Hallo Mikrokosmonauten: Warum Grenzen setzen so schwer ist
Wie oft habt ihr euch eigentlich schon dabei ertappt, wie ihr „Ja“ gesagt habt, aber „Nein“ meintet? Unzählige Male gewiss, da bin ich mir sicher. Und warum? Weil ihr euch wahrscheinlich nicht traut. Oder weil es eh nichts ändern würde. Oder weil es schlicht und ergreifend zu einem Konflikt führen würde. Schlussendlich dann immer wieder der Klassiker: „Weil es mir nicht zusteht!“. Wie bitte? Es steht euch nicht zu, Nein zu sagen? Klar. Eventuell würde man euch danach nicht mehr mögen. Oder man würde denken, ihr seid egoistisch und selbstgefällig.
Und so ein einziges kleines „Nein“ würde womöglich all die vielen „Ja“ zuvor mit einem Schlag auslöschen. Nein ist die verbale Atombombe, wenn man es so nimmt. Mit voller Wucht killt sie die Selbstverständlichkeit, mit der sich andere Menschen jahrelang eurer Gutmütigkeit und Loyalität bedient haben. All eure Mühen waren vergebens. Eure ewige Überzeugung, euch respektvoll zu behandeln. Andere Menschen davon zu überzeugen, dass Ihr deren Interesse wert seid. Eure Werte opfern, um dazuzugehören. Die Wichtigkeit eurer psychischen Gesundheit herunterspielen. All das wird wahrscheinlich mit einem einzigen Nein zerstört. Angesichts dieser Vermutungen wird mir Angst und Bange und ich stelle mir unweigerlich die Frage:
„Soll ich ein Ja-Sager bleiben?“
Es wäre in jedem Fall der Weg des geringsten Widerstandes. Aber ist es auch der richtige? Oder ist es viel mehr ein Verrat an uns selbst? Ein Unterbuttern des eigenen Selbstwert bloß um des lieben Frieden Willens? Letztendlich geht es doch genau darum? Frieden. Ich meine allerdings nicht den Frieden im Büro, in Beziehungen oder auf Familienfesten. Nein, es geht vielmehr um den inneren Frieden. Aber diesen Zustand erreicht man nur dann, wenn man seinen Selbstwert kennt. Und dieses Thema ist recht heikel und setzt zuallererst voraus, dass einem die Meinung anderer über dich einfach egal wird.
Unverblümtes Ich-Sein als Mindset
Dieses Selbstwert-Ding ist echt weird. Selbstliebe ist ja schon ein lebenslanger Lernprozess, aber jetzt kommt auch noch der Wert dazu. Die Frage: „Bin ich es wert?“ ist ohnehin so ein Kopfkiller. Besonders dann, wenn ständige Selbstzweifel, Unsicherheit und Schuldgefühle dazwischenfunken. Neulich stellte ich mit Entsetzen fest, dass ich womöglich eine reduzierte Ware wäre, wenn ich meinen Selbstwert bestimmten müsste. Das war ziemlich ernüchternd und schockierte mich zutiefst. Aber ich wusste, dass ich schleunigst etwas tun muss, um aus diesem Selbstwert-Debakel rauszukommen. Und endlich mein eigenes Ich wieder herauslassen, das schon zu lange gefesselt und geknebelt in den tiefsten Tiefen meiner Selbst zum Schweigen verdammt worden war. Das arme Ding!
Verkauft euch nicht unter Wert!
Natürlich wollen wir nicht ausgeschlossen werden und alleine durch die Welt wandeln, doch welchen Preis zahlen wir eigentlich, wenn wir unser Leben in einem Umfeld verbringen, dass uns nur mag, wenn wir klein und ruhig oder laut und lustig sind? Wieso wollen wir unsere Zeit mit Menschen verbringen, bei denen wir Angst haben, dass sie uns verstoßen, wenn wir Nein sagen, eine andere Meinung haben oder einfach wir selbst sind? Hört doch auf, eure mentale Gesundheit für andere Menschen aufzugeben. Viel schöner ist es doch, Platz zu schaffen für die Menschen, die uns genauso lieben, respektieren und akzeptieren, wie wir wirklich sind. (Danke Familie und Mann!)
Nein sagen fällt nur schwer, weil man die eigenen Vorteile nicht verlieren möchte
Es ist doch so: Sei bei einem klaren und deutlichen „Nein“ innerlich damit einverstanden, keinen einzigen Gefallen mehr von deinem Gegenüber zu bekommen. Sei damit einverstanden, dass dein Gegenüber dich nicht mehr nett findet und eventuell nicht mehr dein guter Freund oder Arbeitskollege ist. Go for it! Es geht nicht immer nur um dein Ego, sondern um deinen inneren Frieden! Und wenn es deinen inneren Frieden kostet, ist es zu teuer. Darüber hinaus wird es übrigens immer jemanden geben, der dich nicht mag. Die Hauptsache ist, dass du nicht unter diesen Leuten bist.
Machen wir uns nichts vor: Um anderen Grenzen zu setzen bedarf es Selbstbewusstsein, Selbstfürsorge und Selbstvertrauen. Alles Dinge, die erlernt werden müssen. Wenn wir jedoch eines begreifen, nämlich, dass wir niemals Everbody’s darling sein werden, ist schon mal der Anfang geschafft. Natürlich sollten wir uns im Büro jetzt nicht gleich mit Tacker und Locher bewaffnen und durch sämtliche Abteilungen wüten wie einst Rambo durch den Hindukusch. Höflich und knapp sollte es schon sein. Grenzen setzen kann sich in etwa so anhören: “Ich weiß deine Meinung zu schätzen, habe meine Entscheidung aber bereits getroffen.”, oder: “Ich fühle mich gerade nicht mehr wohl dabei, das mit dir zu besprechen.”, oder eben so: “Ich habe gerade sehr viel mit meiner eigenen psychischen Gesundheit zu tun und kann daher im Moment nicht die Person sein, die für deine Sorgen und Schwierigkeiten ein offenes Ohr hat.”. Kommuniziere deine Bedürfnisse, um gut für dich zu sorgen. Punkt.
Am Ende ist es doch so: Wie du dich selbst siehst, hat einen großen Einfluss darauf, wie andere dich behandeln. Ein imaginäres Stoppschild sollte demnach stets in unserem Tagesgepäck stecken. Wenn du keine Grenzen setzt, wird es niemand anderes für dich tun. Halte dir stets vor Augen, dass Grenzen setzen alleine die Menschen stört, die davon profitieren, wenn du keine hast.
Du bist niemals verantwortlich für die Gefühle der anderen, sondern nur für deine eigenen
Und einfach so erweiterten Grenzen meinen Horizont und befreiten dieses kleine, kümmerliche Ich in mir, dass Ja sagte, wenn es eigentlich Nein meinte. Und dass zu lange ein Komma setzte, wenn es eigentlich das Ausrufezeichen hätte setzen müssen. Fett und schwarz und wasserfest!