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Schlüsselerlebnisse

Bild von Adobe Stock: Datei: # 704975890 Bildunterschrift: Frauen sind für Männer ein Buch mit sieben Siegeln. Wenn eine neue Bekanntschaft beim ersten Date verschlossen wirkt, sollte Mann einfach einmal einen Blick auf ihren Schlüsselbund werfen.

Im Frühling erwachen bekanntlich die Gefühle aus ihrem Winterschlaf und bei männlichen Singles damit die Erkenntnis, dass Chips und Schokolade, mit denen sie in den letzten Monaten viel gemeinsame Zeit verbracht haben, doch kein vollwertiger Ersatz für eine Beziehung sind. Auch wenn beide – anders als die letzte Freundin – nichts dagegen haben, wenn man ihnen an die Tüten greift oder eine Rippe bricht. Genügte im Winter ein kühles Blondes im Kasten, um zufrieden zu sein, muss Mann sich nun eingestehen, dass eine heiße Blonde in der Kiste doch glücklicher machen würde…

Irgendwann ist jeder Mann so weit, dass er sich eine Beziehung wünscht, die auch einmal bis zum Frühstück oder sogar bis zum Abwasch hält. Da One-Night-Stands auf eine schweißtreibende Nacht im Bett jedoch nur selten einen schweißtreibenden Tag hinterm Herd folgen lassen, sind früher oder später selbst überzeugte Junggesellen an dem Punkt, sich entweder eine Putz- oder eine Ehefrau zu suchen. Je älter Mann wird, umso mehr geht die Zahl an Frauen im passenden Alter zurück, die frei verfügbar sind, aber dennoch gut aussehen und keine schwere Beziehungsneurose haben…

Ab Mitte Dreißig bietet das Adressbuch eines Mannes kaum noch Hilfe bei der Suche nach einer zukünftigen Ex-Freundin. Entweder sind die Nummern oder die Nachnamen der gelisteten Frauen nicht mehr aktuell. Zwar sind in diesem Alter bereits wieder viele einstige Schulschönheiten zurück auf dem Markt, allerdings haben zwei Scheidungen, drei Kinder und vier mal fünf Kilo mehr auf den Hüften oft nicht viel von der süßen Schönheit aus der zehnten Klasse übrig gelassen. Was einem damals als Mann das Blut im Herzen kochen ließ, lässt heute selbiges in den Adern gefrieren…

Verkupplungsversuchen von Freunden mit ihren frisch getrennten Cousinen sollte man lieber aus dem Weg gehen. Das ist in etwa so, als würde man sich eine Matratze aus dem Schlussverkauf aufschwatzen lassen, von der man bereits in der ersten Nacht merkt, dass sie die Versprechungen des Verkäufers nicht hält und nur mit billigem Schaum ausgestopft ist. Allerdings mit dem Unterschied, dass einem eine miese Matratze beim nächsten Wiedersehen auf dem Geburtstag des Kupplers kein Glas Bowle ins Gesicht schüttet. Außer vielleicht man lebt auf dem Planeten Squornshöllisch Beta…

Wo findet ein Mann aber eine Beziehung, die saugt und feucht durchwischt, ohne gleich der Putzfrau im Büro einen Antrag zu machen? Wer für die Disco zu alt, für den Seniorenkaffee aber noch zu jung ist, sollte in jedem Fall vermeiden, auf einer Ü30-Party nach einer Schwiegertochter für die eigenen Eltern zu suchen. Wer ein Auto sucht, sieht sich schließlich auch nicht im Halbdunkeln unter den Gebrauchten, sondern eher im Hellen unter den Neuen um. Ü-Partys sind wie Ein-Euro-Läden: Sie bieten nur B-Ware mit Schönheitsfehlern, die auf dem normalen Markt keine Abnehmer mehr finden…

Genügte im ledigen Alter unter 30 ein Glas Sekt für den Austausch von Körperflüssigkeiten, reicht im leidigen Alter über 40 nicht mal mehr Champagner zum Austausch von Handynummern. Wo Mann einst mit bloßem Entkorken einer Weinflasche beeindrucken konnte, müssen es im fortgeschrittenen Alter auch fortgeschrittene Kenntnisse im Weinbau sein. In jungen Jahren wissen Frauen noch nicht, was sie wollen. Was es Männern schwer macht. Ab Mitte Dreißig wissen Frauen zwar noch immer nicht, was sie wollen, dafür aber, was sie nicht wollen. Was es Männern noch viel schwerer macht…

Im jugendlichen Alter sollen Männer seriös, im seriösen Alter jugendlich sein. Frauen entscheiden für uns Männer völlig unvorhersehbar nach Bauchgefühl, Menstruationszyklus und Luftdruck, was in dem Moment, in dem sie angesprochen werden, gerade ausschlaggebend dafür ist, ob eine Anmache erfolgreich ist oder die Abfuhr des Lebens bedeutet. Es gibt nichts was Männern garantiert, erfolgreich zu sein. Sieht man einmal von K.O.-Tropfen ab. Es bleibt ein reines Glücksspiel: Der Sechser im Lotto am Mittwoch ist da meist wahrscheinlicher als der Sex mit Lotta am Samstag…

Bei Vierbeinern ist es so: Je älter ein Hund wird, umso mehr gehen die Erwartungen seines Frauchens zurück, was seine Bereitschaft angeht, bei Fuß zu gehen und mit dem Schwanz zu wedeln. Döst ein alter Rüde auf dem Sofa, lässt man ihn gewähren, auch wenn er müffelt, grau wird und seine Haare verliert. Bei Zweibeinern ist das anders: Je älter ein Mann wird, umso mehr wachsen die Erwartungen seines Frauchens an ihn. Die Leine, an der er gehalten wird, wird von Jahr zu Jahr kürzer. Und bei wiederholtem Ungehorsam wird auch schon einmal mit dem Einschläfern der Beziehung gedroht…

Um als Mann Frauen etwas besser zu verstehen, hilft kein Blick in ihre Augen, oft aber ein Blick auf ihren Schlüsselbund. Denn der Schlüsselanhänger einer Frau sagt mehr als 1000 Worte und lässt einen Mann wissen, ob er beim ersten Date bereits den Bund fürs Leben oder besser eine Flucht durchs Toilettenfenster planen sollte. Unbewusst geben Frauen mit ihrem Schlüsselbund mehr von sich preis als sie denken. Egal wie dick Rouge und Kajal auch aufgetragen sind, der Anhänger am Schlüsselbund einer Frau zeigt die ungeschminkte Wahrheit…

Ein Anhänger von Louis Vuitton spricht für einen guten Job oder aber einen Basarbesuch beim letzten Türkeiurlaub. Was von beidem zutrifft, lässt sich daran erkennen, ob der Autoschlüssel am Anhänger zu einem neuen Cabrio oder einem alten Corsa gehört. Ein AirTag am Bund kann völlig harmlos sein und einfach bedeuten, dass sie ab und an ihren Schlüssel vergisst; kann aber auch aussagen, dass sie ein Kontroll-Freak ist, der alles nachverfolgt und einen nicht mal unbeobachtet zur Toilette lässt. Was von beidem stimmt, findet Mann leider erst dann heraus, wenn es für ihn bereits zu spät ist…

Ein Anhänger mit Katzenfoto am Schlüsselbund einer Frau sollte einem Mann unmissverständlich klar machen, dass vor ihm stets erst ihre Muschi gestreichelt wird, ein Anhänger mit Pferdefoto dagegen, dass sich ihre Vorstellung, was ein Hengst ist, von seiner wohl wesentlich unterscheiden dürfte. Achtung gilt auch bei Messer, Taschenlampe oder Flaschenöffner an ihrem Schlüssel. Kein Mann hat schließlich Lust, sich mit der Tochter von MacGyver einzulassen, die mit Werkzeug besser umgehen kann als er selbst und einem nach getaner Handwerkerarbeit dann auch noch das Bier wegtrinkt…

Ein Einhorn am Schlüsselbund darf misstrauisch machen, ob ihre Geschichte von der erfolgreichen Businessfrau auch wirklich stimmt. Ebenso wie ein Anhänger „Beste Oma der Welt“ Anlass sein sollte, nochmals genauer nach ihrem Alter zu fragen. Selbstgebastelte Anhänger sprechen übrigens für Spaß an Handarbeit. Es sei denn, es handelt sich um gehäkelte Tampon-Täschchen. Vorsicht auch bei Anhängern mit Fußball-Motiven. Kein Mann möchte den Bundesliga-Samstag mit seiner Freundin verbringen, die mitdiskutiert, ob es nun Abseits war oder nicht. Jede Liebe hat schließlich Grenzen…

Dann doch besser ein Einkaufswagenchip oder ein kleiner Kochlöffel als Schlüsselanhänger. Die sprechen dafür, dass sie einkauft und kocht. Schlüsselerlebnisse… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Der Schlüssel zum Herzen einer Frau ist oft mit der PIN zur Kreditkarte eines Mannes identisch.

