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L!VE Perspektivwechsel Dezember 2023: Interview mit Joshua Kuhn

Mit dem Gastronom und Veranstalter Joshua Kuhn spricht uns freier Redakteur Marc Kirch über das Thema „Schutzräume und Veranstaltungen für LGBTQIA+ in Saarbrücken.“

Im Videointerview sprechen die beiden über noch verbliebene LGBTQIA+ Safe-Spaces in unserer Landeshauptstadt. Neben einem Ausblick auf bevorstehende Veranstaltungen und Locations im Dezember 2023 sowie im Jahr 2024, besprechen beide die Relevanz von Schutzräumen in der heutigen Zeit. 

Braucht es diese überhaupt noch und wenn ja, warum? 

Schaltet rein ins Videointerview Perspektivwechsel Dezember:

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Vegane Schnitzeljagd

Seitdem ich als kleiner Junge im Kinderfernsehen hilflos mit ansehen musste, wie Hänsel und Gretel im Wald von einer alten Frau entführt wurden, verspüre ich gewisses Unbehagen, wenn sich um mich herum mehr als nur ein paar Büsche befinden. Zu tief sitzt das Trauma, das damals durch Heinos Schlager „Im Wald da sind die Räuber“ noch verstärkt wurde. Auch dass ein Großonkel von mir, der immer an seinem Waldgrundstück hing, irgendwann auf seinem Waldgrundstück hing, dürfte dazu beigetragen haben, dass ich bis heute allem misstraue, was Rinde hat und kein Käse ist…

Als Kind empfand ich Genugtuung, wenn wir neues Kaminholz bekamen. Denn dann war klar, dass es im Wald wieder einige Bäume weniger gab, hinter denen Hexen lauern konnten. Hätte es damals schon Facebook gegeben, ich hätte unter jedem Foto eines gerodeten Stamms auf „Gefällt“ geklickt. Meine Dendrophobie wurde trotz des netten sprechenden Marmeladenbaums aus der Trickserie „Dr. Snuggles“ schnell schlimmer. Was wohl am Eichhörnchen lag, das im Mund des Marmeladenbaums wohnte und Grund ist, warum ich bis heute Zahnärzte ebenso wenig mag wie Wälder…

Als Kind konnte ich daher am Waldsterben nichts Schlimmes erkennen. Als Haustier hätte ich damals am liebsten einen Borkenkäfer gehalten, was ich jedoch nicht durfte. Meine schlechte Meinung über Wälder wurde letztendlich dann durch den Horrorfilm „Tanz der Teufel“ besiegelt, in dem ein Baum Sex mit einer Frau hatte. Auch wenn dies eine Szene sein dürfte, die sich heutzutage umgekehrt dutzendfach auf einschlägigen Internetseiten für Erwachsene finden lässt, führte sie bei mir seiner Zeit dazu, dass mir Grünpflanzen im Schlafzimmer Alpträume bereiteten; vor allem Ficus-Stämme. Mein Opa hatte schon Recht, als er immer sagte, dass Holz nur einen Platz haben sollte: vor der Hütte…

Mit der Zeit wurde meine Angst geringer. Noch immer bekomme ich aber beim Weihnachtsbaumkauf inmitten größerer Mengen an Fichten und Tannen feuchte Hände. Was Wälder angeht, ist meine Meinung daher auch heute noch wie ein Scheit Holz… gespalten. Auch wenn der deutsche Wald sein Image als Ort, an dem Verschleppungen in Lebkuchenhäuser drohen, mittlerweile ablegen konnte. Wer auf dem Weg zur kranken Großmutter den finsteren Tann meiden möchte, nimmt heutzutage eben den ÖPNV oder schickt den Korb mit Kuchen und Wein mit dem Paketdienst…

Waren es früher meist alte Dorfbewohner, die durchs Gehölz streiften, um Steinpilze für ihr Essen oder Fliegenpilze für das ihrer Frau zu suchen, sind es mittlerweile eher junge Stadtbewohner. Objekt ihrer Begierde sind keine versteckten Pilze mit unbekannter Wirkung, sondern versteckte Behältnisse mit unbekanntem Inhalt. Was früher Schnitzeljagd hieß, nennt sich heute Geocaching. Ziel der Jagd über Feld und Flur ist – wie beim Verstecken von Essensresten auf Partys unter Möbeln – dass irgendjemand irgendwann irgendwo ein Schnitzel findet, wo er es nie vermutet hätte…

