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Titelstory

Einfach Emma

Manchmal ist normal, nicht ganz so normal. Dabei sollte das Ausleben der selbstgewählten Identität, das natürlichste und normalste auf der Welt sein.

Eigentlich ist Emma Lesch eine ganz normale, junge Frau. Die 25jährige hatte eine ganz normale Kindheit und Schulzeit, hat jetzt einen ganz normalen Beruf, ganz normale Hobbys und höchstens die roten Haare stechen etwas heraus. Sie lebt einfach ein ganz normales Leben, fernab aller Extravaganzen und ganz bestimmt nicht so abgefahren wie schrille Drag- und Drama-Queens. Trotzdem wird sie aber immer wieder mit denen in einen Topf geschmissen, nur weil vor langer Zeit Emma einmal Eric war.

Manche Menschen, haben das Gefühl oder sogar die Gewissheit, im falschen Körper geboren zu sein. Dabei geht es um viel mehr als nur Sexualität, es geht um die Identität, um die individuelle Geschlechter-Wahrnehmung eines Menschen. Den Wunsch, losgelöst vom angeborenen „Spezifikationen“ die eigene Identität zu leben, hegen mehr Menschen in Deutschland, als man glaubt. Das zeigt mitunter die Zahl der durchgeführten Geschlechtsumwandlungen. Denn während es im Jahr 2012 „nur“ 883 Menschen waren, die sich einem operativen Eingriff unterzogen, waren es laut des Internet-Portals Statista 2019 bereits 2.324 Menschen, die diesen Weg gingen. Spätestens angesichts der Dynamik, die die UEFA-Regenbogen-Affäre innerhalb kürzester Zeit annahm, wird klar, wie sehr das Thema Diversity die Menschen beschäftig. Ein Teil dieser Kultur sind neben anderen Gruppen selbstredend auch Transgender Personen, nicht zuletzt seit mit Alex Mariah Peter eine Transfrau Heidi Klums GNTM gewonnen hat. Aber die allermeisten der Betroffenen sind keine schillernden Ausnahmeschönheiten, sondern gar normale Menschen, genau wie Emma Lesch.

Ohne besondere Ausfälligkeiten aufgewachsen als mittleres Kind einer sportverrückten Familie, mit einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester, war die Handball-Karriere keine große Überraschung, eher schon die zeitweise Hinwendung zum Fußball. Aber irgendwann drängten die Eltern als Chauffeure auf eine Entscheidung für eine Sportart. Doch sobald der Führerschein bestanden war, wurde für kurze Zeit wieder zweigleisig gespielt. Dann allerdings begann eine Verwandlung und der Punkt war erreicht, auch nach außen dazu zu stehen und dauerhaft als Frau weiterzuleben. Und an Silvester stand dann auf einmal ein Post auf Facebook: „Tschüss Eric, hallo Emma!“

 

L!VE: Wann wusstest du, dass du kein Eric bist?

Emma Lesch: Das Gefühl hatte ich schon ganz früh, mit sechs, sieben Jahren, dass bei mir irgendwas anders ist. Mal stärker, mal weniger, halt phasenweise. Letztendlich ging das sogar bis in die Depression, wo ich mir dann gesagt habe, ich muss es machen, sonst gibt es mich bald nicht mehr.

 

L!VE: Wie viele Menschen hattest Du vorher eingeweiht?

E.L.: Eigentlich gar keinen, weil meine größte Angst auch war, auf Ablehnung zu stoßen. Ich hatte es mal Jahre zuvor meiner besten Freundin anvertraut, da war ich dreizehn. Sie bot an, mir einen Psychologen zu suchen, aber ich dachte eher nicht, weil ich selber noch nicht wirklich wusste, was los ist. Ich konnte mit dem Thema noch nicht wirklich was anfangen, habe mich einfach nur irgendwie falsch gefühlt.

 

L!VE: Wie hat Deine Familie auf den Facebook Post reagiert?

E.L.: Mein Vater hat es mit Humor genommen und halt lachend gemeint: Gott sei Dank bist Du nicht schwul (Emma lacht). Meine Mutter hat es auch gut aufgenommen, war aber die nächsten drei Tage, ziemlich am Boden, weil sie sich Vorwürfe gemacht hat, sie hätte was merken müssen. Aber ganz ehrlich, das hätte sie gar nicht gekonnt. Wenn jemand wie ich, dass so lange versteckt und sein Leben so lebt, wie es von ihm erwartet wird, wie soll das dann auffallen.

 

L!VE: Von welcher Seite kam die meiste Unterstützung?

E.L.: An erster Stelle auf jeden Fall von meiner Familie. Dank deren Unterstützung ging vieles deutlich einfacher. Meine Schwester war ein wenig traurig, dass sie einen Bruder verloren hat, aber mittlerweile ist sie ziemlich froh, mit ihrer neuen Schwester zum Shoppen gehen zu können. Ich hatte tatsächlich auch eine Bekannte kennengelernt, die zu dem Zeitpunkt das Gleiche durchgemacht hat wie ich. Irgendwann waren wir im Nauwieser Viertel einen trinken und haben uns dann ein Stück weit unsere Geschichten erzählt. Das war einfach eine Gelegenheit sich auszutauschen oder auch mal nachzuhören, ob bei ihr irgendwas genauso oder anders ist.

 

L!VE: Hast Du Hilfe von Institutionen in Anspruch genommen?

