Hallo Mikrokosmonauten: Wie hoch ist eigentlich die Mitgliedsgebühr im 5 AM Club?
Ich habe im Leben schon viel ausprobiert. Einen ganzen Tag rückwärts, statt vorwärts gehen, gehörte genauso dazu, wie wochenlang nur grüne Lebensmittel zu essen. Ein paar Mal versuchte ich mich am Kickboxen, aber jedes Mal riss die Hose. Surfen kann ich immer noch nicht, obwohl ich wirklich sehr große Hoffnung hatte, als ich diesen Kurs besuchte. Ich bin der Meinung, dass wir stetig unseren Horizont erweitern sollten. Um uns besser kennenzulernen. Und um zu wachsen. Deshalb habe ich mir neulich vorgenommen, jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen.
Der 5 AM-Club
Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass ich selten Trends nachlaufe, aber in diesem Fall springe ich zumindest mal auf den Zug der Frühaufsteher auf. Der „5 AM Club“ – weder ein avantgardistischer Tanztempel, noch ein mysteriöser Geheimbund – soll angeblich lebensverändernd sein. In diesem Club wird man Mitglied, ohne vorher einen Seelenstriptease hinzulegen oder viel Geld zu investieren. Vielleicht oder gerade deshalb sollte es auch ein Club sein, dem ich ohne Bedenken beitreten kann. Obwohl die Investition dennoch nicht zu unterschätzen ist, denn ein plärrender Wecker ist zuweilen genauso schmerzhaft wie ein exklusives Fitness-Abo.
Bist du Lerche oder Eule?
Zwar sagt man sogenannten Nachteulen nach, sie seien kreativ und intelligent, aber an Willenskraft und Leistungsfähigkeit wird es ihnen wahrlich mangeln, wenn sie nicht zumindest mal versucht haben, sich in eine Lerche, also einen Frühaufsteher zu verwandeln. Ich für meinen Teil bin eher eine „Leule“, was so viel heißt, dass ich ein „Mix aus Lerche und Eule“ bin. Ich versuchte mich dennoch am Frühaufstehen. Zumal 5 Uhr ja auch nicht mitten in der Nacht ist. Oder etwa doch? Wie ambitioniert und gleichzeitig idiotisch es sich anfühlt, an einem saukalten Januarmorgen die Laufschuhe zu schnüren und durch den Ort zu joggen, merkte ich erst, als ich es tatsächlich tat. Dabei soll man laut 5 Uhr-Club diese eine Stunde dazu nutzen, im Zwanzigminuten-Takt irgendwelche Sachen zu machen die mehr Ordnung in Kopf und Gefühlsleben bringen sollen. Also 20 Minuten Sport, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, 20 Minuten Meditieren, um die mentale Gesundheit zu fördern und 20 Minuten, um aufzuschreiben, wie man sich den Tag so vorstellt. Im Optimalfall wäre das einfach „Nichtstun“, aber unser Leben besteht nun mal leider aus mehr als das, von daher soll eine frühmorgendliche To-Do-Liste Wunder bewirken.
Erfinder dieser 5 Uhr-Mentalität ist Robin Sharma, der sich selbst als Philanthrop bezeichnet und ganz nebenbei auch noch Berater von Wirtschaftsriesen, Vortragsredner und Anwalt ist. Seine Bücher sind Bestseller, seine Arbeit wird von Rockstars, Mitgliedern des Königshauses, Milliardären und prominenten CEOs geschätzt. Er hat das frühe Aufstehen natürlich nicht erfunden, aber den Namen „5 AM-Club“ geprägt. Inzwischen steht er sogar noch früher auf und praktiziert diese Lebensart seit mehr als 25 Jahren. Ganze vier Stunden verbringt er laut Business Insider für seine Morgenroutine, die aus Meditation, Sport und Gassigehen mit dem Hund bestehen. Dabei höre er Country Musik und trinke danach noch einen Espresso.
