit und freuen uns über jede Kontaktaufnahme und kreative Ideen.“

Infos und Kontakt für Betroffene: Saarländische Krebsgesellschaft e.V., Tel: 0681-30988-100, info@krebsgesellschaft-saar.de, www.krebsgesellschaft-saar.de, Spendenkonto: Saarländische Krebsgesellschaft e.V., IBAN: DE 8959 2510 2001 2011 6801