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Titelstory

Die Nächste bitte

Kaum scheint eine Krise halbwegs überstanden, steht die nächste schon vor der Tür. Egal ob Konzerte, Events oder Catering, der gesamten Veranstaltungsbranche droht der Untergang und auch saarländische Unternehmen machen sich Gedanken.

Die Konzertprogramme sind übervoll, in vielen Clubs und Discos wird wieder eskaliert als wäre nix gewesen, inklusive Tuchfühlung. Riesige, ausverkaufte Großereignisse wie die Münchner Open-Airs mit Robbie Williams, Helene Fischer und Andreas Gabalier sorgen mit hunderttausenden von Besuchern für Schlagzeilen. Eigentlich hat die Veranstaltungsbranche endlich wieder etwas zu tun und genau genommen sogar mehr als das. Denn mit der aktuellen Auftragsflut gehen auch große Herausforderungen einher und reichlich neue, zum Teil substantielle Probleme. So gibt es zwar durchaus Veranstaltungen, die gut funktionieren, aber der Schein trügt, denn wenn nicht die ganz großen Namen auf der Bühne stehen, wird’s eher so mittelprächtig mit den Besucherzahlen. Da blicken Veranstalter mit großen Sorgenfalten in die Zukunft. Von den Aussichten fürs nächste Jahr, dass für viele Veranstalter, Bühnenbetreiber und schließlich für viele Künstler zum Schicksalsjahr werden könnte.

Im Moment steht die Branche vor einer Auftragsflut und die bringt einiges an Schwierigkeiten mit sich. Messen, Firmen und private Events, die immer wieder verschoben werden mussten, werden jetzt nachgeholt. Verschobene Konzerte drängeln sich neben neu gestartete Tourneen. Das führt zu einer ungekannten Verdichtung der Veranstaltungen und der damit einhergehenden Probleme. Und die Lage verschärft sich noch: Die Kosten sind enorm gestiegen, weil Material und Ersatzteile knapp sind oder zeitnah gar nicht zu bekommen sind. Obendrein sind laut Aktionsbündnis Alarmstufe Rot rund 30% der Fachkräfte abgewandert und der Veranstaltungsbranche in Deutschland verloren gegangen. Die Bundesvereinigung der Veranstaltungswirtschaft hat vorgerechnet, dass Hallenmiete, Technik, Toilettenwagen, Auf- und Abbau, Personal wie Fahrer und Security aber auch Künstler derzeit im Schnitt 45 Prozent mehr kosten als noch vor der Lauterbach-Krise. Da grenzt kostendeckendes Arbeiten fast an ein Wunder.

Heiko Renno von Saarevent, einem der größten Konzertveranstalter an der Saar hat da eine klare Einschätzung der Lage:

„Es läuft im Moment nicht so wirklich überragend. Man darf sich da nicht von Wacken oder Rammstein täuschen lassen. Generell fehlen einfach bei vielen Veranstaltung, egal ob indoor oder outdoor, 20 bis 30 Prozent der Zuschauer. Klar, die großen Seller ziehen natürlich, aber bei vielen anderen Bands läuft nach wie vor nicht super viel. Das liegt an den altbekannten Gründen wie Corona-Angst und der Unsicherheit: die Leute haben keine Lust mehr auf Verschiebungen, kaufen sehr spät Karten oder eben gar keine mehr, die Leute haben sich auch ein Stück weit entwöhnt. Dazu kommt, dass im Augenblick überall Feste über Feste angeboten werden – natürlich alles umsonst. On top noch die drohende Inflation und die drohende Energiekrise, da sparen die Menschen halt jetzt schon, wo immer möglich. Das alles sind Punkte, die einen massiven Einfluss haben und richtig reinhauen, und sich jetzt schon wie ein roter Faden in die Zukunft weiterzieht. Seit dann auch noch das Karlchen (Gesundheitsminister Karl Lauterbach – Anm. der Red.) Mitte August neuerliche Maskenpflicht und andere Maßnahmen in Aussicht gestellt hat, lässt sich sofort ein Rückgang in den Kartenkäufen feststellen, weil die Leute wieder zurückhaltender werden, was sich noch verstärken wird, wenn erstmal die ersten Energiekostenabrechnungen in den Haushalten ankommen. Diese Entwicklung wird sich durch Herbst und Winter bis ins nächste Frühjahr und vielleicht noch weiter fortsetzen. So ist aktuell nur noch sehr kurzfristiges Arbeiten möglich, ohne jede Perspektive oder gar Planungssicherheit. Das damit verbundene Dilemma wird nicht nur bundesweit die Clubs treffen, sondern auch kleine und mittlere Konzerte vor drastische Probleme stellen. Das wird in meinen Augen eine ganz harte Nummer, die einige nicht überstehen werden, da bin ich mir ganz sicher. Unterm Strich also mehr als schwierige Zukunftsaussichten, die aber auch maßgeblich von den politischen Entscheidungen abhängen. Alles in allem sehe ich in den nächsten 6, 12 oder 24 Monaten riesige Probleme auf die gesamte Branche zukommen. Der Markt wird sich enorm bereinigen und wahrscheinlich haben auch viele Veranstalter dann irgendwann einfach keinen Bock mehr.“