5 Uhr morgens?
„Das hört sich ganz großartig an!“, dachte ich mir und probierte es umgehend aus. Und was soll ich sagen? Um 5 Uhr morgens aufzustehen ist nicht leicht und bevor ihr denkt, ich bin Super-Mel, bin ich lieber ehrlich. Ich habe es nämlich gerade mal zwei Tage durchgehalten. Es mag vielleicht an der dunklen Jahreszeit liegen oder einfach nur an meinem Schweinehund mit Namen Paul Anka, der einst sagte: „Es geht darum, die Trends überdauern zu können.“. Mein Schweinehund tut dies auch. Er ist nämlich immer dann da, wenn ich einem seltsamen Trend hinterherhecheln möchte. Fakt ist: Ich mag eigentlich nicht um 5 Uhr aufstehen. Ich kann es auch nicht. Alles in mir drin schreit: „Das ist bescheuert!“. Und machen wir uns mal nichts vor: Barack und Michelle Obama mögen „5 Am’en“, um gemeinsam Sport zu machen, aber möchte unsereins denn nicht im warmen Bett liegen und sich noch einmal umdrehen wollen? Außerdem verbrennt man im Schlaf doch auch Kalorien und mental ungesund ist ein schöner Traum bestimmt auch nicht. Dennoch komme ich nicht umhin, mich zu fragen:
„Ist die Lerche am Ende nichts anderes als ein kleiner Diktator?“
Zum Verständnis: Lerchen in Menschenform sind Spät-zu-Bett-Geher und Frühaufsteher in einem. Echte Lerchen sind Chefs, die dir vor 9 Uhr morgens Termine in deinen Kalender reinknallen und nach Mitternacht Urlaubsanträge ablehnen. Die Lerche als Vogel wiederum steht nicht aus Ehrgeiz so früh auf, von daher hinkt der Vergleich mit den Geflügelten etwas. Lediglich die Futtersuche treibt sie so früh morgens aus den Federn und so ganz nebenbei fangen sie dabei an zu singen. Wenn unsereins eine doppelte Käsepizza aus dem Ofen holt, können wir uns zuweilen ein „Halleluja“ ja auch nicht verkneifen! Aber zurück zum Club der Frühaufsteher, denn ich wollte euch ja meine Erfahrung mitteilen.
Mein Fazit ist ganz offen gestanden vernichtend. Das ist definitiv nichts für mich. Ich brauche meine Zeit, meine ganz eigene Stunde. Für mich alleine. Aber ich brauche sie nicht mitten in der Nacht! Hinzu kommt, dass die dunkle Jahreszeit nicht unbedingt ein Game Changer ist, wenn es um solche Vorhaben geht. Und Robin Sharma – wohlgemerkt – wohnt in Italien und ich kann mir vorstellen, dass er eine Umgebung sein Zuhause nennen darf, die im Februar seltener von Schneegriesel und nasskaltem Wetter heimgesucht wird. Aber statt zu jammern, sollte ich mich mit den Gegebenheiten abfinden. Es ist einfach nicht jedermanns Sache, früh aufzustehen. Wenn ich jetzt um 5 Uhr morgens wachwerde, erfüllt es mich mit Stolz, meinem Schweinehund Paul Anka sagen zu können: „Lass uns noch ein bisschen kuscheln.“. Und ganz nebenbei finde ich dadurch nicht nur in meine Träume zurück, sondern auch in meine innere Mitte.
Und einfach so bin ich wieder fein mit mir, meditiere vorzugsweise an einem Sonntagvormittag, lebe in den Tag hinein und lasse alles auf mich zukommen. Das habe ich schon immer so gemacht und war auch immer erfolgreich damit. Basta!
Mich würde aber interessieren, wie ihr zu dem 5AM-Thema steht. Eine lebensverändernde Erfahrung oder grenzenlos überbewertet?
Schreibt mir gerne: melanie.hartmann@live-magazin.de