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WND JAZZ 2024 – 33. Internationale St. Wendeler Jazztage

Zum 33. Male steigt das St. Wendeler Jazzfestival mit zehn Formationen über 5 Tage vom 14./15. und 20.-22. September. Namhafte Künstler aus Europa, Marokko, Eurasien und Vietnam bieten ein vielfältig spannendes Programm: Außergewöhnliche Kammermusik im Prolog: Daniel Stelter entführt zu einer akustischen Waldwanderung, der norwegische Ausnahme-Tubist Daniel Herskedal betört mit hypnotisierend schöner Musik und der St. Wendeler Pianist Bernd Mathias mit romantischen und meditativen Kompositionen. Top-Niveau garantieren seit Jahrzehnten der schillernde Trompeter Markus Stockhausen mit neuem Quartett und Gitarrist Nguyên Lê, der musikalische Brückenbauer
zwischen den Weltkulturen, mit neuem Trio «Silk & Sand». Bigband-Musik satt liefern zwei
saarländischen Spitzen-Ensembles: das JugendJazzOrchester Saar präsentiert ein Programm
mit dem Gastsolisten Roland Vanecek, Tuba „Instrument des Jahres 2024“ und das Silent
Explosion Orchestra stellt zum 10-jahrigen Bühnenjubiläum das neueste Projekt Paintings of
an Exhibition vor: Vertonung von klassischen Gemälden, Musik für Augen und Ohren. Jazz
for Kids gibt‘s wieder für die Kleinen mit dem Filippa Gojo Quartett. Eine temperamentvolle
spanische Nacht beschließt das Festival: die überwältigend-schöpferische Kraft des
weltberühmten Pianisten Marco Mezquida zieht den Hörer in seinen Bann Das Antonio
Lizana Quinteto brennt zusammen mit dem Tänzer El Mawi ein wahres Feuerwerk an
berauschendem Flamenco-Jazz ab.

WND JAZZ erfreut sich großer Beliebtheit ob seiner familiären Atmosphäre. Ein engagiertes
Team garantiert guten Ton und vorbildliche Betreuung der Gastmusiker und Besucher.
Saarkult e.V. kredenzt im 11. Jahr ein orientalisches Büffet.

Infos: www.wndjazz.de Tickets ab 01. August

WND JAZZ 2024

33. Internationale St. Wendeler JazztageProlog
SA 14.09. 20 Uhr Daniel Stelter Trio (DE) im Kurhaus
SO 15.09. 18 Uhr Bernd Mathias Trio (Saar) in Ev. Stadtkirche WND Daniel Herskedal Tuba Solo (NO) Saalbau

FR 20.09. 20 Uhr Markus Stockhausen Group (DE)
Nguyên Lê “Silk & Sand” Trio (FR/VN)

SA 21.09. 20 Uhr JugendJazzOrchester Saar feat. Roland Vanecek, Tuba (Saar/DE)
Silent-Explosion Orchestra Paintings of an Exhibition (Saar/DE)

SO 22.09. 11 Uhr Jazz for Kids: Filippa Gojo Quartett (DE)
18 Uhr Spanische Nacht:
Marco Mezquida, Piano Solo (SP)
Antonio Lizana Quinteto (SP)

Tickets ab 01. August unter: www.wndjazz.de/tickets-start/

19. Oktoberfest in Bous

Das Oktoberfest ist endlich wieder zurück neben dem EKC Bous im großen Festzelt mit urigem
Holzboden, dieses Mal sogar mit zusätzlichem Wochenende. Den Anfang macht am Freitag der
Bouser Rockabend mit den Tribute Bands „Metakilla“ und „Pimp Bitzkid“. Samstags folgt die
90er/200er Party mit den DJs Greg51 & Wizardlf und coolen Spielen und Aktionen, die das Publikum
zurück in seine Kindheit versetzen werden. Der große Familientag folgt am ersten Sonntag mit vielen
Attraktionen wie Hüpfburgen, Flohmarkt, "1,2 oder 3 Kinder Mitmachen Quiz“ und Grisu der kleine
Drache gemeinsam mit der Feuerwehr. Das zweite Wochenende startet am Freitag mit der
„Oktoberfest meets Malle“ Party mit Julian Sommer, DJ Robin, Micha von der Rampe und Manni
Manta gefolgt vom klassischen Oktoberfest am zweiten Samstag mit der Band „Firma Hollunder“. Der
abschließende Sonntag ist der Tag der Vereine mit vielen Attraktionen: Hüpfburgen,
Sportlerehrungen, Dr. Musicus, Zauberer, Marching Band, Blaskapelle und verkaufsoffenem Sonntag
der umliegenden Geschäfte. Das Ganze an allen Tagen natürlich mit ausreichend Getränken und
Essen. An den beiden Sonntagen mit Frühschoppen und reichhaltigem Mittagstisch. Alle Infos auf
oktoberfest-bous.de

Oktoberfest - vom 13.09. bis 22.09. neben dem EKC in Bous

Festival Euroclassic 2024: Sterne des Südens

Herbstzeit ist Festivalzeit. Zwei Monate mit abwechslungsreichen Konzerten rund um das
Kultursommer-Rheinland-Pfalz-Motto "Sterne des Südens" sind im Rahmen des Festivals Euroclassic
in Zweibrücken geplant. Los geht es am 7.9. mit den St. Florianer Sängerknaben aus Wien, die
anlässlich des 200. Geburtstages von Anton Bruckner in der Heilig Kreuz Kirche gastieren. Die
Pferde-Gala im Landgestüt Zweibrücken verspricht am 14.9. eine spannende Begegnung zwischen
Mensch, Musik und Pferd, mit Live-Musik der Band Yellow Cello. Magisches Licht, dynamischer Tanz
und feurige Musik erwartet die Zuschauer am 20.9. bei der Show „Café del Mundo – The Art of
Flamenco“. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz lässt sich am 26.9. mit Werken der
österreichischen Komponisten W.A. Mozart und A. Bruckner erleben. Für Ohrwürmer und
nostalgische Momente sorgt am 18.10. die Kult-Band Münchener Freiheit und das Akkordeon-Duo
con:trust zeigt am 20.10. die Vielseitigkeit ihres Instruments. Am 26.10. spielen die
Ausnahmesängerin Stefanie Heinzmann & Mikis Takeover! Ensemble ihre größten Songs im
zeitlosen, klassischen Gewand.

Alle Infos auf festival-euroclassic.eu

Erlebnis Pferde Gala 2024

Große Klassik-Pferde-Gala

Der Süden Europas steht ab September im Mittelpunkt des Festivals Euroclassic. Das Kulturfestival
der Region, das die Südwestpfalz mit dem benachbarten Frankreich vereint, weist dieses Jahr den
Blick auf die Alpenländer Schweiz und Österreich, den Süden Deutschlands sowie nach Frankreich,
Spanien, Griechenland, Italien und Portugal. Ein außergewöhnliches Highlight unter den insgesamt 24
Konzerten ist die große Klassik-Pferde-Gala im Landgestüt Zweibrücken. Die eigens für das Festival
produzierte und konzipierte Show zeigt herausragende Reitkunst, wunderschöne Schaubilder mit
zahlreichen Pferden, gepaart mit Klassik-, Jazz- sowie Rock-Crossover Musik des Ensembles Yellow
Cello und beindruckenden Lichteffekten. Die rund dreistündige Show zeigt eindrucksvoll, wie Kraft und
Anmut der Tiere und die Musik zusammenpassen und Yellow Cello liefert dafür den musikalischen
Rahmen. Immerhin sind die sechs Spitzenmusiker aus Berlin und Saarbrücken allesamt Experten
ihrer musikalischen Disziplin. Alles in allem ein unvergesslicher Abend mit toller Musik und
einzigartiger Pferdeshow. Alle Infos auf landgestuet-zweibruecken.de.