E.L.: Ich wollte einmal zum LSVD Saar Checkpoint in der Mainzer Straße, aber als ich dann davorgestanden habe, konnte ich nicht reingehen. Es ging einfach nicht, weil ich mir gedacht habe, es gibt nicht nur in der Szene so viele, die das Thema Transgender als Drag Queen Ding falsch verstehen, In so eine Schublade wollte ich nicht gesteckt werden. Das passt auch nicht zu dem, was ich eigentlich bin.

 

L!VE: Wie sahen die Reaktionen am Arbeitsplatz aus?

E.L.: Ich bin nach Ende meiner Ausbildung zu einem neuen Arbeitgeber gewechselt und dort habe ich

erstmal zwei Jahre abgewartet. Als mein Chef mal einen guten Tag gehabt hat, habe ich den richtigen Moment abgepasst, wo ich ihn zur Seite ziehen konnte. Unter vier Augen habe ich ihm dann gesteckt, dass ich mich zwar körperlich verändern werde, aber natürlich meine Arbeit genau so weiter mache wie bisher. Er hat nur gesagt: Gar kein Thema, mach‘ das wie Du das willst!

 

L!VE: Sport, besonders Handball hatte ja immer einen hohen Stellenwert für Dich und viele aus Deinem Verein kannten Dich ja noch von „vorher“. Wie wurde Verwandlung aufgenommen?

E.L.: Eigentlich richtig gut! Ich hatte ein paar Jahre ausgesetzt, aber im ersten Jahr in dem ich als Frau gelebt habe, habe ich wieder regelmäßig mit Handball angefangen. In der letzten Saison vor Corona, haben wir dann den zweiten Platz geschafft, sind aufgestiegen und ich bin Torschützenkönigin der Liga geworden. Die einzige, nicht so tolle Reaktion kam von einem anderen saarländischen Verein, die zuerst noch angefragt hatten, ob ich zu ihnen wechseln wollte, aber als ich das dankend ablehnte, meinten die auf einmal, das wäre ja unfair, dass ich als Ex-Mann da mitspiele. Dabei hatte ich da längst einen ganz offiziellen Spieler*innen-Pass.

 

L!VE: Apropos Pass, wie lange hat es gedauert bis die Formalien erledigt waren?

E.L.: Das war eine ziemlich lange Geschichte. Der erste Akt war, einen kompetenten Psychologen zu finden. Ich musste mindestens 6 bis 12 Monate in psychologischer Betreuung sein. Davon hingen nicht nur die nötigen Gutachten ab, sondern auch der Zugang zu den Hormonen, von denen man auch erst nach einem Jahr wirklich was sieht.  Der nächste Schritt war dann der Antrag auf Kostenübernahme der OP und das war ein bürokratischer Alptraum. Zumindest damals gab es hier am Amtsgericht nur eine einzige zuständige Person. Und die zu erreichen, war eine echte Geduldsprobe. Immer wieder Warteschleife, dann war der nicht im Haus oder im Urlaub. Das hat echt genervt, da man ja die Unterlagen braucht. Dann kam es schließlich zu einer typisch saarländischen Lösung, denn ich kannte da eine, die eine kannte … und am nächsten Tag hatte ich meine Unterlagen. Insgesamt hat die Personenstandsänderung mit Gutachten und Gerichtskosten 1.043 Euro gekostet. Das nur für einen Namen und ein Geschlecht, das dann noch nicht mal im Personalausweis steht, sondern nur in der Geburtsurkunde, die übrigens dann nochmal 15 Euro gekostet hat. Rückblickend kann ich aber schon fast froh sein, dass mich das hier im Saarland nur rund 1.000 Euro gekostet hat. In anderen Bundesländern ist da auch gerne mal das Dreifache fällig. Und seit dem 28.11.2018 bin ich ganz offiziell eine Frau. Dann kam auch die Bewilligung der Kostenübernahme und Ich habe mir vier Krankenhäuser angeguckt, zwei in Essen, je eins in Frankfurt und München, und hatte mich dann für Essen entschieden

 

L!VE: Du hast eigene Erfahrungen in der neuen Identität gesammelt. Hast Du das Gefühl, dass sich der gesellschaftliche Umgang mit Transgender geändert hat?

E.L.: Ich habe durchaus den Eindruck, dass es schon ein steigendes Interesse an dem Thema gibt und auch im Fernsehen mehr und mehr diesbezügliche Dokumentationen gezeigt werden. Das begrüße ich natürlich sehr, denn je öfter die Leute von dem Thema hören und Informationen bekommen, desto einfacher wird die Situation der betroffenen Personen. Dass zum Beispiel bei GNTM eine Transfrau gewonnen hat, war nicht nur wirklich an der Zeit, sondern dadurch bleibt das Thema im Gespräch und so kommen vielleicht noch Leute damit in Berührung, die noch nie davon gehört hatten.

 

L!VE: Gibt es abschließend noch etwas, dass Du Menschen, die am Anfang einer Entwicklung wie Deiner mit auf den Weg geben würdest?

E.L.: Dass sie den Schritt auf jeden Fall gehen, wenn sie sich wirklich sicher sind. Je früher umso besser. Je später das Ganze wird, desto schwieriger wird es auch. Und den Menschen, die zwar nicht selber direkt betroffen, aber an dem Thema interessiert sind oder Fragen zu mir haben, sage ich: Fragt mich doch einfach! Ich tue keinem was und bin dankbar, wenn die Leute zum Beispiel nicht meine Arbeitskollegen fragen, sondern zu mir kommen und ich ein bisschen was über meine Geschichte erzählen kann. Ich habe mich ja jetzt nicht auch um 180 Grad verändert, sondern „nur“ meinen Namen und mein Geschlecht. Ansonsten bin ich der selbe Mensch geblieben.

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