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Vom Löwen zum Kater

Tarnung hat sich im Tierreich als durchaus cleverer Schachzug erwiesen, der das Flüchten vor Feinden und das Hetzen nach Beute entbehrlich macht. Wer beneidet nicht die Fähigkeit des Chamäleons, sich unsichtbar zu machen, wenn einem wieder einmal die Zeugen Jehovas oder die Ex-Freundin mit ihrem neuen Partner begegnen. Seit jeher eifern Menschen der Natur in Sachen Tarnung nach, was beim Militär zu trister Tarnkleidung und im Büro zu tristen Anzügen geführt hat, die das gleiche Ziel verfolgen wie das weiße Fell des Polarhasen; nämlich nicht wahrgenommen zu werden…

Besondere Bedeutung genießt Tarnung bei Menschen zur Karnevalszeit, wenn eine Verkleidung als Cowboy und Co. davor schützen soll, von denjenigen erkannt zu werden, die einen nur seriös und nüchtern am Tisch sitzend statt peinlich und besoffen auf selbigem tanzend kennen. Denn wer möchte schon montags bei jemandem eine Immobilie kaufen, der freitags der Oma ihr klein Häuschen versäuft. Während Tarnung bei Tieren perfektioniert ist, garantieren Karnevalskostüme bei Menschen jedoch nicht unbedingt, unerkannt zu bleiben, wenn man kopfüber in der Toilette hängt…

Es ist immer wieder faszinierend, wie vielen von uns eine vermeintlich lustige Verkleidung als Anlass und Rechtfertigung genügt, Er- und Beziehung vollends zu vergessen. Dabei sind Hawaiihemd und Sonnenbrille weder kreativ, noch verschaffen sie einem eine neue Identität. Mit ihrem Schlips verlieren selbst grundseriöse Bankangestellte am Fetten Donnerstag alle Hemmungen und lassen sich auf mehr ein als nur auf Zahlungsverkehr. Da wird Karnevalstreiben schon einmal wörtlich genommen und der hübsche junge Azubi von der älteren Kollegin nicht nur in die Bankgeschäfte eingeführt…

Karnevalsmuffel sollten sich über die tollen Tage lieber eine Grippe zuziehen oder Tante Amanda in Uganda besuchen. Es dürfte ihnen nämlich kaum gelingen, auch nur einen Schritt vor die Tür zu setzen, ohne auf jemanden im Pippi-Langstrumpf- oder Matrosen-Kostüm zu treffen. Wer kann im Supermarkt ruhigen Gewissens hundert Gramm Mettwurst im Naturdarm bestellen, wenn hundert Kilo Metzgereifachverkäuferin im Primaballerinakostüm unmissverständlich signalisieren, dass jemand für einen letzten Seitensprung vor dem letzten Eisprung bereit ist. Im Karneval ist eben alles anders…

Ärzte verkleiden sich als Müllmänner, Müllmänner als Ärzte und Aschermittwoch hat man entweder eine Beziehung zu viel oder eine zu wenig. Bei Faschingsveranstaltungen gibt jeder mit seiner Jacke auch sein Hirn an der Garderobe ab. Alkohol- und Hormonspiegel lassen selbst Hardrock-Fans bei Viva Colonia schunkelnd vergessen, dass sich ihre Zunge in irgendeiner Heidi befindet, die ihre Mutter sein könnte. Ob mit dem Plastikgewehr oder der Granate von der Bar, es wird geknallt bis niemand mehr weiß, ob die Krankenschwester, die sich über einen beugt, knutschen oder reanimieren will…

Früher war Karneval allerdings lustiger, als man am Tag nach dem Feiern nicht von dutzenden Fotos auf dem Smartphone an das erinnert wurde, was zehn Schnaps am Abend zuvor dankenswerterweise aus dem Gehirn gelöscht hatten. Damals musste man seiner Freundin nur den Kater im Kopf, nicht aber die Mieze auf dem Schoß erklären, die auf diversen Schnappschüssen zu sehen ist. Dank Facebook, Instagram & Co. weiß der Partner heutzutage eher Bescheid, wem man bei der Polonäse von hinten mehr als nur an die Schultern gefasst hat, als man sich Ausreden einfallen lassen kann…

Grund für Tarnung ist im Karneval wie in der Tierwelt die Jagd. Für Anwälte und BWLer ist Fasching schließlich die einzige Chance außerhalb von Swingerclubs, Frauen kennenzulernen, die bei Absätzen nicht nur an Gesetze denken. Frauen in Nonnenkostümen signalisieren für viele Männer, dass sie gern aufs Kreuz gelegt würden, solche in Krankenschwester-Outfits dagegen, dass sie auf Spritzen stehen. Und was Pferdekostüme für zwei Personen angeht, sind diese für denjenigen im Kopf stets lustiger als für denjenigen im Hintern. Vor allem wenn es mittags Bohnensuppe gab…

Nicht jede Verkleidung kommt gleich gut an. Wer sich als Feuerlöscher kostümiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er seinen Brand allein löschen muss. Selbst der attraktivste Mann sieht in einem Penis-Kostüm eben nur aus wie ein blöder Sack. Spongebob-Kostüme sind dagegen zwar durchaus hübsch anzusehen, aber das sind Igel auch. Und mit denen möchte auch niemand schlafen. Grundsätzlich gilt: Eine Faschingsverkleidung ist nur dann besonders gut, wenn man erst nach stundenlangem Knutschen bemerkt, dass der Gegenüber der eigene Partner ist…

Was Männer mit grüner Oger-Maske angeht, sei gesagt: Keine Frau lässt sich auf jemanden ein, von dem sie nicht weiß, ob er unter seiner Verkleidung nicht noch s(c)hre(c)klicher aussieht als mit. Kreativer ist es da schon, eine Warnweste mit Aufschrift „ADAC“ zu tragen und Frauen mit dem Spruch anzubaggern, dass man nur hier sei, um sie abzuschleppen. Das ist zumindest lustig, wenn auch nicht unbedingt erfolgsversprechend. Aber schließlich gibt es keinen Anmachspruch, der im Karneval nicht schon funktioniert hat. „Ich bin vom TÜV, darf ich mal deine Hupen testen?“…

Wer am Ende des Tages nach dem zehnten Bier dann unbedingt eine heiße Mieze als vermeintlich neue Liebe mit nach Hause nimmt, sollte bedenken, dass nachts alle Katzen grau sind, es manche jedoch auch tags darauf bleiben, wenn man sie im Tageslicht sieht. Nicht jeder Alptraum ist nämlich am Morgen danach zu Ende. Vor allem wenn er dann noch ungeschminkt neben einem sabbelnd im Bett liegt. Was dann von einem selbst als Partylöwen von gestern noch übrig bleibt, ist meist nur noch ein räudiger Kater…

Übrigens: Ich verkleide mich dieses Jahr an Karneval als Schlumpf und bin einfach blau. Vom Löwen zum Kater… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Wer sich im Karneval als Müllmann verkleidet, darf sich nicht über Abfuhren beschweren.

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Weihnachtsgrippe

Ein Grund dafür Arzt zu werden, ist sicher, sich den Satz „Bitte freimachen“ leisten zu können, ohne einen Schlag ins Gesicht zu bekommen. Das dürfen außer Ärzten sonst nur noch Postangestellte Bild von Adobe Stock: Datei: # 223169235

Kürzlich hatte ich passend zur Weihnachtszeit eine schöne Grippe. Jedoch weniger mit Jesuskind, Hirten und Stern von Bethlehem als vielmehr mit Kopfschmerzen, triefender Nase und einem Husten, der beim Erkältungsbad in der Wanne einen Tsunami auslöste, bei dem anderswo Touristenorte evakuiert worden wären. Es war einer dieser heimtückischen grippalen Infekte, gegen die Frauen immun sind, die bei uns Männern jedoch unweigerlich Nahtoderlebnisse hervorrufen und mehr Taschentücher erfordern als ein einsamer Samstagabend zuhause…

Während Frauen selbst bei einer schweren Grippe eine Handvoll Salbeibonbons ausreicht, um von jetzt auf gleich gesund zu werden, hat es die Natur so vorgesehen, dass wir Männer bereits bei bloßem Schnupfen über Tage siechen und unserem Schöpfer ins Gesicht blicken. Die Auswirkungen einer Corona-Infektion lassen sich mittlerweile meist im Zaum halten, mit denen einer typischen Männergrippe ist jedoch nach wie vor nicht zu spaßen. Schließlich hat diese über die Jahrhunderte mehr Opfer gefordert als alle Weltkriege, Pestausbrüche und Dschungelcamp-Staffeln zusammen…

Für uns Männer ist es ratsam, bereits beim Einsetzen des ersten Halskratzens in der Apotheke das komplette Erkältungssortiment forschender Pharmaunternehmen zu ordern und das Testament aufzusetzen. Man(n) weiß schließlich nie, welche tückischen Nebenwirkungen Omas Wadenwickel und Tee ohne Rum bei einem geschwächten Männerorganismus haben. Vorsorglich sollte man sich zudem mit einer letzten Videobotschaft schon einmal von seinen Freunden verabschieden, solange dies das unaufhörlich steigende Fieber noch zulässt, das schnell einmal 38 Grad erreichen kann…

Man(n) sollte hier nicht bis zum letzten Moment warten und dann alleinig durch seine Rotznase in einem verwackelten Video in Erinnerung bleiben wie damals die Protagonisten im Film „Blair Witch Project“. Wegen der höllischen Schmerzen einer wunden Nase und eines rauen Halses, die sicher größer als jeder Geburtsschmerz sind, und der panischen Angst vor einem nächtlichen Erstickungstod kann man einer Männergrippe nichts Gutes abgewinnen. Nicht einmal aus evolutionärer Sicht. Es trifft schließlich nicht nur dumme, hässliche und überhebliche Männer, sondern auch solche wie mich…

Wenn uns Männern nicht einmal mehr Couch und Netflix Spaß machen, dann sollten Frauen wissen, dass es Zeit ist, eine Kerze anzuzünden und zu beten. Das einzig Positive für einen Todgeweihten sind in diesem Moment noch die vielen bunten verschreibungspflichtigen Medikamente, die das Leben mit Glied(er)schmerzen und ohne Geruchs- und Geschmackssinn erträglicher machen. Zusammen mit Energydrinks haben diese übrigens erstaunliche Effekte. Ohne sie hätte man nie erfahren, dass kleine grüne Männchen hinter den Heizkörpern wohnen und die eigene Katze Polnisch spricht…

Andererseits kommen einem nach der Weihnachtsvöllerei ein paar Tage ohne Appetit ganz gelegen. Schließlich würde man es diesen Sommer gerne vermeiden, dass einen beim Standurlaub wieder Aktivisten einer Walschutzorganisation ins Meer ziehen. Bei einem Infekt nimmt man schließlich ab, ohne dass hierfür das Telefon klingeln muss. Man erspart sich auch das lästige Einkaufen, da endlich weg kommt, was schon längst hätte weg müssen. Was können einem Monate alter Joghurt oder Schimmelkäse, der eigentlich einmal Gouda war, schon anhaben, wenn man voller Antibiotika ist…