Wer schon als Kind Spaß am Detektivspiel hatte und insgeheim in Omas Miederwarenschublade nach verborgenen Schätzen suchte, der findet mit Geocaching etwas, was ebendiese Interessen auch im Erwachsenenalter befriedigen kann, ohne dass man eine einstweilige Verfügung wegen Stalkings befürchten muss. Die Idee hinter Geocaching ist dabei eigentlich schon Jahrtausende alt. Eines der ersten Geocaches versteckten die alten Ägypter vor 3300 Jahren und das sogar so gut, dass Tutanchamun erst im Jahr 1922 nach langem Suchen gefunden wurde…

Geocaching ähnelt dem, was die eigenen Großeltern früher regelmäßig in der Eifel taten. Mit dem Unterschied, dass Omi und Opi sich mit Wanderkarten aus Papier herumschlagen mussten und der gesuchte Schatz immer ein kühles Bier war, das auf der Terrasse eines Wanderlokals gefunden wurde. Toll am „Cachen“ ist, dass man es auch spontan machen kann, indem man einfach Brille oder Schlüssel irgendwo deponiert, vergisst wo das war und danach stundenlang damit zubringt, diese dort wiederzufinden, wo man nicht glauben kann, sie jemals abgelegt gehabt zu haben…

Früher gab es noch Ärger, wenn man seine Brotdose in einem hohlen Baumstamm verstecke, um die ungewollte Wurststulle loszuwerden. Heutzutage ist man mit der Erklärung, einen Geocache abgelegt zu haben, fein raus, wenn man von jemandem dabei ertappt wird, wie man den Altölkanister im Wald vergräbt. Die kreativsten Verstecke sind bekanntlich diejenigen, denen man es nicht direkt ansieht. Und wer sagt außerdem, dass ein Geocache, das man irgendwo in der Dämmerung am Waldrand deponiert, nicht auch einmal aussehen kann wir ein Sack voller Bauschutt…

Anders als bei Atommüllendlagern, die gesucht, jedoch nicht gefunden werden, muss bei der GPS-Schnitzeljagd die Möglichkeit gegeben sein, ein Versteck auch wirklich zu finden. Form und Größe der Geocaches sind jedoch nicht festgelegt. Viele in Wäldern zu findende Caches haben die Form alter Autoreifen oder defekter Kühlschränke und sind vielfach auch für Anfänger leicht auffindbar an Wanderparkplätzen versteckt. Entlang von Spazierwegen sind Caches dagegen oft als verknotete rote Beutelchen getarnt, die man der Einfachheit halber nicht nur sehen, sondern auch riechen kann…

Geocaching macht Spaß, birgt jedoch auch Risiken. Früher waren Bodenlöcher und Hangabstürze häufige Gefahren im Wald. Heute sind es Funklöcher und GPS-Abstürze. Es wird sogar von Geocachern berichtet, die sich in blindem Vertrauen auf die Ortungsfunktion ihres Smartphones mehrere Meter von Wegen entfernt haben und nach Ende der Akkuladung nie zurückfanden. Auch wenn dies Einzelfälle bleiben, sind manche Gefahren nicht zu unterschätzen. Vor allem wenn das GPS sich sicher ist, dass der Cache in dem Bienenstock steckt, zu dem der Track geführt hat…

Umweltschützer führen übrigens an, dass die unzähligen, durch die Natur pirschenden, veganen Jungfamilien aus der Stadt die Tier- und Pflanzenwelt stören. Meiner Meinung nach sollen Gudrun & Co. jedoch lieber Wildschweinrotten auf der Waldwiese nerven als mich auf der Schwimmbadwiese. Apropos: Mit Geocaches ist es wie mit Schulschönheiten: Erst jagt man ihnen hinterher, dann ist man enttäuscht, wenn man, nachdem man sie ausgepackt hat, feststellt, wie viele schon vorher ihre Finger am Schatzkästchen hatten. Vegane Schnitzeljagd… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Kleiner Tipp für Geocaching-Neulinge: In Gebüschen versteckte Geocaches sind mit zerknüllten Papiertaschentüchern markiert.

