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Mel´s Mikrokosmos

Ausstieg aus dem Hamsterrad

Hallo Mikrokosmonauten: Ruhejahr statt Ruhetag

Was andere in ihren Zwanzigern durchleben, passiert mir in den Vierzigern. Wer jetzt an sexuelle Eskapaden und durchzechte Wochenenden denkt, ist allerdings auf dem Holzweg. Vielmehr geht es um das Sich-Ausprobieren und um die allseits begehrten Fragen: „Was kann ich? Wer bin ich? Was will ich?“. Was Work & Travel für die Twens ist, sollte jeder Arbeitgeber einem Middle-Ager in ähnlicher Form auch anbieten können. Es gibt die sogenannten Sabbatjahre bereits, aber man muss um sie kämpfen, wenn man nicht gerade selbstständig ist oder von seinen Kollegen schief angeguckt werden möchte. „Hä? Was willst du machen??“, heißt es dann, wenn man das Wort Sabbat oder Sabbatical in der Runde erwähnt. Dabei finde ich es absolut legitim, in den Vierzigern über einen temporären Ausstieg aus dem System nachzudenken, ohne Angst haben zu müssen, danach nicht mehr auf seinen beruflichen Posten zurückkehren zu können. Und mehr noch: Es sollte heutzutage jedem bereits im Vorstellungsgespräch angeboten werden, sich für ein paar Monate oder gar ein Jahr unbezahlt verabschieden zu können. Nicht, weil Faulheit gefördert werden soll, sondern einfach, um zu signalisieren: „Das Leben birgt noch so viel mehr!“.

Eine berufliche Auszeit. Das hört sich einfach wunderbar an. Und dennoch nutzen es viel zu wenige oder es wird unter dem Ladentisch gehandelt. Gerade in den Dreißigern oder Vierzigern für mich ein Unding, denn wenn nicht jetzt, wann dann? Wir sind zwar inzwischen zu alt, um am australischen Surfers Paradise leicht bekleidet in einer Strandbar zu jobben, aber noch jung genug, um uns gerade jetzt bewusst zu machen, was das Leben noch so hergibt. Wo uns vor ein oder zwei Jahrzehnten noch der Mut oder das Selbstbewusstsein fehlte, läge jetzt eine ganze Welt voller Möglichkeiten vor uns, vor denen wir uns nicht mehr angsthäsisch verstecken müssten, weil wir inzwischen gereift und gewachsen sind! Aber möchte ein Boss uns nicht eher vom Sabbat abhalten, wohl wissentlich, dass genau jener Mut und Selbstbewusstsein in Form unserer Arbeitskraft ihm viel mehr nützt, als wenn sie irgendwo da draußen zum Einsatz kommt? Ich meine, ein bisschen Egoismus steht einem Chef ja auch zu, aber was springt für uns dabei raus? Also was springt wirklich dabei raus? Und ich spreche hier von der allseits beliebten Gegenüberstellung Gehalt vs. Aufwendung Lebenszeit. Manchmal glaube ich, dass genau jetzt die Zeit ist, um entweder sein Gehalt zu maximieren oder die dem Job geopferte Lebenszeit zu reduzieren.

Sabbatical – erlaubt und doch offenkundig nicht ganz so gerne gesehen.

Dabei ist die berufliche Auszeit in anderen Ländern etwas völlig Normales. Deutschland hinkt – wie so oft – hinterher. Hier muss ein Arbeitgeber dem Wunsch nach einer Auszeit nicht zwingend nachkommen. Womit wir wieder beim egoistischen Boss sind, der unsere Kreativität, unseren Einsatz und unsere geballte Anwesenheit dort haben möchte, wo er auch was davon hat: Sitzend am Schreibtisch, im Dienste Ihrer Majestät!

Das schmeichelt mir sehr. Und es ist ja auch schön, wenn ich gebraucht werde. Aber „brauchen“ tue ich in erster Linie Sauerstoff, Bewegung und im besten Falle ein gigantischer Sonnenuntergang irgendwo im Süden! Und ich brauche vor allem mich. Und seien wir ehrlich: So richtig ich sind wir trotz gutem Arbeitgeber nie so ganz.