Was ich bei Erkältungen weit weniger fürchte als Fieberzäpfchen ist der obligatorische Besuch beim Hausarzt. Anders als bei richtigen Medizinern geht von Hausärzten ja keine Gefahr aus, da sie nicht wie Urologen ihre Finger in Körperöffnungen stecken und auch nicht wie Dermatologen verkünden, dass das süße Muttermal gar nicht so süß ist und Zukunftsplanungen weitgehend unnötig macht. Hausärzte wollen sich nicht wie Chirurgen erst einmal alles von innen ansehen und haben auch anders als Zahnärzte keine Gerätschaften, die Löcher und furchterregende Geräusche machen…

Einem Hausarzt reicht Blutdruckmessen, einmal Husten lassen und die Krankenversicherungskarte jedes Quartal und schon ist die gewünschte Diagnose samt Krankenschein attestiert. Als Kind verstand ich es allerdings nicht, warum ich mich beim Onkel Doktor ausziehen sollte und dafür einen Lutscher annehmen durfte, bei Onkel Heinz jedoch nicht. Ich mochte meinen Hausarzt damals auch nicht, da er meinen Eltern immer etwas vom starken Übergewicht ihres Sohnes erzählte und ich erst in der Pubertät schmerzlich feststellte, dass er damit nicht meinen Bruder meinte…

Dennoch waren Ärzte für mich als Kind Götter. Götter in Weiß, die Golf spielen. Es sollte einige Jahre und Partys mit Medizinstudentinnen dauern, bis mir klar wurde, dass es sich eher um Teufel in Weiß handelt, die zwar gerne einlochen, dass das mit Golf aber nur insofern zu tun hat, als dass es dessen Rücksitze beansprucht. Damals lernte ich, dass Ärzte nie kommen, wenn man schreit, sondern schreien, wenn sie kommen. Mein Verhältnis zu Medizinern hat sich erst verbessert, seitdem sich das „Bitte freimachen“ auf Untersuchungen beschränkt, die von der Krankenkasse bezahlt werden…

Mittlerweile freue ich mich sogar auf Besuche beim Hausarzt, um live und in Farbe miterleben zu dürfen, was Reality-Soaps und Pseudo-Dokus im Trash-TV nicht einmal annähernd wahrheitsgetreu wiedergeben. Wie viele Rentner mögen wohl diesmal bereits Stunden vor Sprechstundenbeginn vor der Praxistür herumlungern und darauf warten, sich den tagesaktuellen Zustand ihrer Hühneraugen begutachten oder bescheinigen zu lassen, dass an ihrem Armstumpf, den sie aus dem Krieg mit nach Hause gebracht haben, noch immer keine neue Hand gewachsen ist…

Auf dem morgendlichen Weg zum Arzt sehe ich gebückte Schatten mit Stock, die wie Zombies zur Praxis wanken, um als Erstes Urin abgeben zu können. Es erinnert an Rudelbildungen vor Apple-Stores, wenn es ein neues iPhone gibt; nur mit Rollator. Hätten Rentner nicht Rheuma, sie würden auch Nächte im Schlafsack vor Arztpraxen verbringen, nur um tags darauf Erster zu sein. Für Rentner nicht auszudenken, wenn ihr Lieblingsstuhl im Wartezimmer neben der Plastikpalme schon besetzt wäre oder bereits ein Fremder sich dem Rätsel der neuen Apothekenumschau angenommen hätte…

Ich möchte indessen gar nicht Erster sein. Entginge mir dann doch der Charme der Praxishelferinnen, die nach dem zehnten Rentner, der vor dem ersten Berufstätigen an die Reihe kommen will, dem von Metzgereifachverkäuferinnen gleicht. Ich selbst bleibe stets freundlich, was die Chancen erhöht, dass bei der Blutentnahme nicht die dicke Nadel genommen wird, mit man sonst Pudding in Krapfen füllt. Auch wenn ich, wenn eine Helferin wieder ungläubig auf das „Dr. Wolf“ auf meiner Versicherungskarte blickt, gerne sagen würde, dass auch Doktoren krank werden. So wie Köche auch Hunger haben…

Meine Freundlichkeit wird meist belohnt. Ich komme dann ohne einen Fuß auf den Linoleumboden des nach Schweiß und Auswurf riechenden Wartezimmers setzen zu müssen an mein Rezept. Sogar noch vor dem pensionierten Beamten mit den Krücken, der sich lautstark darüber beschwert, dass er als Privatpatient nicht mit einer Sänfte in die Praxis getragen wird. Zu Besänftigung wird ihm eine völlig unnütze, aber von seiner privaten Kasse in vollem Umfang getragene Untersuchung angeboten, die er gerne annimmt, so lange daraus keine Diagnose resultiert, die ihm nicht gefällt…

Zuhause werfe ich mir dann alles an Pillen ein, was das Rezept hergibt, und mich auf die Couch. Falls davon nichts hilft, blieben nur noch Globuli oder meine Nachbarin Andrea. Die ist Jägerin. Ich schicke ihr mal mein Abschiedsvideo. Weihnachtsgrippe… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Trinkt eigentlich wirklich jemand freiwillig aus den stets halbleeren Wasserflaschen, die in Wartezimmern von Arztpraxen bereitstehen?

Gedacht, gesagt, bereut

Es gibt Dinge, über die spricht ein Mann mit niemandem, nicht einmal mit seinem besten Freund. Über das Gehalt z.B. oder über den One-Night-Stand mit der Schwester des besten Freunds. Auch etwaige Vorlieben für das Tragen von Frauenkleidung oder für Besuche von Tupperpartys sind Tabus, die Männer außerhalb des Beichtstuhls nicht thematisieren. Mit dazu gehört auch das Thema Kindererziehung. Zumindest dann, wenn Mann sich als Vater mit einem Gegenüber unterhält, der selbst keinen Nachwuchs hat. Denn mit Kinderlosen über Kinder reden, das wäre so, als würde sich ein Sehender mit einem Blinden über Farbe unterhalten oder ein Mann mit einer Frau über Fußball…

Zwar hat die Gleichberechtigung schon vieles und auch einst Unvorstellbares erreicht – gleichgeschlechtliche Ehe, Kochkurse für Männer oder weibliche Sportkommentatoren – jedoch ist es auch im 21. Jahrhundert noch immer völlig inakzeptabel, dass jemand, der selbst nichts zum Fortbestand der Menschheit beiträgt, eine Meinung über Kinder und Erziehung hat. Während fundamentale Veganer mittlerweile überall akzeptiert sind, werden gemäßigte Kinderlose, die sich an Gesprächen über den Nachwuchs anderer beteiligen, selbst von eigenen Verwandten fassungslos angestarrt wie damals Onkel Thomas, als er bekannt gab, dass er zukünftig Tante Sabine sein will…

Toleranz wird in unserer Gesellschaft hoch geschätzt, hat aber ihre Grenzen. Nach dem frühen Aus der deutschen Mannschaft bei der letzten Fußball-WM wurde jedem auch ohne Trainerausbildung eine Meinung zugestanden, warum es nicht lief. Geht es um Politik oder Wirtschaft, darf jeder frei sagen, was er für richtig hält. Selbst wenn er beide Fächer schon in der neunten Klasse abgewählt hatte. Auch über Atomenergie darf man sich offen äußern, ohne dafür ein eigenes AKW besitzen zu müssen. Aber Kinderlose mit Meinung zum Thema Kindererziehung? Dafür ist unsere sonst so emanzipierte, woke Gesellschaft scheinbar noch nicht bereit. Von wegen „Childless Lives Matter“…

Jedem, der Verhütung erfolgreich praktiziert, wird von Eltern die Berechtigung abgesprochen, eine valide Meinung zum Thema Erziehung haben zu können. Weder Patenkinder noch Geschwisterkinder sind als Referenz ausreichend. Kinderlos bedeutet ahnungslos. Wer selbst keine Kinder auf der Lohnsteuerkarte hat, hat auch kein Recht über sie zu reden. So wie ein Beamter nicht mitreden kann, wenn es um Stress geht. Nicht selten hoffen enkellose Großeltern insgeheim, dass ihre kinderlosen Kinder wenigstens homosexuell sind. Denn dann könnte Oma bei den Nachbarn zumindest einen gesellschaftlich akzeptierten Grund vorbringen, warum gesunde Deutsche keine Familie gründen…

Pfarrer und Bestatter genießen in unserer Gesellschaft Akzeptanz. Ihrem Urteil über den Tod schenkt man Glauben, ohne zu kritisieren, dass sie nicht wissen können, wovon sie reden, solange sie nicht selbst tot sind. Mit der Akzeptanz Kinderloser ist das anders. Ihre Meinung wird weniger geschätzt als die der Zeugen Jehovas, denen man einfacher die Tür vor der Nase zumachen kann als kinderlosen Freunden. Dabei ist es bei Ratschlägen Kinderloser doch viel einfacher herauszufinden, ob diese zum Erfolg führen als bei Ratschlägen von Pfarrer und Bestatter. Dennoch würden viele Eltern Kinderlosen eher eine Flasche Nitroglycerin anvertrauen als die Flasche für ihren Nachwuchs…

Besondere Verachtung zeigen Eltern, die sich wegen ihrer Kinder nicht mehr anfassen, gegenüber Nichteltern, die ihre Kinder anfassen, um diese darauf hinzuweisen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Um beurteilen zu können, ob ein Hund erzogen ist, muss man selbst auch kein Hundebesitzer sein, geschweige denn Bücher über Welpen gelesen oder Kurse für werdende Hundehalter besucht haben. Es genügt etwas Menschenverstand und darauf zu achten, was der Kleine anstellt, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Was das angeht, sind sich junge Zwei- und Vierbeiner ähnlich. Außerdem stopfen beide in sich rein, was ihnen vor die Füße fällt, und heulen, wenn sie nicht beachtet werden…

