Ja, er lebt noch! Gemeint ist natürlich der legendäre Saarbrücker Fotograf und Künstler Wolfgang Klauke, nicht der Holzmichel, auch wenn der eine dem anderen in letzter Zeit immer ähnlicher sieht. Wir haben den in Social Media Totgesagten besucht und sind mit ihm gleich mal in eine Ausstellung gegangen, natürlich von ihm.
Der Schreck war riesengroß, als irgendein Doom-Scroller über Facebook einen Nachruf auf den beliebten Saarbrücker Kultfotografen Wolfgang Klauke verbreitete und behauptete, er sei verstorben. Die Vorstellung, sein weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekanntes Markenzeichen, das legendäre „Äktschen“, nie wieder zu hören, war schlicht unerträglich und wurde daher vielfach geteilt.
Zum Glück stellte sich nach nur 48 Stunden heraus, dass an den leichtfertig verbreiteten Gerüchten nichts dran war. Wolfgang Klauke war keineswegs dahingeschieden, sondern lediglich Opfer eines übertriebenen Geltungsdrangs geworden.
Positiv an der Sache ist lediglich zweierlei: Zum einen wurde deutlich, wie weit die Realität manchmal von den sogenannten „News aus dem Netz“ entfernt ist. Viel interessanter ist jedoch, dass der Totgesagte von alledem rein gar nichts mitbekam. Dank seines konsequenten Verzichts auf Internet, soziale Netzwerke & Co blieb ihm der digitale Trubel über seinen Tod komplett erspart. Wolfgang verzichtet aber nicht generell auf Technik. Er besitzt sogar ein Smartphone oder besser gesagt, ein Handy – ein originales Nokia 3310. Für die jüngeren Leser unter uns: „Nokia“ ist das „Iphone“ von früher – nur eben unzerstörbar…
„Mir geht es gut, ich habe mich und mein Leben im Griff und finde es einfach schön, dass das so ist!“
Wolfgang Klauke wurde 1948 in Sulzbach geboren und beschäftigt sich seit 1971 mit den verschiedensten Formen zeitgenössischer künstlerischer Fotografie. Schon seine Ausbildung zum Schaufensterdekorateur in jungen Jahren zeugt von seiner Fixierung auf das Visuelle. Mit einem Schmunzeln weist er gerne darauf hin, dass auch sein verehrter Louis de Funès denselben Beruf erlernte.
Seit vielen Jahren ist Klauke Mitglied im Saarländischen Künstlerbund, war lange Zeit dessen Vorstand und ist aus der Kunstszene an der Saar nicht mehr wegzudenken. Im Zentrum seiner Arbeit steht immer wieder die Auseinandersetzung mit der Natur. Dabei folgt er vor allem seinen Empfindungen und bewegt sich zwischen Natur als Mythos, als Erlebnisraum und der durch menschliche Eingriffe gestalteten Umwelt.
Licht und Schatten sind für ihn nicht nur technische Hilfsmittel in der Fotografie, sondern von Anfang an ein zentrales Thema. Die Arbeit mit der Kamera war für Klauke stets auch eine Entdeckungsreise in die Natur. Eine Zeit lang zogen sich weiße Linien über schwarze Flächen – das reine Licht zeichnete hier selbst, und der Fotograf wurde zum Protokollanten des Chaos.
Wolfgang Klauke bevorzugt die gezielte Coloration seiner Schwarz-Weiß-Arbeiten, um Details, Flächen oder scheinbar Nebensächliches besonders hervorzuheben. In seinen neueren Werken überschreitet er die Grenzen der Fotografie. Seine Hinwendung zur Malerei ist ein Versuch, die radikale Konfrontation von Natur und Farben künstlerisch neu zu interpretieren. In dieser Entwicklung verschmelzen visuelle Collagen und Texte zu einer sehr persönlichen Philosophie.
An Ruhestand denkt der mittlerweile 76-Jährige keineswegs. Neben seinen künstlerischen Tätigkeiten ist er weiterhin ein gefragter Fotograf, wenn es um Aufträge von großen Unternehmen geht – auch wenn er sich mittlerweile gerne die Rosinen herauspickt.
„Mit Licht zu malen, das ist mein Ziel. Ich seh‘ mich auch überhaupt gar nicht mehr so als klassischer Fotograf.“
Dieses Unikat haben wir getroffen und uns mit dem unruhigen Ruheständler auf eine kleine Reise in seine Welt begeben. Das war nicht unbedingt einfach, denn der Mann schaltet sein Handy nur dann ein, wenn er telefonieren muss – und danach sofort wieder aus. Ein Festnetzanschluss fehlt in seinem Heim am Waldrand komplett. Lediglich in seinem Atelier in Burbach gibt es einen Anrufbeantworter, der jedoch seit Wochen defekt ist. Zudem ist er dort ohnehin selten anzutreffen, was möglicherweise die Ursache für gewisse Gerüchte um seinen Vitalstatus gewesen sein könnte.
