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Titelstory

Frau Paulus schreibt

L!VE 01-2021 // Interview G. Paulus

 Horror, Fantastik, Sex & Crime sind ihre Themen und die machen Germaine Paulus zu einer der interessantesten Autorinnen in unserer Stadt. Wer sie kennenlernt, der vergisst sie nicht, was neben ihren Texten vielleicht auch ein kleinbisschen an ihrem unverwechselbaren Lidstrich liegen mag.

 

Über sich selbst schreibt sie: „Germaine Paulus wurde geboren. Dann wurde sie zwölf, war unglücklich verliebt und begann Gedichte zu schreiben. Inzwischen ist sie alt, verheiratet und schreibt Crime. Oder Horror. Oder Fantastik. Auch mal lustig. Aber meistens nicht. Sie ist Mitgründerin und Herausgeberin von “Deadline – das Filmmagazin”, hat eine Schwäche für Cushings Frankenstein, Jeremy Bretts Stimme und schlechte Witze. Sie lebt und arbeitet in Saarbrücken. Manchmal spielt sie dort auch Blockflöte.“ Gut, die Blockflöte ist eine Geschichte für sich, die es an anderer Stelle aufzugreifen gilt.

 

Was die diplomierte Kommunikations-Designerin aber dabei unterschlägt, ist die gemeinsame Gründung des Verlags „The Dandy is dead“ mit ihrem Mann Anfang 2018. Ein Verlag, der (Zitat): „… sich dem widmet, was neben der Straße liegt. Roadkill-Literatur. Aber auch dem, was in die nächste Stadt fährt und auf die Kacke hauen will. Ein Verlag, der abseitige Schriften ebenso sehr liebt wie Pistazien-Eis. Wundervoll, schräg, blutig, seltsam, sinnlich.“ Insgesamt knapp drei Dutzend Autoren bietet sie hier eine literarische Heimat.

Nach den übrigens mittlerweile überarbeiteten „Pfuhl“ und „Und die Moral“ ist dort jetzt mit „Ohnmacht“ ihr mit Spannung erwarteter dritter Roman erschienen, der nach immerhin sechzehn Jahren Unterbrechung die Reihe um Hauptkommissar Gerd Wegmann fortsetzt. Ein willkommener Anlass der Verfasserin einen Besuch unter den Dächern des Nauwieser Viertels abzustatten.

 

L!VE: Am Anfang war der Liebeskummer?

Germaine Paulus: „Das ist glaube ich ganz normal, wenn man mit zwölf, dreizehn das erste Mal so richtig schlimm verliebt ist. Dieser innige Schmerz, der muss halt raus. Ich hab‘ die Sachen auch alle noch, bin aber sehr froh, dass keiner weiß, wo. Mitte/Ende der Achtziger war ich schon sehr früh sehr umtriebig. Mit 15, 16 war ich dann voll am Start mit Gloria, Sound und Heaven, immer schwer auf Achse und halt immer lang weg. In der Zeit habe ich eigentlich auch nicht groß geschrieben. Erst später wieder im Rahmen des Studiums, weil ich bei Kampagnen auch immer Text dazu gemacht habe.“

 

L!VE: Wie gerietst Du dann auf die dunkle Seite?

GP: „Das ging auch so mit 13 los. Ich war schon immer Horror affin. Zuerst Groschenromane, Film sowieso, und dann kamen die Bücher. Immerhin war ich auch mal im Clive Barker Fanclub. Ich hatte schon immer so ein „dark“ Ding, war aber nie Grufti. Und dann fängst du halt irgendwann an, dich in dem Bereich zu versuchen. Bei mir ging es noch im Studium mit Kurzgeschichten los, bisschen fantastisch, und ziemlich surreal.“

 

L!VE: Der erste Roman war dann nur eine Frage der Zeit?

