Hallo Mikrokosmonauten: Nicht jede Kapitulation ist gleich eine Niederlage!
In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der unseren ist es nicht ungewöhnlich, dass wir uns tagtäglich und immer wieder aufs Neue die Sporen geben und uns wie Rennpferde zu Höchstleistungen antreiben. Wir müssen funktionieren. Im Job und im Leben. Viel schlimmer als das pure Prinzip der funktionstüchtigen Maschine in Menschengestalt ist obendrein der Gedanke des Gewinnens. Das Streben nach Erfolg. Nach Ruhm. Nach Macht. Oder einfach nur das vermeintlich sieghafte Beendigen einer arbeitsintensiven Woche, in der mal wieder alles andere zu kurz kam, man sich nach Feierabend nur mit Hängen und Würgen noch ins Gym schleppt und wo für Treffen mit Freunden einfach keine Zeit ist oder die Kraft fehlt. Wow, wir können echt stolz auf uns sein. Nicht!
End-Scheidet euch!
Ab einem gewissen Punkt im Leben ist es an der Zeit, sich die Frage zu stellen: Weitermachen oder abbrechen? Getreu dem Motto: Ziele aufgeben, um neue Ressourcen zu schaffen, habe auch ich gewisse Pläne ad acta gelegt. Nein, ich möchte nicht mehr im Ausland leben und auch keine Strandbar mehr in Portugal eröffnen. Mich von einigen Life-Goals zu verabschieden, schmerzte sehr, hinterließ dieser Schritt schließlich eine kleinere oder größere Lücke in meinem Leben. Dabei muss ich gestehen, dass ich bis vor kurzem diese gewissen abbruchfreudigen Leute verteufelt habe, die Beziehungen beenden, weil es quietscht im Getriebe oder die alle zwei Jahre einen neuen Job haben, weil sie meinen, sich jedes Mal wieder neu erfinden zu müssen. Heute weiß ich, dass auch diese Menschen mit sich ringen, ehe sie diese Entscheidungen fällen. Die meisten zumindest. Und dass auch sie sich mitunter schäbig und mies fühlen, wenn ein gestecktes Ziel nicht erreicht wurde. Etwas anderes kann ich mir kaum vorstellen. Aber ist nicht genau dann der richtige Zeitpunkt, um neue Projekte anzufangen? Focus on! Und für alle anderen, die sich immer noch nicht sicher sind, ob sie nun weitermachen oder abbrechen sollen, gilt der simple Tipp mit der Münze: Kopf oder Zahl?
Sich von fremden Wünschen und Erwartungen freimachen
Vieles ist zur Gewohnheit geworden. Sind wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg oder sind wir irgendwann zwischen beruflicher Etablierung und korrektem Commitment falsch abgebogen? Was ich damit sagen will: Es lohnt sich, auf dem Weg zu seinem Ziel mal eine Pause zu machen und sich zu fragen: Will ich überhaupt noch dahin? Vielleicht handelt es sich nämlich lediglich um die erstrebenswerten Visionen von anderen und weniger den eigenen. Vielleicht haben wir uns nämlich selbst inzwischen insoweit transformiert, dass wir auch gar nicht mehr dorthin wollen, wo wir noch vor einigen Jahren hinwollten. Denke ich heute an meine vergangenen Vorhaben und Pläne, bin ich regelrecht erleichtert, dass ich manche Ziele nicht ganz so konsequent verfolgt habe, sonst wäre ich heute wahrscheinlich eine unglückliche Ehefrau an der Seite eines alten Oligarchen. Oder eine Heiratsschwindlerin. Und der ganz große Plan war ja auch, als wunderschöne Leiche in der besten Suite im Plaza Athénée gefunden zu werden und damit die Titelblätter sämtlicher Gazetten zu schmücken: „Außer ihren Perlen trug sie nichts.“
Und dennoch dürfen wir uns niemals selbst entfremden, in dem wir nur leben, um es anderen recht zu machen und deren Erwartungen zu erfüllen. Übrigens ein Thema, auf das ich in meinen Texten nur zu gerne eingehe. Vielleicht, weil es mich auch selbst immer wieder betrifft und es wohl zu einer meiner Lebensaufgaben geworden ist. Es ist dauerhaft einfach toxisch, immer Dinge zu sagen, die andere hören wollen und den Verhaltenskodex zu wahren, den andere voraussetzen. Nicht immer, aber immer öfter. Und am Ende ertappen wir uns dabei, wie wir unweigerlich zugeben müssen:
Wir sind nicht in unserem Element.
Ich möchte hiermit eine Lanze brechen für all diejenigen, die kämpfen und kämpfen, obwohl die Lage aussichtlos ist. Ich fühle mit euch. Vielleicht, weil unter meiner harten Schale ein empathischer Kern steckt. Und das Eingeständnis: „Ich bin eine von euch!“. Ich hatte in den letzten Monaten und Jahren viel Stress. Unverdaute Wut. Und einen exorbitant hohen Ungeduldigkeits-Level, der mich allmählich zur Strecke bringt. Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, Leute nicht verstehen, was ich ihnen sagen will oder ich nur schon 5 Minuten im Stau stehe, explodiere ich. Machen wir uns nichts vor, aber Stress, das Festhalten an unrealistischen Plänen und diese ganzen aussichtlosen Kämpfe sind allesamt Krankmacher. Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen: „Ist es der chronische Durchfall wirklich wert?“.
Drop it!
Es ist doch so: Man scheitert nicht gleich, wenn man aufgibt. Vielmehr befreien wir uns von etwas, was einfach nicht gepasst hat, oder die Zeit erst noch kommt. Bis dahin steckt man sich neue Ziele, aber nicht, bevor man erstmal durchatmet und sich fragt, was man eigentlich will. Was kann bleiben, was muss weg? Und über all dem die Gefühle zulassen, die vorübergehende Leere spüren, den Schmerz gewähren lassen. Und ja, auch die Gedankenspirala à la „War es die richtige Entscheidung?“, „Hätte ich mehr tun müssen?“ und so weiter akzeptieren. Durch diese Lektion müssen wir wohl oder übel durch.
Und einfach so kommt ein neues Ziel.
Es gibt einen einfachen Mood-Booster. Eine Imaginations-Strategie, in der man sich positive Fantasien ausmalt und diese im nächsten Step auf Hindernisse abcheckt. Danach versucht man möglichst realistisch einzuschätzen, wie gut die Chancen sind, diese zu überwinden. Das Gute an all dem ist, dass nach einem aufgegebenen Ziel beim nächsten Ziel viel sorgfältiger vorgeht. Man hat schließlich dazugelernt.
Seid euch über eines gewiss: Ihr seid nicht alleine. Es ist bekanntermaßen so, dass man alle drei bis sieben Jahre einen Transformationsprozess durchläuft, in dem man sich neue Ziele steckt, neue Pläne schmiedet und sich neu ausrichtet. Das ist weder verwerflich noch abnormal. Und zuweilen gibt man einfach auf. Um zu gewinnen.