Nicht gerade förderlich ist, dass unterm Strich insgesamt immer noch weniger Menschen als vor der Pandemie Veranstaltungen besuchen. Für die Älteren sind Konzerte nach Corona keine Selbstverständlichkeit mehr. Im Zweifelsfall werden da Restaurantbesuche oder ganz andere Freizeitaktivitäten bevorzugt oder das Geld schlichtweg gespart. Die Jüngeren sind es schlichtweg nicht gewohnt und haben es noch nicht in ihrer Kultur drinnen in einen Club zum Konzert zu gehen. Die treffen sich nach wie vor bevorzugt am Staden, solange es das Wetter zuließ, oder ganz einfach privat. Das erklärt ein Stück weit, warum zwar die Zahl von Festivals und Konzerten deutlich gestiegen ist, die Zahl der Kartenkäufer insgesamt aber nicht. Der Kartengroßhändler Eventim hat angegeben, er verkaufe derzeit so viel wie 2019, allerdings für doppelt so viele Veranstaltungen. Bleibt im Schnitt für jedes einzelne Konzert die Hälfte an Gästen.

Das trifft die Branche wirtschaftlich hart, denn die Konzerte, die jetzt nachgeholt werden, sind alle kalkuliert auf das Jahr 2020, auf Basis der damaligen Löhne, Energiepreise und weiteren Kosten. Und die Tickets sind ja schon zum Preis von 2020 verkauft. Jetzt ist aber alles viel teurer, sodass einige der Veranstaltungen in diesem Sommer vorsehbar aber unausweichlich richtig Miese gemacht haben.  Bundesvereinigung der Veranstaltungswirtschaft zufolge sind Events bis zu 250 Personen im Vergleich zu 2019 im Durchschnitt um 58 Prozent teurer geworden, Anlässe mit 600 Personen um 55 Prozent und Veranstaltungen mit bis zu 1.500 Personen um 46 Prozent. Im Zusammenspiel mit den fehlenden Fachkräften können etliche Projekte nicht realisiert werden, womit wertvolle neue Erträge entfallen. Das alles hat zukünftig wohl zur Folge, dass die Ticketpreise deutlich steigen könnten, was wiederum weiteren Besucherschwund zur Folge hätte, ein echter Teufelskreis.

Das Studio 30 in Saarbrücken ist ein typischer kleiner Club, der sich in der Vergangenheit vor allem durch eine Vielzahl selbstveranstalteter Konzerte einen Namen gemacht hat. Verantwortlich zeichnet hier Sebastian Biewer, der ebenfalls mit gemischten Gefühlen in die Zukunft blickt:

 „Die Monate seit der Wiedereröffnung zeichnen ein wechselhaftes Bild. Einerseits spürt man die Freude, die Begeisterung des Publikums vor Ort, andererseits merkt man auch große Skepsis und Unsicherheit. Bei dem Großteil der Veranstaltungen lief der Vorverkauf weit unter den Erwartungen und bis zum Abend selbst konnte man nicht abschätzen wie das Konzert besucht ist. Das stellt einen zum einen vor logistische Probleme, Stichwort Personalplanung, zum anderen aber auch vor finanzielle Probleme, wenn die Abendkasse ausbleibt. Hinzu kommen die gestiegenen Preise für Personal und Material. Nach der ersten Welle der Euphorie folgte dann auch schnell die Ernüchterung. Das Überangebot auch hochkarätiger Shows mit nationalen und internationalen Bands im Saarland und Luxemburg, verbessert die Lage nicht wirklich. Dazu kommen Inflation, Kriegsängste, die anhaltende Lauterbach-Krise und ein generell geändertes Weggehverhalten. Die Unklarheit bezüglich der Corona-Regelungen im Herbst, verschuldet durch eine mangelhafte Politik auf Bundesebene, sorgt zudem für Unsicherheit, sowohl bei uns als Veranstalter, als auch bei unserem Publikum. Trotzdem schauen wir weiter so optimistisch es geht in die Zukunft und arbeiten an einem abwechslungsreichen Programm.“