Sabbatjahr – der Name stammt aus der Tora, in der dieses Jahr das siebte in einer Reihe ist. Laut Tora sollen in diesem Jahr die Felder und Äcker brachliegen und die Sklaven freigelassen werden. Wie sinnbildlich für unser aller Leben der Kaste Mittelschicht!

Einem drohenden Burn-Out vorbeugen

Wer nicht warten möchte, bis ihn der Zwangsjacken-Status ereilt, sollte dringend mit seinem Chef sprechen! Wer es sich jedoch finanziell nicht leisten kann, einfach mal so ein paar Monate in eine unbezahlte Auszeit zu gehen, hat die Option, auf eine temporäre Teilzeit umzuschwenken. Ja, auch das ist möglich, sofern der Arbeitgeber mit sich reden lässt. Und man mag es kaum glauben, aber auch diese Möglichkeit soll schon Wunder bewirkt haben. Habe ich gehört.

Wir sollten uns immer vor Augen führen: Jünger werden wir nicht. Und das Leben ist endlich. Es tut mitunter sehr weh, darüber zu sinnieren, gerade dann, wenn die Hälfte bereits vorbei ist. Aber auch hier sollte ein Arbeitgeber loyal genug sein, ein entsprechendes Modell zu erarbeiten, das beide Seiten zufrieden stellt. Ob ein ganzes oder halbes Sabbat- oder Teilzeitjahr, oder ein kompletter Ausstieg über mehrere Monate – je größer das Unternehmen, desto vielfältiger die Möglichkeiten, sofern das Verständnis vorhanden ist. Und um auf den auf Ökonomie bedachten Chef zurückzukommen: Für ihn wäre es mehr als lukrativ. Denn was gibt es Besseres, als arbeitstüchtiges Personal, das auch noch obendrein motiviert ist? Einem Chef sollte stets bewusst sein: Manchmal bedarf es mehr als einmal Malle im Jahr.

Planung ist alles

Wer an dieser Stelle bereits mit gepacktem Köfferchen am Terminal steht, sollte jedoch gewarnt sein: Ein Sabbatical kann nicht einfach spontan eingelegt werden. Zum Abklären des finanziellen Hintergrundes sollte man zusätzlich auch planen, wie man diese Auszeit möglichst sinnvoll nutzen kann. Möchten wir Reisen, eine neue Sprache lernen und unseren Horizont erweitern? Oder uns ehrenamtlich engagieren? Oder möchten wir schlichtweg unser gesamtes Leben ändern?

Übrigens: Beamte können bei ihrem Arbeitgeber einfach einen Antrag stellen und innerhalb der geltenden Regeln kann das Sabbatjahr eingelegt werden. In der freien Wirtschaft muss allerdings eine längere Auszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt werden. In der Regel gibt es eine längere Vorlaufzeit, in der Zeitkonten möglicherweise aufgefüllt werden, um dann anschließend pausieren zu können. Leider gibt es hierzulande gerade mal 15 Prozent aller Firmen, die ihren Mitarbeitern feste Modelle eines Sabbaticals anbieten. Da ist Luft nach oben!

Und machen wir uns nichts vor: Laufende Kreditkartenabrechnungen, Miete und sonstige Fixkosten bezahlen sich nicht von selbst. Ein gewisses finanzielles Polster sollte schon vorhanden sein. Und daran wird es dann wohl letztendlich bei den meisten scheitern.

Das dürfen wir nicht zulassen!

Am Ende ist es doch so: Ab heute wird gespart, Lotto gespielt und das Zeitkonto aufgefüllt. Und im Zweifelsfall jobbe ich dann doch im Bikini in einer Strandbar, nicht jedoch ohne Bikini in einem Stripclub. Wichtig ist, dass am Ende aus einem Zeitkonto ein Erlebniskonto wird, und die daraus resultierenden Ereignisse kann uns keiner nehmen. Es ist im Grunde einfach: Am Ende unseres Lebens denken wir an die schönen Dinge. An all die kleinen und großen Abenteuer und Erlebnisse. An all die Situationen, in denen wir mutig waren und gesagt haben: „Schei* drauf, ich mach das jetzt einfach!“. Nicht mehr und nicht weniger.

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