Dass ich das Kindesalter überlebt habe, ist – legt man heutige Sauberkeitsmaßstäbe von Akademiker-Eltern zugrunde – ein Wunder. Damals gab es weder Zeichentrickkatzen, die mir auf dem iPad beibrachten, wie man Hände richtig wäscht, noch Apps, die minutenaktuell vor Pollen und Wespen auf der Spielwiese warnten. Wie ich es ohne gepuffte Quinoasamen geschafft habe, die 1980er Jahre mit überzuckerten Löffelbiskuits zu überstehen, ist aus heutiger Sicht kaum zu erklären. Natürlich waren auch meine Eltern damals nicht gerade begeistert, wenn ich von dem auf dem Spielplatz gebackenen Sandkuchen aß, jedoch riefen sie nicht gleich den Notarzt und einen Bodengutachter…

Als Kinderloser würde ich das nicht verstehen, heißt es oft. Und als kinderloser Mann erst recht nicht. Dabei habe ich als Mann Ahnung von Autos. Und Kinder sind wie Autos: Es gibt große und kleine, hübsche und hässliche, dicke und schmale, saubere und schmutzige, weiße und farbige. Manche sind schnell auf 180, andere kommen nicht in die Gänge. Manche sind das, was man sich gewünscht hat, andere das, was man sich nicht aussuchen konnte. Wichtig ist bei Autos wie bei Kindern, dass sie nicht zu laut sind, nicht stinken und keine Flüssigkeiten verlieren. Und egal wie viel Geld man in sie steckt, es gibt bei beiden keine Garantie, dass man sie nochmal loswird, wenn sie älter sind…

Allein die Tatsache, dass ich Kinder mit Autos vergleiche, zeige, dass ich als Gesprächspartner beim Thema Kindererziehung ungeeignet bin? Das sollten wir ausdiskutieren! Kevin? Geh’ Papi und Nichtpapi doch bitte ein Bier holen. Und bring für Dich auch eins mit, wenn Du so viel in deinen Bobby-Car-Anhänger bekommst! Gedacht, gesagt, bereut …gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Ist es eigentlich elterliche Pflicht, denn Füllstand einer Windel mit der Nase zu prüfen?

Vegane Schnitzeljagd

Seitdem ich als kleiner Junge im Kinderfernsehen hilflos mit ansehen musste, wie Hänsel und Gretel im Wald von einer alten Frau entführt wurden, verspüre ich gewisses Unbehagen, wenn sich um mich herum mehr als nur ein paar Büsche befinden. Zu tief sitzt das Trauma, das damals durch Heinos Schlager „Im Wald da sind die Räuber“ noch verstärkt wurde. Auch dass ein Großonkel von mir, der immer an seinem Waldgrundstück hing, irgendwann auf seinem Waldgrundstück hing, dürfte dazu beigetragen haben, dass ich bis heute allem misstraue, was Rinde hat und kein Käse ist…

Als Kind empfand ich Genugtuung, wenn wir neues Kaminholz bekamen. Denn dann war klar, dass es im Wald wieder einige Bäume weniger gab, hinter denen Hexen lauern konnten. Hätte es damals schon Facebook gegeben, ich hätte unter jedem Foto eines gerodeten Stamms auf „Gefällt“ geklickt. Meine Dendrophobie wurde trotz des netten sprechenden Marmeladenbaums aus der Trickserie „Dr. Snuggles“ schnell schlimmer. Was wohl am Eichhörnchen lag, das im Mund des Marmeladenbaums wohnte und Grund ist, warum ich bis heute Zahnärzte ebenso wenig mag wie Wälder…

Als Kind konnte ich daher am Waldsterben nichts Schlimmes erkennen. Als Haustier hätte ich damals am liebsten einen Borkenkäfer gehalten, was ich jedoch nicht durfte. Meine schlechte Meinung über Wälder wurde letztendlich dann durch den Horrorfilm „Tanz der Teufel“ besiegelt, in dem ein Baum Sex mit einer Frau hatte. Auch wenn dies eine Szene sein dürfte, die sich heutzutage umgekehrt dutzendfach auf einschlägigen Internetseiten für Erwachsene finden lässt, führte sie bei mir seiner Zeit dazu, dass mir Grünpflanzen im Schlafzimmer Alpträume bereiteten; vor allem Ficus-Stämme. Mein Opa hatte schon Recht, als er immer sagte, dass Holz nur einen Platz haben sollte: vor der Hütte…

Mit der Zeit wurde meine Angst geringer. Noch immer bekomme ich aber beim Weihnachtsbaumkauf inmitten größerer Mengen an Fichten und Tannen feuchte Hände. Was Wälder angeht, ist meine Meinung daher auch heute noch wie ein Scheit Holz… gespalten. Auch wenn der deutsche Wald sein Image als Ort, an dem Verschleppungen in Lebkuchenhäuser drohen, mittlerweile ablegen konnte. Wer auf dem Weg zur kranken Großmutter den finsteren Tann meiden möchte, nimmt heutzutage eben den ÖPNV oder schickt den Korb mit Kuchen und Wein mit dem Paketdienst…

Waren es früher meist alte Dorfbewohner, die durchs Gehölz streiften, um Steinpilze für ihr Essen oder Fliegenpilze für das ihrer Frau zu suchen, sind es mittlerweile eher junge Stadtbewohner. Objekt ihrer Begierde sind keine versteckten Pilze mit unbekannter Wirkung, sondern versteckte Behältnisse mit unbekanntem Inhalt. Was früher Schnitzeljagd hieß, nennt sich heute Geocaching. Ziel der Jagd über Feld und Flur ist – wie beim Verstecken von Essensresten auf Partys unter Möbeln – dass irgendjemand irgendwann irgendwo ein Schnitzel findet, wo er es nie vermutet hätte…

Wer schon als Kind Spaß am Detektivspiel hatte und insgeheim in Omas Miederwarenschublade nach verborgenen Schätzen suchte, der findet mit Geocaching etwas, was ebendiese Interessen auch im Erwachsenenalter befriedigen kann, ohne dass man eine einstweilige Verfügung wegen Stalkings befürchten muss. Die Idee hinter Geocaching ist dabei eigentlich schon Jahrtausende alt. Eines der ersten Geocaches versteckten die alten Ägypter vor 3300 Jahren und das sogar so gut, dass Tutanchamun erst im Jahr 1922 nach langem Suchen gefunden wurde…

Geocaching ähnelt dem, was die eigenen Großeltern früher regelmäßig in der Eifel taten. Mit dem Unterschied, dass Omi und Opi sich mit Wanderkarten aus Papier herumschlagen mussten und der gesuchte Schatz immer ein kühles Bier war, das auf der Terrasse eines Wanderlokals gefunden wurde. Toll am „Cachen“ ist, dass man es auch spontan machen kann, indem man einfach Brille oder Schlüssel irgendwo deponiert, vergisst wo das war und danach stundenlang damit zubringt, diese dort wiederzufinden, wo man nicht glauben kann, sie jemals abgelegt gehabt zu haben…

Früher gab es noch Ärger, wenn man seine Brotdose in einem hohlen Baumstamm verstecke, um die ungewollte Wurststulle loszuwerden. Heutzutage ist man mit der Erklärung, einen Geocache abgelegt zu haben, fein raus, wenn man von jemandem dabei ertappt wird, wie man den Altölkanister im Wald vergräbt. Die kreativsten Verstecke sind bekanntlich diejenigen, denen man es nicht direkt ansieht. Und wer sagt außerdem, dass ein Geocache, das man irgendwo in der Dämmerung am Waldrand deponiert, nicht auch einmal aussehen kann wir ein Sack voller Bauschutt…

Anders als bei Atommüllendlagern, die gesucht, jedoch nicht gefunden werden, muss bei der GPS-Schnitzeljagd die Möglichkeit gegeben sein, ein Versteck auch wirklich zu finden. Form und Größe der Geocaches sind jedoch nicht festgelegt. Viele in Wäldern zu findende Caches haben die Form alter Autoreifen oder defekter Kühlschränke und sind vielfach auch für Anfänger leicht auffindbar an Wanderparkplätzen versteckt. Entlang von Spazierwegen sind Caches dagegen oft als verknotete rote Beutelchen getarnt, die man der Einfachheit halber nicht nur sehen, sondern auch riechen kann…

Geocaching macht Spaß, birgt jedoch auch Risiken. Früher waren Bodenlöcher und Hangabstürze häufige Gefahren im Wald. Heute sind es Funklöcher und GPS-Abstürze. Es wird sogar von Geocachern berichtet, die sich in blindem Vertrauen auf die Ortungsfunktion ihres Smartphones mehrere Meter von Wegen entfernt haben und nach Ende der Akkuladung nie zurückfanden. Auch wenn dies Einzelfälle bleiben, sind manche Gefahren nicht zu unterschätzen. Vor allem wenn das GPS sich sicher ist, dass der Cache in dem Bienenstock steckt, zu dem der Track geführt hat…

Umweltschützer führen übrigens an, dass die unzähligen, durch die Natur pirschenden, veganen Jungfamilien aus der Stadt die Tier- und Pflanzenwelt stören. Meiner Meinung nach sollen Gudrun & Co. jedoch lieber Wildschweinrotten auf der Waldwiese nerven als mich auf der Schwimmbadwiese. Apropos: Mit Geocaches ist es wie mit Schulschönheiten: Erst jagt man ihnen hinterher, dann ist man enttäuscht, wenn man, nachdem man sie ausgepackt hat, feststellt, wie viele schon vorher ihre Finger am Schatzkästchen hatten. Vegane Schnitzeljagd… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Kleiner Tipp für Geocaching-Neulinge: In Gebüschen versteckte Geocaches sind mit zerknüllten Papiertaschentüchern markiert.