Abwesenheits- Assistent

Hallo Mikrokosmonauten: Mels Mikrokosmos ist gerade verhindert…

Astro-Addi ist zurück! Zurück an dem Platz, an dem er nie saß. Die mehr oder weniger liebe Mel hat mich gebeten die November Kolumne zu übernehmen, da sie vollgepackt ist mit wichtigen Terminen: Friseur, Nagelstudio, Wimpern. Darüber hinaus werde ich sie danach als Geißel nehmen und an einem geheimen Ort verstecken, denn ich habe hiermit meine Passion gefunden! Ich bin außerdem der weitaus bessere, kreativere, scharfsinnigere Kolumnist! Jawohl!

So setze ich mich nun an diesem verregneten Nachmittag an meinen Schreibtisch, lasse nebenbei meine Lieblingsmusik laufen (ich mag Chopin) und nippe an einer großen Tasse Hagebuttentee. Ich sinniere darüber, wie ich die Situation am besten nutzen kann, um kein gutes Haar und auch kein unechtes Haar an der lieben Mel zu lassen. Doch ganz im Sinne meiner exzentrischen Persönlichkeit ist es für mich tatsächlich lukrativer, wenn ich einfach die unglaublich große Reichweite dieser Kolumne nutze, um mich zu präsentieren. Mel würde es nicht anders tun!

Schnallt also die Hupen hoch und haltet euch fest denn hier kommt Addi!


Vorab ein paar harte Fakten: Mein Name ist Adrian, born and raised im Herzen von Saarbrücken. Mel und ich lernten uns 2020 im Job kennen, wo wir schnell merkten, dass wir beide die Personifizierung des Synonyms „Hassliebe“ sind. Wir können nicht miteinander und auch nicht ohneeinander. Zuweilen können wir auch sehr gut „übereinander“, denn jede Chance, bei der wir nicht versuchen das Messer dem jeweils anderen in den Rücken zu hauen, ist eine vertane Chance. Das mag hart klingen, aber es ist nur die liebevolle Art, dem jeweils anderen zu signalisieren: „Ich hassliebe dich!“.

Schnell merkten wir, dass unsere Persönlichkeiten so unterschiedlich sind, wie sie nur sein könnten. Für andere jedoch ist dieser Fakt sehr unterhaltsam. Und unterhalten können wir allemal. Dennoch schlugen alle Projekte die wir gemeinsam angegangen sind, fehl. Ich kann es mir selbst nicht erklären.

Da gab es zum Beispiel diese eine Quizshow, bei der wir zwar gewonnen haben, die aber nie ausgestrahlt wurde. Ein gemeinsamer Podcast, der aber bedauerlicherweise wegen unüberbrückbarer technischer Differenzen nicht funktioniert hat. Und last but not least ein paar Existenzen, die wir ganz nebenbei ruiniert haben, was aber nie unsere Absicht war. Irgendwann beschlossen wir in Sachen Medienpräsenz und Öffentlichkeit, getrennte Wege zu gehen. Vielmehr fasste ich diesen Entschluss. Denn ich möchte niemals  wegen der Ollen im Psychopatenhaus der Stars landen.

Und so startete ich vor ein paar Monaten ein Solo-Stand-Up Comedy Programm namens „Ordinööör“. Oder besser gesagt, ich begann, daran zu schreiben. Bis jetzt habe ich – man mag es kaum glauben – eine ganze Seite vollbracht. Mit Harald Glööckler hat dieses Programm übrigens nichts zu tun, also bitte keine rechtlichen Konsequenzen in diese Richtung. Vielmehr ist der Name eine Adaption zu „ordinär“. Dass dieses Synonym sowohl für „bewährt“ als auch für „verhasst“ und „unmoralisch“ steht, spielt mir geradewegs in die Karten, denn Anecken ist ausdrücklich gewünscht.

Wenn nur diese Angst nicht wäre…

Sie begleitet mich, wie viele von euch sicherlich nachvollziehen können, jeden Tag wie ein lästiges Gespenst. Es ist die Angst vorm Scheitern. Ja, ich weiß, Mel hat schon so oft in ihren Kolumnen davon geschrieben, wie man diese Sorgen überwinden kann, aber in meinem Falle verschwindet die Angst einfach nicht und hat mir schon so viel versaut! Dabei müsst ihr wissen, dass ich jemand bin der äußerst kreativ und humorvoll ist. Ich habe ständig Ideen, die eigentlich einer Ausführung bedürfen. Es gibt Tage, da sprudle ich regelrecht vor Einfällen, aber dann kommt die Unsicherheit, denn um meine Ideen und Projekte zu verwirklichen, müsste ich mögliche Sicherheiten aufgeben und die Komfortzone verlassen. Irgendwie kann ich das nicht, oder sagen wir mal noch nicht.

