Es ist immer dasselbe. Nichts hätte man dringender gebraucht als einen erholsamen Urlaub mit etwas Abstand vom Alltag und von der überfälligen Steuererklärung. Doch der Blick aufs Konto ließ wieder einmal schnell klar werden, dass es auch diesmal statt für kühlen Wein, Meeresfrüchte und neue Bekanntschaften mit Traummaßen am Strand wieder nur für lauwarmes Bier, Fischstäbchen und alte Bekanntschaften mit Alptraummassen im Freibad reichen wird. Dabei hatte man sich den Urlaub dieses Jahr endlich anders erhofft: Cocktails aus Kokosnusshälften, Bungalow am Meer mit einem Bad unter freiem Himmel und Blick aufs Wasser. Am Ende hieß es dann aber doch wieder nur Sangria aus Bechern, Zelt am Moselufer mit Toilette im Gebüsch und Blick auf eine Kläranlage…
Statt einer flotten, jungen Spanierin, die einem morgens Sekt ans Bett bringt, auch dieses Jahr wieder nur ein flohiger, alter Afghane, der einem ans Zelt pinkelt. Das ist nicht gerade etwas, was bei anderen für Neid sorgt. Offen gestanden ist Neid aber genau das, was uns von unseren Urlauben berichten lässt. Wir wollen beneidet werden. Wer hat nicht schon einmal nach einem Urlaubsziel gesucht und dann die Destination gewählt, bei der der Neidfaktor am größten ist, weil es dort die besten Fotospots für Instagram & Co. gibt? Hawaii kommt eben besser an als Hunsrück. Was also tun, um nach zwei Wochen Abwesenheit im Büro nicht wieder gestehen zu müssen, dass man die freien Tage statt wie die Made im Speck im Paradies wieder einmal wie eine Ratte im Dreck zuhause zugebracht hat…
Das geht sehr wohl und sogar ohne zu lügen. Geschickt ausgewählte Urlaubsdetails sind hier die Lösung, die durch Verzicht auf die eine oder andere Randinformation alles in ein besseres Licht rücken und so für den Neid sorgen, den Urlaubsberichte nun einmal erwecken sollen. Da sich die Bewunderung anderer in Grenzen hält, wenn man berichtet, dass das Essen im Urlaubshotel kaum zu definieren war und einen mit Brechdurchfall auf der Toilette hielt, sollte man lieber von „extravaganten Mahlzeiten“ schwärmen, deren Aroma einem noch Tage später auf der Zunge lag und die einen den ganzen Urlaub über fesselten. Eine romantische Nacht mit Wein am Strand reicht als Information übrigens völlig aus. Keiner muss wissen, dass man sturzbetrunken am Meer eingeschlafen war…
Auch sollte man stets von langen Spaziergängen reden, wenn man den Bus verpasst hatte und daher kilometerweit laufen musste. Und sollte die Urlaubskasse für einen Mietwagen nicht gereicht haben, gilt es, vom tollen Wanderurlaub zu erzählen. Eine mit Kakerlaken verseuchte Absteige wirkt übrigens deutlich netter, wenn man sie als „traditionelle Finca“ beschreibt. Und Baustellenlärm am Morgen klingt als „kostenloser Weckservice“ umschrieben gleich schon wieder beneidenswert. Man sollte auch niemals erzählen, Opfer eines Taschendiebs geworden zu sein, sondern lieber den „Austausch mit den Einheimischen“ betonen. Überteuerte Restaurants sind schlichtweg „exklusiv“, überfüllte Strände „angesagte Hotspots“ und tagelang schlechtes Wetter eine „angenehme mediterrane Frische“…
Mit Details ist also grundsätzlich vorsichtig umzugehen. Man möchte den Zuhörer ja nicht langweilen und ihm noch weniger den Eindruck vermitteln, der eigene Urlaub wäre nichts Besonderes gewesen. Es interessiert niemanden, dass man den Bike-Urlaub in Wirklichkeit auf einem klapprigen Damenrad verbracht hat oder aus dem Hotelfenster zwar auf einen endlosen Strand, aber eben auch auf eine endlose Autobahn davor blicken konnte. Auch Einzelheiten über weibliche Urlaubsbekanntschaften sind nur erwähnenswert, so lange man deren muskulösen Freund nicht anführt, der einem ein blaues Auge verpasst hatte. Die Nachfrage, ob man noch Kontakt zu besagtem Urlaubsflirt hat, kann man ruhig bejahen. Es braucht ja niemanden zu interessieren, dass der Kontakt über den Anwalt läuft…