Sandi, Patrik und ich

Schwedisch für Anfänger: God Tag = Guten Tag; Viren = WC-Bürste mit Halter; Lustifik = Hut- und Schuhablage; Gutviken = Waschbecken; Kryp Nyckelpiga = Nylonmatte mit Latexbeschichtung…

Was sich anhört, wie die ersten Laute eines Kindes mit schwedisch-türkischem Migrationshintergrund oder wie außergewöhnliches Pech beim Scrabble-Spielen, ist für alle diejenigen, die sich nicht zu schade dafür sind, die neueste Ausgabe der „Schöner Wohnen“ auch einmal unter das zu kurz geratene Tischbein zu legen, verzückende Worte, die ganz oben auf dem Wunschzettel stehen…

Macht es bei der Wahl des Partners Sinn auf innere Werte zu achten und zu prüfen, was sich unter der blank polierten Oberfläche befindet, kann es einem bei Möbeln egal sein, ob sich im Inneren ein guter Kern oder bloß Sperrholz befindet. Wichtig bei Partnern und bei Möbeln ist allerdings, dass beide beim Besuch der Schwiegereltern nicht so voll sind, dass sie ihre Klappe nicht mehr halten…

Während manche es vorziehen, ihre Nächte in einem vererbten Eichenholzbett zu verbringen, in dem die letzten vier Familiengenerationen gezeugt wurden und Uropa seine letzte Ruhe fand, sind andere modebewusster und verzichten darauf, ihre Wohnung mit Möbeln einzurichten, die schon zwei Weltkriege überstanden haben und den Charme einer Dorfpension in Pirmasens ausstrahlen…

Die Art und Weise der Wohnungseinrichtung lässt tief in die Seele eines Menschen blicken. Für den einen dürfen es nur unbehandelte Vollholzmöbel aus heimischen Hölzern sein, die jeden erfreuen, der sie beim Umzug in den vierten Stock tragen darf. Bei anderen genügt es, wenn ein Möbelstück seine Funktion erfüllt und den Blick aus dem Fenster nicht verdeckt…

Kritik an funktionalen Pressholzmöbeln ist vor allem dann unangebracht, wenn diese aus dem schwedischen Einrichtungshaus stammen, in dem das Essen so heißt wie es sich bricht: Köttbullar. Die Farbe der Verzückung ist für viele nämlich weder rot wie die Liebe, noch rosa wie die Brille, sondern blau-gelb. Ein Hoch auf das Einrichtungshaus unserer Träume, ein Hoch auf IKEA…

IKEA, das sind vier Buchstaben, die Lebensgefühl ausdrücken: Innovatives Wohnen, Einkaufsfreude, und allerlei pseudo-günstiger Krempel, den man nicht braucht, aber dennoch so gerne kauft. Dazu stets eine Schraube weniger als zum Aufbau eigentlich benötigt wird. Ein Tag bei IKEA ist für jeden wie eine Reise in die Kindheit; inklusive Fiebertraum in den buntesten Farben…

Man kann Richtungspfeilen folgen wie bei einer Schnitzeljagd und sich mit Schuhen auf frisch gemachte Betten werfen. Es gibt Aufbauanleitungen wie bei LEGO und Überraschungen wie beim Ü-Ei, wenn das gekaufte Schuhregal sich nach der Montage doch als Stehlampe entpuppt. Man fühlt sich wie Ken und Barbie im Puppenhaus, nur eben im Einrichtungshaus und mit Geschlechtsteilen…

Konnte Uropa damals Geschichten über zerlegte Franzmänner und seine Narben von Granatsplittern erzählen, wird es unserer Generation dank IKEA einmal möglich sein, Enkeln über zerlegte Billys und Narben zu berichten, die man sich durch Pressholzsplitter zugezogen hat. Und was war Stalingrad 1942 schon gegen die Schlacht letzten Samstag an der Hotdog-Station…

IKEA ist eine Tupperparty zum Wohnen. Alles ist aus Plastik, quietschig bunt und darf ausprobiert werden. Vom echten Elchfell aus Polyester als Bettvorleger bis hin zum Regal mit Klapptüren als Alternative zu Omas Sarg. Das skandinavische Freudenhaus hat für jeden etwas, der mit einem Innensechskantschlüssel umgehen kann und Platz für kostenlose Bleistifte in der Hosentasche hat…

War IKEA früher als Sammelort sandalentragender Ökobastler verrufen, bietet es mittlerweile Spaß für die ganze Familie. Mutti darf sich mit Kissen und Kerzen vergnügen, während Papi sich im Hochregallager vor der Kasse wie im Baumarkt fühlen kann. Dazu die Hoffnung, dass man den nervigen Sohnemann am Ende des Tages im Smaland gegen ein anderes Kind eintauschen darf…

Ihren Charme erhalten IKEA-Möbel nicht nur durch ihr Design, sondern natürlich auch durch ihre Namen. Wer lehnt sich nicht gerne in einem Sessel zurück, der „Lömsk“ heißt, und trinkt einen Schluck aus dem Becher „Saftig“? Keiner möchte einen Wohnzimmerschrank, der wie in anderen Möbelhäusern auf den Namen „Odenwald“ hört oder ein neues Bett namens „Friedrichshafen“…

Der stolze IKEA-Kunde brüstet sich damit, in einem „Mörkedal“ oder „Bangsund“ zu schlafen, auch wenn sich diese Namen anhören wie die schwedische Übersetzung von Geschlechtskrankheiten. Zudem kann Mann sich eines Schmunzlers sicher sein, wenn er bei der erstmaligen Übernachtung der neuen Freundin aus dem Billy-Regal ein gleichnamiges Kondom hervorholt…

Die besten IKEA-Namen dürften entstehen, wenn Designer am Rechner einschlafen und mit dem Kopf auf die Tastatur knallen. Tags darauf finden sich dann auf dem Bildschirm zig neue Namen für Badematten oder Spülbürsten. Nicht vorstellen möchte man sich dagegen, wie die Tasse „Bang“ und der Sessel „Kimme“ zu ihren Namen gekommen sind; ganz zu schweigen vom Kinderbett „Gutvik“…

Neben 15-jährigen Jungmüttern aus sozialschwachen Wohnsiedlungen am Stadtrand hat IKEA sicher die ausgefallensten Namen für das, was einen die nächsten Jahre zuhause erfreuen soll, bis es dann irgendwann, nach dem es zum dritten Mal zusammengebrochen ist, aus dem Haus fliegt oder für ein paar Euro an einen Nachbarn weitergebenen wird…

Man findet somit bei IKEA nicht nur tolle Möbel, sondern dazu auch noch den passenden Namen für den Nachwuchs, den man darin oder darauf zeugen kann. Für einen „Ole“ eignet sich besonders gut das gleichnamige Sofa, für einen „Lukas“ der so benannte Schreibtisch. Und für einen „Ingo“ muss Mutti derweil ihren Hintern schon einmal auf den Küchentisch hieven…

Meine Eltern haben es demnach wohl auf einem ziemlich unbequemen Stuhl getrieben, genauso wie diejenigen von „Benjamin“, „Stefan“ und „Sandi“. „Hannalenas“ Eltern schafften es übrigens nur bis zum Fenster und in die dortigen Gardinen. Eine schockierende Erfahrung für denjenigen, der feststellt, dass „Philipp“ ein Abfalleimer und „Ramona“ eine Naturholztoilettenbrille ist…

Diese Art der Namensgebung ist für Singles ungemein von Vorteil, die montags im Büro nicht zugeben wollen, dass am Wochenende wieder nichts lief. Sie können ruhigen Gewissens behaupten „Benjamin“ und „Stefan“ wären die ganze Nacht da gewesen und man selbst wäre zwischen „Patrik“ und „Lukas“ eingeschlafen. Hört sich besser an als zuzugeben, am Schreibtisch eingepennt zu sein…

Manche Namen verleiten aber zu Fehlinterpretationen. „Jennylund“ ist nicht etwa eine aufblasbare dralle Schwedin, sondern bloß ein Sessel. Zumindest sind beide abwaschbar. Ein „Bumerang“ ist bei IKEA zwar auch aus Holz, jedoch ein Kleiderbügel, der nur zurückkommt, wenn man ihn jemandem an den Kopf wirft. Und „Pax Grinder“ ist keine neue US-Crime-Serie, sondern bloß eine Schranktür…

Ein treuer IKEA-Kunde weiß übrigens, dass „Poäng“ weder eine chinesische Stadt ist, noch aus dem Arbeitsvokabular einer asiatischen Prostituierten stammt. „Pluggis“ sind in diesem Zusammenhang übrigens auch kein Erwachsenenspielzeug, sondern Zeitschriftenordner. Zumindest ist „Hamarvik“ erwartungsgemäß eine Matratze…

Bleibt abzuwarten, ob es im Sortiment zukünftig auch eine Pfanne „Brutzlig“ und ein Sofa „Renpupen“ geben wird. Oder zumindest den Schrank „Drinverstekke“ und das Schüsselset „Raynkotse“. Vielleicht gibt‘s dann auch ein Duftbouquet „Poupsen“? Sandi, Patrik und ich… grunetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Das Bettsofa „Lessebo“ darf übrigens auch von Männern gekauft werden.