Zurück zu „Ordinööör“ – es stellt sich mir die Frage: Wie weit darf Comedy heutzutage eigentlich noch gehen?

Ist Comedy Kunst?

Und wenn ja: Darf Kunst alles? Ich denke: Ja. Comedy ist Kunst. Und Kunst darf alles.

Aber darf sich Kunst in der heutigen Zeit über schwarz/weiß, dick/dünn, queer/straight lustig machen? Oder muss ich dann befürchten, dass sich gescheiterte, emanzipierte „Me-too-Terroristen“ auf meine Bühne kleben und mich teeren und federn? War dieser Satz vielleicht schon political incorrect?

Übrigens: Ich als offen queer lebender Mensch habe keinerlei Probleme damit, wenn man sich über so genannte Randgruppen oder Minderheiten oder was auch immer lustig macht. Wichtig ist nur, dass man alle miteinbezieht. Denn wo fangen Rassismus und Diskriminierung an? Genau! Dort, wo man die oben genannten Randgruppen und Minderheiten ausschließt, und genau das verstößt gegen meine Grundprinzipien. Schon in meiner Jugend war ich immer für ein Miteinander statt einem Gegeneinander
– es sei denn man hat Frau Mel Mikrokosmos als Kollegin – und konnte es absolut nicht leiden, wenn jemand außen vor war.

Jedenfalls haben wir doch genau heute ganz andere Probleme! Ob nun Heino jetzt das Gendern ablehnt oder nicht: In Zeiten von Krieg und Machtgehabe sollte sich die Gesellschaft doch bitte auf das Wesentliche konzentrieren und miteinander lachen dürfen. Nicht in Angst leben und sich vor Freude fürchten.

Liebe Mikrokosmonauten ich hoffe ihr versteht meine Message und könnt daraus mitnehmen, dass auch heute noch gelacht werden darf und ihr euch auch nicht dafür schämen müsst. Ich komme allmählich zum Ende dieser Kolumne. Über positive Resonanz freue ich mich sehr. Ach ja, und Kritik ist nicht gern gesehen!

Am Ende ist es doch so:  …laute Geräusche durchdringen den Raum, ein Poltern, Geschrei und Gezeter!

….liebe Mikrokosmonauten, ich weiß nicht, was hier gerade passiert ist, aber offensichtlich wollte der selbst ernannte „Muschilini der Comedy-Szene“ sich meine Kolumne mit Gewalt unter den Nagel reißen. Dieses hinterhältige Attentat wurde in letzter Sekunde vereitelt! Ich werde euch auch zukünftig weiterhin erhalten bleiben!

Bis bald, Eure Mel

(und Addi)

Clubzone November 2023

Achtung, aufgepasst und mitgeschrieben! Das Saarbrücker Nachtleben erreichte in den letzten Wochen ein save rekordverdächtiges Feierlevel. Tatsächlich ging mit dem Oktober und dem jetzt begonnenen letzten Quartal dieses Jahres das nächtliche Unwesen mit extra Schwung in die letzte Runde. Das liegt neben der saarländischen Frohnatur vor allem daran, dass die Zahl der Feierlocations mehr und mehr ansteigt. Dabei sind nicht nur lupenreine Clubs gemeint, wie das mit viel Vorschusslorbeeren an den Start gegangene LOOSE in den Räumen des ehemaligen SOHO in der Kaiserstraße, sondern vermehrt auch der mitreißende Trend, dass in immer mehr „untypischen“ Locations getanzt wird.