GP: „2002 hab‘ ich dann „Pfuhl“ geschrieben, der eigentlich nur was Kleines werden sollte. Damals gab es ja in jedem Büro Kopierer und vor allem Faxgeräte. Ich stand mit einer Kollegin in der Küche der Agentur, in der ich zu der Zeit als Texterin und Konzepterin gearbeitet habe, am Kopierer und angeregt durch die damals üblichen Faxverteiler, entstand die Idee einen Fax-Krimi zu machen, wo man dann jeden Tag – per Fax – nur ein Kapitel bekommt. Deswegen ist der „Pfuhl“ in seinem ersten Akt auch so kurz in den Kapiteln. Eigentlich hätte der Roman mit diesem ersten Akt auch schon beendet sein sollen, aber ich hab‘ so viele positive Rückmeldungen erhalten, weil ich die Sachen immer direkt verteilt habe und nichts in der Schublade habe liegen lassen. So habe ich weiter und weiter gemacht – und knapp vier Monate später war der Roman fertig. Dann hab‘ ich so Bock gehabt, dass ich gleich den zweiten geschrieben habe – und der ist dann ganz dick geworden.“

 

L!VE: Und so ging’s dann nahtlos weiter?

GP: „Nee, dann war für ‘nen Moment Schluss, weil zeitgleich die Arbeit an der „Deadline“ mit Andreas Peter und Yazid Benfeghoul angefangen hat. Da hatte ich einfach zu viel zu tun. Und sich selber zu vermarkten ist schon scheiß schwer. Aber jetzt mit „The Dandy is dead“ kam das alles wieder. Als ich letztes Jahr „Und die Moral“ nochmal komplett überarbeitet habe, da habe ich gemerkt, ich muss weitermachen. Dann kam „Ohnmacht“, mit dessen Plot ich 2019 im Sommer angefangen habe. Eigentlich schreibe ich lieber einfach so gerade raus, aber wenn du Crime machst, muss es ja schon irgendwie schlüssig sein. Im Januar 2020 habe ich dann angefangen zu schreiben.“

 

L!VE: Ein Teil Deines hohen Bekanntheitsgrades ist ja auch Deinen vielfältigen „live“ Aktivitäten von Lesungen und PubQuiz bis zur Autorenbühne „Unterdeck“ geschuldet, was aktuell leider ausfallen muss.

GP: „Bühne ist einfach geil. Ich war auch mal Frontfrau, bei „Spy vs Spy“, und hab gesungen. In der Agentur war ich meistens im Präsentationsbereich. Ein klitzekleines Mikro-Filmfestival hab ich auch mal auf die Beine gestellt, da haben wir sogar in einem Beerdigungsinstitut gescreent. Ich agiere sehr gerne mit Leuten … Hm, wo ich gerade ein Beerdigungsinstitut erwähnt hab, kommt das vielleicht ein bisschen komisch rüber … Aber Zuschauer hatten wir da ja auch, und es ist besonders schön, wenn das Publikum mitmacht. Das ist gerade das, was im Moment so fehlt. Online und Streaming ist zwar auch super, hat aber Vor- und Nachteile. Klar erreichst du Menschen, die weit weg sind, die dich nie hätten gucken können, weil sie nicht vor Ort sind. Mir ist dabei völlig egal, ob einer oder hundert zusehen. Ich lese auch für einen, wenn der oder die Lust drauf hat, dann ist das doch toll und freut mich sehr. Aber wenn du mit dem Publikum interagieren kannst, wenn die Leute reagieren, du sie siehst und fühlst – oder auch riechst, manchmal – das ist schon was ganz anderes. Ich find Menschen ja voll gut, bin ja Menschenfreund.“

 

L!VE: Zurück zur Schriftstellerei. Täuscht der Eindruck, dass Du nur nachts schreibst?