Bambi auf den Grill

Manche sagen, echte Freundschaften existieren nur zwischen Mensch und Tier. Anders als zweibeinigen Freunden nimmt man es vierbeinigen nicht übel, wenn sie beim erstbesten Weibchen, das ihnen über den Weg läuft, sabbernd mit dem Schwanz wedeln und denjenigen, mit dem sie eigentlich unterwegs sind, links liegen lassen. Gerade Hunde verstehen uns Männer besonders gut, da sie wissen, wie es ist, von Frauchen an der kurzen Leine gehalten zu werden. Eine Bitch auf vier Pfoten ist im Gegensatz zu einer auf zwei Absätzen auch nicht gleich eifersüchtig, wenn man mal die Muschi der Nachbarin streichelt. Hunde wissen schließlich, dass nichts über Frischfleisch geht…

Tiere sind einfach die besseren Partner. Sie haben keine Migräne, wenn man Kuscheln möchte, und bestellen aus Langeweile auch keinen unnötigen Kram im Internet. Sie kümmern sich ohne zu meckern um heruntergefallene Essensreste und haben keine Probleme damit, wenn man als Mann einmal an einen Baum pinkelt oder den Tag auf dem Sofa verbringt. Sie machen dann einfach mit. Ganz ohne sich zu beschweren, dass ihnen das Fernsehprogramm nicht gefällt oder noch Wäsche zu bügeln ist. Könnten Hund, Katze und Co. ihre Futterdosen selbst öffnen und Herrchen einen Döner holen, sie wären den meisten Frauen von heute auch im Haushalt haushoch überlegen…

Mensch und Tier bilden seit jeher unschlagbare Duos, die zusammengehören wie Salz und Pfeffer, Ernie und Bert oder H & M. Egal ob nun als Hund und Herrchen, Ross und Reiter oder Feinschmecker und Feinkost. Oft stellt sich dabei die Frage, wo Zuneigung enden und Zubereitung beginnen sollte. Mit Ausnahme von Kannibalen haben wir Menschen uns im Laufe der Zeit untereinander geeinigt, dass das Zusammenleben einfacher ist, wenn man nicht befürchten muss, vom Gegenüber verspeist zu werden. Zwischen Mensch und Tier ist es nicht immer so eindeutig, wie weit man sich zum Fressen gern haben darf und ob die Hand, die einen heute füttert, morgen nicht schon vielleicht futtert…

Vor allem Nutztiere laufen Gefahr, irgendwann vom Jungtier, das ein Teil der Familie ist, zum Alttier zu werden, das ein Teil der Familie isst. Aus jedem jungen Fohlen wird irgendwann eine alte Stute, die bockt, wenn sie bestiegen wird. Das ist bei uns Menschen nicht anders. Was gestern ein süßes Küken war und heute ein stattliches Huhn ist, kann morgen bereits eine fette Glucke sein. Hängt das Euter einmal bis zum Boden, wird es Zeit, sich nach neuem umzusehen. Das ist bei vierbeinigen Kühen wie bei zweibeinigen. Mit dem Unterschied, dass ein Gnadenschuss bei den einen wochenlang saftigen Braten im Gefrierschrank und bei den anderen lebenslang trockenes Brot im Gefängnis bedeutet …

Tiere an unserer Seite haben einen hohen Stellenwert. Dennoch sind ihre Rechte bescheiden. Kaum ein Schäferhund fühlt sich pudelwohl. Rindern will man ans Leder, dass es auf keine Kuhhaut geht. Schafe werden oft zu Mäharbeiten gezwungen und das Leben von Schweinen ist die reinste Sauerei. Während Frauen mittlerweile wählen dürfen, müssen Tiere noch immer wahllos akzeptieren, was ihr Halter mit ihnen anstellt. In einer Zeit, in der jeder Produkte bevorzugt, die von glücklichen Tieren stammen, ist es wichtig, dass ein Schnitzel auch vor seiner Zeit in der Kühltheke artgerecht gehalten wird, so lange es noch Rüssel und Ringelschwanz hat. Kaum jemand will es noch mit dem Gewissen vereinbaren, ein Tier auf dem Teller zu haben, das nicht freien Willens ein Steak geworden ist…

Tierschutz ist daher richtig und wichtig. Letztens hatte ich Werbung eines Vereins für Nutztierrechte im Briefkasten. Von einer „vie(h)lversprechenden“ Zukunft und einer neuen „Ess-Ku(h)ltur“ war da die Rede. Hätten sie das Schlachten alter Milchkühe auch noch als „Euternasie“ bezeichnet, ich hätte nur wegen der „kuhlen“ Wortwahl etwas gespendet. Aber das war dann doch wohl zu viel des „Kuhten“. Auf dem Werbeflyer waren übrigens zwei Kühe abgebildet, von denen die zweibeinige ihr vierbeiniges Pendant auf die Schnauze küsste, was diesem sichtlich unangenehm war. Das Küssen einer alten Kuh fand ich persönlich schon als Kind auf dem 90. Geburtstag von Tante Walburga eklig…

Früher hieß es, dass man mit Essen nicht spielen solle. Der Flyer forderte nun jedoch offen dazu auf, man solle ein „neues Verhältnis zu Kühen entdecken“, die es „genießen, am ganzen Körper gestreichelt und massiert zu werden“. Tiere würde einem so viel Liebe zurückschenken, getreu dem Motto „Wie-ich-Dir, So-do-mie“. Weiter war zu lesen, dass Kühe viel zu früh und zu oft befruchtet werden, ihnen der Nachwuchs direkt nach der Geburt entzogen wird und sie Leberprobleme haben. Dieses Schicksal dürften sie mit vielen Hauptschülerinnen teilen, mit dem Unterschied, dass diese nach ihrer zigsten Entbindung mit knapp zwanzig nicht einmal mehr zum Frikadellenmachen taugen…

Tiere aus dem Verkehr ziehen und in Rente schicken, nachdem sie Tausende Liter Milch gegeben haben? Das ist für Kühe wie für männliche Pornodarsteller wünschenswert. Tierschutz ist zwar wirklich von Bedeutung – schließlich sollte keiner schlecht zu Vögeln sein – aber so lange Rentner bei Kaffeefahrten im Bus durchs Land gekarrt werden, sind auch Massentiertransporte mit Gammelfleisch nichts anderes. Nutztiere sollten jedoch möglichst gut gelaunt zum Schlachter gebracht werden und sich auf den Bolzen freuen, der ihnen ins Hirn gejagt wird. Rentner sind bei Besichtigungsfahrten zu Krematorien ja auch bester Laune und guter Hoffnung, abends wieder ganz nach Hause zu kommen…

Dass Tiere uns Menschen überlegen sind, weiß jeder, der mal einen Hund beobachtet hat, der seine Genitalien leckt. Ein als Blindenhund ausgebildeter deutscher Schäferhund dürfte einem deutschen Azubi mittlerweile in allen Lebenslagen überlegen sein. Mit Ausnahme vom Selfies-Machen vielleicht. Wir sollten daher fair zu Tieren sein. Schon Opa Ede wusste nach der Kriegsgefangenschaft um die Nachteile der Käfighaltung und nach seiner beidseitigen Beinamputation, dass Eier aus Bodenhaltung auch nicht das Wahre sind. Lassen wir Tiere einfach mehr selbst entscheiden. Sollen sich Rehe doch aussuchen, ob sie lieber bei der Jagd geschossen auf einem Gasgrill oder vom Auto angefahren auf einem Kühlergrill landen möchten! Bambi auf den Grill… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Rüdesheim ist übrigens keine Tierauffangstation für männliche Hunde.

Schweigen ist Silber, Ausreden sind Gold

Guter Rat ist bekanntlich teuer. Größeren Wert als ein guter Rat hat jedoch eine gute Entschuldigung oder besser gesagt: eine gute Ausrede. Gut ist eine solche immer dann, wenn sie nicht gleich von jedem durchschaut oder durch skeptische Nachfragen auf ihre Echtheit überprüft wird. Um einem lästigen Termin fernbleiben zu können, führt man da schon gerne einmal den unerwarteten Tod seiner Großmutter als Grund an. Wohl wissend, dass niemand einen Totenschein als Beleg fordern wird oder ahnt, dass Omas Ableben zwar durchaus plötzlich, aber eben bereits im Jahr 2001 war…

Eigentlich wurde einem als Kind beigebracht, dass man nicht lügen darf. Lügen hätten kurze Beine, hieß es im Kindergarten. Weswegen mein Freund Christian, der groß und stark werden wollte und lange Beine hierfür als nützlich ansah, immer grundehrlich zu jedem war. Was ihm wenig Freunde und viel Prügel einbrachte. Trotz seiner damaligen Ehrlichkeit ist Christian heute nur 1,65 Meter, während ich, der ich damals log, dass sich die Balken bogen, 1,82 m bin. Ob das mit dem Balkenbiegen bei mir seiner Zeit jedoch vom Lügen oder eher von meinem Gewicht kam, sei einmal dahingestellt…

Ehrlich währt vielleicht am längsten, macht aber alles schwieriger. Vor allem, wenn man dem Gegenüber nicht ins Gesicht sagen will, dass man keine Lust auf seine langweilige Geburtstagsfete hat, bei der das Bier – anders als die Stimmung – noch nie kühl war. Was also tun, wenn man keine Lust hat, auf einer öden Feier zu erscheinen, Überstunden zu machen oder sich mit Nachbarn zu unterhalten, aber noch weniger Lust hat, dies offen zuzugeben? Auch in den besten Familien gehen schließlich irgendwann die Omas aus, die man bei Bedarf sterben lassen kann…

Stress wird heutzutage von keinem mehr als Absagegrund akzeptiert, da jeder Stress zu haben glaubt, selbst Beamte und Rentner. Nur Lehrer schaffen es noch, einen rasch korrigierten Vokabeltest als Mammutprojekt zu verkaufen, das einer Doktorarbeit gleichkommt und es unmöglich zulässt, diesen, nächsten oder übernächsten Monat mit in die Kneipe zu gehen. Und so eine Migräne wie die, mit der sich die hübsche Kollegin immer bei gutem Wetter aus dem Büro abmeldet, nimmt einem als Mann auch niemand ab. Selbst wenn man noch mehr Knöpfe am Hemd auf hätte als die Kollegin…

Im Grunde gibt es nur eins, was als Ausrede ähnlich geeignet ist wie tote Verwandtschaft: Nachwuchs! Sieht man einmal von einem Backstage-Pass für ein David-Hasselhoff-Konzert ab, sind Kinder das größte Geschenk der Welt. Das ist zumindest die Ansicht derer, die sich, wenn auch nicht immer freiwillig, jedoch zumindest erfolgreich vermehrt haben. Nachwuchs eröffnet Eltern ganz neue Möglichkeiten, was Ausflüchte angeht. Jungen Kindern verzeiht man bekanntlich alles, da sie noch nicht wissen, was sie tun; jungen Eltern aber auch, da sie noch nicht wissen, was sie getan haben…

