Hallo Mikrokosmonauten: Wenn ein Underdog gewinnt, dann gewinnt er für alle!
Im Grunde bin ich wie der 1. FC Saarbrücken: An mich geglaubt haben immer nur wenige, wenngleich es die Exoten, Bordsteinschleifer und komischen Vögel waren, die sich schlussendlich immer in meinen Bann ziehen ließen. In der Welt der Profis, Gewinner und echten Champions blieb ich meist nur Zaungast. Nein, als Hauptakteurin konnte ich mich mitnichten betiteln, auch wenn ich es gerne gewesen wäre. Aber wie in jedem Leben kommt irgendwann der Zeitpunkt, aus diesem Schatten rauszutreten und sich zu beweisen.
Als gebürtige Saarbrückerin nahm ich natürlich zur Kenntnis, dass sich da in Richtung Ludwigspark etwas tut. Es war etwas, was ich zuerst überhaupt nicht richtig ernst nahm, darüber witzelte, dass im Fokus erstmal ein trauriger Rasen steht und weniger eine Fußballmannschaft, die auf ihm spielt. Dass aber ebenjene Mannschaft dann sowas von an Fahrt aufnahm und es aus dem Nichts „Bäm“ machte, erstaunte mich dann doch sehr.
Kennt ihr den Underdog-Effekt?
Topdog und Underdog – zwei Begriffe, die den Unterschied zwischen „Außenseiter“ und „beliebter Quarterback“ nicht besser betiteln könnten. Underdogs sind – wie der Name schon sagt – unterlegene Hunde. Diejenigen, von denen man nichts erwartet. Diejenigen, die in der sozialen Rangordnung nicht hoch angesiedelt sind. Während der Topdog der Mädchenschwarm der Schule ist. Eben derjenige, der alles hat und augenscheinlich immer gewinnt. Underdog und Topdog bieten seit jeher den besten Stoff für Hollywood. Rocky Balboa, Karate Kid, Braveheart: Sie alle haben vielleicht nicht die Stärke, die Klasse und die Intelligenz der Favoriten – aber sie haben Herz und Leidenschaft – und das sogar im doppelten Wortsinn, denn sie können leiden. Und das zieht alle in den Bann!
Bereits 1992 untersuchte Edward Hirt von der Indiana Universität den Underdog-Effekt und beobachtete dabei das Verhalten von männlichen Basketball-Fans. Gewann deren favorisierte Mannschaft, stieg deren Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein immens an. Verlor das Team aber, waren die Testpersonen am Boden zerstört, und irgendwo in einer Lache aus Bier, Tränen und Frust tropfte auch ihr Selbstwertgefühl in den Rinnstein. Ganz anders bei den Fans von Underdogs. Sie sahen von vornherein keinem triumphalen Moment entgegen, rechneten nicht wirklich mit einem Sieg oder gar einer Prämie in einer Sportwette. Ihr Selbstwertgefühl blieb immer konstant. Gab es aber einen Überraschungssieg, war die Freude umso gewaltiger. (Quelle: Karrierebibel)
Lohnt es sich, auf Außenseiter zu setzen? In Bezug auf ausgleichende Gerechtigkeit allemal!
So wie der 1.FC Saarbrücken lange genug auf diese Sternstunde warten musste, so sind es auch wir, die irgendwann realisieren, dass wir so viel mehr können und so viel mehr sind!
Es war 1994, als meine Sternstunde endlich kam. Und nein, in jenem Jahr entdeckte ich nicht die Prostitution für mich. Also bitte! Nein, es passierte während der Orchesterstunde in der Schule. Ich spielte auf meiner Blockflöte und ich zitterte. Ich zitterte nicht, weil mich die musikalische Performance pubertierender Siebtklässler ergriff, sondern ich zitterte vor Nervosität, weil sich in der letzten Bank der absolute Mädchenschwarm der Schule genervt durch die blonde Lockenpracht strich, weil er Nachsitzen musste und zeitgleich unseren schiefen Tönen ausgesetzt war. Und ich saß da, in meinem Blumenpullover, meiner etwas zu klobigen Brille und meinem pinken Haarreif, der sich ständig in meine Stirn schob, sobald ich zu flöten begann. Mein Herz pochte wie wild als sich unsere Blicke plötzlich trafen. Seine Reaktion, als er mich musterte, war eine Mischung aus Mitleid und Amüsement in Form eines etwas zerstreuten Grinsens. Spürte er etwa, dass zwischen uns mehr als nur ein C-Moll war? Wie dem auch sei, ich dachte in diesem Moment, im Erdboden zu versinken.
Heute weiß ich: Ich war sein Underdog. Und es gab zu dieser Zeit weibliche Topdogs en masse an unserer Schule, denen er hätte zulächeln können, soviel stand fest! Während ich also meine schiefen Blockflötentöne von mir gab, kritzelte er weiter in seinem Heft und am Ende der Stunde schnappte er sich seine grün-weiße Baseballjacke, die ich so an ihm liebte, warf sich seinen zerschlissenen Army-Rucksack über die Schulter und strich sich wieder so unendlich sexy durch seine blonden Locken, dass ich Mühe hatte, die Flöte unter Kontrolle zu halten und nicht in Ohnmacht zu fallen.
Er kam auf mich zu. Musste er auch, um nach draußen zu gelangen, aber er wurde langsamer, je näher er auf mich zukam. Es war wie in Zeitlupe. Ich festgetackert auf meinem Stuhl, meinen Blick durch die angelaufenen Brillengläser ihn fixierend, er locker lässig auf mich zukommend, die blauen Augen auf mich gerichtet, ein Lächeln seine Lippen umspielend, forsch und trotzdem cool. Und als er schließlich vor mir stehen blieb, reichte er mir einen Zettel und sagte: „Ruf doch mal an.“.
Und nein, es war nicht mein Talent, Flöte zu spielen, was ihn so herrlich an mir verzaubert hatte. Es war mehr. Denn viel später wurden wir eines dieser verhassten Liebespärchen auf dem Schulhof, aber zuvor riss ich mir noch diesen albernen Haarreif aus den Haaren, tauschte meinen Blumenpullover durch ein Metallica-Shirt, setzte die Brille ab und verbrannte meine Flöte. Mein Underdog-Dasein war ab diesem Tag beendet. Und das nur, weil jemand mehr in mir gesehen hatte, als eine Blockflöten-Brillenschlange.
Vom Unterdrückten zum Unterdrücker?
Rocky Balboa, Karate Kid und Braveheart. Sie alle sind Kino. Seifenschaum. Im echten Leben gewinnen Underdogs seltener. Aber wir wünschen uns zumindest, es wäre so. Weil wir vielleicht irgendwann auch mal der Außenseiter sind oder waren. Und weil wir alle das Bedürfnis nach Harmonie und ausgleichender Gerechtigkeit in uns tragen. Und um die Brücke zurück zum FC Saarbrücken zu schlagen: Es ist wie in der Geschichte zwischen David und Goliath. Irgendwann muss so ein Großmaul wie Goliath einfach mal eins aufs Maul bekommen. Das haben sie jetzt schon mehr als einmal bewiesen und genau deswegen kriegen wir uns alle nicht mehr ein. Zu Recht! Wir sollten jubeln, so lange es geht.
Am Ende ist es doch so: Es ist wie bei „Cool Runnings“, der ersten Bobmannschaft aus Jamaika:
Dabei sein ist alles!
Good luck an alle Outsider da draußen!