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Grüne Tomaten schlafen wütend

Alles auf Grün

Jeder weiß, dass man keine LKWs besitzen muss, um Laster zu haben. Seit jeher sind wir Menschen anfällig für Süchte: Schokolade, Zigaretten, Frauen, Händewaschen nach der Toilette… Fast jeder hat etwas, das er braucht, um der leidigen Blick in den Spiegel oder den ledigen Blick auf Steuerklasse 1 ertragen zu können. Um warm ums Herz zu haben, schwören manche auf Koks – die einen auf das schwarze, die anderen auf das weiße. Jedoch genügt auch das auf Dauer nicht, um glücklich zu sein. Jenseits der Vierzig stellen viele fest, dass das wahre Leben doch wenig mit dem zu tun hat, von dem man einst einmal hoffte, dass es sich erfüllt, bevor man irgendwann alt und über Dreißig ist…

Die Realität zeigt leider, dass nur die Wenigsten von uns Prinzessin oder Astronaut geworden sind. Um davon abzulenken, dass wir im Alltag gefangen sind und um unserem Leben einen vermeintlichen Sinn zu geben, flüchten wir uns in Ersatzhandlungen und Süchte. Der eine sucht sein Glück im Gewicht, ob auf der Hantelbank oder auf den Hüften. Der andere hofft auf Erfüllung in der virtuellen Realität, in der er dank Online-Rollenspiel Zaubermeister oder dank Bildbearbeitung zwanzig Kilo leichter sein kann. Wieder andere beginnen aus Verzweiflung, TikToks zu drehen oder eine Familie zu gründen. Goodbye Strandbar unter Palmen, willkommen Echtholzgartenmöbel unter Obstbaum…

Das Problem süchtiger Menschen war lange Zeit ihre Vereinsamung. Das Verbot der eigenen Drogen- oder Alkoholabhängigkeit öffentlich nachgehen zu dürfen, indem man sich mal eben beim Bäcker einen Schuss setzt oder im Büro eine Flasche Wodka leert, drängte Abhängige an den Rand der Gesellschaft. Dort ist es mittlerweile ziemlich eng geworden, seitdem immer weniger Menschen ihr Glück in Arbeit, Sport oder Bio-Obst suchen, sondern in der Sucht. Rauchern als Beispiel wurde längst das Recht genommen, in geschlossenen Räumen ihr Leben aktiv zu verkürzen und damit zum Funktionieren des Rentensystems beizutragen, ohne sich gleich vor den Zug werfen zu müssen…

Um neben Rauchern, Alkoholikern und Bild-Lesern nicht noch weitere Süchtige zu ächten, wurde ein wichtiger Schritt getan und eine große, aufstrebende Gruppe Abhängiger in die Gesellschaft integriert. Während manche im Bett nicht schlafen können, ohne zuvor im Halbdunkeln Chips ins Bett gekrümelt zu haben, verkrümeln sich Spielsüchtige im Halbdunkeln aus dem Bett, um mit Chips anderweitig ihr Glück zu finden: in Spielcasinos. War einst die Dunkelziffer derjenigen hoch, die von der Außenwelt abgeschottet über dubiose Online-Poker-Portale in den Ruin getrieben wurden, ist dank liberalisierter Glücksspielgesetze längst die Zeit angebrochen, die für Spielsüchtige ist wie vier Asse auf der Hand…

Seitdem es möglich ist, in jeder Baustellentoilette offiziell eine Spielhalle zu eröffnen, ist es gelungen, zuvor in einem Teufelskreis aus Einsamkeit und Pizzaservice gefangene Abhängige zusammen zu führen. Nicht länger müssen Spielsüchtige wortlos und apathisch vorm heimischen Computer sitzen, sondern können dies mit Gleichgesinnten in Spielotheken. Gerade Bankangestellte nehmen die Chance dankend an, ihr Talent, Geld zu vernichten, auch in der Freizeit nutzen zu können. Anders als Raucher, die wegen ihrer Sucht bei Minusgraden vor die Kneipen getrieben wurden, stehen Spielsüchtigen warme Zufluchtsorte zur Verfügung; zumindest so lange, bis die Kasse leer ist…

Gemäß der Devise „Asse für Assis“ wurde ein Pendant zu den versnobten Spielbanken geschaffen, in denen nur Zutritt hat, wer eine Krawatte und einen Job besitzt. Statt biederem Roulette und teurem Schaumwein aus Frankreich warten in den Industriegebiets-Casinos coole Automatenspiele und günstiger Landwein aus dem Tetra-Pak. Dank solcher Spielhallen ist es endlich möglich, auch in Trainingsanzug und Badelatschen seinem Glück zu begegnen; ganz ohne Privatparkplatz und Sternerestaurant im gleichen Haus, nur mit Bushaltestelle und Currywurstbude um die Ecke. Damit wurde ein großer Schritt getan, einarmige und zweiarmige Banditen zusammen zu bringen…

Es dürfte jeden Spielsüchtigen freudig in seine überschuldete Zukunft blicken lassen, wenn ihm beim Besuch eines dieser neonbeleuchteten Casinos bewusst wird, dass er nicht der Einzige ist, der schon am Monatsersten den ganzen Lohn in Spielautomaten investiert. Ein Banksparbuch bringt längst auch nicht mehr Rendite als ein Flipper-Automat. Und der blinkt, anders als ein ödes rotes Sparbuch, zumindest noch bunt und macht lustige Geräusche. Auch wenn man sich im Leben außerhalb der Automatenwelt alle Chancen verspielt hat, verbleibt innerhalb immer noch die Chance, dass nach dem nächsten Euroschein der große Jackpot wartet oder zumindest ein weiteres Freispiel…

Viele Städte haben mit den Automatencasinos und Sportwettenbüros das große Los gezogen. Endlich sind es nicht mehr nur türkische Schnellimbisse, die in leere Ladengeschäfte einziehen. Leider sind Spielhallen an Schulen und Spielplätzen verboten, was illegales Kniffeln in dunklen Schulhofecken begünstigt und immer mehr Fünftklässler ins zwielichtige Mau-Mau-Milieu abrutschen lässt. Dem könnte man mit Casino-Freistunden für Schüler bei guten Noten begegnen. Mit Blick auf die aktuelle Wirtschaftslage ist es schließlich ratsam, schnellstmöglich die nächste Zocker-Generation heran zu ziehen, die in die Fußstapfen der windigen Börsenspekulanten und Finanzmakler von heute tritt…

Auch wenn Suchtexperten das anders sehen: Glücksspiele gehören zum Leben. Das weiß jeder, der in einer Beziehung ist. Spielautomaten sind nicht anders als Frauen, vor denen uns Männer auch niemand schützt. Wie viele Frauen versuchen auch Casinos mit frisch verputzten Fassaden vom maroden Inneren abzulenken. Beide locken erst dann mit Erfolgsaussichten, wenn man sie mit Geld füttert. Und nur in wenigen Fällen halten sie schlussendlich, was sie versprechen und erfüllen die Wünsche desjenigen, der an ihren Knöpfen spielt. Bis zur großen Enttäuschung bleibt jedoch stets die Hoffnung, dass irgendwann doch eine große Ausschüttung im Schoß landet. Meist ist jedoch Game-Over, bevor die Glocken läuten. Alles auf Grün… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Das beliebteste Glücksspiel der Deutschen ist Falschparken.

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