Kleinkinder sind ein perfekter Absagegrund und haben im Vergleich zu verstorbenen Großmüttern den Vorteil, dass man sie problemlos mehrfach als Grund vorschieben kann, um nicht tun zu müssen, was von einem erwartet wird. Keine Lust auf eine Teambesprechung? Das Bedürfnis, später zu kommen, früher zu gehen oder gleich ganz zuhause zu bleiben? Keine Lust auf Duschen, Aufräumen oder Mülltrennung? Eltern mit jungem Nachwuchs haben Narrenfreiheit, sind Babys doch unberechenbarer als die Lottozahlen und daher eine windeltragende Universalentschuldigung…

Insbesondere Eltern, die im Freundeskreis zu den ersten mit Nachwuchs gehören, können aus dem Vollen schöpfen, was Verständnis angeht. Wenn der frische Papi zu spät auf der Arbeit erscheint und aussieht, als hätte er das Wochenende durchgesoffen, weil er das Wochenende durchgesoffen hat, nimmt es ihm jeder ab, wenn er als Grund für seinen Zustand den nachts angeblich schreienden Nachwuchs anführt. Auch wenn dieser längst durchschläft. Junge Mütter vermitteln derweil absolut glaubhaft, dass jemand, der stillt, keine Zeit für ein Leben außerhalb von Jogginghosen hat…

Der angeblich so anstrengende Spross übernimmt, ohne sich wehren zu können, die Aufgabe des Schuldigen, dem niemand böse sein kann, weil er ja nichts dafür kann, dass er gerade Zähne bekommt, Bauchschmerzen hat, eine Impfung nicht verträgt, fremdelt, Hunger hat oder vom Babysitter im Stich gelassen wurde. Während es in der Tierwelt selten ist, dass ein Wolf seinem Rudel eine lange geplante Jagd nach Frischfleisch kurzfristig absagt, weil sein Welpe plötzlich allergisch auf Gluten reagiert, ist das beim Homo sapiens derweil fast zur Regel geworden…

Jungväter genießen völlig zu Unrecht die gesellschaftliche Anerkennung eines MacGyvers, der es täglich aus Neue schafft, eine Zeitbombe zu entschärfen, bevor ihre Windel explodiert. Eltern mit Kleinkindern werden zu Volkshelden stilisiert, denen es zu verdanken ist, dass die Menschheit weiter bestehen kann. Kolumbus hat Amerika entdeckt, Becquerel die Radioaktivität und König Artus das Eukalyptusbonbon am Stil. All das ist jedoch nichts wert gegen die Leistung derer, die dank ihrer Kevins, Marlons und Romys dazu beitragen, die Welt am Abgrund einen Schritt weiter zu bringen…

Geburtstag des Chefs verschwitzt? Nudeln verkocht? TÜV abgelaufen? Der Nachwuchs ist schuld! Beim zu schnell Fahren erwischt worden? Das Töchterchen musste dringend Pipi! Strafzettel wegen Falschparkens? Der Sohnemann brauchte etwas aus der Apotheke! Zu viel getrunken? Nur den Hustensaft des Nachwuchses probiert! Das Erstaunliche dabei: Es funktioniert! Hätten Adolf Hitler und Eva Braun Kinder gehabt, sie hätten ohne Weiteres ihnen die Schuld für den Zweiten Weltkrieg in die Schuhe schieben können und wären mit einem Freispruch aus Nürnberg nachhause gefahren…

Auch wenn ich meines Wissens keine Kinder habe, habe ich es mir angewöhnt, beim Einkauf stets ein Glas Babybrei im Wagen zu haben, um an der Kasse bitten zu können, vor zu dürfen, da Klein-Philipp im Auto doch so einen Hunger hat. Außerdem wird man als Ü40er dann nicht so seltsam angesehen, wenn man Waldmeisterbrause und ein Micky-Maus-Heft aufs Band legt. „Sind die Boxershorts mit den Schafen in Größe XL nicht zu groß für ihren Kleinen?“ „Nein. Hinterteilmäßig kommt er nach seiner Mutter!“. Schweigen ist Silber, Ausreden sind Gold…  gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Wer ohne Scham einen Dildo kaufen möchte, sollte einfach vorgeben, das Schaukelpferd seines Töchterchens in ein Einhorn umwandeln zu wollen.

Dick und Durstig

Dick & durstig

Für Männer sind sie umso faszinierender, je dicker sie sind. Frauen dagegen empfinden sie oft als störend, wenn sie zu groß ausfallen und geben sich daher auch mit Kleinen zufrieden. Manche sind mit Plastik oder Metall getunt, andere kunstvoll bemalt. Während Männer sie in Weiß oder Schwarz bevorzugen, nehmen Frauen sie so, wie sie eben sind. Männer fühlen sich in ihnen geborgen und lieben es, in ihnen zu kommen. Frauen derweil schätzen es allenfalls, dass viel Milch in sie passt und neben den eigenen auch noch die Kinder der Nachbarn Platz haben. Asche auf das Haupt derer, die gerade an etwas anderes denken als an Sport Utility Vehicles oder kurz SUVs…

Was früher dem einen das Wikingerschiff und dem anderen der Führerbunker ist dem Mann von heute der Geländewagen: Eine vermeintlich uneinnehmbare Festung und letzter Rückzugsort, an dem nur die eigenen Regeln gelten, aber keine Verkehrsregeln. In einer Zeit, in der Frauen gleichberechtigt sind und sogar über das abendliche Fernsehprogramm entscheiden dürfen, verbleiben im Alltag eines Mannes kaum Momente, in denen er sich noch als echter Mann fühlen darf, bevor er zuhause den Müll trennen muss. Männer haben heutzutage nur selten noch die Möglichkeit zu zeigen, wer den Größten und Dicksten hat. Sieht man einmal vom eigenen Bauch und vom eigenen Wagen ab…

Ist es bei Männern in der Zwanzigern noch der Suff, für den das Gehalt draufgeht, ist es bei Männern in den Vierzigern der SUV, das Statussymbol für alle, die ein Statussymbol brauchen. Hat ein Mann das Alter erreicht, ab dem er überall gesiezt wird, werden für ihn Gelegenheiten rar, sich jung zu fühlen. Sieht man mal vom Besuch bei den Großeltern ab. Wenn sich schon keiner mehr nach einem als Mann umdreht, dann doch zumindest nach dem Auto, das Mann fährt. Frauen Ü40 finden selbst mit einem Kinderwagen, aus dem ein dicker Säugling röhrt, noch neue Kontakte. Männer Ü40 haben es da viel schwerer, selbst wenn aus ihrem Geländewagen ein dicker Motor röhrt…

Entgegen der irrigen Meinung vieler sind es nicht etwa ignorante Yuppies, die mit ihren SUVs dicht auffahren, sondern bloß hilflose Männer im mittleren Alter auf der plumpen Suche nach Anschluss. Wenn schon kein Rat mehr im Leben, dann zumindest Allrad im Auto. Wer Freiheit in Beruf und Beziehung vermisst, möchte diese wenigstens auf der Fahrt vom Büro nachhause. Selbst wenn es nur Bodenfreiheit ist. Wer sich täglich für den Job krumm macht, will zumindest erhobenen Hauptes und mit geradem Rücken aus seinem Auto steigen. In einem SUV ist es außerdem einfacher, über Alltagsprobleme hinwegzusehen, egal ob Stress, rote Ampeln und Fahrräder mit Vorfahrt…

Im SUV mit 100 Sachen durch verkehrsberuhigte Zonen an Kindergärten vorbei zu heizen, bleibt für Business-Männer heutzutage oft die einzige Möglichkeit, um nach einem harten Arbeitstag im Kopf einen Gang runter und im Auto einen Gang hoch zu schalten. Zur Seite hechtende Kinder und umher fliegende Plüschtiere erinnern an längst vergangene Jugendtage vor der Spielkonsole, als man bei Super-Mario-Kart versuchte, ohne Kollateralschäden ins Ziel zu kommen. Was einem damals im Spielzimmer jedoch ebenso wenig gelang wie heute in der Spielstraße. Wer mit 14 keine Angst vor Dinosauriern auf Go-Karts hatte, wird mit Vierzig kaum Angst vor Kindern auf Bobby-Cars haben…

Wer im Leben hoch hinaus will, der muss eben schnell voran. Ruhig und besonnen fahren kann Mann auch noch nach dem zweiten Herzinfarkt. SUV ist jedoch nicht gleich SUV. Kein Mann möchte wie damals Mehmet Scholl in der Dacia-Werbung das gleiche Auto fahren wie die eigene Frisöse. Man möchte ein besonderer Papa sein, der Verständnis erntet, wenn er Alimente nicht zahlt, da er den exklusiven Geländewagen abbezahlen muss, der so viel wie ein Reihenhaus kostet und so viel Sprit wie ein Panzer frisst. Da verzichtet Sohnemann von sich aus lieber auf warmes Essen, statt vor seinen Freunden mit einem mickrigen Kleinwagen vom Fußballtraining abgeholt zu werden…

Ähnlich wie bei einem Karnevalskostüm gilt auch bei einem SUV: Es muss nicht schön sein, aber auffallen und bei Frauen gut ankommen. Bei beiden interessiert es erst einmal niemanden, ob es das eigene ist oder bloß geliehen. Ein stattlicher Geländewagen hinterlässt nun mal Eindrücke und das nicht nur auf Katzen. Die breite Masse an Menschen bestaunt insgeheim die breite Masse an Auto, die so ein SUV darstellt, in dessen Kofferraum nicht nur der Wocheneinkauf passt, für den andere mit ihrem Kleinwagen zweimal fahren müssen, sondern gleich noch der Kleinwagen mit dazu…

SUVs haben im Alltag viele Vorteile. Bei den unzähligen Schlaglöchern in Bürgersteigen braucht es schon ein Auto mit großer Wattiefe, um auch bei Regen auf dem Weg zum Bäcker keine nassen Füße zu bekommen. Zig Geländesensoren ermöglichen es, auch auf dem engsten Behindertenparkplatz so zu parken, dass einem jeder abnimmt, behindert zu sein. SUVs sind zudem oft so hoch gebaut, dass kleingewachsene Politessen gar nicht bis an die Scheibe reichen, um dort Strafzettel festzumachen. Neueste Geländewagenmodelle verfügen sogar über extra leicht zu bedienende Lichthupen, aber auch über Ausstattungen, die kein SUV-Fahrer braucht, wie Blinker zur Spurwechselanzeige…

