Im Winter 2013 lag Phil Sahner, Sprössling einer alteingesessenen Saarbrücker Familie, nach einer schweren OP im Krankenhaus und scrollte durch seinen Facebook-Account. Immer wieder stieß er auf Seiten, die über Hilfe für Obdachlose berichteten, so auch den sogenannten Kältebus. Phil wollte sich näher informieren und seine Hilfe anbieten, seine Kontaktversuche liefen jedoch ins Leere. Nach weiterer Recherche fand er heraus, dass das Projekt in Saarbrücken eher auf dem Papier existierte. Kurzerhand nahm er sich der Sache an und gründete den Verein Kältebus e.V. Schnell fand er Menschen, die ihn unterstützen wollten und dieses Jahr geht der Kältebus bereits in seine siebte Saison.
Ich treffe Phil Sahner vor dem Standplatz des Kältebusses am Holzbrunnen in der Nähe des Römerkastells. „Wo ist denn der Bus?“ frage ich ihn nach der coronakonformen Begrüßung und er lacht. „Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal ein Zelt, da die aktuelle Situation den Bus unmöglich gemacht hat. Dort können wir die Abstände nicht einhalten, das ist mit dem Zelt wesentlich einfacher.“ Vor Corona kamen in den Wintermonaten allabendlich um die achtzig Menschen zum Bus, dort wurden sie verköstigt und die von der saarländischen Bevölkerung großzügig eingehenden Spenden verteilt. Die obdachlosen Menschen nutzten den Treffpunkt, um sich am Feuer zu wärmen und soziale Kontakte untereinander und mit den Helfern zu knüpfen. Einige blieben zum Übernachten, die meisten haben ihre eigenen Schlafplätze, an denen auch ihre Habseligkeiten untergebracht sind. „Wir kümmern uns um jeden, der zu uns kommt und unterscheiden nicht zwischen obdachlos und Hartz IV oder sonstigen Bedürftigen. Wer kommt, wird im Rahmen unserer Möglichkeiten versorgt.“ Dieses Jahr sieht das Konzept etwas anders aus, da die Menge der Menschen nicht mit dem Bus zu stemmen war.
Wir halten unsere Hände unter die gespendeten Desinfektionssäulen im Eingang und Phil führt mich in das muckelig warme Zelt. Er deutet stolz auf die silbrig glänzenden Polyethylen-Iglus, die in Reih und Glied an den Wänden aufgebaut sind. „Dieses Jahr haben wir achtzehn Schlafplätze geschaffen. Diese Iglus wurden von einem französischen Designer entworfen und als gemeinnützige Organisation konnten wir sie unter bestimmten Auflagen erwerben. Sie bleiben im Zelt und werden von uns beaufsichtigt, gewartet und gereinigt und sind richtig bequem und warm.“ Neben den Schlafboxen stehen Plastikkästen für die Schuhe und nachts so mancher Einkaufswagen mit dem Hab und Gut des Gastes. „Das über 100 Quadratmeter große Zelt wird stündlich mit 8.800 Kubikmetern warmer Frischluft versorgt.“ Phil wirft mir noch mehr Zahlen an den Kopf und an seiner Begeisterung merke ich, wie sehr ihm das Projekt am Herzen liegt und wie groß sein Engagement ist. Er investiert nicht nur Zeit, sondern ist mit echter Hingabe dabei. Er betont aber auch, dass der Kältebus nur ein Zusatzangebot zu bereits bestehenden Hilfen für Bedürftige sei. „Das Saarland ist, was das angeht, in Deutschland mit am Besten aufgestellt. Es gibt die Notschlafstelle, das Bruder-Konrad-Haus oder auch die AWO. Wir können nicht alles leisten, da wir uns rein ehrenamtlich betätigen und keine Sozialarbeiter sind, die den Menschen bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche helfen können.“
Phil zeigt mir den Bauwagen, in dem die Essensspenden untergebracht sind, den Küchenwagen und den überdachten Essplatz, der mit Abstandshaltern ausgestattet ist. Alles ist zwar einfach, aber sehr sauber und aufgeräumt. Es wird langsam dunkel und ich frage Phil, wann denn die ersten Gäste eintreffen. „Wir öffnen von 21.00 – 6.00 Uhr, in dieser Zeit sind immer Ehrenamtliche vor Ort, die die Arbeit hier übernehmen.“ Die freiwilligen Helfer sind überhaupt das A und O des Projekts. Ohne sie wäre die Aufgabe nicht zu bewältigen. Phil erklärt mir, dass der Verein ca. 100 Helfer gewinnen konnte, die er auch dringend benötigt. Pro 3-Stunden-Schicht am Holzbrunnen sind drei Mitarbeiter vor Ort und das jeden Abend von Dezember bis März. „Die meisten sind berufstätig und kommen nach ihrer Arbeit hierher“, erklärt mir Phil. „Dazu kommt der sogenannte Bollerwagen, mit dem wir in zwei Teams plus einem Nachschubfahrer jede Nacht mit Essen an die Punkte fahren, wo wir Obdachlose antreffen, um sie dort zu versorgen. Dann gibt es Menschen, die die nicht unerheblichen Einkäufe im Supermarkt und beim Bäcker übernehmen, da kommt schon einiges an Arbeitszeit zusammen. Ich bin sehr dankbar für jeden Freiwilligen, der sich für uns die Nächte um die Ohren schlägt.“
Neben den freiwilligen Helfern sind Geldspenden wichtig, so hat der virtuelle St. Ingberter Solilauf im Dezember stolze 27.000 € erbracht, wie Phil mir beeindruckt berichtet. Kleiderspenden sind eher problematisch, da diese einen hohen Platzbedarf haben, sowie schwierig zu sortieren und an den richtigen Mann oder Frau zu bringen sind. „Textilien kaufen wir lieber individuell in der passenden Größe, den warmen Anorak oder die Unterwäsche besorgen wir von den Geldspenden. Das vereinfacht den Aufwand und garantiert geeignete Kleidung.“
Abschließend frage ich Phil, woher sein leidenschaftliches Engagement rührt. „Ich selber bin mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden und fühle mich moralisch verpflichtet, davon etwas zurück zu geben,“ erklärt er schlicht. Chapeau, Phil!
Falls ihr helfen möchtet, wendet euch am besten an:
Facebook: Kältebus Saarbrücken
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