GP: „Nee, ich bin schon nachtaktiv. Mein natürlicher Biorhythmus ist einfach so. Für mich ist es das Beste, wenn ich gegen drei, vier Uhr oder so ins Bett komme. Ich schlaf dann auch nicht arg lang, bin kein Langschläfer, das ist mein Vorteil. Ich kann tagsüber meine „normale“ Arbeit machen, für die „Deadline“ und was ich freiberuflich als Texterin so tue. Aber nachts mach ich dann meins. Ich brauch‘ halt die Ruhe, aber trotzdem auch die Stadt als Hintergrund-Brummen. Das finde ich sehr beruhigend. Ich bin sehr verliebt in urbanes Leben, wie man ja auch in meinen „Saarbrücken, my love“ Texten erkennen kann. Darauf, dass es im Augenblick nachts so ruhig ist, komm ich überhaupt nicht klar.

 

L!VE: Hast Du eine bestimmte Methodik oder feststehende Rituale, wenn Du schreibst?

GP: Bei mir ist es so: Wenn ich schreibe, bin ich voll im Tunnel. Natürlich habe ich Parameter, an denen ich mich orientiere, aber sonst ist das schon alles im Fluss. Es kann auch sein, dass ich die Zeit völlig vergesse. Da ist es möglich, dass ich wahnsinnig lang an drei, vier Seiten schreibe oder zehn, fünfzehn Seiten in einem raushaue. Stellenweise guck ich mir im Nachhinein meine Sachen an und weiß selber nicht mehr so genau, wie ich das gemacht habe.

 

L!VE: Bei Dir läuft ja eigentlich immer Musik, auch während Du schreibst?

GP: Ja, dazu mache ich mir Playlists, die während der Entstehung eines Buches ständig ergänzt werden und dann immer und immer wieder laufen. Ich hab’ im Prinzip so was wie Soundtracks für die Bücher. Da gibt’s für mich auch Titeltracks, die irgendwie einfangen, was das Buch ist, wie es sich anfühlt für mich. Aber eigentlich träume ich davon, ein Cottage zu haben, wo ich im Tweed-Kostüm Rosen züchte und nachts schreibe ich dann dreckige Sex-Nummern.

 

L!VE: Du beschäftigst Dich allein schon wegen der „Deadline“ intensiv mit fantastischen Filmen oder Thrillern und schreibst ebensolche Romane. Wann fügt sich da das eine zum anderen? Ist da das erste Drehbuch nicht vorprogrammiert?

GP: Ich kenne viele Leute aus der Filmbranche und wurde auch schon ein paar Mal gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eins zu schreiben. Meine Antwort war immer „Nein“, aus einem ganz einfachen Grund: Ich kann es nicht! Das ist was ganz anderes als einen Roman zu schreiben. Ein großer Unterschied zwischen Buch und Film ist, dass du im Buch in die Charaktere reingucken kann, wenn der Autor dich lässt. Im Film muss das ein Schauspieler mit Mimik und Gestik transportieren oder eben ein Off-Sprecher. Und da ich geschriebene Sprache so toll finde, wäre das für mich mehr als schwierig. Ich hätte zwar irgendwo schon Bock, es mal zu versuchen, aber ich hab‘ so viel Ehrfurcht vor dem Drehbuchschreiben … Ich hab‘ das zwar schon mal nur für mich probiert, hab‘ aber gemerkt, das ist nicht so meins. Aber abgesehen davon, natürlich fände ich es geil, wenn meine Stoffe verfilmt würden. Immerhin habe ich die alle sehr, sehr lieb, meine Babys. Beim Cast würde ich dann vielleicht gerne mitreden. Vor allem bei der Besetzung von Gerd Wegmann“ (lacht)

Die nächste Veröffentlichung von Germaine Paulus werden ihre gesammelten „Saarbrücken, my love“ Texte sein. Da die aber für sie eine sehr „umarmende“ Angelegenheit mit sehr viel Nähe sind, kommen die allerdings erst dann, wenn „…wir alle geimpft sind und ich die ersten Leute ablecken kann, wenn ich sie sehe.“

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