Große Klassik-Pferde-Gala - am 14.09. im Landgestüt Zweibrücken

(Bildrechte: Photographie Sabine Hafner Pferdefotografie Fotostudio Bruchmühlbach )

Merzig tischt auf

Das Programm der Kreisstadt im September und Oktober mit einer Vielzahl an herbstlich-bunten Veranstaltungen

Unter dem Motto „Merzig tischt auf“ präsentiert die Kreisstadt ihr Stadtmarketingprogramm im Herbst und bietet ein buntes und abwechslungsreiches Veranstaltungsprogramm mit Märkten, Events und Festen, mit Kinderveranstaltungen, Kunst, Musik, Unterhaltung und vielem mehr. Hierbei wird die Kreisstadt Merzig vom Verein für Handel und Gewerbe (VHG), den Schaustellern, dem Organisationsausschuss Merziger Viezfest und weiteren Partnern unterstützt.

Bummeln und genießen

Das Herbstprogramm startet mit dem beliebten „Markt der Köstlichkeiten“ am Samstag, dem 21. September. Von 10 bis 18 Uhr erwartet Sie in der Merziger Fußgängerzone ein vielfältiges Angebot rund um Genuss und Tischdekorationen, ergänzt durch ein tolles Unterhaltungsprogramm auf zwei Bühnen.

An den Marktständen werden Händler verschiedenster Branchen mit kulinarischen Angeboten aufwarten. Selbstvermarkter-Produkte, Wild, Feinkost, Marmeladen, Gelees & fruchtige Chutney´s, Fleur de Sel, erlesene Weine, saarländische Senf-, Essig- und Öl-Spezialitäten und noch viele weitere ausgefallene Köstlichkeiten werden im Angebot des Marktes zu finden sein. Auf einer zweiten Bühne in der oberen Poststraße finden Modeschauen sowie Tanzvorführungen statt.

Ein Höhepunkt im Bühnenprogramm ist zweifelsohne die Krönung der Merziger Viezhoheiten – in diesem Jahr erstmals ein Königspaar - für die Saison 2024/2025 um 15 Uhr auf der Bühne vor dem Stadthaus.

Natürlich beteiligen sich auch unsere Kaufleute in der Fußgängerzone mit tollen Aktionen in und vor Ihren Läden, von denen viele bis 18 Uhr geöffnet haben.

Darüber hinaus laden die Merziger Gastronomen zum entspannten Verweilen ein. Mehr als 1.800 kostenfreie, innenstadtnahe Parkplätze ohne Zeitbegrenzung stehen den Besuchern von nah und fern an diesem Samstag zur

Verfügung. Wer den Tag autofrei genießen will, findet mit dem DB-Haltepunkt „Stadtmitte“ direkt im Zentrum mehr als eine gute Alternative.

Oktoberfeststimmung

Über die Veranstaltungsreihe „Merzig tischt auf!“ wird aber auch verstärkt für weitere hochkarätige Veranstaltungen in Merzig geworben:

Am Freitag, dem 27. September, startet wieder das beliebte „Merziger Oktoberfest“. Bis Sonntag, den 6. Oktober, gibt es jeden Abend eine Riesengaudi in der Festhalle, zudem findet täglich ab 15 Uhr ein buntes Kirmestreiben auf dem Parkplatz an der Stadthalle statt.Die Festzeltwirte Thomas Sonnier und Christof Spangenbergermit ihrem Teamübernehmen in diesem Jahr wiederdie Bewirtung im großen Festzelt mit vorgelagertem Biergarten und VIP-Lounges. Stargäste sind in diesem Jahr unter anderem Kamelle Kapelle, Tobee und Isi Glück!

Das Oktoberfest ist täglich geöffnet, an allen Tagen (außer Montag, 30.09. und Samstag, 05.10.) ist der Eintritt in die Festhalle frei. Tickets für diese beiden Tage sind unter www.ticket-regional.de erhältlich. Tischreservierungen sind nur am 27.09., 28.09., 02.10. und 4.10. möglich (Tel. 06861/ 85-490 oder -492, Mail: oktoberfest@merzig.de).

Am Sonntag, dem 29. September, findet von 13-18 Uhr ein „verkaufsoffener Sonntag“ in derInnenstadt statt. Die Merziger Geschäftswelt mit ihren zahlreichen Fachgeschäften und Einzelhändlern lädt ein zum gemütlichen, sonntäglichen Bummel. Für die kleinen Besucher findet in der Fußgängerzone (nähe Modehaus Ronellenfitsch) ein Kinderprogramm mit „Sonni Sonnenschein“ statt, parallel dazu gibt es weitere tolle Aktionen der Geschäfte.

Dem verkaufsoffenen Sonntag folgen die „Krammarkttage“ am Montag/Dienstag (30.9./1.10.) von 9 bis 18 Uhr in der Merziger Innenstadt – mit Händlern aus nah und fern mit Nützlichem von A bis Z.

Ein weiterer Höhepunkt im Merziger Festkalender ist das traditionelle „Merziger Viezfest am Samstag, dem 5. Oktober. Von 10-24 Uhr laden unsere Viez-Hoheiten König Matthias I. und Königin Stéphanie I.  sowie rund 30 Vereine zu Viez und regionalen Köstlichkeiten ein. Dazu gibt es über den ganzen Tag Musik auf 3 Bühnen mit tollen Live-Acts.

Mondscheinmarkt mit langer Einkaufsnacht des VHG

Am Freitag, dem 25. Oktober, findet im Schein des Vollmondes von 16-23 Uhr der traditionelle „Merziger Mondscheinmarkt“ statt. Der Markt mit rund 80 Händlern, der sich von der Altstadt bis in die Fußgängerzone erstreckt, bietet unterschiedlichste Waren, dazu gibt es mittelalterliche Musik, Gaukler, Minnesänger und eine Feuershow am Seffersbach. Im Rahmen einer „langen Einkaufsnacht“ haben viele Geschäfte bis 23 Uhr geöffnet.

Einen Überblick über alle im Rahmen von “Merzig tischt auf“ geplanten Aktivitäten und Veranstaltungen bietet ein Flyer, der ab Mitte September ausliegt und über die Homepage der Kreisstadt Merzig (www.merzig.de) heruntergeladen werden kann.

Weitere Informationen zum Herbstprogramm „Merzig tischt auf“ gibt es beim Stadtmarketing der Kreisstadt Merzig (Tel. 06861/ 85-337, E-Mail: stadtmarketing@merzig.de) und im Internet unter www.merzig.de.

Alle Infos auf www.merzig.de

Homosexualität in der Musik

Historische Entwicklung und kultureller Kontext

Text: Marc Kirch

Die Darstellung von Homosexualität in der Musik hat sich über die Jahrhunderte hinweg stark gewandelt. Zuerst lange verborgen, wurde es im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend offen thematisiert. Diese Entwicklung spiegelt nicht nur den gesellschaftlichen Wandel wider, sondern zeigt auch, wie eng Musik mit der kulturellen Identität und den politischen Kämpfen der LGBTIQ-Community verknüpft ist.

In den 1920er und 1930er Jahren war die Zeit des sogenannten „Pansy Craze” in den USA, als schwule Sänger wie Gene Malin in den Varietés von New York City auftraten. In dieser Zeit entstand die erste Welle der queeren Präsenz in der amerikanischen Populärkultur, auch wenn sie oft karikiert und überzeichnet wurde. Mit dem Aufkommen des Rock 'n' Roll in den 1950er Jahren begannen Musiker wie Little Richard Geschlechtergrenzen herauszufordern. Die Rebellion und der nonkonformistische Geist dieses Genres boten Raum für subtilere, aber dennoch vorhandene Hinweise auf Homosexualität. Der Glam Rock der 1970er Jahre, insbesondere durch Künstler wie David Bowie und Marc Bolan, führte diese Tendenz weiter. Bowie, der offen mit seiner bisexuellen Identität spielte, nutzte seine Kunstfigur Ziggy Stardust, um Konventionen zu brechen und eine Ära der sexuellen Befreiung in der Popkultur einzuläuten.