Gerade sorgsame Programmplanung ist auch im Moment das Gebot der Stunde. Weil in erster Linie kommerzielle Angebote, funktionieren, besteht die große Gefahr, dass interessante Nischenthemen oder die Nachwuchsförderung unter die Räder kommen. Werden also am Ende die Künstler und die Kultur allgemein die Zeche zahlen?

Nach der Party ist vor der Party

Neben den Machern hinter Konzerten und Kulturereignissen gehören auch jede Menge Caterer Eventsveranstalter zur Branche und veranstalten unzählige Firmen und private Feste von der Hausmessen und Präsentationen bis zu runden Geburtstagen und Hochzeiten. Auch wenn in diesem Zweig Kartenvorverkauf und sinkende Besucherzahlen naturgemäß kein Thema sind, so sind doch die Probleme die Gleichen. Alex Perkams von Witt Events kann sich manchmal nur noch wundern:

„Nach zwei Jahren Flaute erleben wir eine verrückte Zeit. Wir müssen plötzlich Kunden absagen, weil uns an diversen Stellen Kapazitäten fehlen. Firmen wie auch Privatpersonen wollen unbedingt Ihre Veranstaltungen bis Oktober durchziehen, weil alle Angst vor Einschränkungen im Herbst haben. Das stellt die Branche vor eine Menge Probleme. Es fängt beim Personal an und zieht sich durch fast alle externen Dienstleister und Lieferanten. Vor drei Jahren konnten uns die Personaldienstleister problemlos mit drei Wochen Vorlauf 40 Servicekräfte zusichern, heute können sie uns keine 10 Leute garantieren. Getränkelieferanten können nicht liefern, weil alle Kühlhänger vermietet sind. Bestellungen von Eventequipment kommen zu spät oder nur teilweise. Zeltbauer, Technikdienstleister, Locations und Caterer sind komplett ausgebucht. Zusammengefasst, die gesamte Branche läuft auf Anschlag und befürchtet, dass es bald wieder sehr ruhig wird. Firmen sagen lieber jetzt schon Veranstaltungen ab als dies kurzfristig im Herbst tun zu müssen.“

Die gleichen Erfahrungen hat auch Andreas Fuhrmeister von „Friends event“ aus Saarbrücken gemacht. Er bringt es auf den Punkt:

„Die letzten beiden Jahre haben die gesamte Branche grundlegend verändert. Als positiv zu werten ist die aktuell gute Auftragslage. Viele Firmen und Institutionen planen wieder Zusammenkünfte und Erlebnisse, sei es für Kunden oder für die eigenen Mitarbeiter. Leider hat die Pandemie die Personalsituation nicht nur bei uns, sondern auch in allen zugehörigen Teilen der Eventbranche verschlechtert. Es sind nicht ausreichend Fach- und Hilfskräfte auf dem Markt verfügbar. Wir arbeiten mit vielen unterschiedlichen Partnern im Bereich der Veranstaltungstechnik, Cateringunternehmen, Gastronomiebetriebe, Personaldienstleister, Dekorationsfirmen, Künstler u.v.m. zusammen, überall sind die Kapazitäten und Verfügbarkeiten am personellen Limit. Traurig ist, dass einige gesunde Unternehmen „den Kampf“ aufgeben mussten, da Mitarbeiter sich nach vielen Monaten der Kurzarbeit, und mit dem Gefühl der Unsicherheit wie es weiter geht, der Branche abgewendet und sich neu orientiert haben. „On top“ gibt es Krankheitsausfälle. Wir sind bei jeder unserer Veranstaltungen mit kurzfristigen Absagen und Ausfällen konfrontiert. Dies führt zu extremen zeitlichen und quantitativen Engpässen. Hinzu kommen Lieferengpässe, die ja überall, nicht nur in der Event-Branche, zu spüren sind. Ich persönlich sehe dem Herbst und dem Winter mit gemischten Gefühlen entgegen. Wenn nun vermehrt den Bürgern geraten wird, sich erneut einzuschränken, nichts mehr zu unternehmen und Zusammenkünfte zu meiden, wird es für uns alle schwer im Winter werden.“

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