Doch sei’s drum – wir haben ihn gefunden. Nun hat er uns nach Völklingen begleitet, ins Herzzentrum Saar, wo seit 14 Jahren eine Dauerausstellung seiner Serie „Wald“ zu bewundern ist.
„Das sind 6 x 6 Formate, die ich mit der Hasselblad gemacht hatte. Und die hab ich dann in Düsseldorf von einem Labor, mit dem ich viel zusammenarbeite, entwickeln lassen. Die haben sie mir dann geschickt und ich habe da die Repro gemacht und die Dinger bearbeitet, vergrößert usw… Und wie ich die jetzt gerade nochmal anschaue, ich hab die schon lange nicht mehr gesehen, seh‘ ich die mit ganz anderen Augen. Die Bilder haben zum Teil ganz andere Farben gehabt, viel kräftiger und deutlicher. Klar. Die Sonne hat da gearbeitet. Oder das Licht. Ich hatte nur durch die Kamera geguckt und gedacht, was ist denn das da? Und dann habe ich draufgehalten. Inzwischen haben die sich selbst entwickelt. Das finde ich toll, ich bin ganz weg, obwohl es ja nicht mehr das Original ist. Die haben ein eigenes Leben über die Jahre gehabt und sich im wahrsten Sinne des Wortes weiterentwickelt. Das waren saubere Schwarz-Weiß-Bilder. Die nicht entwickelt wurden, die Fixier-Salze sind da noch drin. Und so werden die z.B. gelb mit der Zeit. Das Bild generiert sich dann quasi nochmal selbst. Ganz, ganz interessante Technik. Da bin froh, dass ich noch lebe und das so sehen kann!“
Er lebt nicht nur, sondern ist in seinem Tatendrang genauso ungestüm wie eh‘ und jeh. Tatsächlich hat er seine Aktivitäten notgedrungen nur vor ein paar Jahren während der Covid-Epidemie ein wenig eingebremst. Das führt fast zwangsläufig zu der Frage, wo er den neben all den Auftragsarbeiten noch die Zeit für seine künstlerische Entfaltung nimmt?
„Ich heb mich vom Rest der Welt ab, das ist auch gut so. Das Leben hat ja eine Komplexität, bis zum geht nicht mehr, ein Riesengeflecht allein durch jedes einzelne Wesen. Die Zeit nehme ich mir immer für den Künstler in mir. Immer, immer! Keine Ahnung, ob ich diese Kreativität ein Stück weit im Blutzucker drin hab‘.“
Die Resultate dieser Kreativität sind für die Allgemeinheit allerdings schwer in Augenschein zu. Natürlich gibt es Arbeiten, wie die in Völklingen, die jederzeit zugänglich sind, aber das war’s dann auch schon. Mit den Mitteln der modernen Telekommunikation hat der Künstler es nicht so.
„Ich habe keine Website, nee. Die meisten meiner Bilder sind ja auch analog, nur die neueren digital, aber das ja meistens Auftragsarbeiten. Die anderen müsste ich mal einscannen, doch da fehlt mir die Zeit. Aber zum Beispiel auf den Websites der Unternehmen für die ich Auftragsarbeiten gemacht habe, da kann man immer wieder was von mir sehen. Oder auf den Seiten, wenn ich Ausstellungen mache. Ein bisschen was gibt es zum Beispiel auch auf der Homepage der Stadtgalerie oder des Instituts für aktuelle Kunst zu sehen, sogar mit einer Biografie von mir. Von den sozialen Netzwerken hab‘ ich einfach keine Ahnung.“
Während wir an den Ausstellungsstücken vorbeischlendern und Wolfgang Klauke immer wieder in Erinnerungen schwelgt und seine Emotionen wortreich äußert, fällt auf, dass er zum verbalen Ausdruck ganz oft Songtitel benutzt oder Stücke von Texten rezitiert.
„Ich bin Musik. Ich lebe Musik seit ich denken kann. Night and Day and Day and Night. Von ersten Erinnerungen an Weihnachtslieder durch die ganze Palette von Kinder- und Jugendmusik bis zum Wahnsinn Klassik und schließlich der Rock’n‘ Roll. Da bin ich echt multikomplex. Wenn mir dann ein Bild echt ans Herz geht, dann beschreibt vielleicht Neil Young’s „Heart of Gold“ meine Gefühle viel besser und direkter als wenn ich beginne darüber zu reden. Dann kann es auch sein, dass ich, weil ich ja leider kein Instrument gelernt habe, leise anfange zu singen.“
Bleibt uns nur Dank zu sagen, für ein paar Tage Einblick in das Innenleben eines ganz besonderen und vor allem quicklebendigen Künstlers. In diesem Sinne: Äktschen!