   Ein echtes Highlight in dieser Disziplin hat die altehrwürdige BRASSERIE in der Fröschengasse im Oktober geliefert. Unter der tätigen Mithilfe von DJ Urgestein Kasimir wurde die „Kneipe der ersten Stunde“ in ein Tollhaus mit Tanzfläche verwandelt. Dort wo sonst nur Eigengewächs DJ Holgi und DJ Al und Busche an den Reglern regeln, hatte sich eine Abi-Jubiläumsrunde den Kult-DJ zur Stimmungsaufhellung eingekauft – und was soll man sagen: hat funktioniert! Und das nicht nur bei den Jubilarinnen, sondern bei einer bunten Mischung aus zum Teil überraschend jungen Gästen (für BRASS Verhältnisse), die allesamt das mit jeder Menge Oldies gespickten Retroset aus CANOSSA, EYE und OCTOPUS Klassikern mit den Händen in der Luft feierten, wo eigentlich der Billardtisch und das Klavier ihren angestammten Platz haben. Während drinnen schon einige Ikonen des Saarbrücker Nachtlebens wie Jürgen P, Louise L. oder Piet E. mit von der Partie waren,  wollten so manche Passanten nicht glauben, was da aus der legendären Kneipe an Ohren und Augen heraus dran, nur um dann wenige Augenblicke selbst im Getümmel auf der Tanzfläche alles zu geben. Da soll noch mal einer sagen, in der einstigen Partymeile Fröschengasse sei kein Leben mehr drin. Die Ecke muss man ab sofort auch abseits der tollen Livekonzerte echt im Auge behalten.

   Eine weitere eher in Sachen Tanzerei bisher eher unverdächtige Location, die STUBE 8 im Nauwieser Viertel, hat in den letzten Wochen mit famos ausgewählten DJs immer wieder für herrliche Fußwackelei gesorgt. Darunter auch solche Perlen wie Mitte des Monats die FUNKFREAKS Nacht bei der tatsächlich junge Menschen ausschließlich mit richtigen Plattenspieler am Start waren und den gut gefüllten Laden mit prächtigen Modern Boogie & Funk Sounds versorgten. Vinyl only vom Feinsten! Augen und Ohren auf, Termine checken und ab in die Cecilienstraße!

   Doch jetzt mit Schmackes in die Clubs. Ganz weit vorne waren auch im Oktober die Partys an den Hot Spots der Landeshauptstadt, wie zum Beispiel das EGO in der Trierer Straße mit richtig viel zu sehen und zu feiern. Los gings gleich mit Vollgas und der NOTTE ITALIANA mit unglaublicher Dekoration und jeder Menge Special Effects. Was da jedes Mal an Aufwand betrieben wird, ist absolut sehenswert und verdient jeden Respekt. Auch bei der FUEGO Nacht wurden praktisch ohne Unterlass wurden Co2-Jets, Konfettikanonen und Nebelmaschinen gezündet und obendrauf gab’s noch Wissam Ramon. DRUNK’N LOVE, LEVEL und SOULTOSOUL begeisterten an den folgenden Wochenenden mit Mixed Music,90er bis heute Hits und den besten Beats von Hip-Hop / House / Deutsch-Rap / Charts, einfach alles wurde gespielt.Selbstredend waren auch wieder jede Menge Gogos am Start und der extracoolen Lounges waren wieder mal extrem begehrt. Bei der etwas anderen A FAVELA IN YOUR TOWN sorgte DJ Sonrrisa und DJ Yaneek für den Ausnahmesound! Den vorläufigen Abschluss bildete dann der EGO SATURDAY mit tanzwütigem Mixed Music Hits.

   Weiter geht’s auf die nächste Tanzfläche im feierwütigsten Bundesland der Welt – und am besten gleich dahin, wo traditionell selten langweilig war, ins APARTMENT. Nebst viel Konfetti und (standesgemäß) total durchgeknallter Deko, trafen sich hier auch im Oktober altbekannte Apartment-Gänger und viele neugierige Frischlinge, denn hier hat Party-Eskalation eben eine lange Tradition und entsprechen kurzweilig die Partys im Kultclub im ersten Stock auch in den letzten Wochen. Highlights waren unter anderem die GOAT Djadja & Friends mit DJ Antar und DJ Marc Noll und natürlich die APARTMENT Nächte die freitags an den Start gingen, während samstags mit APARTMANTS und MFLAWLESS insbesondere Mixed Music Konzepte die anwesende Feiermeute überzeugte.