Parallel zur Entwicklung von Rock und Pop formierte sich die Soul-Musik neu. Künstler wie Sylvester, der in den 1970er Jahren als einer der ersten offen schwulen Soul-Sänger bekannt wurde, integrierten ihre sexuelle Identität in ihre Musik und Performance. Ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Homosexualität in der Musik war die Entwicklung der elektronischen Musik in den späten 1970er und 1980er Jahren. Genres wie House und Techno, die in den Underground-Clubs von Chicago, Detroit und Berlin entstanden, boten der LGBTIQ-Community einen neuen Raum des Ausdrucks und der Selbstbestimmung. House-Musik, die stark von der afroamerikanischen und lateinamerikanischen Schwulenszene Chicagos geprägt wurde, war mehr als nur ein Musikgenre – sie war eine Bewegung. Der legendäre DJ Frankie Knuckles, oft als „Godfather of House“ bezeichnet, war eine zentrale Figur in dieser Szene. Nach ihm wurde sogar eine Straße in Chicago benannt.

Techno, der seine Wurzeln in Detroit hat, entwickelte sich ähnlich wie House zu einem Genre, das eng mit der queeren Subkultur verbunden ist. Künstler wie Derrick May und Juan Atkins trugen zur Etablierung von Techno bei, das sich auch in Europa, besonders in Berlin, zu einer treibenden Kraft in der Clubkultur entwickelte. In Berlin entstand nach dem Mauerfall eine vielfältige und inklusive Szene, in der queere Künstler und Veranstalter wie Ellen Allien eine zentrale Rolle spielten. Die Berliner Clubkultur wurde zu einem internationalen Symbol für die Verschmelzung von elektronischer Musik, sexueller Freiheit und subkulturellem Ausdruck. Auch Künstler wie die Pet Shop Boys, Bronski Best und Frankie Goes to Hollywood bedienten sich elektronischer Klänge, um Themen wie Homosexualität und gesellschaftliche Ausgrenzung zu behandeln. Die berühmte Single „Relax“ von Frankie Goes to Hollywood war nicht nur ein musikalischer, sondern auch ein kultureller Meilenstein, der Homosexualität explizit thematisierte und in der breiten Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wurde.

Ein weiterer wichtiger Moment in der Geschichte der Thematisierung von Homosexualität in der Musik war die AIDS-Krise der 1980er Jahre. Die Krankheit traf die schwule Community besonders hart und führte zu einem wachsenden Bewusstsein und Solidarität innerhalb der Musikszene. Künstler wie Freddie Mercury von Queen, der selbst an AIDS erkrankte und schließlich an den Folgen 1991 starb, setzten sich verstärkt für Aufklärung und Unterstützung ein. Mercurys Homosexualität war lange Zeit ein offenes Geheimnis, das jedoch erst nach seinem Tod vollständig öffentlich anerkannt wurde.

In den 1990er Jahren erlebten die Genres Rap und Hip Hop einen kometenhaften Aufstieg, waren aber lange Zeit von einer ausgeprägten Homophobie geprägt. Schwulenfeindliche Texte und ein hypermaskulines Image dominierten die Szene. Dennoch gab es auch innerhalb der Genres Widerstände gegen diese Tendenzen. Künstler wie Meshell Ndegeocello, die als eine der ersten offen bisexuellen Musikerinnen im Genre auftrat, brachten eine neue Perspektive ein. Ihr Einfluss ist bis heute spürbar, da sie den Weg für nachfolgende Künstlerinnen und Künstler ebnete, die sich ebenfalls mit ihrer Sexualität auseinandersetzen. 

 In westlichen Kulturen hat sich die Akzeptanz und Sichtbarkeit von Homosexualität in der Musik in den letzten Jahrzehnten so erheblich verbessert. Künstler wie George Michael, der in den 1980er und 1990er Jahren sowohl musikalisch als auch durch sein persönliches Coming-Out eine zentrale Rolle spielte, und später Sam Smith, der sich als non-binär identifiziert, sind Beispiele für diese Entwicklung. Diese Künstlerinnen und Künstler haben nicht nur die Musikszene bereichert, sondern auch dazu beigetragen, gesellschaftliche Normen und Vorurteile zu hinterfragen. Während sich die westliche Musikszene so immer offener mit Themen der Homosexualität auseinandersetzte, ist dies in nicht-westlichen Kulturen auch noch heute oft mit erheblichen Risiken verbunden. In vielen Ländern Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens wird Homosexualität nach wie vor stark stigmatisiert oder sogar kriminalisiert. Trotzdem gibt es mutige Künstler, die sich gegen diese Restriktionen stellen. In Indien, wo Homosexualität bis 2018 illegal war, hat sich eine kleine, aber wachsende LGBTIQ-Musikszene entwickelt.

In Afrika, besonders in Südafrika, haben Künstler wie Nakhane bedeutende Beiträge zur queeren Musikszene geleistet. Nakhane nutzt seine Musik, um über seine Erfahrungen und die Herausforderungen, denen die LGBTIQ-Community in Afrika gegenübersteht, zu sprechen. Diese kulturellen Unterschiede in der Darstellung von Homosexualität in der Musik verdeutlichen, wie stark gesellschaftliche Normen und Werte mit künstlerischem Ausdruck verknüpft sind. In westlichen Ländern ist die Musikszene ein bedeutendes Forum für die LGBTIQ-Community geworden, um Akzeptanz und Gleichberechtigung zu fördern. Künstler wie Lady Gaga und Frank Ocean haben nicht nur ihre eigene Identität in den Vordergrund gestellt, sondern auch wichtige gesellschaftliche Debatten angestoßen. Lady Gagas „Born This Way“ wurde zu einer Hymne für die LGBTIQ-Community und Frank Ocean durchbrach mit seinem offenen Bekenntnis zur Liebe zu einem Mann die heteronormativen Grenzen des R&B. In nicht-westlichen Ländern bleibt Musik oft ein subtileres Mittel des Widerstands. Die Herausforderungen, mit denen queere Künstler in diesen Regionen konfrontiert sind, machen ihre Musik umso bedeutsamer.

Die vergleichende Analyse zwischen westlichen und nicht-westlichen Entwicklungen zeigt, dass kulturelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen einen großen Einfluss darauf haben, wie Homosexualität in der Musik thematisiert wird. Während in westlichen Ländern eine zunehmende Liberalisierung stattgefunden hat, ist die Situation in vielen nicht-westlichen Ländern noch immer von starker Repression geprägt. Die kulturellen und gesellschaftlichen Kontexte der jeweiligen Epochen haben maßgeblich beeinflusst, wie Homosexualität in der Musik dargestellt wurde. In den 1970er Jahren war die sexuelle Befreiung in westlichen Ländern ein zentraler Motor für die Veränderung, während die 1980er Jahre durch die AIDS-Krise eine neue Art von politischem Engagement in der Musik hervorriefen. Heute ist die Darstellung von Homosexualität in der Musik so vielfältig wie nie zuvor. Die globale Vernetzung und die Digitalisierung der Musikindustrie ermöglichen es, dass queere Stimmen weltweit gehört werden können, auch in Regionen, in denen sie lange Zeit zum Schweigen gebracht wurden. Elektronische Musik bleibt dabei ein zentraler Bestandteil dieser Bewegung, indem sie Räume schafft, in denen sich die LGBTIQ-Community frei ausdrücken und feiern kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Darstellung von Homosexualität in der Musik nicht nur ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen ist, sondern auch ein treibender Faktor für den Wandel.

Die Rolle der elektronischen Musik, insbesondere von House und Techno, war dabei besonders wichtig, da sie der queeren Community einen Raum für Identität und Widerstand bot, der weit über die Grenzen der Musik hinausgeht. Von den frühen verschlüsselten Andeutungen bis hin zu den offenen Bekenntnissen und politischen Botschaften der heutigen Zeit hat sich die Musik als mächtiges Werkzeug erwiesen, um gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und neue Realitäten zu schaffen. In diesem Sinne bleibt Musik nicht nur ein Ausdruck von Identität, sondern auch ein Katalysator für gesellschaftliche Veränderungen weltweit.