Was aber tun, wenn man plant, seinen Urlaub zuhause zu verbringen? Von Balkonien oder Terrassien schwärmen? Das blickt doch jeder. Besser ist es da, von einer Safari zu berichten. Wer sagt denn, dass die stets nach Südafrika führen und mehrere Wochen beanspruchen muss? Auf deutschen Campingplätzen gibt es genauso viele exotische Anblicke an nur einem Wochenende zu sehen. Und das statt für einige Tausend Euro für einen Zehner pro Nacht plus 50 Cent für die Dusche. Mit Safari verbindet jeder Abenteuer und Erlebnisse fernab des Gewohnten. Nichts anderes bietet einem ein Campingplatz. Hier hat man die Möglichkeit, befremdliche wie gleichsam faszinierende Arten der Gattung Mensch zu erleben und mit dem Gefühl zu beobachten, fast unter ihnen zu leben…
Kein Zoo ermöglicht, was einem hier ohne Gitter und Käfige geboten wird: Balzrituale, Drohgebärden, Revierkämpfe und Futterneid. Es gibt kaum eine Tierart, die auf einem Campingplatz nicht ihr zweibeiniges Pendant findet. Allein die Spezies Dauercamper lässt keine Zweifel, dass Gorilla, Seekuh und Hängebauchschwein in unseren Gefilden heimisch sind. Hinzu kommen Zugtiere mit gelben Autonummernschildern, die als Einsiedlerkrebse in Schneckenhäusern wie die Heuschrecken einfallen. Sie verhalten sich solange ruhig bis es um Fußball geht und sie ihr normales Gefieder gegen ein orangefarbenes Balzkleid eintauschen. Außerhalb ihrer Behausungen sind sie dadurch zu erkennen, dass sie nüchtern sprechen wie heimische deutsche Arten erst nach einer Kiste Bier…
Trotz nilpferdähnlichem Aussehen und iltisartigem Körpergeruch bleibt der deutsche Dauercamper der Löwe im Campingreich. Er ist das übergewichtige Alphatier des Wohnwagenrudels. Während andere von Revier zu Revier ziehen, wählt er seinen Caravanstandplatz wie sein Grab nur einmal im Leben aus. Er will ungestört sein, was ihn jedoch nicht abhält, jeden anderen zu stören. Er widmet sich am liebsten seinem teppichgleichen Rasen vor dem Vorzelt und seinem Acht-Flammen-Gasgrill, sofern er nicht als selbsternannter Blockwart auf dem Platz für Ordnung sorgt. Sein Weibchen als Kreuzung aus toupiertem Ackergaul und geschminktem Schabrackentapir, löst derweil Kreuzworträtsel, klöppelt Deckchen und hält alle über die Neuigkeiten aus der C-Promi-Klatschpresse informiert…
Anders als bei Löwen in der Savanne markieren Dauercamper ihr Territorium nicht mit Urin, sondern mit Jägerzaun und Gartenzwergen. Diese Reviergrenze sollte niemals überschritten werden. Nichts wird vom Campingplatzhirsch im Feinrippunterhemd weniger gern gesehen als fehlender Respekt. Gnade dem, der sich nicht an Parzellenzuschnitte und Mittagsruhe hält oder gar unwissentlich die Stammdusche eines Dauercampers im Waschhaus belegt. Einem Revierkampf sollte mal als rangniedriger Gelegenheitscamper tunlichst aus dem Weg gehen. Schnell wird man sonst Opfer der Stammgastmeute und findet sich mit seinem Zelt neben den Mülltonnen wieder. Devote Unterwürfigkeit wird dagegen gern gesehen, sofern das Mittel der Unterwerfung kühles Bier ist…
Welchen Campingplatz man sich für seine Eifelsafari aussucht, ist im Grunde egal. Überall werden sich Dinge abspielen, die so unfassbar sind, dass Freunde und Kollegen zuhause einen für diesen Urlaub beneiden werden. Wem Camping im Mittelgebirge um die Ecke jedoch nicht exotisch genug ist, der kann als Safariziel auch einen FKK-Strand an der Ostsee wählen. Dort gesellen sich zu Hängebauchschweinen und Seekühen dann auch noch Buschvögel und Austern. Da kann Mann dann auch mal mehr als nur die Seele baumeln lassen. Eifelsafari… gruenetomaten@live-magazin.de.
Patrik Wolf
P.S. Dürfen Zebras eigentlich überall die Straße queren oder nur an offiziellen Überwegen?