   Im STUDIO 30 gab es im Oktober gleich zwei Revivals einstmals bekannter und beliebter Clubs. Da war zum einen die 6NULL3 Party mit dem gewohnten Housesound auf dem Mainfloor, also genau da, wo früher unter dem Motto: 6NULL3 – Oberkörperfrei, der Sound der frühen 2000er gefeiert wurde. Auf dem zweiten Floor gab’s eine Spezialausgabe des MISCHMASCHCLUB, der nach seiner Entstehung im ehemaligen MODUL mittlerweile eigentlich im BLAU ansässig geworden ist. Unbedingt hervorzuheben ist aber auch eine ganz spezielle Nacht Mitte Oktober, denn wieder auferstanden, wenn auch nur für eine Nacht, dafür aber mit sensationeller Partyeskalation, ist eine von Saarbrückens kultigsten Locations überhaupt. Die Rede ist natürlich vom GLORIA PALAST, diesmal allerdings in einer brandneuen Herbstausgabe des kultigen Revivals. Dieses Mal, und das machte die Sause erneut zu etwas ganz Besonderem, im Team mit den CAFÈ FUTURE DJs Erwin & Praktikant auf dem zweiten FloorKlang schon im Vorfeld nach Ausnahmezustand und ging dann auch massiv durch die Decke. In der Erinnerung seiner Gäste und des ehemaligen Personals lebt die ehemalige Kultdisco ungemein vital bis heute weiter, wie eben auch diese Party außer Rand und Band unter Beweis stellte. Sehr unterhaltsam auch die Gesichter einiger aktuellen STUDIO 30Gäste, die sich hierher verirrt hatten und eine „normale“ 80er und 90er Party erwarteten. Denn spätestens beim ersten Pogo auf den „Nellie the Elephant“ oder den „Irish Rover“ war klar, hier ist etwas sehr Spezielles am Start. Von Chartmüll war genau wie in den originalen Jahren keine Spur, dafür gab’s Independent Mucke und Gitarren Mucke auf die Gehörgänge gemischt mit ein bisschen frühem House und New School Hip Hop. Eben exakt jene unheilige Mischung, der diese Party ihren legendären Ruf verdankt. Wenn das so weiter geht, werden bald auch dieses Revivals fast so legendär wie der einstige Disco-Palast sein. Bei der großen Geburtstagssause im Dezember sind wir auf jeden wieder dabei. Doch Nachtleben ist ja nicht nur Disco, denn mit den Livekonzerten von u.a. Slaughterra und The Anti Anti Supergroup und dem Poetryslam war im STUDIO 30 für alle etwas geboten.

   Der SEVEN Club Saarbrücken startete den Monat Oktober mit einer neuen Ausgabe der COLORS Party mit jeder Menge Afro, Dancehall, Reggaeton, Black und Latino. Auch bei der ONLY CHARTS und der ABI MEETS UNI komplettierten jede Menge Specials  Specials und viele Überraschungen die exzessive Partys. Aber der Feieramok ist im Birnengässchen ja nix Neues und so war natürlich auch der Ausnahmezustand bei der ORANGE schon fast selbstverständlich, den die SEVEN Stammgäste natürlich feierten als gäbe es kein Morgen. Es war ein legendärer Abend, der hoffentlich schon bald in seine nächste Runde geht. Leckerste Getränke und Eintrittspreise für jeden Geldbeutel sorgten Woche für Woche für eine ausgelassene Stimmung und das SEVEN DJ Team ließ die feiernde Meute auf der Tanzfläche richtig abgehen. Neben dem ersten Floor auf dem kamen auf dem zweiten Floor meistens alle Hausfreunde auf ihre Kosten. Lässt sich nicht beschreiben, muss man nackt gesehen haben.

   Die GARAGE ist ja seit Jahrzehnten ein Stückweit ein echtes Unikum im saarländischen Nachtleben. Unbeeinflusst vom ganzen Tohuwabohu von anderen Clubs im Bestreben ständig den Zeitgeist zu überholen, wird hier ganz entspannt Geschichte geschrieben. Das gilt natürlich für zahllose, legendäre Konzerte, die hier über die Bühne gingen, aber eben auch für Ausnahme-Partykonzepte, die hier realisiert wurden, wie die WARMEN NÄCHTE, um nur ein Beispiel zu nennen. Exakt diese Feier ging mit DJane Anna Andersson aus Mannheim und DJ Lúcent aber im Oktober komplett durch die Decke. Dieser exzellente Ruf wurde jetzt im Oktober mit grandiosen Feiereien wie der 80sVS90s, der NINETIES PARTY und der 2000PLUS übelst gepusht und auf ein neues Level gehoben. So geht Disco!