Clubzone September 2024

Dieser Sommer, und im Besonderen die letzten Augustwochen, waren wieder einmal ein Ausbund an geselligem Treiben in unserer kleinen Metropole. Egal ob drinnen oder draußen oder sogar auf unserem Flüsschen, wo ein Wille war, da wurde auch gefeiert und das mit richtig Schmackes, ebenso wie es sich gehört. Dabei etabliert sich der Saarbrücker Osten von St. Johanner Markt über Staden und Mainzer Kiez bis zum Osthafen immer mehr als wunderbare Startrampe in lange Partynächte und man könnte man fast meinen in einer wirklichen Großstadt zu sein. Vor allem Letztgenanntes hat sich gerade jetzt, wo es Ende August nochmal richtig heiß wurde, zu einem tollen Treffpunkt und Fixstern im Saarbrücker Osten entwickelt. Solche Plätze hat Saarbrücken gebraucht und deswegen ist es jetzt umso schöner, dass es sie gibt. Dennoch ist nicht wirklich alles Party-Gold was glänzt, zwar gibt es zwei, drei Locations, die immer voll sind – dann leider auch mit enormen Schlangen vor der Tür – aber dem gegenüber steht ein Mittelfeld mit vielen Clubs, in denen es immer vom Motto abhängig ist, was und vor allem wie viel da geht. Und zu guter Letzt leider auch eine ganze Reihe von eigentlich üblich verdächtigen Orten, die zumindest teilweise, wenn nicht gleich ganz die Segel gestrichen haben und Sommerpausen eingelegt haben. Bleibt nur zu hoffen, dass die im Herbst wieder alle mit am Start sind. Manchmal ist mehr nämlich wirklich mehr!

Massiver Partyalarm herrschte jedenfalls im und am SILODOM in den letzten Wochen und eine Ausnahmefeierei jagte die Nächste, gleich ob im SILODOM CLUB, auf der MEILE oder im SILODOM selbst. Schon die ersten Domnächte Ende Juli und Anfang August legten die Latte richtig hoch. Dem stand die MOA – MAGNET OPEN AIR Sommer Edition erwartungsgemäß in Nichts nach. Ganz was anderes, aber nicht minder beliebt, war dann Mitte August die  TRAUBE NIMMERSATT, die sich in der SPÄTLESE Ausgabe gleich an einem ganzen Wochenende größtmöglicher Beliebtheit erfreute. Da braucht sich wirklich niemand zu wundern, warum das Gelände am Osthafen zum Besten gehört, was Saarbrooklyn im Moment zu bieten hat.

Dass die Saarbrücker Clubszene im Sommer nicht so gut besucht wird, ist wohl in den letzten Wochen vielerorts nachhaltig als Märchen enttarnt worden, denn auch das EGO hat Woche für Woche das Gegenteil bewiesen. Unter dem Zeichen der tief schwingenden Hüfte hieß es bei heißesten Temperaturen ging es schon in der letzten Juliwoche bei der FAVELA und der  SUMMER OF LOVE besonders heiß her. Dafür wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Jede Menge Specials für die Gäste und massive Deko wurden zur maximalen Spaßeskalation organisiert. Die Vorfreude war somit riesig und alle Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Volle Hütte, grandiose Musik, ein fantastisches Publikum, literweise kalte Getränke und die ausschweifende Stimmung machten den Abend trotz Hitze zu einem vollen Erfolg. Mitfeiern wird dringend empfohlen! Aber auch bei den regelmäßigen Partys wie der LEVEL oder der EGO SATURDAY haben Heerscharen von Partypeople und Artverwandtem den Laden nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen. Aber das ist hier ja schon normal. Wunderschöne Girls & Boys, gutgelaunte Barkeeper eine eskalierende Crew und jede Menge kühle Drink – da wächst die Club Community zusammen und aus Fremden Freunde werden!

Im Herzen der City unterstütze auch das SEVEN mit tollen Getränke- und Eintrittsspecials vielfältigste Partyaktivitäten nur allzu gerne und sorgte somit dafür, dass auch in tropischen Sommernächten die Kehlen nie trocken bleiben. Der Club mausert sich sowieso mehr und mehr vom Geheimtipp zur amtlichen Party-Hot-Spot. Mit wechselnden Mottos wurde für Abwechslung gesorgt, sodass es nie langweilig wurde, vor allem auch weil, anstatt sich auf den bisher erreichten Lorbeeren auszuruhen, neue, spannende Konzepte im SEVEN auf den Weg gebracht wurden. Schönes Beispiel hierfür ist die niegelnagelneue Völkerverständigungsmaßnahmesmaßnahme namens ITALO CLUB, die gleich den ganzen Club mit massiven Specials eindeckte. Beste Mixed Music Clubsounds holten aber den ganzen August über den maximalen Feierfaktor aus der Crowd heraus. Aber auch „altgediente“ Partykonstanten wie FAVORITES, CUBA LIBRE und ONLY CHARTS sorgten für reichlich Eskalation im bisher heißesten Monat im Saarbrücker Nachtleben 2024. Und es steht zu „befürchten“, dass die im SEVEN auch im nahenden Herbst wieder richtig steil gehen. Mitfeiern dringend empfohlen!

Die KUFA ist schon längst wieder eine ganz eigene und sehr erfolgreiche Marke. Seit ein paar Monaten feiern hier wieder ganze Heerscharen Vergnügungswilliger als gäbe es kein Morgen und die Location bietet ja nun wirklich alles, was es für eine amtliche Partynacht braucht. Gleich auf mehreren Floors gab es ein mitreißendes Spektrum unterschiedlichster Musikstile und dazu noch eine Wahnsinns-Cocktailbar, so konnte man es sich hier im August gut gehen lassen. Allein schon die Liste der Special Acts, die den Laden in den letzten Wochen auf den Kopf gestellt haben, spricht Bände und überzeugt jeden, dass in der Location immer beste Unterhaltung garantiert ist! Den krönenden Abschluss bildete dann die wirklich oberfette OLD SCHOOL VIBES die massiv unter Beweis gestellt hat, dass man auch heute noch wie früher feiern kann – oder sogar noch härter!

Der August im APARTMENT war nicht nur bis jetzt der geilste, sondern auch der heißeste Monat im Kultclub. Das alljährliche Sommerloch blieb komplett aus und Woche um Woche und vorm Feiertag wurde dort extrem eskaliert! Nicht nur, waren es trotz der heißen Nächte extrem geile Partys, sondern vielleicht aber auch gerade deswegen! Der August lies kein T-Shirt trocken und bot jede Menge mitreißender Nächte, die im August im Apartment richtig zur Sache gingen. Die OUR HOUSE zum Beispiel ging richtig steil an die Decke, genauso wie die neue Partyreihe SOMMER richtig fett abräumte. Alle Abende waren natürlich speziell dekoriert und die ganzen Räumlichkeiten des APARTMENT umgestaltet. Und es wurde freitags sowie samstags zügellos getanzt, angeschaut, verliebt, geküsst, gestritten, getrennt, wieder gefunden und zu guter Letzt auf ein Neues verliebt. Im APARTMENT wird gelebt und heiß geliebt, dann wird das auch ein heißer Herbst.

Ahoi, Leinen los und Abfahrt! Das HÄMPELS Partyboot legte mit einem Feuerwerk aus heißen Beats und wilden Partypeople ab. Unter der Führung von den 3 DJs Splash, Snow und Lt. Mauser wurde das Schiff ordentlich gerockt Die Stimmung an Bord war hochexplosiv, sowohl über als auch unter Deck bebte die Queen Wilma förmlich. Rund 200 feierwütige Matrosinnen und Matrosen feierten ausgelassen. Die Hämpels sagen danke für eine grandiose Bootstour. Für alle, die noch nicht genug haben: Die Party geht weiter! Mitte Septemper steigt das Hämpels Oktoberfest in der Tante Maja in Saarbrücken. Es wird legendär!