Kritiker von SUVs sind meist diejenigen, bei denen es nur zum Mittelklasse-Kombi gereicht hat, da sie unbedingt Lehrer werden wollten, und mit Mitte Vierzig nun auf ein Einfamilienhaus ohne Tennisplatz blicken, das weniger gekostet hat als ein SUV mit Stern. Immer diese Ökos in ihren TÜV-geprüften Fahrradhelmen, die ihre Kinder die 500 Meter zur Schule laufen lassen, statt sie zu fahren. Selbst wenn der 400 PS-Turbodiesel auf hundert Kilometern mehr schluckt als die Ölheizung einer Sporthalle im Monat, sind Geländewagenbesitzer nicht alleine Schuld, wenn aus Deutschland langsam Rußland wird. Die Feinstaubbelastung durch Reifen- und Bremsenabrieb von Fahrrädern ist auch nicht ohne…

Der Vorwurf, SUV-Fahrer würden nicht an die Zukunft denken, ist höchst unfair. Was werden die Archäologen in ein paar Tausend Jahren wohl lieber ausgraben? Ein Oberklasse-SUV aus München oder ein Lastenfahrrad aus Verbundmaterial? Wollen wir unseren Nachfahren in Erinnerung bleiben, weil sie majestätische Kolosse der Autoindustrie des 21. Jahrhunderts ausgraben oder bloß eine Fahrradklingel? Machen wir uns mit Vollgas aus dem Feinstaub. Dank E auf dem Nummernschild sogar 30 km elektrisch. Dick und durstig… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Um scharf zu machen, gilt beim Kochen wie beim Date: Es braucht Cayenne.

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Im Laufe der Zeit hat sich die Ansicht darüber, wann eine Gegend bewohnbar und wann sie lebensfeindlich ist, grundlegend geändert. Bestimmte beim frühen Homo sapiens noch die schnelle und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Nahrung darüber, wo man sich ansiedelte, ist es heute die schnelle und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Internet. Eine 1G-Abdeckung, die einem nur die Erdanziehung flächig liefert, genügt heutzutage niemandem mehr. Es müssen schon 4G oder 5G sein. Der Homo sapiens des 21. Jahrhunderts steht lieber draußen in der Kälte, wo er Netzempfang hat, als drinnen im Warmen zu sitzen, wo selbiger fehlt und er Gefahr läuft, sich unterhalten zu müssen….

Konnte man seine Freizeit früher noch problemlos ohne das Internet gestalten, führt mittlerweile allein der Gedanke daran, ein Tag ohne das weltweite Web auskommen zu müssen, zu Kurzatmigkeit. Der vernetzte Multimediamensch von heute ist nicht einmal mehr in der Lage, Pizza vom Lieferservice übers Telefon zu bestellen. Sobald Smartphone, Tablet oder Computer ihren Nutzer wissen lassen, dass es keine Online-Verbindung nach draußen gibt, fühlt sich dieser in den eigenen vier Wänden gefangen wie in Isolationshaft. Kein Getrolle auf Facebook, kein Gezwitscher auf Twitter und kein Gewische auf Tinder. Bloß die reale Welt, ganz ohne Fotofilter…

Nicht etwa Alkohol oder Nikotin ist die meistkonsumierte Droge unserer Zeit, sondern das Internet. Nie war der Mensch abhängiger als heute, wo viele nicht einmal mehr in der Lage sind, ohne Internet das Wetter in Erfahrung zu bringen. Sie finden sich eher frierend mit Flipflops im Schnee stehend wieder als auf die Idee zu kommen, vor der Kleiderwahl einmal aus dem Fenster zu schauen. Seine Freizeit ohne lustige Katzenvideos auf YouTube und ohne pfiffige Lifehacks auf TikTok verbringen? Nicht auszudenken! Wie soll man sich denn da beschäftigen? Etwa Freunde besuchen und sich außerhalb von Whatsapp unterhalten? Ganz ohne Emojis, dafür mit gewaschenen Haaren? Unvorstellbar…

Das Schlimmste tritt bekanntlich nur selten ein. Wenn, dann jedoch meist mit verheerenden Folgen. Das war mit den beiden Weltkriegen so und auch mit dem Durchfall damals am Schulwandertag. Und eben auch letztens, als ich freitags schockiert feststellen musste, dass mein Internet tot war. Als meine Oma seiner Zeit vom gleichen Schicksal ereilt wurde wie nun mein DSL-Router und ihr plötzlich die Lichter ausgingen, war ich gefasst. Schließlich wusste ich, dass dieser Tag einmal kommen würde. Dass es aber jemals nochmal einen Tag geben könnte, an dem ich ohne Internet bin? Excuse me? Wir haben 2023! Wie gerne hätte ich meinen Frust gepostet. Aber genau das ging ja gerade nicht…

Während man sich bei einem toten Verwandten vertrauensvoll an einen Bestatter wenden kann, der sich kümmert, ist man bei einem toten Internetanschluss auf sich allein gestellt. Was einem bleibt, ist die Kundenhotline des Internetanbieters, mit deren Anruf ein Martyrium beginnt, das einer mittelalterlichen Selbstgeißelungen nahe kommt. Dinge, die nichts kosten, sind bekanntlich nichts wert. Was das angeht, hat die Störungshotline des bekannten magentafarbenen Telekommunikations-Unternehmens allen Grund, kostenlos zu sein. Ich wähle in einem Zustand aus Verzweiflung und Hoffnung die Nummer der Hotline und lande erwartungsgemäß in der Warteschleife…

Nach einem Jingle bittet mich die Bandansage um einen Augenblick Geduld. Bereits der nächste freie Mitarbeiter sei für mich reserviert. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, dass die Zeit, die ab nun vergehen wird, bis ich jemanden in der Leitung habe, der fähig ist, um Internet von Rindermett zu unterscheiden, ausreichen würde, um eine Niere zu transplantieren. Und um vorher noch das hierfür notwendige Medizinstudium zu machen. Es kommt mir vor als müsste ich eine 22-monatige Elefanten-Schwangerschaft von der Zeugung bis zur Entbindung live am Telefon mitverfolgen. Ohne mehr tun zu können als zu warten. Zu Pandemiebeginn hieß es damals auch, es würde nicht lange dauern…

Während ich warte, macht mich die Ansage darauf aufmerksam, dass Störungen auch über das Internet gemeldet werden können. Lustig, denke ich. Eine Viertelstunde später ist es mit der Lustigkeit vorbei und nach wie vor der nächste freie Mitarbeiter für mich reserviert. Wieso geht da niemand ran? Arbeiten im Callcenter gerade nur Menschen mit sehr kurzen Armen, die nicht an den Hörer kommen? Oder gibt’s gerade Kuchen, da jemand Geburtstag hat? Es knackt in der Leitung. Die Chancen stehen gut, nun aus der Warteschleife geflogen zu sein. Was wie bei Mensch-ärgere-dich-nicht bedeuten würde, von vorne beginnen zu müssen. Doch, ich traue meinen Ohren kaum, jemand meldet sich…

Es beginnt nun das Callcenter-Glücksspiel, bei dem man wie eine Roulettekugel von Mitarbeiter zu Mitarbeiter im Kreis herumgereicht wird, um am Ende rot oder schwarz zu sehen oder bei einer Null zu landen. Die Chance, jemanden an den Hörer zu bekommen, der kompetent ist, ist so hoch wie ein Sechser im Lotto für ein Einhorn. Stellt man zehn Hotline-Mitarbeitern die gleiche Frage, erhält man zehn Antworten, jedoch nie die richtige. Nachdem mein erster Gesprächspartner meine Kundennummer im System nicht findet und der zweite unverständliches Sächsisch spricht, lande ich bei jemandem, der mich ernsthaft fragt, ob ich schon geprüft habe, ob alle Sicherungen drin sind…

Diese Frage gebe ich prompt zurück, was mich in die Warteschleife zurückkatapultiert. Ob passend oder nicht, Callcenter-Mitarbeiter plappern wie Papageien nur das nach, was auf ihrem Monitor steht, ob sinnvoll oder nicht. Irgendwann ist die Fragestunde zu Ende und damit auch die Fachkompetenz. Aus Verzweiflung werde ich ein weiteres Mal weiterverbunden. Weiterverbinden scheint Lösung Nr. 1 für jede Störung zu sein. Soll sich doch ein Kollege mit dem blöden Kunden rumschlagen. Die Wahrscheinlichkeit als Anrufer zweimal beim gleichen Mitarbeiter zu landen, ist bekanntlich gering. Schließlich ist die Inkompetenz ist deutschen Callcentern breit aufgestellt…

Man gewinnt irgendwann den Eindruck, jede ostdeutsche Nagelstylistin, die Mandy heißt, arbeitet während sie gerade jemandem French-Nails macht noch mit dem Handy am Ohr für ein Callcenter. Gibt es außerhalb Sachsens überhaupt Callcenter? Wie konnte man damals im Osten so viel Ahnung vom Abhören haben, wenn sie dort heute nicht einmal mehr Zuhören können? Nach fast einer Stunde lande ich dann bei Enrico, der mir mit der Freundlichkeit eines DDR-Grenzsoldaten bestätigt, dass mein Internet nicht funktioniert. Leider weiß Enrico jedoch weder, was der Grund hierfür ist, noch was jetzt zu tun ist, sondern nur, dass vor Mitte nächster Woche nichts zu machen sein wird…

„Ich hoffe, Sie waren mit dem Service zufrieden“ beendet Enrico daraufhin das Gespräch, ohne dass ich auch nur einmal zu Wort kommen konnte. Ich zeige ihm durchs Telefon den Mittelfinger und lege auf. Willkommen dort, wo die Servicewüste am trockensten ist. Kurz darauf klingelt das Telefon: „Hier ist die Störungsstelle. Sie haben ein Problem?“. „Mein Problem“, antworte ich genervt, „sind Sie“. Kein Anschluss unter dieser Nummer… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf