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Amazone im Schneckenhaus

Hallo Mikrokosmonauten: Welche Mondgöttin ist eure?

Mein Sternzeichen ist Widder. Ich bin da ziemlich stolz drauf, weil Widder so unglaublich stark und taff sind. Sogar so stark, dass man sie regelmäßig mit Chuck Norris vergleicht. Oder mit einer wilden Amazone. Kein Scherz, denn neulich las ich in einer spirituellen Zeitschrift, dass – ja, ich bin so eine, die an Flughäfen noch ganz altmodisch Illustrierte für die Reise kauft – meine dem Sternzeichen zugewandte Mondgöttin Hippolyte ist, die Amazonen-Königin schlechthin! Furchtlos, echt, wild und nach Gerechtigkeit strebend. Der Beschreibung nach brauche ich kein Gefährt, um von A nach B zu kommen. Ich bin so ungezügelt, groß und genial, dass ich sogar fliegen kann.  Aus Normen ausbrechend wäre das zumindest der erste folgenrichtige Schritt! Aber trotz all dieser Agilität, des Mutes und Kampfgeistes frage ich mich:

Warum fühle ich mich so schwach?”

Es gibt Tage, da kann ich mich kaum auf den Beinen halten. Da fühle ich mich mit meinen ganzen Ein Meter Fünfundsiebzig wie ein hutzliger Hobbit inmitten von furchteinflößenden Orks. Da halte ich meinen Obsidian-Schutzstein so lange in meiner Hand, bis er ganz heiß ist, in der Hoffnung, er beschütze mich vor all dem Bösen da draußen. Manchmal wird mir ganz schwindelig, wenn ich an das Leben und die Welt da draußen denke. Und dann verkrieche ich mich in mein Schneckenhaus, will alleine sein und einfach nur Musik hören. Ich fühle mich dann wie dieser Teenager, der ich vor… ähm fünf Jahren war. Und wenngleich ich es heute besser wissen müsste, mag ich mich trotzdem in meiner dysphorischen Phase suhlen und einfach nur leiden!

Hippolyte, wo bist du?

Ach, was bin ich wieder erregt heute! Aber geht es euch nicht manchmal auch so? Wollt ihr zuweilen nicht auch alles hinschmeißen, euch in eine Ecke verdrücken und einfach losheulen? Stattdessen ist aber die Katze im Ofen und der Kuchen hat auf den Teppich gekotzt oder umgekehrt. Oder man ist halt gerade einfach auf der Arbeit und darf nicht zusammenbrechen! Wo ist diese verdammte Hippolyte in diesen Momenten? Wo hat diese Kuh sich versteckt? Ich frage mich manchmal sowieso, wann wir angefangen haben, zu glauben, wir wären frei und könnten jederzeit tun und lassen, was wir wollen. Gar nichts sind wir. Nähmen wir uns die Freiheit im Supermarkt inmitten von Einwegflaschen und Naturjoghurt einfach loszubrüllen wie eine Furie im Fegefeuer, würde man uns ganz schnell in unsere Schranken weisen. Und würden wir immerzu raushauen, was wir gerade denken und fühlen, könnte ich mir vorstellen, dass wir ziemlich einsam in einem Wald leben. Stattdessen müssen wir tagtäglich funktionieren und Schwäche, wenn überhaupt nur dann zeigen, wenn es Richtung Mittagspause geht und wir in der Schlange der Kantine ganz theatralisch ein “Ich sterbe fast vor Hunger!”, raushauen.

Aber mir reicht es jetzt! Denn mit der Exzentrik einer Nina Hagen will ich ja gar nicht angepasst sein. Im Gegenteil: Ist mir doch wurscht, ob man mein Verhalten als zu schwach, zu stark, zu verrückt oder zu verschroben empfindet. Ich bin es mir einfach wert, mich so zu zeigen, wie ich bin. Vielleicht hat sich Hippolyte das auch genauso für mich ausgedacht. Und auch wenn ich sie nicht sehe, ist sie dennoch immer da. Und ich komme nicht umhin mich zu fragen:

Kann Schwäche Stärke sein?

Machen wir uns nichts vor: Natürlich ist es viel schöner, wenn wir wie unbändige Krieger durch die Welt marschieren, den Blick immer geradeaus gerichtet. Fokussierend, visualisierend, manifestierend! Unerschütterlich und am Ende ungeachtet aller äußeren Einflüsse immer als strahlende Sieger dastehend. Aber die Wahrheit sieht leider ganz anders aus. Und dennoch bin ich der Meinung, dass wir erst durch gewaltige Tiefpunkte und den damit verbundenen schwächlichen Momenten zu jenen wilden Amazonen heranreifen, die wir schlussendlich werden. Da gibt es zum Beispiel diese eine Frau und ich will verflucht sein, wenn nicht jeder in seinem Umfeld genau diese Frau oder auch Mann hat, die/der ähnliches erlebt hat wie diese, von der ich hier erzähle. Diese Frau hatte Träume, fand die große Liebe und hatte enormes Glück, all das zu realisieren, was sie sich erhofft hatte. Sie baute sich mit ihrer großen Liebe eine Existenz auf, eine gut gehende Firma. Eine Zeitlang ging alles gut. Urplötzlich aber starb ihr Mann, ihre einzige, wahre Liebe. Weil sie es alleine nicht schaffte, ging sie mit ihrer Firma pleite und zu guter Letzt nagte sie am Existenzminimum und wusste weder ein noch aus. Mit gebrochenem Herzen und nicht wissend, wie es weitergehen sollte, schleppte sich diese Frau durch die tristen Tage und weinte sich durch die noch dunkleren Nächte. Aber da war etwas, was sie nicht vollends untergehen ließ, nämlich eine kleine Flamme in ihrem Inneren, die wie ein dünnes Stimmchen zu ihr säuselte: “Reiß dich zusammen und genehmige dir von deinen letzten 4 Euro 99 sofort einen XXL-Döner, denn du siehst verdammt hungrig aus!”. Wir wissen nicht, ob diese Frau vom Sternzeichen Widder war oder ob diese innere Stimme Hippolyte hieß, aber Fakt ist, dass sie irgendwelche Kräfte mobilisierte, von deren Existenz sie bis dato nichts gewusst hatte. So oder so ähnlich müssen sich Überlebende der Titanic gefühlt haben, die einfach so den Entschluss fassten, heute nicht zu sterben! Jedenfalls manifestierte diese Frau ihre Visionen. Und die lauteten, sich verdammt nochmal aufzuraffen, die Frisur zu richten und weiterzumachen! Scarlett o’Hara hatte es geschafft, Tina Turner und sogar Edith Piaf, wenngleich sie nach dem Tod ihrer großen Liebe noch mehr dem Alkohol zugetan war als vorher. Aber sei es drum, allesamt machten weiter und trotzten den Stürmen, die sie umzuwerfen drohten!

Und einfach so ging es wieder bergauf.

Ich meine, schlussendlich ist die größte Manifestation die, wenn die Visionen Gestalt annehmen, oder? Okay, ich spreche wieder in mikrokosmonautisch, aber wenn ich von einer Idee so dermaßen eingenommen werde, dass mir schwindelig wird, kann man mir manchmal nur schwer folgen. Was ich damit meine ist, dass man die beste Version von sich selbst erst dann werden kann, wenn man ablegt, wer man war! Und unter uns Amazonen: Der größte Kampfgeist nutzt uns nichts, wenn wir Schwäche nicht zulassen. Das ist wie beim Niesen. Unterdrückt man es, hat man das Gefühl, zu implodieren. All unsere Facetten müssen nach außen, das ist einfach ein Fakt, dem wir nicht widerstehen dürfen.

Am Ende ist es doch so: Hippolyte und ich, das ist sowas wie Doktor Jekyll und Mister Hyde. Die eine kann nicht ohne die andere und wenngleich ich oft das Gefühl habe, dass sie gerade meilenwert entfernt scheint, so versteckt sie sich gerade nur, wie die Sonne hinter einer Wolke. Wir sind allesamt stark. Stärker als wir glauben!

Rücken

Hallo Mikrokosmonauten: Wer sich gern bückt, dem tut der Rücken nicht weh

Neulich machte ich Yoga. Dass das nichts Ungewöhnliches ist, ist klar, denn viele machen Yoga. Ich mache gerne Yoga, denn es beruhigt mich und lässt mich meine innere Mitte finden. Kurzfristiger Ausstieg aus dem Alltag? Ein paar Asanas inklusive Cobra, Hund und Krähe und zack fühlt man sich wie neugeboren! Sofern man sich nicht selbst gnadenlos überschätzt. Daher war es absehbar, dass mal wieder was passierte. Wisst ihr, ich mache seit Jahren Sport. Ich liebe es, mich selbst bis an meine Grenzen zu treiben. Ich schwimme, jogge und fahre Rad. Oft sogar ohne Helm, denn ich lebe gefährlich! Was soll ich sagen, es ist mir noch nie etwas passiert bis auf ein paar harmlose Stolperer über Wurzeln und diverses Geäst. Dass ich aber gleich zwei Mal einen Mediziner zu Rate ziehen musste, nachdem ich vermeintlich entspanntes Yoga praktiziert hatte, brachte mich zum Staunen und ließ mich nicht minder verwundert zurück. Der erste Unfall ereignete sich, als ich beim Schulterstand in eine unbeabsichtigte Rückwärtsrolle verfiel und mir dabei eine Ecke meines Zahnes abbrach, das zweite Dilemma passierte beim eher harmlosen Krieger, als ich mir den Rücken so dermaßen überdehnte, dass ich mich auf der Pritsche eines Chiropraktikers wiederfand. Da dieser Vorfall noch nicht allzu lange her ist, plagt mich der Rücken noch immer. Ich laufe mehr oder weniger geduckt und fühle mich älter denn je. Dabei brüste ich mich doch seit jeher damit, problemlos eine Schlangenfrau sein zu können, hätte ich dieses Talent früh genug ausgebaut. Und jetzt? Aus der biegsamen Blondine ist binnen kürzester Zeit die Schwester des Blechmannes aus dem Zauberer von Oz geworden! Und ich frage mich: Hat sich da etwa der Hochmut auf meinem Rücken breit gemacht?

Ein deutsches Sprichwort sagt: “Auch dem Sorglos scheinenden krümmt sich oft der Rücken.”. Und es stimmt. Wenngleich ich genau weiß, warum ich derzeit in hölzernen Bewegungen voranschreite, überrascht es mich umso mehr, weshalb ich gerade in stressigen oder anstrengenden Zeiten zuweilen das Gefühl habe, mir säße eine schwere Last auf den Schultern. Zwar ist dieser Schmerz etwas völlig anderes, aber weh tut es trotzdem. Nicht umsonst sagt man, Sorgen sitzen oft im Nacken und im Kreuz. Es scheint, als wenn Glück und Unglück nicht nur nah beieinander liegen, sondern sich auch oft einen Rücken teilen. Ohne erkennbaren Grund und ohne, dass ich mich in opulenten turnerischen Figuren verbiege, zwickt es bei mir des Öfteren. Und ich bin damit nicht alleine. Mediziner gehen davon aus, dass etwa bei 85% aller Rückenschmerzen geplagten Menschen keine rein körperliche Ursache dahintersteckt. Vielmehr werden diese Schmerzen durch die Psyche beeinflusst und verstärken sich, je mehr und länger die Seele leidet. Chronische Schmerzen sind die Folge.

Yoga als Schmerztherapie?

Glaubt mir, Yoga mag zwar die Gedanken frei machen und die Seele in Einklang bringen, aber dass es mich körperlich so dahinrafft, hätte ich nicht gedacht. Als ambivalenter Yogi stehe ich also im Zwiespalt. Während ich also mit der Pein im Rücken darüber sinniere, wie ich mich in Zukunft sportlich betätigen könnte, ohne größeren Schaden zu nehmen, denke ich außerdem über Schmerz in seiner ganz erlesenen Art nach. Schmerz in Reinform ist mit unserem Gehirn verknüpft. Das Hirn bestimmt also, wie intensiv wir Schmerz empfinden sollen und wie lange. Was aber viele nicht wissen: Unser Nervensystem kann das Leiden erlernen und die Intensität steuern. Und schlimmer noch: Besonders effizient speichert das Gehirn Schmerz, wenn es die körperliche Belastung mit negativen Gefühlen wie Ärger, Trauer, Angst oder auch Stress verknüpfen kann. Das Schmerzgedächtnis ist also ein ziemlich übler Zeitgenosse, besonders dann, wenn wir ohnehin gestresst oder unglücklich sind.

Jeder Schmerz ist anders

Und jeder braucht unterschiedlich lange Zeit, um Schmerzen zu kurieren. Komischerweise wissen Forscher nicht erst seit gestern, dass ein generell glücklicher und ausgeglichener Mensch eine Operation wesentlich leichter ertragen kann, als jemand, dessen Leben gerade etwas aus den Fugen geraten ist. Seelisches Gleichgewicht ist ein enorm wichtiger Punkt beim Auskurieren von Krankheiten und diversen anderen Wehwehchen. Faktisch kann der Tod eines geliebten Menschen sogar eine schmerzhafte Krankheit auslösen oder eine bereits bestehende verschlimmern. Und wieder einmal bestätigt sich die Annahme, wenn du eh schon ganz tief unten bist, gibt es immer nochmal eine Falltür, die dich noch tiefer abstürzen lässt.

Aber ich möchte hier nicht allzu dramatisch werden, ich habe schließlich nur eine Yoga-Verletzung, Herrgott nochmal! Übrigens: Mittlerweile berücksichtigen viele Schmerztherapeuten bei der Behandlung von Rückenleiden die Psyche der Betroffenen. In diversen Schmerzzentren arbeiten Fachärzte für Orthopädie mit Psychologen zusammen. Wer an einem solchen Schmerzprogramm teilnimmt, bekommt nicht einfach irgendwelche Pillen, sondern lernt im Gespräch mit den Therapeuten, wie sich der Teufelskreis aus Schmerzen, Angst und immer mehr Schmerzen durchbrechen lässt.

Seien wir doch ehrlich: Ob Rücken oder Kater nach durchzechter Nacht. Ein erlauchter Kreis aus qualifiziertem Personal inklusive Koch und Kissenaufschüttler ist Gold wert, wenn man im Nu wieder im Rampenlicht stehen möchte. Ich weiß ja nicht, wie ihr es handhabt, aber ich bevorzuge ein wohlklingendes Glöckchen, welches sich zur linken auf meinem Nachttisch befindet. 

Am Ende ist es doch so: Ein negatives Mindset hat beim Auskurieren von Rücken so gar nichts zu suchen. Statt rumzujammern, wie weh er mir tut, sollte ich mich aufraffen und daran denken, wann ich wieder startklar fürs nächste Training bin. Im Zweifelsfall trinke ich ein paar Aperol, das soll den Schmerz ja bekanntlich ein wenig lindern. Allerdings bleibe ich in Zukunft dann doch wieder bei den weniger gefährlichen Sportarten wie Fallschirmspringen, Wellenreiten und Basejumping. Da kann wenigstens nicht viel passieren.

Als Günther Jauch mich rettete

Hallo Mikrokosmonauten: Licht. Kamera. Lampenfieber.

Es war irgendwann in den 2000ern als ich inmitten der Menge vor Frankfurts angesagtestem Club stand und Radu Rosetti – der Chef himself nach draußen trat, sich auf ein Podest stellte und mit seinem spitzen Kinn und verwegener Arroganz auf einige wenige Leute wies, um ihnen die Ehre zu erweisen, einzutreten. Für andere war es irgendein Club von unzähligen Clubs auf der Welt, aber ich wollte jetzt genau dort rein! Es gab für mich keine andere Option. Und immer, wenn es für mich ums Ganze geht, verändern sich die Schwingungen um mich herum. Vielleicht ist es dieser Urinstinkt in mir, die Dinge genau jetzt und hier mit all der mir zur Verfügung stehenden kosmischen Energie zu beeinflussen. Und da ich seit jeher der Meinung bin, dass man das Schicksal definitiv zu seinen Gunsten drehen kann, passieren die Dinge schlussendlich auch so, wie ich es erhofft habe! „Und du!“, hörte ich Radu Rosetti sagen, sein Kinn in meine Richtung weisend. Und ich stolzierte. Mit wackeligen Knien zwar, aber es war ein eindeutiges Stolzieren. Ein herzrasendes, unsicheres Stolzieren. Da staunte ich mal wieder über mich selbst, dass ich es wirklich geschafft hatte. Aber merkte, dass ich zwar durchaus an kosmische Energie glaube, aber zuweilen weniger an mich und meinen Erfolg.

Erfolg – ein Mix aus Charme, Glück und Können

Damals war es ein Club in Frankfurt, heute sind es andere Bretter, die meine Welt bedeuten. Und trotzdem stehe ich immer wieder auf wackeligen Beinen, sobald ich sie betrete. Weil ich zweifle und mitunter auch verzweifle. Dabei stehen die Zeichen eigentlich meist auf Top statt auf Flop. Eigentlich weiß ich auch, dass ich durchaus erfolgreich sein kann. Ich glaube nur zu selten daran. Immerhin kann ich aus dem Stand heraus 42 Kilometer laufen und weiß von jedem Prominenten das Sternzeichen. Gebracht hat mir das bis jetzt zwar nicht viel, aber immerhin:  

Ich habe es auf den Stuhl von „Wer wird Millionär“ geschafft!

Statt also selbstsicher und entschlossen nach vorne zu preschen und meine talentfreien Talente unter Beweis zu stellen, taumelte ich an besagtem Tag regelrecht auf diesen bis zu diesem Moment meilenweit entfernten Rate-Thron! Mensch, da bin ich einmal bei „Wer wird Millionär“ und prompt weiß ich nicht mehr, wie ich heiße! Und plötzlich bekommt der Spruch „Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt!“, eine ganz neue Bedeutung. Im Grunde fehlt sie mir, sobald etwas passiert, auf was ich gefühlte 142 Jahre hingearbeitet habe. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich bin so der Drückeberger-Typ. Wenn es ernst wird, bin ich noch immer abgehauen und war plötzlich ganz klein mit Hut. Bei Streitereien werde ich oft ungehalten und laut, haue aber ab, sobald ich mit Gegenwind zu rechnen habe. Den Vogel zeige ich ausschließlich im Straßenverkehr, weil ich mit durchdrehenden Rädern abdüsen kann, sobald der andere reagieren kann. Und geht mir der Arsch mal so richtig auf Grundeis, möchte ich mich eigentlich nur noch verkriechen. Aber vor laufender Kamera bei RTL geht das nun mal schlecht.

Gottseidank gibt es Günther Jauch. Sowieso müsste jeder einen Günther Jauch an seiner Seite haben. Ein Günther Jauch hat nämlich die Souveränität, die einem selbst zuweilen abhandenkommt. Ein Günther Jauch funktioniert immer. Und ein Günther Jauch ist väterlicher Beistand, wenn er eine Blondine vor sich sitzen hat, die tatsächlich auch blond zu sein scheint. Vielleicht ist es die Tatsache, dass es bei „Wer wird Millionär“ auch wirklich um etwas geht. Aber Fakt ist, dass ich als großmäulige Kolumnistin noch nicht mal mehr smalltalken konnte, als ich da saß. Ich dachte an Radu Rosetti und fragte mich: „Hätte er mich in diesem erbärmlichen Zustand in seinen Club gelassen?“ Ich dachte an meinen besten Freund Adrian, der mir immerzu einbläut: „Du musst im Leben nur zwei Dinge: Sterben und Funktionieren. Und heute musst du funktionieren!“. Und schlussendlich dachte ich an all die großen und kleinen Erfolge, die ich in meinem Leben trotz blauäugiger Naivität und völliger Ahnungslosigkeit verbuchen konnte. Ist Erfolg am Ende doch nur eine Einstellung der Eigen-Vermarktung? Und während ich wie ein Roboter irgendwelche Fragen beantwortete, lag schon wieder etwas Magie in der Luft.

Ich glaube nicht an Gott, aber ich glaube daran, dass jemand von oben auf mich herabblickt und sagt: „Reiß dich verdammt noch mal zusammen!“. In diesem Falle war es mein verstorbener Opa, der plötzlich von der Studiodecke hinunterschaute. Er hatte meinen ebenfalls verstorbenen Kater auf dem Schoß und obendrein trug er einen Trainingsanzug! Ich war geschockt. Nicht, weil er mir erschien, sondern weil er einen dieser Achtziger Jahre-Trainingsanzüge trug und das auch noch in Flieder! All das passierte, während Günther Jauch versuchte, mich im Diesseits zu behalten! Wahrscheinlich ahnte er, dass mit mir etwas nicht stimmte. Ich wollte ihm zurufen: „Ja Herr Jauch, mit mir stimmt gar nichts!“. Und wie konnte ich überhaupt jemals so bösartig sein und über die vermeintliche Dummheit irgendwelcher Kandidaten in irgendwelchen Shows ablästern? Dafür würde ich in der Hölle schmoren! Ich sank auf meinem Ratestuhl regelrecht zusammen, wollte unsichtbar sein. Aber die Kamera zoomte noch näher. Und Günther Jauch? Blieb souverän. Er hatte ja keine andere Wahl.

Machen wir uns nichts vor: Die wenigsten sind die Ruhe selbst, wenn es um etwas geht. Mit Licht, Kamera und Publikum ist es noch eine Spur härter. Aber ich sollte mir auch eingestehen, dass ich nie ein Leben im Schattendasein führen wollte. Als Kind wollte ich Schauspielerin werden. Als Teenager traf ich die Backstreet Boys persönlich statt sie mir wie alle anderen auf der Bühne anzusehen. In meinen Zwanzigern und Dreißigern wollte ich gehört, gesehen und gelesen werden statt lediglich Hörer, Seher und Leser zu sein! Und wenngleich ich mich oft als frei von jeglichen Talenten tituliere, so frage ich mich: Besitze ich am Ende vielleicht doch welche?

Den sterbenden Schwan, kann ich jedenfalls unheimlich gut spielen. Außerdem kann ich meine augenscheinliche Blödheit mit charmantem Augenaufschlag und ein paar mehr oder weniger lustigen Sprüchen so vermarkten, dass es fast schon wieder clever ist.

Und da ist er wieder, dieser unbändige Wille und Glaube, dass ich es trotz aller Zweifel tatsächlich schaffen könnte! Dass ich es sogar schaffen kann! Wenn es hart auf hart kommt, könnte ich sogar ein Fenster streifenfrei putzen, da bin ich ziemlich sicher! Und wie ich einst, zwar unsicher aber immer noch aufrecht in diesen Frankfurter Club reinmarschierte, so marschierte ich auch aus Köln-Hürth raus! Und einfach so marschiere ich weiter, auch wenn ich gelegentlich stolpere oder sogar falle.

Am Ende ist es doch so: Nein, ich bin nicht dumm. Ich bin gelegentlich sogar ziemlich pfiffig, auch wenn ich nicht weiß, wie ich das mache! Ich stehe zuweilen auf einem ziemlich dicken Schlauch, aber mein Opa im fliederfarbenen Trainingsanzug hilft mir da drüber hinweg und Günther Jauch leistet seelischen Beistand, auch wenn er kein Psychologe ist.

Wer wird Millionär, RTL, 10.04.23, 20.15 Uhr

Ausstieg aus dem Hamsterrad

Hallo Mikrokosmonauten: Ruhejahr statt Ruhetag

Was andere in ihren Zwanzigern durchleben, passiert mir in den Vierzigern. Wer jetzt an sexuelle Eskapaden und durchzechte Wochenenden denkt, ist allerdings auf dem Holzweg. Vielmehr geht es um das Sich-Ausprobieren und um die allseits begehrten Fragen: „Was kann ich? Wer bin ich? Was will ich?“. Was Work & Travel für die Twens ist, sollte jeder Arbeitgeber einem Middle-Ager in ähnlicher Form auch anbieten können. Es gibt die sogenannten Sabbatjahre bereits, aber man muss um sie kämpfen, wenn man nicht gerade selbstständig ist oder von seinen Kollegen schief angeguckt werden möchte. „Hä? Was willst du machen??“, heißt es dann, wenn man das Wort Sabbat oder Sabbatical in der Runde erwähnt. Dabei finde ich es absolut legitim, in den Vierzigern über einen temporären Ausstieg aus dem System nachzudenken, ohne Angst haben zu müssen, danach nicht mehr auf seinen beruflichen Posten zurückkehren zu können. Und mehr noch: Es sollte heutzutage jedem bereits im Vorstellungsgespräch angeboten werden, sich für ein paar Monate oder gar ein Jahr unbezahlt verabschieden zu können. Nicht, weil Faulheit gefördert werden soll, sondern einfach, um zu signalisieren: „Das Leben birgt noch so viel mehr!“.

Eine berufliche Auszeit. Das hört sich einfach wunderbar an. Und dennoch nutzen es viel zu wenige oder es wird unter dem Ladentisch gehandelt. Gerade in den Dreißigern oder Vierzigern für mich ein Unding, denn wenn nicht jetzt, wann dann? Wir sind zwar inzwischen zu alt, um am australischen Surfers Paradise leicht bekleidet in einer Strandbar zu jobben, aber noch jung genug, um uns gerade jetzt bewusst zu machen, was das Leben noch so hergibt. Wo uns vor ein oder zwei Jahrzehnten noch der Mut oder das Selbstbewusstsein fehlte, läge jetzt eine ganze Welt voller Möglichkeiten vor uns, vor denen wir uns nicht mehr angsthäsisch verstecken müssten, weil wir inzwischen gereift und gewachsen sind! Aber möchte ein Boss uns nicht eher vom Sabbat abhalten, wohl wissentlich, dass genau jener Mut und Selbstbewusstsein in Form unserer Arbeitskraft ihm viel mehr nützt, als wenn sie irgendwo da draußen zum Einsatz kommt? Ich meine, ein bisschen Egoismus steht einem Chef ja auch zu, aber was springt für uns dabei raus? Also was springt wirklich dabei raus? Und ich spreche hier von der allseits beliebten Gegenüberstellung Gehalt vs. Aufwendung Lebenszeit. Manchmal glaube ich, dass genau jetzt die Zeit ist, um entweder sein Gehalt zu maximieren oder die dem Job geopferte Lebenszeit zu reduzieren.

Sabbatical – erlaubt und doch offenkundig nicht ganz so gerne gesehen.

Dabei ist die berufliche Auszeit in anderen Ländern etwas völlig Normales. Deutschland hinkt – wie so oft – hinterher. Hier muss ein Arbeitgeber dem Wunsch nach einer Auszeit nicht zwingend nachkommen. Womit wir wieder beim egoistischen Boss sind, der unsere Kreativität, unseren Einsatz und unsere geballte Anwesenheit dort haben möchte, wo er auch was davon hat: Sitzend am Schreibtisch, im Dienste Ihrer Majestät!

Das schmeichelt mir sehr. Und es ist ja auch schön, wenn ich gebraucht werde. Aber „brauchen“ tue ich in erster Linie Sauerstoff, Bewegung und im besten Falle ein gigantischer Sonnenuntergang irgendwo im Süden! Und ich brauche vor allem mich. Und seien wir ehrlich: So richtig ich sind wir trotz gutem Arbeitgeber nie so ganz.

Sabbatjahr – der Name stammt aus der Tora, in der dieses Jahr das siebte in einer Reihe ist. Laut Tora sollen in diesem Jahr die Felder und Äcker brachliegen und die Sklaven freigelassen werden. Wie sinnbildlich für unser aller Leben der Kaste Mittelschicht!

Einem drohenden Burn-Out vorbeugen

Wer nicht warten möchte, bis ihn der Zwangsjacken-Status ereilt, sollte dringend mit seinem Chef sprechen! Wer es sich jedoch finanziell nicht leisten kann, einfach mal so ein paar Monate in eine unbezahlte Auszeit zu gehen, hat die Option, auf eine temporäre Teilzeit umzuschwenken. Ja, auch das ist möglich, sofern der Arbeitgeber mit sich reden lässt. Und man mag es kaum glauben, aber auch diese Möglichkeit soll schon Wunder bewirkt haben. Habe ich gehört.

Wir sollten uns immer vor Augen führen: Jünger werden wir nicht. Und das Leben ist endlich. Es tut mitunter sehr weh, darüber zu sinnieren, gerade dann, wenn die Hälfte bereits vorbei ist. Aber auch hier sollte ein Arbeitgeber loyal genug sein, ein entsprechendes Modell zu erarbeiten, das beide Seiten zufrieden stellt. Ob ein ganzes oder halbes Sabbat- oder Teilzeitjahr, oder ein kompletter Ausstieg über mehrere Monate – je größer das Unternehmen, desto vielfältiger die Möglichkeiten, sofern das Verständnis vorhanden ist. Und um auf den auf Ökonomie bedachten Chef zurückzukommen: Für ihn wäre es mehr als lukrativ. Denn was gibt es Besseres, als arbeitstüchtiges Personal, das auch noch obendrein motiviert ist? Einem Chef sollte stets bewusst sein: Manchmal bedarf es mehr als einmal Malle im Jahr.

Planung ist alles

Wer an dieser Stelle bereits mit gepacktem Köfferchen am Terminal steht, sollte jedoch gewarnt sein: Ein Sabbatical kann nicht einfach spontan eingelegt werden. Zum Abklären des finanziellen Hintergrundes sollte man zusätzlich auch planen, wie man diese Auszeit möglichst sinnvoll nutzen kann. Möchten wir Reisen, eine neue Sprache lernen und unseren Horizont erweitern? Oder uns ehrenamtlich engagieren? Oder möchten wir schlichtweg unser gesamtes Leben ändern?

Übrigens: Beamte können bei ihrem Arbeitgeber einfach einen Antrag stellen und innerhalb der geltenden Regeln kann das Sabbatjahr eingelegt werden. In der freien Wirtschaft muss allerdings eine längere Auszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt werden. In der Regel gibt es eine längere Vorlaufzeit, in der Zeitkonten möglicherweise aufgefüllt werden, um dann anschließend pausieren zu können. Leider gibt es hierzulande gerade mal 15 Prozent aller Firmen, die ihren Mitarbeitern feste Modelle eines Sabbaticals anbieten. Da ist Luft nach oben!

Und machen wir uns nichts vor: Laufende Kreditkartenabrechnungen, Miete und sonstige Fixkosten bezahlen sich nicht von selbst. Ein gewisses finanzielles Polster sollte schon vorhanden sein. Und daran wird es dann wohl letztendlich bei den meisten scheitern.

Das dürfen wir nicht zulassen!

Am Ende ist es doch so: Ab heute wird gespart, Lotto gespielt und das Zeitkonto aufgefüllt. Und im Zweifelsfall jobbe ich dann doch im Bikini in einer Strandbar, nicht jedoch ohne Bikini in einem Stripclub. Wichtig ist, dass am Ende aus einem Zeitkonto ein Erlebniskonto wird, und die daraus resultierenden Ereignisse kann uns keiner nehmen. Es ist im Grunde einfach: Am Ende unseres Lebens denken wir an die schönen Dinge. An all die kleinen und großen Abenteuer und Erlebnisse. An all die Situationen, in denen wir mutig waren und gesagt haben: „Schei* drauf, ich mach das jetzt einfach!“. Nicht mehr und nicht weniger.

Im Rätselfieber

Hallo Mikrokosmonauten: Ohne Rätsel lösen wir uns nicht

2023 bin ich noch immer arm, aber sexy. Aber was bringt es mir, dass ich mit steigendem Alter zwar immer attraktiver werde, aber mein Konto weiterhin unansehnlich bleibt? Es ist dieses und es sind noch andere Rätsel, die mich derzeit beschäftigen. Ohne Sorgenfalten natürlich, aber nicht minder kopfzerbrechend. Hape Kerkeling besang das ganze Leben einst als Quiz, in dem wir nur die Kandidaten sind. Ich frage mich also nicht umsonst: Wenn das Leben schon ein Quiz sein soll, dann will ich auch was gewinnen!

Ja, irgendwie besteht das ganze Leben aus einer einzigen Raterei. Nehme ich jetzt die grüne oder die rote Pille, entscheide ich mich für rechts oder links oder steige ich in diese oder die nächste Bahn ein? Eine kleine Fehlentscheidung und dein Leben ist im schlimmsten Fall vorbei! Und mehr noch: Wenn uns das Schicksal wieder vor allerhand Prüfungen stellt, ignorieren wir oftmals unser Bauchgefühl, entscheiden mehr rational und nüchtern, obwohl unsere Intuition der eigentliche Quiz-Champion ist. Wenn ich mir überlege, wie oft eine vermeintlich richtige Entscheidung falsch war oder ich schlichtweg falsche Antworten gab, die mein Schicksal besiegelten – Hach, ich wäre morgen noch nicht fertig mit erzählen!

Um dieser grausamen Realität aus willkürlichen Ratespielchen zu entkommen, rätsele ich seit geraumer Zeit. Im schlimmsten Fall bekomme ich davon eine akute „Rateritis“, oder mein Hirn platzt einfach, weil ich es so dermaßen fordere, wie noch nie. Kreuzworträtsel sind dabei meine Stärke. So sitze ich tagein tagaus über meinen Käseblättchen mit Preisrätsel-Garnitur und hoffe auf den großen Gewinn. Okay, manchmal kann man lediglich eine Ration Ingwer-Bonbons gewinnen, aber Ingwer ist ja bekanntlich ein Wundermittel gegen quasi alles und so nehme ich auch das, wenn es sonst nix gibt!

Gelegentlich stelle ich auch andere vor mehr oder weniger lösbare Rätsel. Einfach, weil ich finde, dass die Menschheit ihren Gehirnkasten zuweilen etwas anstrengen sollte. Es ging zwar nur um einen von Weihnachten übriggebliebenen gendergerechten und politisch korrekten „Schoko-Wintermenschen“, aber der Aufzugtechniker überlegte fast schon fieberhaft, wie denn die korrekte Bezeichnung eines „Beamtenhebers“ lautet? Fast gleichzeitig mit dem Ausruf „Paternoster“, der in krisseligem Dosentelefon-Sound durch die Anlage pfiff, setzte sich auch der Lift in Bewegung, in dem ich feststeckte. Und der Techniker bekam seine Belohnung!

Das eigene Leben ist das größte Rätsel

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bekomme unheimlich gerne Rätselfragen gestellt. Man sagt mir sogar nach, ich sei ein wandelndes Lexikon und „Wer wird Millionär“ wollen mich sogar in deren Show haben. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich mich dort ziemlich gut orangieren würde. Oder heißt es arrangieren? Ach, egal! Das größte und bedeutendste Rätsel allerdings konnte ich bisher nicht lösen. Und dann verfalle ich in Grübeleien und frage mich, warum ich zwar die Hauptstadt von Burkina Faso kenne, aber nicht weiß, ob zwischen Himmel und Erde noch irgendwas ist. Und warum ich gerade jetzt mit so vielen anderen gleichzeitig lebe? Das größte Genie könnte solche Quizfragen nicht lösen, selbst wenn Günther Jauch eine 20 Millionen Euro-Frage draus machen würde!

Andererseits bin ich aber froh, dass es Mysterien gibt, die das größte Superhirn nicht beantworten könnte.

Da dümpeln einige rum, die stolz von sich behaupten, dass sie das wissen, was sie wissen müssen und das quasi nichts ist! Was für eine Ansage! Da bin ich doch echt froh, dass ich weiß, dass das Synonym für „doof“ „einfältig“ ist und ich immer noch fähig bin, einen nützlichen Standmixer beim Sudoku zu ergattern. Ich konnte es dennoch nicht lassen, neulich einer Dame in der Schlange an der Kasse ein paar Fragen zu stellen, nachdem vorne wieder stundenlang Kleingeld abgezählt wurde. „Uff, hier ist ja mehr los als bei der Beisetzung der Queen!“, stellte ich in ihre Richtung fest, um den Anfang zu finden. Sie schaute mich lediglich großäugig an. Meine Quiz-Masterinnen-Lust war geweckt. „Hach, wie hieß die Queen noch gleich…“, begann ich in schauspielerischer Meisterleistung zu grübeln. Kurzzeitig vermochte ich so etwas wie Ehrgeiz in ihren Augen zu erkennen, denn sie blitzten unvermittelt auf. „Hm…also ich weiß auch nicht, wie…“, begann sie zögerlich. Dann ich wieder: „Ja Mensch, der Name der Queen? Das gibt es doch nicht. Fällt Ihnen denn gar nichts ein?“. Die Frau biss sich nervös auf die Unterlippe, runzelte die Stirn und atmete schließlich laut aus. „Nein, tut mir leid! Es fällt mir einfach nicht ein!“, seufzte sie fast schon dramatisch. Die Wahrheit war, dass sie es schlichtweg nicht wusste. „Es Lisbet!“, schallerte es schließlich aus Richtung der Kassiererin, die noch immer gemeinsam mit dem Kunden das Geld zählte. Dass es darüber hinaus auch noch Menschen da draußen gibt, die nicht wissen, wie unser Bundeskanzler heißt und außerdem in Bitcoms statt in Bitcoins anlegen, wage ich kaum zu erzählen. Oder um es mit den Worten einer Frau auszudrücken, die so ganz nebenbei das Werk einer Weltfirma als Security schützen muss: „Soda und Gomorrho!“.

Machen wir uns nichts vor: Ein einfaches Kreuzworträtsel stellt uns noch lange nicht vor die Rätsel, vor die uns das Leben tagtäglich stellt. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was machen wir hier überhaupt? Sollten wir jetzt nicht an irgendeinem Strand in der Sonne liegen? Warum ist das Wetter im Saarland immer schlechter als woanders? Und die schlimmste aller Rätselfragen: „Warum müssen wir irgendwann Abschied nehmen? Abschied von unseren Lieben? Abschied von hier?“

Am Ende ist es doch so: Wenn Hape Kerkeling wirklich Recht hat, müssen wir tatsächlich „raten, raten, raten“, um so viele Facetten wie möglich in diesem Leben kennenzulernen. Ich denke, er meinte es auch genauso! Mit Desinteresse und Gleichgültigkeit tappen wir auf der Stelle. Mit Teilnahmslosigkeit und Passivität gewinnen wir nichts! Und glaubt mir, es gibt ne‘ Menge trübe Tassen da draußen, die nach ihrer Lieblingsfarbe wählen gehen und bis heute keinen Schimmer haben, wo die Raute auf einer Telefontastatur ist. Letzteres wäre nicht mal so tragisch, denn man kann ja raten. Aber wenn das Interesse einfach nicht da ist und das Feuer der Wissbegier nicht mal auf Sparflamme läuft, sollte man sich eingestehen, dass man in diesem Leben nichts gelernt hat. Vielleicht im nächsten Leben dann..

Und einfach so wurde mir neulich bewusst, dass ich bei all meinen Kreuzworträtsel zwar noch nie den großen Jackpot in Form von Geld knackte, aber dennoch etwas anderes gewonnen habe. Nämlich Lebensweisheit. Und das ist irgendwie kostbarer als schnöder Mammon! Und im Prinzip gar nicht mal so schlecht, wenn ich bedenke, dass ich noch ein paar Jahre in diesem Leben und auf diesem Planeten zubringen muss!

Das Rotkehlchen

Hallo Mikrokosmonauten: Das Gute liegt so nah

Ich frage mich seit jeher, warum manche Menschen auf die Frage, wie es ihnen geht, mit: „Du weißt doch, schlechten Menschen geht es immer gut!“ antworten? Denn in den allermeisten Fällen kommt diese Antwort von denjenigen, die eigentlich herzensgut sind. Warum also sehen sie sich als schlecht an? Warum ziehen sie überhaupt in Erwägung, schlecht zu sein? Und selbst wenn sie es ironisch meinen: Wie kommen sie darauf, gerade in dieser Antwort ironisch zu sein? Ich könnte mir vorstellen, dass der ein oder andere von ihnen tatsächlich böse und schlecht ist, aber dann frage ich mich auch in diesem Falle:

Was war zuerst? Das Böse oder der Mensch?

Diejenigen, die mich kennen wissen, dass ich weder ein Menschenfreund bin, noch sonderlich charmant mit meinen zweibeinigen Artgenossen umgehe. In der Vergangenheit gab ich den meisten nicht mal den Hauch einer Chance. Warum das so ist, kann ich gar nicht sagen. Eventuell, weil ich Menschen bis heute nicht so ganz begreife. Ihre Handlungen, ihre Taten, ihre Gedanken. Social skills ist etwas, was ich bis heute mehr oder weniger erfolglos studiere. Den Master werde ich darin wohl nie machen. Darüber hinaus empfinde ich es auch viel einfacher, der Spezies Mensch den Stempel „Böse“ aufzudrücken und im Zweifelsfalle einer Handvoll von ihnen das Prädikat „nett“ zu verleihen. Mehr geht nicht. Allerdings kann ich derzeit etwas an mir beobachten, und ich beobachte es auch da draußen, was mich zu einer Revision zwingt. Okay, vielleicht war es auch schon immer da, aber erst jetzt bekomme ich ein Gespür dafür. Das Gespür für Menschlichkeit. Zwar ist Weihnachten und dieses ganze damit verbundene kitschige Nächstenliebe-Getue vorbei, aber ich verspüre zurzeit ein subtiles Zusammenrücken und ein wenig mehr Sanftmütigkeit und Einsicht unter meinesgleichen. Fast so sieht es aus, als hätte sich ein Weichzeichner über alles gelegt. Und ich mittendrin und damit verbunden ganz viele neuartige Gefühle, die ich nicht eruieren kann. 

Aber ganz von vorne. Angefangen hat nämlich alles mit einem Rotkehlchen. Unter meinen Kollegen bin ich dafür bekannt, dass ich Tiere liebe und alles für sie tun würde. Man kommt regelmäßig auf mich zu, wenn mal wieder ein Vogel gegen die Scheibe geflogen ist. Manchmal sind sie bereits tot. Aber bevor sie zwischen Kippenstummel und Brotresten in einer Mülltonne ihre letzte Ruhestätte finden, informiert man mich, damit ich sie würdevoll beerdige. Es kommt allerdings auch immer mal wieder vor, dass das Tier noch lebt und so begab es sich auch neulich, als ein Kollege mich aufsuchte und mich bat, mit nach draußen zu kommen. Das Bild, was sich mir bot, passte nicht in mein Mel-typisches menschenverachtendes Muster und mein Gehirn hatte massive Schwierigkeiten, diese Art von Situation richtig zu deuten. Ich sah einen LKW mit offener Türe. Vor dem Fahrzeug befand sich ein großer, bulliger Kerl in Warnweste. Er trug Mütze und Vollbart. Es konnte nur der Fahrer sein. In seinen Händen hielt er etwas, als wolle er es beschützen. Aber es passte für mich rein gar nichts zusammen. Bulliger LKW-Fahrer hält etwas schützend in der Hand? Er kam auf mich zu, er kam näher und dann sah ich es. Er hielt einen kleinen Vogel in seinen Händen und da ich gut zu Vögeln bin, übergab er ihn mir. Dieser große Kerl, von dem man annahm, dass er allenfalls eine Dose Bier so fürsorglich behandeln würde. Ich nahm den Vogel an mich, konnte noch nicht mal mehr etwas zu ihm sagen, aber nahm von meinem Kollegen noch wahr, dass der Vogel wohl kurz zuvor gegen eine Scheibe geflogen war und der LKW eine Vollbremsung hinlegen musste, um das Tier nicht zu überfahren, das ohnmächtig auf der Straße liegen geblieben war. 

Zurück in meinem Büro legte ich den Vogel, ein Rotkehlchen, behutsam in meine Wollmütze und wartete ab. Währenddessen rasten meine Gedanken und Gefühle. Wie konnte es sein, dass ein arbeitender Mann des Volkes, dem ich allenfalls bei den Fußballergebnissen Emotionen zugetraut hätte, ein Herz für Tiere hatte? Und ich begann mich auf einmal richtiggehend zu schämen. Für meine vorurteilsbehaftete Denkweise. Für meine Annahme, alle Menschen seien böse und gefühlskalt. Und für meine Arroganz, in Schubladen zu denken. Ich wollte Rotkehlchen fragen, aber es schaute mich nur ratlos mit seinen schwarzen Äuglein an und kackte in die Mütze. Immerhin. Es lebte. 

Gut und Böse sind Grundtendenzen unserer Existenz. Wenngleich es rein psychologisch gesehen keine bösen Menschen gibt, sondern man dort vielmehr von Persönlichkeitsstörungen oder Narzissmus spricht. Psychopathen, Tierquäler, Killer – sie alle mögen das Böse verkörpern, die Diagnose lautet jedoch immer, dass sie ein hohes Maß an Sadismus besitzen, um ihren Selbstwert zu erhöhen. Aber wie dem auch sei haben die Menschen seit jeher die Wahl. Und in den meisten Fällen sind wir bestrebt, Gutes zu tun und gut zu sein. Und letztendlich musste ich es mir eingestehen: Das Gute im Menschen existiert.

Hilfsbereitschaft. Nächstenliebe. Rücksicht. Ich frage mich, ob es immer Krisen bedarf, dass Menschen sich wieder annähern. Oder dass sie zumindest feinfühliger werden. Dass wir erstmal so richtig durchgeschüttelt werden müssen, um zu begreifen, was wirklich zählt im Leben. Zwar schüttelte es mich neulich nicht, aber es gab einen ordentlichen Bumms, als ich schnellen Schrittes um die Ecke bog und auf glatter Straße den Halt verlor. Ich knallte gegen die Hauswand, kippte zur Seite weg und blieb rücklings auf dem Asphalt liegen. So daliegend erinnerte es mich an meinen Griechenland Urlaub und zu viel Ouzo, einer Flucht aus einem Taxi und einem anschließenden Asphalt-Nickerchen, weil der sich so schön kühl anfühlte. Nun war ich aber nicht in Griechenland, sondern in Saarbrücken und ehe ich mich versah, reichte mir ein langhaariger Asiate die Hand, half mir auf und fragte, ob alles in Ordnung sei. Wäre dies eine Romantic-Comedy, hätte ich mich Hals über Kopf in diesen hilfsbereiten Menschenfreund verknallt und wir wären auf ewig glücklich gewesen. In Wahrheit überragte ich ihn jedoch um fast einen Kopf und er guckte mich nicht gerade so an, als sei ich seine Königin Conztantia, und außerdem eilte mir mein Freund nach, der gerade mit Parkschein ziehen fertig war und rügte mich für meinen Sturz, als wäre ich ein kleines Kind. 

Am Ende ist es doch so: Es ist nie ein Mensch so schlecht, dass er schon wieder in irgendeiner Art gut sein könnte. Ich glaube, ich habe schon vielen Leuten in meinem Leben Unrecht getan, die eigentlich besser waren, als ich annahm. Ich war zu schnell und zu hart in meinen Urteilen, habe mich zu selten überzeugen lassen, vergab kaum zweite Chancen. Und ich schaute nicht so genau hin. Ich würde den LKW-Fahrer gerne wissen lassen, dass das Rotkehlchen überlebt hat. Dass es nur dank ihm wenig später aus meiner Mütze gehüpft kam, ich es auf meinen Handrücken setzte und das Fenster öffnete. Bevor es davonflog schaute es mich mit seinen Knopfaugen ein letztes Mal an, legte den Kopf schief und zwinkerte, als wolle es Danke sagen. Dann kackte es mich zum Abschied an und weg war es. 

Und einfach so kam die Zuversicht in mein Leben. Das Vertrauen in das Gute in jedem von uns. 

Das wird ein Fest!

Hallo Mikrokosmonauten: Wie wir es stressfrei zum Jahresende schaffen… 

Ich freue mich sehr auf den Monat Dezember! Warum? Weil er nach Juni und Juli zu meinen Lieblingsmonaten gehört. Und weil er sich zum offiziellen Projekt-Monat entpuppt hat. So viele Ideen, die einer Umsetzung bedürfen! So viele große Ereignisse, die ihre Schatten voraus werfen! In freudiger Erregung fiebere ich diversen Events entgegen, wovon eines selbstverständlich wieder der Heilige Abend sein wird. Aber nicht nur der wird wohl in liebevoller Erinnerung bleiben, da bin ich sicher. Zudem folgt dieses Jahr auf dreijährige Zwangspause nämlich die allseits beliebte Firmen-Weihnachtssause, die schmerzlich vermisst jetzt so manche Vorfreude in mir hervorruft. Obwohl ich nicht sicher bin, ob jenes Ereignis überhaupt meinen verklärten Vorstellungen entspricht. Einst endete so manche Weihnachtsfeier nämlich mehr in Gelage und Gekloppe. Sensationsgeil, wie ich immer schon war, ist dieser Fakt allerdings nicht ganz so tragisch, denn mein Dezember-Statement für dieses Jahr lautet schlussendlich wieder:

„Endlich passiert mal wieder was!“

Glaubt mir, ich habe es vermisst. Das vorfreudige Verweilen während ein Duft von Zimt und Vanille in der Luft liegt und man endlich wieder einen Weihnachtsmarkt besuchen kann, der nicht umzäunt ist und bewacht wird wie einst das Zonenrandgebiet der DDR. Diesmal scheint es sogar so, als dürften wir unseren Glühwein ganz ohne Mundschutz verzehren. Pur schmeckt er eh besser als gefiltert. So oder so wird es aufregend, weil wir nach gefühlten hundert Jahren wieder tun und lassen können, was wir wollen. Konnten wir zwar vorher auch, aber diesmal dürfen wir so manche Eskalation ganz offiziell zelebrieren! Ja, wirklich! 

Am Ende des Jahres habe ich immer das Gefühl, nochmal richtig durchstarten zu müssen. Wen wundert es auch, flattern doch immer gen Jahresende urplötzlich Einladungen ins Haus, mit denen man überhaupt nicht mehr gerechnet hat. Ein vorweihnachtliches Familientreffen nahe der holländischen Grenze zum Beispiel mit entfernten Verwandten, von denen man überhaupt nicht wusste, dass man mit ihnen tatsächlich verwandt ist. Backwaren, von denen man so schön lustig wird! Spontane Shopping-Ausflüge, obwohl das Kreditlimit längst ausgereizt ist. Mit Partner natürlich, der mich wohlgemerkt dazu eingeladen hat. Ganz zu schweigen von der alljährlich stattfindenden Silvester-Party in München, die mich jedes Mal ein kleines Vermögen kostet, ich aber unmöglich auf sämtliche Annehmlichkeiten verzichten kann, weil es eben München ist, verflucht noch eins! Am Ende des Jahres ist man dann zwar pleite, aber immer noch unheimlich sexy. 

Nun ist aber erstmal der Anfang von allem. Endspurt. Der letzte Monat des Jahres. Der Monat, an dem man einfach zunehmen muss, weil alles unheimlich lecker schmeckt und die Zeit, in der die Hoffnung immer als letztes stirbt, zuallererst die auf weiße Weihnachten. Ich glaube, dieses Jahr werden wir sie auch bekommen. Ich habe neulich um einen Stollen darum gewettet und wenn ich verliere, muss ich einen backen und ich kann in Wahrheit gar nicht backen. Nicht mal Weihnachtsplätzchen. Mein letztes Gebäck sah aus wie Rosine auf Kieselstein, obwohl es Engelsaugen werden sollten. Geschmeckt haben sie ähnlich und man hätte sie dem Streudienst ohne Bedenken mitgeben können, sie hätten den Unterschied nicht bemerkt. 

Mein Dezember-Projekt sollte eigentlich lauten: „Wie werde ich eine zuckersüße Weihnachtsbäckereien-Fee, die gleichzeitig auch noch fabelhaft ist?“ 

Mein Partner wäre bestimmt unheimlich stolz. Er vermisst ein kleines Heimchen am Herd. Stattdessen aber befasse ich mich in dieser Wintersaison mit Cocktailkleidern und High-Heels, weil ich mit meinem Silvester-Outfit der absolute Hingucker sein möchte. Das war ich letztes Jahr auch, nicht zuletzt, weil mir der halbe Abend Klopapier aus dem Rock hing. Und ich hatte in meiner grenzenlosen Selbstüberschätzung gedacht, man rede damals wohlwollend und anerkennend hinter meinem Rücken, dabei waren es nur aufrichtige Lacher. Aber sei es drum. Zumindest schaffe ich es immer wieder, andere Menschen zum Schmunzeln zu bringen und das gottseidank das komplette Jahr hindurch. 

Aber seien wir mal ehrlich: Der letzte Monat im Jahr ist auch immer mit Stress verbunden. Alles muss geplant werden. Wann wird gebacken? Wann besorgen wir die Geschenke? Wer feiert Weihnachten mit wem und wo? Und der Klassiker der vorweihnachtlichen Problemchen: Was zum Teufel werden wir bloß essen?

Und gleichzeitig stelle ich mir die Frage: “Wie machen wir uns den Weihnachtstrubel-Monat so erträglich wie möglich?” Machen wir uns nichts vor: Wir wollen um die Weihnachtszeit und an Weihnachten selbst stets das Beste aus allem herausholen und meistens wird es dann doch nur so mittel bis mäßig und man fragt sich hinterher nicht selten, wozu man sich so den Allerwertesten aufgerissen hat?! Hier also kommen Mels absolute stressless Tipps für einen erholsamen Jahresabschluss: 

Einen Caterer kommen lassen

Sorry, aber die moderne Frau von heute steht nicht mehr stundenlang am Herd. Das ist einfach völlig überholt. Lieber sollten wir das Geld in einen guten Lieferservice investieren. Das spart Zeit (die man eher in die Tischdeko und ins eigene Styling investieren kann) und Nerven. 

Vor den Festtagen einen Wellness-Trip machen

Bevor es in die heiße Phase geht, mit dem/der Liebsten ein paar Tage ausspannen. Das geht sogar fast vor der Haustür an Rhein oder Mosel. Ein paar Saunagänge und Massagen können Wunder wirken und man geht danach viel gestärkter an den Weihnachtstrubel ran. 

Rechtzeitige Urlaubsplanung

Am besten in der Jahresurlaubsplanung Anfang des Jahres schon den Dezember-Urlaub eintragen, sonst ist am Jahresende wieder fast kein Urlaub übrig. Als Vorbild könnte hier der Ami dienen, der seinen Jahresurlaub generell immer im Dezember nimmt. Gut durchdacht, bei den ganzen Eggnogs und Marshmallows. So träge, wie man davon wird, ist an den Job nicht mehr zu denken. 

Am Ende ist es doch so: 

Im Dezember fühlt man herzlich

Stressgehetzt sich und kommerzlich

-Klaus Klages-

In Fesseln

Hallo Mikrokosmonauten: Schluss mit den Erziehungsmaßnahmen!

Es ist wie ein Fluch: Wann immer ich meine Smart Watch brauche, sei es, um meinen Schlaf aufzuzeichnen oder wenn ich kurz vor einem kleinen Feierabend-Säufchen.. äh Läufchen bin, zeigt sie mir an, dass der Akku bald leer ist und ich es gefälligst aufladen soll. Wozu gibt mir dieses Teil überhaupt noch Lebenszeichen, wenn es doch eigentlich immer schwächelt? Warum bleibt sie nicht einfach ganzjährlich ausgeschaltet, dann wüsste ich wenigstens, dass man sich zumindest in dieser Sache auf sie verlassen kann! Das Smartphone kann man inzwischen überall aufladen, aber diese blöde Uhr…ich frage mich, warum ich nicht beim konventionellen Chronometer geblieben bin. Und wozu ich überhaupt eine solche Uhr benötige? Eine Uhr, die einem vorgibt, wie viele Schritte man schon gegangen ist und wie viele man noch gehen muss, ist ohnehin ziemlich dreist, oder? Mischt sie sich schließlich in Dinge ein, die einem doch bitte selbst überlassen bleiben sollten! Auf der anderen Seite brauche ich sie aber irgendwie. Schon alleine deswegen, weil es nun mal solche Uhren gibt.

Und schlimmer noch: Ob Smartphone, Computer, Telefon und was-weiß-ich: Allesamt leuchten sie rot, geben komische Geräusche von sich, senden fordernde Signale, wenn sie uns mal wieder zum Gehorsam nötigen. Lade uns auf! Beweg‘ dich mehr!  Ruf zurück! Starte mich neu! Mach ein Update! Ich könnte ewig so weitermachen und komme nicht umhin, mich zu fragen:

„Seit wann lassen wir uns von Technik bevormunden?“

Nun, zumindest meine Bank ist von diesem Scorsese-roten Sollkontostand abgekommen und zeigt meine Miesen jetzt in neutralem schwarz an, was allerdings zur Folge hat, dass ich neulich dachte, ein anonymer Spender hätte meine Stoßgebete in Hinblick auf meinen Kontostand erhört und mir Geld überwiesen. War aber nicht so. Schlimmer trifft es mich jedes Mal, wenn mein Tank auf Reserve umswitcht. Da piepst es regelmäßig aus den Tiefen der Elektrik, als wäre mein Auto Protagonist in Super Mario Kart. Wenn es dann zeitgleich unter 3 Grad Außentemperatur hat, warte ich nur noch auf die Durchsage: “Dieses Fahrzeug zerstört sich in 20 Sekunden von selbst!”.  Oder verlangt es am Ende nur nach Mütze und Schal? Ich kann es nicht richtig deuten, aber was ich kapiere ist, dass ich gegängelt werde und man mich ziemlich unsanft unter Druck setzt. Geh tanken! Mach gefälligst langsam! Mein Auto, der Diktator!

Auf Anraten meines Vaters habe ich mir neulich einen Tracker in mein Auto einbauen lassen, der über eine App mit meinem Handy verbunden ist und mein Fahrverhalten analysieren soll. Je angepasster ich fahre, desto höher fällt am Ende des Jahres mein Bonus bei meiner Autoversicherung aus. Jetzt ist es aber so, dass ich das Ding weder ausschalten noch anderweitig loswerden kann. Es pappt so dermaßen fest an meiner Windschutzscheibe und lässt sich einfach nicht mehr entfernen. Diese App verfolgt jeden meiner Kilometer und meckert natürlich entsprechend, wenn mein Fahrtrend irgendwie von der ihr festgelegten Norm abweicht. Es kam also wie es kommen musste: Auf einer meiner jüngsten Fahrten über die ganzjährlich im Sanierungszustand befindlichen saarländischen Autobahnen verlor ich so dermaßen die Geduld, dass ich das Gaspedal einfach durchtrat. Ich ertrug diese ewige Ermahnung Seitens der App nicht mehr. “Achtung, Sie sind zu schnell unterwegs!”, und “Achtung, ihr Bonus wird weniger, wenn ihr Fahrtrend abweicht!”. Darüber hinaus sind unsere Autobahnen entsetzlich. Ich wollte nur kurzzeitig frei sein! Und da kam es aus dem Nichts: Ein durchdringendes Signal, diesmal rein visuell und knallig rot meine Augen blendend! Im Baustellenbereich geblitzt zu werden ist nicht gut. Diese Tatsache beinhaltet gleich mehrere Erziehungsmaßnahmen. Erstens: Du darfst nicht einfach so fahren, wie es dir passt. Zweitens: Du musst dafür bezahlen! Und last but not least: Schau gefälligst etwas freundlicher während einer Autofahrt. Du siehst viel älter aus als du bist! 

Ich bin es leid! Und ich frage mich: „Bin ich schlecht erzogen?”

Ich brüllte dann neulich einfach mein Smartphone an, als es mir wie so oft zu verstehen gab, dass sein Akku schwächelt. “Meiner auch!”. Allerdings wurde mir schlagartig bewusst, dass etwas nicht stimmte. Denn da saß ich nun mit meinem Telefon in der einen Hand und der Smartwatch in der anderen, hinter mir Alexa, die mir Ratschläge erteilte und vor mir der Fernseher mit Tipps zum Stromsparen. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich um eben diese Erziehungsmaßnahmen regelrecht bettelte. Ich wollte gegängelt werden! Ich brauchte den Input von sämtlichen Gerätschaften in meinem Umfeld, um halbwegs geradeaus zu laufen. Mein Handy und all die schönen bunten Apps waren im Grunde mein eigenes Ich, komprimiert in unzählige Bits und Bytes. Und plötzlich wusste ich auch wieder, warum ich keine herkömmliche Uhr besaß. Niemals könnte dieser Zeitmesser die Rüpelhaftigkeit einer Smartwatch besitzen. Eine klassische Armbanduhr würde sich niemals erdreisten, mich zu erziehen oder gar zu tadeln für das, was ich bin. Schlussfolgernd wäre diese Uhr viel zu liberal und freigeistig für eine offensichtlich liebend gerne in Fesseln liegende Gestalt wie mich!

Seien wir doch mal ehrlich: Konnten wir es früher kaum erwarten, endlich erwachsen zu werden und dem ständigen “Du darfst dies nicht, du darfst das nicht!” der eigenen Eltern zu entkommen, so hat sich im Erwachsenenleben im Grunde nicht viel geändert. Wir lassen uns die Dinge jetzt halt nur anderweitig vordiktieren. Und wann immer wir uns einer nicht tolerierbaren Grenze nähern, piepst, blitzt oder vibriert es. Im schlimmsten Falle stürzen wir ab und müssen das komplette Level wiederholen. So lange, bis wir es kapieren.

Wann waren wir denn das letzte Mal so richtig frei?

Ich kann mich nicht erinnern, denn überall auf der Welt ist im Grunde Maßregelvollzug. In Maßen zumindest. Selbst wenn ich morgen meinen Rucksack packe und mein restliches Leben campierend durch die Lande ziehen würde, gäbe es Regeln, wo ich mein Zelt aufschlagen darf und wo nicht. Irgendwem gehört schließlich auch der Wald. Und der wiederum macht seine Regeln. Wenngleich die romantische Vorstellung des Wildcampens in Einklang mit der Natur wunderbar erscheint, möchte ich mir nicht ausmalen, wie es da draußen aussehen würde, wäre es allen und jedem gestattet. Ergo braucht es vielleicht doch eine gewisse Erziehung und Regeln? Ich meine, der Mensch handelt seit jeher instinktiv und seiner Natur entsprechend und befolgt er dabei nicht die ein oder andere Verhaltensregel, endet das ganz schnell in Sodom und Gomorrha.

Am Ende ist es doch so: Regeln bestimmen unser Leben. Es liegt aber an uns, wie viel zusätzliche Unterweisung wir benötigen. Es mag Menschen geben, die nur mit Leitfaden existieren können. Die regelrecht darum flehen, dass man sie mit Pflichten belegt. Ein Automatismus entsteht. Ohne geht irgendwann nicht mehr. Ich für meinen Teil brauche auch Regeln, sonst wäre ich wahrscheinlich längst nicht mehr am Leben. Aber ich versuche, den Teil nicht zu verpassen, an dem der Automatismus das Denken ablöst. Ein bisschen Autonomie hat noch keinem geschadet. Deshalb lasse ich die blöde Smartwatch zukünftig einfach zuhause.

Von der Angst vorm Verlust

Hallo Mikrokosmonauten: King Charles wäre auch lieber Kind Charles

Die Queen ist tot. Und mit ihr geht gleichzeitig eine Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Unabhängig davon, wie sich Charles jetzt als König fühlen mag, möchte ich gar nicht wissen, wie verloren er sich als Sohn fühlen muss. Man sagt: „Sobald die Eltern gegangen sind, ist man kein Kind mehr.“. Egal, ob du zwanzig, dreißig oder siebzig bist: Solange du noch Mutter oder Vater hast, bist du noch „das Kind von…“. Wie schwer es wird, wenn dies nicht mehr so ist, kann ich mir kaum vorstellen, denn in meinem Leben hat eine Abnabelung von den Eltern nie so ganz stattgefunden. Die Verbindung ist sogar so stark, dass ich meine Wohnung im elterlichen Heim nie aufgegeben habe und immer wieder dorthin zurückkehre, egal, wo ich mich zuvor herumgetrieben habe. Meine Eltern, mag ich sie noch so oft in meinem Leben verflucht haben, sind mir das Wichtigste in meinem Leben.

Es könnte alles so schön sein, wäre da nicht diese Verlustangst, die mich seit einiger Zeit plagt. Wir werden älter und die Zeit bleibt nicht stehen. Und Jahr um Jahr vergehen und das Altern geht an Niemandem vorbei. Ich akzeptiere das nicht! Ich möchte am liebsten, dass alles immer so bleibt, wie es ist. Bloß keine Veränderung, zumindest im inneren Zirkel meines flauschigen Familienclubs. Keiner soll mehr altern. Und keiner soll sterben. Manchmal bete ich es wie ein Mantra vor mich hin: „Lass bitte alle gesund bleiben!“.

Bis jetzt hatte ich Glück. Großes Glück sogar. Niemand in meinem unmittelbaren Umfeld hat es in den letzten Jahren erwischt. Mit Ausnahme meiner Katze um die wir ausgiebig trauern konnten, denn trauern will ja auch gelernt sein. Aber alles in allem bin ich unglaublich dankbar, dass wir alle gesund sind, noch viel lachen und noch viel mehr streiten können. Für diese Dinge braucht man Kraft und Leidenschaft und solange man das noch hat, ist man auch gesund und vor allem noch nicht tot! Und dennoch überlege ich ständig, wie man diese blöde Vergänglichkeit einfach eliminieren kann. Wurde dafür eigentlich schon ein Gerät erfunden? Eine Medizin? Eine Formel? Und wieder einmal wird mir klar: Ich bin gefangen zwischen Dankbarkeit und Angst.

Mein Leben ist schön. Schöner wäre es nur noch mit ein paar Millionen auf dem Konto und ewiger Jugend für mich und meine Lieben. Ich mag dieses Leben unbedingt weiterleben, aber doch nicht unter diesen Voraussetzungen, die die Natur geschaffen hat. Alter, Krankheit, Tod – das ist doch alles scheiße! Wer will so etwas denn?  Meine Familie ist das, was ich bin und ich mag kein Ende und keine Verabschiedung. Und vor allem mag ich mich nicht von meinem Titel als „Kind“ verabschieden.

Charles ist jetzt König, aber dass er den Titel „Kind“ verliert, muss ihn doch bestimmt hart treffen! Ab jetzt ist er erwachsen. Endgültig. Mit über siebzig zwar, aber diese Tatsache schmerzt ungemein, da bin ich mir sicher. Und es geht nicht darum, dass Mama dich ab jetzt nicht mehr tadelt, wenn du dein Zimmer nicht aufgeräumt hast. Oder dir mit ihrem Spucke-getränkten Taschentuch den Dreck von der Wange wischt. Wobei ich mir bei Lisbeth schwer vorstellen kann, dass sie das bei Charles jemals gemacht hat. Generell geht es um viel mehr! Es geht darum, dass man ab jetzt definitiv ohne elterlichen Beistand durch die Welt gehen muss. Oder um es unverblümt auszudrücken: Du rückst jetzt nach und wirst als nächstes gehen! Wie erschreckend!

Deshalb habe ich Angst

Ich habe Angst, dass andere gehen müssen, und dass ich dann irgendwann gehe. Aber zuallererst habe ich Angst, dass ich meinen sicheren Hafen verlieren könnte, die Eltern, die Katzen oder den Partner. Wie einen Geist soll man, so habe ich gehört, die Anwesenheit der Angst anerkennen und mit ihr kommunizieren lernen. Ignorieren wäre auch falsch, weil Geister ebenso wie Angst sich nicht einfach so vertreiben lassen. Im Grunde sind beide recht nervige Zeitgenossen. So nervig, dass ich mir neuerdings „Grübelstunden“ in den Tag einbaue. Ab einer gewissen Uhrzeit setze ich mich hin und denke nach. Ich versuche es zumindest, denn Angst, muss man wissen, hält sich nicht unbedingt an Zeiten. Eigentlich kommt Angst immer zu früh oder zu spät und ist eigentlich nie zur rechten Zeit am rechten Ort. Oft kommt sie sogar mitten in der Nacht, wenn man eigentlich schlafen will. Da ich das so nicht mehr hinnehmen kann, rufe ich die Angst in meinen Grübelstunden und hoffe, dass sie kommt. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich von Natur aus ziemlich neurotisch bin und diese Vorgehensweise wohl nur Menschen verstehen, die mindestens genauso drauf sind. Also zurück zur Grübelstunde. Ich schreibe dann all meine Ängste auf. Wenn man Dinge aufschreibt, ist das manchmal so, als würde man sie ordnen. Man ordnet sie, steckt sie in Schubladen und schließt diese. Somit hat man sich mit der Angst auseinandergesetzt, ihr die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, die sie einfordert und sich von ihr verabschiedet. Fürs erste zumindest.

Verlust entwurzelt

Für jeden kommt irgendwann der Punkt, an dem er sich von jemandem verabschieden muss. Neulich hörte ich von einer Bekannten, deren Vater urplötzlich verstorben war. Sie hatten ein inniges Verhältnis gehabt und für sie war es ein unglaublicher Schock. Und kurioserweise auch ein Neubeginn. Ihr wurde auf einmal bewusst, dass ihr Vater immerzu gearbeitet hatte in seinem Leben. Er hatte geschuftet und sich krumm gelegt für ein einigermaßen annehmbares Dasein. Und dann starb er einfach so. Für sie war klar, dass sie niemals daran anknüpfen würde. Und dass sie etwas ändern musste, um sich ihr restliches Leben so angenehm wie möglich zu machen. Die Sichtweise auf manche Dinge änderte sich. Im Grunde hatte dieser Abschied sogar etwas Gutes, wenngleich der Mensch in größter Not das untrügliche Talent besitzt, oft noch etwas Positives rauszuziehen, als müsse er sich selbst beruhigen. Katzen schnurren nicht nur vor Wohlgefallen sondern auch, wenn sie Schmerzen haben, denn diese Geräusche wirken auf sie entspannend. Menschen beruhigen sich, indem sie anfangen, zu eruieren, zu relativieren und zu optimieren. Es könnte schließlich immer noch schlimmer sein. Und wenn es schon schlimm ist, warum sollte man dann nicht gleich alles ändern? Für meine Bekannte änderte sich ihr komplettes Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr nie so klar gewesen, dass sie ein Messie war, zu viele Dinge in ihrer Wohnung hortete und Angst hatte, diese zu entsorgen. Nachdem sie sich von ihrem Vater verabschiedet hatte, sagte sie auch den meisten ihrer Sachen Adieu und lebte fortan minimalistisch.

Also eines steht fest: Ob Verlust des Wohlstands, der Kontrolle oder der persönlichen Habseligkeiten – Alles kann ich ertragen, aber meine Familie gehört zu mir und ich werde sie und vor allem meinen Titel mit allem verteidigen, was ich habe. Ich will das „Kind von“ bleiben! Und wenn diese scheiß Verlustangst irgendeinen Einwand hat, bekommt sie es mit mir zu tun!

Es war mir ein Fest(ival)!

Hallo Mikrokosmonauten: A little party never killed somebody

Dieser Sommer hat uns gezeigt, dass wir es noch können. Wir können noch bis spät abends in der Sonne sitzen, Vino trinken und uns spontan dazu entschließen, auf ein Festival in der Nähe zu gehen. Und der Sommer? Der hat wiederum uns gezeigt, dass er es noch kann. Und er verleitete uns bis jetzt zu manch übermütiger Idee, die man nur haben kann, wenn „Oben Ohne“ Autofahrten möglich und langweiliges Couching unmöglich ist. Dieser Sommer wird in unser aller Langzeitgedächtnis eingehen als der Sommer des Erwachens. Als wir nach gefühlter Ewigkeit wieder feierten, als wären wir zurück in unseren Zwanzigern. Und uns ansonsten an unzähligen Aperol-Spritz und sonstigen Substanzen berauschten, ohne auch nur ein Fünkchen Anstand zu wahren. Oder an Morgen zu denken.

2022 ist das Jahr des Aus- und Aufbruchs.

Es fühlt sich großartig an.

Und einfach so besuchte ich in diesem Sommer nach Jahren wieder ein Festival. Ich kehrte an den Ort zurück, an dem ich vor 19 Jahren zuletzt gewesen war. Der Ort, an dem ich damals zusammen mit einem zugekifften Sven Väth (ein seltener Anblick) vor seiner eigenen Bühne den Zutritt verweigert bekam, weil der Security-Mann ihn in diesem Zustand schlichtweg nicht erkannte, in einen Graben fiel, weil ich selbst dort nicht auf hohe Schuhe verzichten konnte und schlussendlich einen gewaltigen Sonnenstich bekam, als ich morgens auf dem Campingplatz stundenlang auf einem Autodach lag, weil ich es in diesem Moment einfach liebte, dort zu liegen. Nature One: Natürlich ist das ein Techno-Event wenngleich ich im Laufe der Jahre musikalisch eher  zu sanfteren Tönen tendiere. Zu Wacken passe ich nicht und diese ganzen Indian-Spirit und Goa-Festivals sind mir dann doch zu abgedreht. Da wimmelt es nur so von selbsternannten Schamanen, die um imaginäre Lagerfeuer tanzen und sämtliche Fruchtbarkeits-Götter unter Einfluss von bewusstseinserweiternden Drogen beschwören. Es blieb so kurzfristig also nur die dauerbeschallende Raketenbasis inmitten des Hunsrücker Outback.

Mir wurde schnell klar: So ein Festival besucht man jenseits der 30 nicht mehr einfach so. Es bedarf einer peniblen Planung. Angefangen vom Outfit über die Anreise bis hin zur Übernachtung beziehungsweise Tagung. Zuerst dachte ich, man könne ja den Campingplatz frequentieren, allerdings hatte ich mir ein paar Tage zuvor die Netflix-Doku über Woodstock 99‘ angeschaut und ich fragte mich:

„Bin ich wirklich eine Camperin?“

Machen wir uns nichts vor: Zu einem waschechten Festival gehört es sich in der Regel, dass man dort auch zeltet. Aber mag ich mich im schlimmsten Falle mit fäkalverseuchtem Wasser duschen? Und kann ich damit leben, mich inmitten von Müll, Unrat und rastlosen Ravern zu betten? Im Grunde wäre angesichts des Musikstils ohnehin nicht an Schlaf zu denken. Und was, wenn die am Ende den Campingplatz einfach abfackeln? Laut der Doku kann so etwas nach 3 Tagen Party offensichtlich ganz leicht passieren. Mein Gedankenkarussell drehte sich eindeutig wieder zu schnell und schlussendlich buchte ich dann doch ein altersgerechtes Hotel am Rhein. Ich glaube, in diesem Moment fiel ich bereits in Punkto „Festivaltauglichkeit“ in einem Punkt schon durch.

Dann kam diese Sache mit dem Outfit. Ich bin Perfektionistin. Man mag es kaum glauben. Je älter ich werde, desto häufiger stelle ich fest, dass eine gute Vorbereitung in Sachen Aussehen alles ist. Mir ist schon klar, dass Selfcare mit Anfang 20 anders aussieht als mit 40. Getreu dem Patti LaBelle-Motto „I’m feeling good from my head to my shoes” ist es zwingend nötig, möglichst viel Geld in möglichst viele Benefits für den eigenen Körper zu stecken. Übersetzt heißt das so viel wie: Mani-Pedi-Botox und Tag der offenen Tür für sämtliche Paket-Dienstleister, die ein Festival-Outfit nach dem anderen ankarren mussten. Zeitweise brachte ich die Boten von DHL und DPD gemeinsam auf meine Couch. Sie mögen meine Macarons und sind mittlerweile absolute Fashionists, wenn es um den besten Style fürs Festival geht. Kurz vor einem waschechten Nervenzusammenbruch meinerseits inmitten von Fransenstiefel, Kimonos und Cowboy-Hüten stand das Outfit schließlich fest und zwei Gesichtsmasken später saß ich bereits im Taxi nach Nature One.

Nicht ohne den Zoll

Ich habe immer mal wieder von sogenannten Drogenkontrollen gehört, die vor solchen größeren Events gemacht werden. Ich hielt so etwas immer für einen Mythos, da ich so etwas live noch nie erlebt geschweige denn gesehen habe. Wahrscheinlich war ich auf dem Weg dorthin immer schon so benebelt gewesen, dass ich von alldem nichts mehr mitbekam. Dieses „Fahren Sie rechts ran und schließen Sie zu den andren auf!“, welches unserer Taxifahrerin an diesem Abend befohlen wurde, beunruhigte mich dann aber doch ein wenig. Ich kann mir nicht helfen, aber eine Polizeikontrolle lässt dich an all deine Komplettabstürze im Leben denken und man ist drauf und dran, vor dem Beamten seine Lebensbeichte abzulegen. Und das schlimmste ist, dass man sich immer so fühlt, als hätte man Dreck am Stecken, obwohl das natürlich nicht so ist. Und nachdem dein Ausweis kontrolliert, der Kofferraum links gemacht und man dir gottseidank nicht ans Höschen wollte, taumelt man regelrecht im Glück, wenn es heißt: „Gute Fahrt und viel Spaß!“. Spätestens jetzt hätte man mich wieder zurück zum Hotel fahren können und ich hätte gesagt: „Was für ein Abend!“. Mein Cortisol-Pegel war nämlich auf 180. Und ich hatte noch nicht mal was getrunken.

Auf so einem Festival trifft man Leute, die man seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Wahrscheinlich oder gerade deswegen möchte ich an solchen Tagen glänzen. Ich möchte, dass die Leute zu mir sagen: „Wow siehst du gut aus, du bist keinen Tag gealtert!“ und mein Outfit bewundern. Letztendlich passierte nichts dergleichen, weil so etwas auf solchen Festivals offensichtlich nicht so wichtig ist. Vielmehr dachte man wohl, was für eine eingebildete Gans da wieder auf die Mainstage stolziert, als wäre sie die Djane himself. Ich als Oberhähnin sollte wirklich weniger gockeln! Mein Freund – huch, der war übrigens auch mit – nennt mich nicht umsonst Prinzessin Konstanzia, wenn ich wieder meinen besonderen Auftritt habe. Fragt mich nicht, warum, aber ich laufe auf solchen Events immer zu Hochtouren auf, was mein Ego angeht.

Am Ende war es ein Saarländer, der sich vor mir verbeugte.

Warum sind es eigentlich immer Schwule, die den Ernst der Lage erkennen und blitzschnell reagieren? Niemand geringeres als unsere saarländische Karotte war es, der mich wohlwollend betrachtete und mit einer einzigen galanten Verbeugung signalisierte: „Du kannst es noch, Girl!“. Danke!

Danach tanzte ich bis 5 Uhr morgens durch, es war mir auf einmal egal, dass meine Schuhe staubig und mein Eyeliner verschmiert waren. Ich fühlte mich großartig, ich umarmte die Welt, ich war an dem Ort, an dem ich vor 19 Jahren zuletzt war. Und ich war immer noch ich. Ich war immer noch jung. Ich war zurückgekehrt. Ich war voll da. Ein bisschen mehr Prinzessin, aber noch immer mit der Vision von Frieden und Glück. Und like nowhere else ließ ich den Bass zum ersten Mal in dieser Nacht wirklich zu und sprang schreiend in die Luft.

Each wave was perfect

-Endless Summer-