   Dass eine Sommerpause nicht wirklich ereignislos sein muss, bewies das STUDIO 30 eindrucksvoll in den letzten Wochen. Denn hier gab es trotz „Sommerpause“ wieder gute Musik auf die Ohren. Die ikonischen Streetpunker von The Casualties aus der Lower East Side New York Citys waren zum ersten Mal in Saarbrücken zu Gast und überzeugten mit brachialer Energie das Publikum. Für die Fans der dunklen Szene gab es die BITE CLUB Party mit Gönz als Musikverantwortlichemdie Zum Glück ist jetzt im September die (Nicht-)Sommerpause dann auch offiziell Geschichte und die Saison startet mit einem vollständigen Programm inkl. einer neuen Ausgabe der Monsterparty schlechthin, der GLORIA REVIVAL Party mit CAFÈ FUTURE FLOOR  und vielem mehr! Wer bremst verliert!

Aber nicht nur in Saarbrücken wussten sie, wie man die Nacht mit Nachdruck zum Tage macht. Jetzt kann die Gemeinde Püttlingen zwar nicht unbedingt mit einer lebendigen Clubszene aufwarten, um es vorsichtig zu umschreiben, aber dafür haben die Einwohner von Köllerbach das WEINFEST in der BURG BUCHERBACH, denn das ist jedes Jahr ein mehr als adäquater Ausgleich und strotzt vor brutaler Partypower. Von der Stimmung, die so Jahr für Jahr mit Leichtigkeit generiert wird, sollten sich so manche Altstadtfeste in wesentlich größeren Ortschaften ruhig mal eine Scheibe abschneiden. Allein die oberfette Bühne mit Monsteranlage, die da wieder hingestellt wurde, war schon fast beispiellos und wahrscheinlich war DJ Kasimir noch bis weit hinter Heusweiler zu hören. So geht Open Air Sommer und wir freuen uns jetzt schon auf nächstes Jahr!

Last but not least noch eine der erfreulichsten Bespaßungen des letzten Monats: Saarbrücken ist um eine Attraktion reicher – denn die neue Eventreihe STADEN DEL SAAR lockte bei beiden Veranstaltungen zusammen über 4.000 Gäste an den ULANENPAVILLION am Staden. Und da wurde natürlich einiges geboten: Beachclubfeeling, Liegestühle, chillige House-Musik, Picknick, leckeres Essen und natürlich fantastische Drinks machten die beiden Tage zu einem perfekten Erlebnis. Dazu wurden auch noch die Saarbrücker House-Größen Frank S., Michael Kastel, Yannick Maurer und Snow verpflichtet. Und die sorgten auch für ein absolutes Feuerwerk auf dem Dancefloor unter freiem Himmel. Da wurde getanzt, als gäbe es kein Morgen. Selbst der eintretende Regen bei der zweiten Veranstaltung konnte das nicht verhindern. Wer hier nicht dabei war hat die definitiv was verpasst! Die gute Nachricht: Die Planungen für den nächsten Sommer laufen schon! Und wer so lange nicht warten möchte: gleich Anfang September folgt das nächste Outdoor-Spektakel dieser Art, das SONNENTANZ OPEN AIR im AC auf dem Unicampus!

In diesem Sinne, take care    J.K.T

Das Recht auf Orangenhaut

Hallo Mikrokosmonauten: Das ist keine Cellulite – das sind „special effects“!

Die ungeschönte Wahrheit tut manchmal weh. Im ersten Moment dachte ich also neulich: „Was zum Teufel?“, als ich schlaftrunken meinen Handywecker zum Schweigen bringen wollte und versehentlich auf den Knopf für den ungefilterten Selfie-Modus kam. So von unten rauf sich selbst in seinen Smartphone erblicken und das noch vor dem ersten Kaffee ist eine erschütternde Erfahrung, die ich so schnell nicht wieder erleben möchte. Aber es kam noch schlimmer, denn als ich am gleichen Tag von eben diesem Telefon-Ding die tägliche Erinnerungs-Foto-Collage angezeigt bekam, war es ganz vorbei. Ich meine, das Telefon hat es ja nicht böse gemeint. Im Gegenteil: Es mag mit mir gerne Erinnerungen teilen. Es deklariert diese auch gerne mit entsprechenden Titeln wie zum Beispiel „Zum Wohl!“. In diesen Collagen bin ich dann hauptsächlich volltrunken mit einem Glas Aperol zu sehen und stelle mir danach die Frage, ob ich nicht doch ein Alkoholproblem habe, das ich mir nicht eingestehen möchte. Die Collage an diesem Tag hatte den Titel: „Urlaubsgrüße“ und zeigte mich in unterschiedlichen Posen am Strand. Leider konnte mein Smartphone dabei nicht zwischen Ästhetik und Griff ins Klo unterscheiden und wählte dafür auch noch die Bilder, von denen ich felsenfest geglaubt hatte, sie gelöscht zu haben. Aber nix da! Und so konnte ich mich in voller Pracht in den schlimmsten Bikini-Shots sehen, die meine Cloud hergab.  Also wenn man so ein Handy hat, braucht man keine Feinde mehr, soviel steht fest. Und während ich mich so auf den Bildern betrachtete, in denen das Sonnenlicht meine Cellulite knallhart in Szene setzte, begann ich mich zu fragen:

„Wieso schockt die Realität so?“

Ich bewundere Menschen, die sich genau so sehen, wie sie sind. Oder die keine Spiegel zuhause haben. Für mich kommen beide Varianten nicht in Frage. Ich bin seit jeher bestrebt, die vermeintlich beste Version von mir jeden Tag auf den Laufsteg meines Lebens zu bringen. Zumindest äußerlich. Innerlich kann ich gerne ein eiskalter Engel bleiben. Aber Äußerlichkeiten sind für mich unheimlich wichtig. Dabei ist mir sehr wohl bewusst, dass all das Streben nach Perfektion und mein halbwegs gutes Aussehen irgendwann vorbei sein werden. Jeder Tag bringt uns schließlich ein Stück näher zum Schafott. Aber bis dahin, so versuche ich es zumindest, bleibe ich Super-Mel in all ihrer Pracht.

Und gerade deshalb komme ich überhaupt nicht damit klar, dass ich eben auch nur diesen Körper habe, den jede Frau hat. Einen Körper, der eben doch nicht so makellos ist, wie ich ihn gerne hätte. Das Schlimme ist, dass ich immer schon geglaubt habe, dass meine Makel, die allerschlimmsten auf der Welt überhaupt sind, und dass es keine Frau gibt, bei der es genauso schlimm oder gar noch schlimmer sein könnte. Erkenne ich an meinem Körper eine Delle oder eine Narbe, kann ich mir kaum ausmalen, dass es jemanden da draußen gibt, der ähnliche Kratzer im Lack hat. Und urplötzlich fühle ich mich dann gar nicht mehr super und frage mich, warum ich mich überhaupt jeden Tag so rausputze, wenn ich ja doch niemals spitzenklasse sein werde.

Eine Filterkamera macht es da übrigens auch nicht besser. Sie kaschiert zwar, katapultiert uns aber in eine Blase, in der wir glauben, makellos schön zu sein. Aber in Wahrheit sind wir es nun mal nicht. Dieser Fakt bewegt mich also zu der Frage:

„Lebt es sich am Ende vielleicht doch besser, wenn man all seine Spiegel abhängt?“

Mitnichten! Ich glaube, unser Selbstbild ist meist kritischer als das Bild, das andere von uns haben. Vernichtende Urteile kommen in den meisten Fällen von uns selbst. Und jeder Pickel und jede Narbe wird doppelt und dreifach abgedeckt, wo andere wahrscheinlich nicht mal ein Pünktchen entdecken würden. Cellulite und Dellen an den Beinen mögen andere vielleicht an uns entdecken, machen sie aber bestimmt nicht zum Grund, uns zu mögen oder nicht zu mögen. Aber wieso fällt es uns so schwer, diesen Fakt zu glauben und wieso tangiert uns unser Aussehen so sehr? Und warum zum Teufel kann uns ein unvorteilhaftes Bikini-Foto so dermaßen triggern, dass wir unser komplettes Selbst in Frage stellen?

Sicherlich liegt es daran, dass es noch nie so dermaßen einfach war, vermeintlich perfekt auszusehen, wie in der heutigen Welt, die sich hauptsächlich auf unseren Smartphone-Bildschirmen abspielt. Es ist so lächerlich einfach, Fettpölsterchen und Unebenheiten wegzuradieren und Gesichter mit allerhand Filtern so aussehen zu lassen, als sei man gerade frisch aus dem Ei geschlüpft. Und wenn Filter nicht mehr ausreichen, lässt man sich seinen Körper eben auf dem OP-Tisch nach seinen Vorstellungen herrichten. Einzige Voraussetzung: Ein gut gefüllter Geldbeutel. Ich gebe zu, dass auch ich zu all diesen Filtern greife und gelegentlich auch schon mal zu Botox und Co. Und jedes Mal aufs Neue bewundere ich dann, wie einst  Dorian Gray sein Spiegelbild, meine Fotos auf Instagram und denke mir: „Du heißes Gerät, Du!“. Dass ich in Wirklichkeit zwar nicht schlecht aussehe, aber auch meine Fältchen und Dellen habe – mit Anfang 40 ist das eben so-, versuche ich dabei vollends auszublenden. Ich bin also mal wieder gefangen in meiner Bubble.

Ein Hoch auf Celeste Barber, Michell Latt und Louisa Dellert

Sie alle zeigen uns auf Social Media jeden Tag aufs Neue, dass unperfekt ein Teil unserer Identität ist. Und wir damit einfach leben müssen. Mal besser und mal schlechter. Celeste Barber nimmt auf ihre ganz eigene urkomische Art vermeintliche Makellos-Models auf den Arm, in dem sie Videos nachspielt, die so herrlich normal sind wie wir alle es nun mal sind. Michell Latt kopiert Make-Up-Tutorials, die nur nach hinten losgehen können und Louisa Dellert war früher dünn und sportsüchtig und ist es jetzt nicht mehr, macht aber aus diesem Zustand ein ungefiltertes Stelldichein bei Instagram. Und man bekommt ein durchweg gutes Gefühl bei ihr, ist regelrecht erleichtert, dass es ihr nicht anders geht als uns.

Zuweilen werde ich aber auch nachdenklich, denn die Frage, warum wir eigentlich so „fathphobic“ sind, eröffnet sich mir. Unter „Fathphobia“, also gewichtsbezogene Stigmatisierung,  versteht man übrigens die Abscheu vor dicken Menschen, ja, den regelrechten Hass auf Fettleibigkeit. Und mehr noch: Fathphobia übertritt regelrechte Grenzen, denn viele von uns können nicht zwischen medizinischer Adipositas und gewöhnlichem Hüftspeck unterscheiden. Hass und Abneigung gegenüber Orangenhaut, Bauchfett und den berühmt-berüchtigten Winke-Armen entwickelt sich oft schneller als ein Lauffeuer und schwupp di wupp hassen wir uns am Ende selbst, für das, was wir sind. Denn machen wir uns nichts vor: Die wenigsten unter uns sind reine Muskelpakete mit einen Fettanteil von unter 15 Prozent! 

Am Ende ist es doch so: Jede Frau und auch eine gewisse Anzahl an bindegewebsschwacher Männer haben ein Recht auf Orangenhaut und sollten endlich dazu stehen. Wie sagt Fernsehmoderatorin und Buchautorin Sarah Kuttner auf Instagram so schön: „Können Sie bitte kurz meinen Filter halten?“. Ich glaube, hiermit ist alles gesagt. Die Wahrheit, ihr Lieben, ist immer ungeschönt, manchmal erschreckend aber einzigartig und auf unsere ganz eigene Art und Weise perfekt!

Wer ist eigentlich dieser Popeye?

Auf jeden Fall ein echtes Saarbrücker Original mit mittlerweile enormen Erfolg in Insta & Co. Dabei sieht er seinem Namensvetter aus der Feder des amerikanischen Zeichners Elzie C. Segar nur ein bisschen ähnlich, mag aber immerhin auch Spinat.

Als der aktuell mega gehypte Rapper Young Hurn dieses Frühjahr ein ausverkauftes Konzert in der Saarbrücker Garage gab, gestand er, dass ihm nur ein einziger Saarbrücker ein Begriff wäre und fragte die Halle „Kennt ihr Popeye“? Die Halle explodierte förmlich. Wenn es ihn also nicht schon gäbe, müsste man ihn erfinden, den Saarbrücker Popeye. Er schickt sich seit Jahren an, eine echte Ikone der Saarbrücker Szene zu werden und ist essentieller Bestandteil von Mainzer Straßen Kiez, Markt und Ostviertel. Alles Bereiche wo er sich tatsächlich kaum noch blicken lassen kann, ohne gleich mit Fragen und Bitten um Selfies überhäuft zu werden. Mit mittlerweile Millionen Klicks in den sozialen Kanälen wird das in absehbarer Zeit kaum weniger werden.

An eine solche Karriere war natürlich nicht zu denken, als Ralf Braun 1967 in Wahlschied bei Göttelborn geboren wurde und dann in Saarlouis aufwuchs. Der Sohn aus gutem Hause durchlebte ganz klassisch Kindheit und Jugend vom Kindergarten bis zur Klosterschule und absolvierte schließlich erfolgreich eine Ausbildung zum Maler und Tapezierer. Spätestens dann kam allerdings alles anders. Vom Profitänzer zum Fahrrad-Guru und vom Insta-Ruhm zum Filmemacher, das Einzelstück, für den gegenseitiger Respekt allerhöchsten Stellenwert genießt, hat jede Menge zu erzählen und wir haben zugehört.

L!VE: Du erfreust Dich in letzter Zeit ja exponentiell steigender Popularität. Wie kommst du damit zurecht?

Popeye: „Das ist schon schwierig manchmal. Ungewohnt ist das, sehr ungewohnt. Aber ich freue mich ja auch sehr und mache das gerne. Die Leute, die sollen sich freuen, weil ich ihnen eine Freude bringe. Ich bin ja eigentlich kein richtiger Inluencer und ich bin nicht scharf auf die Follower, aber die finden mich überall. Die Leute bleiben inzwischen auch mal vor meine Haustür stehen und machen Fotos, zum Beispiel von den Tauben auf dem Fenstersims. Aber auch außerhalb Saarbrückens werde ich erkannt. Ich saß mal im Zug nach Mannheim und dann steht einer auf und will ein Bild machen. Da gucken die andern natürlich alle, was da los ist und dann will jeder ein Bild machen. Aber auch sonst rufen mich die Leute an oder fragen im Silo nach mir. Ich werde einfach so nach Saarlouis eingeladen zum Grillen oder nach St. Wendel zum Mähdrescher fahren.

Das sind aber alles Saarländer?

Popeye: „Von wegen. Frankreich Spanien, Griechenland, Türkei, ganz Europa, das ist unglaublich. Dann Kanada, Korea und Thailand. In Kuba kennen mich auch noch ein Haufen Leute aus meiner Fahrradzeit. Von überall her schreiben die! Und da sind alle möglichen ganz unterschiedlichen Leute, junge, ältere, alles und immer viele hübsche Mädchen. Manchmal, wenn ich was poste, sind da ruckzuck, 80.000 oder sogar 125.000 Aufrufe. Insgesamt sind es jetzt ungelogen fast 3 Millionen Klicks. Das führt dann aber auch dazu, dass ich nonstop angesprochen werde. So sehr mich das freut, aber das hat auch Nachteile. Neulich beim Nauwieserfest wollte ich jemand beim Aufbau helfen und habe dann fast eine halbe Stunde bis zur Bühne gebraucht. Alle paar Meter wollte jemand ein Foto oder fragen mich Sachen. Alles ist Wahnsinn.“

Du hast mal Maler gelernt…

Popeye: „Ja. Ich habe auch lange als Maler gearbeitet und das lange durchgezogen. Dann kam ich zu den Fahrrädern. Das habe ich mir alles selber beigebracht. Mit acht Jahren habe ich zuhause schon angefangen an den Räder rumzuschrauben für die ganze Familie.“

Und wie wurdest du dann so bekannt?

Popeye: „Also ich wollte nie im Rampenlicht stehen, auch nicht als ich damals in den 80er Jahren Breakdance gemacht als Profitänzer. Das war von 1983 bis 2001. Da habe ich Breakdance gemacht, aber nie um mich in den Vordergrund zu stellen. Ich war immer so, wie ich bin. Immer offen und gehe auf die Leute zu.“

Ziemlich bunter Typ… 

Popeye: „Ja. Meine Wohnung wird seit der Corona-Zeit auch immer bunter und bunter. Da gibt es eine ganze Sammlung von Popeyes, gemalten Fischen, Walen, Ozean und Korallen, die komplette Wohnung ist bunt. Auch meine Tattoos werden immer mehr, dabei hat das mal mit einem einfachen Stern auf dem Arm begonnen. Die sind eine Geschichte die laufend weitergeschrieben wird und Stationen in meinem Leben festhält. Die 79 auf meiner linken Wange zum Beispiel ist mir sehr wichtig, auch weil der Name Popeye aus diesem Jahr stammt. Der kam davon, dass ich vom Tanztraining übertrieben dicke Arme hatte und so haben mich meine Kumpel so getauft, indem sie mich in einem Bach untergetaucht haben. Die Tattoos sind nicht nur einfach irgendwas, sondern haben wirklich alle ihre Bedeutung für mich.“

Womit verbringst Du aktuell die meiste Zeit und was planst Du für die Zukunft?

Popeye: Ich helfe immer und überall, vor allen Dingen im Silo. Da bin ich Mädchen für alles. Und ich bin praktisch für Silo und für den Sektor das Maskottchen. Kommen viele Leute auch dorthin und wollen mich unbedingt sehen. In dem Zusammenhang wird es auch was Neues geben, denn bald werden Popeye T-Shirts und Aufkleber produziert und auf den Markt kommen. Nach dem Interview mit euch, will ich ein auch ein Radiointerview geben, um noch ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit zu kommen und dann mal über die wirklichen Probleme reden. Das würde ich gerne machen. Sogar einer von den Grünen hat mich schon zu einem Gespräch eingeladen.

Was liegt Dir dabei am meisten am Herzen?

Popeye: „Respekt. Richtiger Respekt im Umgang miteinander. Wirklich respektvoll miteinander umgehen, sich auch mal richtig vertrauen. In letzter Zeit gibt es ja auch hier in Saarbrücken zu viel Gewalt bis zu Messerstechereien. Deswegen würde ich gerne darüber was im Radio machen. Es ist mir einfach sehr wichtig, dass die Leute mehr Respekt geben, auch und gerade älteren Mitbürger oder Leute mit Einschränkungen. Zum Beispiel hier der Werner im Edeka mit dem Rollator, der wurde schon dumm angemacht, das finde ich komplett respektlos und unterirdisch. Mehr Respekt bräuchten auf jeden Fall auch

die Kräfte der Feuerwehr, von Krankenwagen und überhaupt alle Helfer und Einsatzkräfte. Nicht noch die Leute angreifen, die nur kommen um zu helfen. Oder die schwulenfeindlichen Übergriffe wegen eines Abschiedskusses in der S-Bahn. Wir leben doch nicht in der Steinzeit!“

Was ist dran an dem Gespräch, Du würdest an einem Film arbeiten?

Popeye: „Nicht nur ich. Der Yannick aus der Schlosserei vom Silo, der Manu, ein paar andere Leute, wir drehen einen Film über die Saarbrücker Szene, vom Skaterpark über die Clubs bis zum Silo. Die Feuerwehr ist auch mit dabei. Vor knapp drei Monaten haben wir angefangen und inzwischen machen ganz viele Leute mit, wie zum Beispiel die ganzen DJs aus dem Hunter Thompson, die haben wir auch eingeladen. Bis der fertig wird kann es aber noch gut Ende des Jahres werden.“

Was glaubst Du ist das Geheimnis Deiner Erfolgs, Deiner Beliebtheit?

Popeye: „Ich bin ja nicht richtig berühmt. Da kann ich ja ruhig mal zu den Leuten sagen, dass ich ein bodenständiger Typ bin. Kein Überflieger. Wenn ich tagsüber manchmal hunderte von Nachrichten kriege, versuche ich so viele wie möglich nachts zu beantworten. Da freuen die sich. Ich bin kein Typ, der sagt, jetzt bin ich oben und kenne euch nicht mehr. Ich bin und bleibe immer bodenständig. Das rechnen mir die Leute hoch an.“

Würdest Du rückblickend irgendwas anders machen?

Popeye: Nein, mein Leben war bis jetzt eigentlich ganz cool. Jeder hat Achterbahn im Leben, aber aus Fehlern lernt man. Ich war früher ein richtig aggressiver Mensch, aber ich habe mich auch geändert. Jeder kann sich ändern, wenn man Bock hat.

Vor kurzem hast Du etwas gepostet, was ein neuer Abschnitt werden könnte: Popeye als DJ?

Popeye: „Tatsächlich will ich bald auch mal richtig auflegen. Das dauert vielleicht jetzt noch ein bisschen, aber ich bin ja auch schon kräftig am Üben. Ich muss aber ein bisschen aufpassen, weil es ja Leute gibt, die wollen Dich vor ihren Karren spannen, denen es nur darum geht, meine Bekanntheit für ihre Clubs auszunutzen. Aber davon abgesehen sagen alle DJs und Clubs, die ich so kenne: wenn der Popeye irgendwo aufregt, dann tut die Bombe platzen, das geht dann richtig durch die Decke. Wie gesagt, so lange wird das nicht mehr dauern und dann findet das statt. Auf jedem Fall im Silo oder Sektor. Bei der Gelegenheit muss ich auch das Team vom Silo und dem ganzen Osthafen vom Yannick grüßen. Silo und Sektor sind einfach mein Vertrauensfeld.“

Sonst noch jemand, an den Grüße rausgehen sollen?

Popeye: „Dann habe ich ein Haufen Fans vom FC, die müssen wir wirklich grüßen. Der FC ist ja auch so eine Art Heimat für mich und ich kann über die Leute gar nichts Schlechtes sagen, rein gar nix. Das ist auch ein wenig wie eine Familie. So ein bisschen ist das auch mit dem Edeka, da kenn ich ja auch alle und die machen ja alle mit. Ich sag immer, ich bin der Macher und ihr seid die Showbühne. Das ist wirklich so. Und da sag ich immer, hört mal du, nicht nur ich bin bekannt, sondern alle, die mitmachen, die sind bekannt.“

Zum Abschluss eine Doppelfrage zu Deinen Insta-Reels: wo kommt das mit den Topmodels und den geilen Böcken her – und warum verneigst Du Dich immer?

Popeye: „Da kommen wir wieder zum Respekt. Ich sag‘ ganz ehrlich, wie es dazu gekommen ist. Wir haben im Silo zusammen gesessen und den Mädels nachgeguckt und da fiel auch das Wort „Weiber“. Da hat der Heiko vom FC hat gesagt, das macht man nicht, das ist nicht wirklich respektvoll. Dann hat er gesagt, ich wäre halt ein richtig geiler Bock, worauf ich geantwortet habe: pass auf, ab jetzt sagen wir nur noch Topmodels und die geilen Böcke sind dann das Gegenstück. Auch das Verneigen hat wieder was mit Respekt zu tun. Ich kann nur Respekt erwarten, wenn ich auch welchen gebe. Deswegen verneige ich mich immer, wenn ich sage, ich grüße das Zauberwerk Saarbrücken. Manche Leute fragen mich, warum ich immer so nicke? Denen sage ich nur, nicken kannst Du zuhause, ich verneige mich. Das ist genau das Gleiche wie die Verbeugung im Asiatischen oder im Kampfsport. Ich kann mich immer nur wiederholen: man soll immer Respekt miteinander umgehen.“

Da können auch wir uns nur verneigen und bedanken uns für Deine Zeit!

Wenn der Storch zweimal klingelt

Anders als in der Pflanzenwelt, wird es bei uns Menschen als ein besonderes Ereignis empfunden, wenn ein neuer Spross das Licht der Welt erblickt. Während die Petunien im Vorgarten bei neuen Ablegern kaum größere Auswüchse an Begeisterung zeigen und sie es daher weder für erforderlich halten, hölzerne Storchfiguren aufzustellen, noch das Ereignis feierlich zu begießen oder in sozialen Netzwerken zu verbreiten, wird neuer menschlicher Nachwuchs bei den unmittelbar Beteiligten stets als einschneidend empfunden. Selbst dann, wenn auf einen Kaiserschnitt verzichtet werden konnte...

Weitaus schöner als die kurzweilige Zeugung während eines One-Night-Stands und das langweilige gegenseitige Kennenlernen der Eltern danach, ist für Mami und Papi die in die Welt hinausgetragene frohe Kunde, dass aus zwei nun drei geworden sind. Wer schon einmal vier Wochen auf seine Internet-Bestellung warten musste, kann erahnen wie groß die Freude wohl nach neun Monaten der Wartezeit sein muss und was von ihr schlussendlich übrig bleibt, wenn die Empfänger nach der lang ersehnten Auslieferung realisieren, dass es für die Zustellung im Kreißsaal kein Umtauschrecht gibt…

Akribisch wird von jungen Eltern mit Buntstiften und Klebebärchen im Küchenkalender markiert, wann der Stammhalter oder die Stammhalterin den ersten Blick aus der Vulva warf. Dazu unmittelbar nach der Geburt die obligatorische Sammelnachricht des frischen Vaters an das gesamte Smartphone-Adressbuch, die auch Pizza-Lieferservice und Automobilclub-Hotline darüber informiert, dass alle wohlauf sind und jeden erahnen lässt, dass Mutti bei dem angegebenen Geburtsgewicht in der Größenordnung einer Weltkriegsbombe zukünftig wohl größere Hosen brauchen wird…

Wenn schon nicht der Himmel mit einem Stern am Horizont die Geburt verkündet, dann muss es eben der Vater tun. Schließlich gilt es, den Paten aus dem Morgenland den Weg zur Wiege zu weisen, damit sie Gold, Weihrauch und Myrrhe oder zumindest Sparbuch und Strampler bringen. Die elterliche Überzeugung, der eigene Spross sei ein Geschenk des Himmels, hält sich oft auch dann noch, wenn Klein-Kevin mit 18 Lenzen längst zu alt für eine Neuauflage der Weihnachtsgeschichte ist. Schließlich steht er nach jedem Komasuff unbeschadet wieder auf, um beim Abendmahl das Brot zu brechen…

Egal wo, wann und wem, frischgewordene Väter zeigen jedem stolz Fotos ihres Nachwuchses. Ob in der Warteschlange an der Supermarktkasse oder am Pissoir an der Autobahnraststätte. Möglichst jeder soll erfahren, dass wegen fehlender Verhütung aus dem Lotto beim Sex nun doch ein Sechser im Lotto wurde. Dabei sehen Neugeborene irgendwie stets gleich aus und sind für jemanden, der nicht das Martyrium einer Risikoschwangerschaft mit Dauerreizbarkeit der werdenden Mutter über sich ergehen lassen musste, weder „bezaubernd“, noch „engelsgleich“ oder das „süßeste Baby der Welt“...

Jede neugeborene Katze und jedes frisch geschlüpfte Küken sind zweifellos hübscher als das, was den jungen Vater die letzten zwei Halbjahre täglich beschäftigt hat und die nächsten zwei Jahrzehnte täglich beschäftigen wird. Im Vergleich zu Tierbabys sind Menschenbabys eben einfach unansehnlich. Da kann Papi nur hoffen, dass sich wie bei einer vakuumverpackten Matratze auch die Falten des Neugeborenen nach wenigen Tagen von selbst glätten. Dann ähnelt der Junior vielleicht auch endlich mehr seinem Vater als dem verknautschten alten Ledersofa, auf dem er gezeugt wurde…

Was im Moment der elterlichen Freude, dass neun Monate des Übergebens und der Schwangerschaftsvorbereitung endlich vorüber sind, oft nicht bedacht wird, ist, dass Geburten sich wie Todesfälle und Lottogewinne im eigenen Umfeld verbreiten wie ein Lauffeuer. Alle führen sie dazu, dass plötzlich Menschen vor der Türe stehen, die man seit Jahren nicht gesehen hat, obwohl sie nur zwei Häuser entfernt wohnen. Es sind die Menschen, die nie erreichbar sind, wenn man einmal Hilfe im Garten braucht, jedoch als erstes auf der Matte stehen, wenn es Freibier und Futter gibt…

Verwandtschaft und Nachbarschaft vermerken sich eine Geburt ähnlich akribisch im Küchenkalender wie die frisch gewordenen Eltern. Nur dass hinter dem Namen des Neugeborenen keine Bärchen kleben, sondern Messer und Gabel. Wie Süßes Wespen anlockt, locken Geburten Verwandte und Bekannte an, einschließlich den Menschen, die glauben, dazu zu gehören. Faszinierend wie viele Cousins und Nachbarn, die sonst beim Bäcker nicht einmal grüßen, zur Geburt gratulieren möchten und die höfliche Einladung auf ein Glas Sekt bis um vier Uhr am nächsten Morgen annehmen…

Für Verwandte und Nachbarn wäre es fatal, von einer Geburt erst aus der Zeitung zu erfahren und damit den Moment zu verpassen, wenn der Holzstorch im Vorgarten verkündet, dass es beim übernächtigten Jungvater kostenlose Vollverpflegung für alle gibt, die sich zu einem „Glückwunsch“ überwinden. Vor allem Gratulanten, die „gerade in der Nähe waren“ sind diejenigen, die den Eindruck erwecken, ein Jahr zuvor hungernd verbracht zu haben. Sie schaffen es in Minuten das Häppchen-Buffet in Schutt und Asche zu legen, das eigentlich für ein Dutzend Gäste mehr reichen sollte…

Aber was soll’s. Schließlich wird Mann nicht alle Tage Vater. Wer will bei solch einer Gelegenheit alten Bekannten ein oder zwei Bierchen verweigern… oder zehn. Bei der dritten Fahrt zum Nachkaufen von Schnaps kommt beim angetrunkenen Gastgeber dann nicht selten die Frage auf, warum man nicht schon längst mal wieder mit all den vermeintlichen Freunden so ausgelassen gefeiert hat. Diese Frage beantwortet sich nach einer Nacht neben der Toilette am Tag darauf von selbst. Mit der Einsicht, dass Geburtsschmerzen nicht nur bei Müttern auftreten und sich bei Vätern nicht wegatmen lassen…

Eltern sollten daher vorsichtig sein, wenn es um die frohe Kunde der Geburt geht, um zu vermeiden, dass aus Kindergeburtstagen mit Wasserpistolen und Kissenschlachten später Facebook-Partys mit Wasserwerfern und Straßenschlachten werden. Das Internet vergisst nichts, Verwandte vergessen jedoch noch viel weniger. Wer sich bei Omas Beerdigung wunderte, woher all die Menschen kamen, die trauernd Blumen ins Grab hinunterwarfen und danach feiernd Schnaps in sich hinunterschütteten, sollte überlegen, ob er eine Geburt nicht erst mit der Volljährigkeit des Nachwuchses bekannt gibt…

Wer dennoch nicht umher kommt, über den Familienzuwachs informieren zu wollen, der sollte in seiner Kurznachricht an Gott und die Welt zumindest erwähnen, dass die Entbindung im Urlaub auf Hawaii stattgefunden hat. Das erspart einem die lästigen Kondolenzbesuche und die noch lästigeren Kopfschmerzen. Oder er macht einfach gar nicht erst die Türe auf: Wenn der Storch zweimal klingelt… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Gratulanten zur Geburt sind wie Hämorrhoiden. Kaum sind die einen weg, kommen die nächsten.

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