   Einen mehr als überzeugenden Saisonstart hat auch das BLAU hingelegt. Der frisch umgestaltete Laden ging mit Schmackes und mit phatten neuen Partys im Gepäck an den Start. Schon am letzten Septembersamstag gings los im Schwitzekeller mit den BLAU Allstars auf allen Floors und Mixed Music, Dancehall& Afrobeats sowie Oldschool und Funk in die neue Saison. Erster Höhepunkt ganz klar DER UTOPISCHE DEUTSCHRAP TURNUP – FLAVA FÜR DIE RAVER unter anderem mit dem unerreichten Obergroßmeister Greg 51. Und die vielleicht beste Nachricht: das CAFÈ BLEU ist auch wieder mit von der Partie!

In diesem Sinne, take care   

J.K.T

VIENNA CALLING

Ein Mann, ein Rad, ein Konzert & 900 Kilometer

Tiavo sind ganz weit vorne in Sachen saarländischer Rap-Szene. Gerade erst ist ihr neuer Track „Vienna“ erschienen und da liegen zwei Sachen besonders nahe: erstens ein Konzert in Wien und zweitens, da mal eben somit dem Fahrrad aus Saarbrücken hinzufahren. Doch genau das macht Frontmann Lucy jetzt. Als wir zum Gespräch im Studio der Band eintreffen sind die Jungs gerade dabei, die Songs für ihre Show in der österreichischen Hauptstadt zu arrangieren. Trotzdem nimmt sich Rapper und Sänger Lucy Zeit für uns.

L!VE: Eure Show in Wien ist ein Einzelstück wegen des neuen Songs „Vienna“ und nicht Bestandteil einer nächsten Tour, oder?

Lucy: „Genau, nächstes Jahr wird es zwar wahrscheinlich eine Tour geben, da steht aber noch nix fest und ich kann nix dazu sagen. Aber jetzt ist erst mal der Fokus auf der einen Show. Nach der ganzen Corona Geschichte hat man ein bisschen Weilchen auch gebraucht, um sich da noch mal zu fangen, um sich zu finden. Wir haben viel Arbeit machen müssen, was wir vorher nicht gemacht haben. Vorher haben wir immer nur von unseren Liveshows gelebt und dann auf einmal durch die Corona Zeit kamen dann ja Studiojobs, Arbeit, Recording, das Mastern dazu und so. Und jetzt ist sozusagen der Moment. Jetzt kommen da noch mal neue Songs in dem frischen Stil raus und „Vienna“ ist der erste. Dazu gibt es dann erst mal diese eine Show und dann, wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres, setzen wir noch eine weitere einzelne Show in Deutschland an, auch ganz frei von einer Tour.“

L!VE: Aber wie um Gottes Willen bist du auf die Idee gekommen, da mit dem Fahrrad hinzufahren? Das sind fast 1.000 Kilometer und die Alpen liegen auch noch dazwischen …

Lucy: „Ganz ehrlich, die Idee hatte ich schon recht früh, vor einem Jahr, das zu machen. Da ist die nicht so ganz auf Begeisterung gestoßen im Team. Alle haben sie gesagt, voll der Riesenaufwand nur für einen Song und so. Da habe ich dann ein bisschen Zeit vergehen lassen, bin aber drangeblieben und habe immer wieder gesagt, Leute, ich will das eigentlich machen, ich will mit dem Fahrrad dahin fahren! Weil das halt heutzutage so ist: wenn du wenn du einen Song rausbringt mit einem Video, dann bist du einer von einigen Millionen, die das jeden Freitag tun. Das heißt, da redet keiner drüber, berichtet keiner drüber. Allerhöchstens berichten welche drüber, wenn der Song besonders gut ist, aber die Garantie hast du nie. Irgendwie dachte ich da, ich möchte mal ein bisschen eine Geschichte drum rum bauen, also irgendwas anderes. Irgendwas machen, was dann am Ende des Tages halt mit dem Song zu tun hat, aber natürlich auch eine besondere Aktion ist. Dann hab‘ ich im September letzten Jahres, ich sage das ganz transparent, meinen Führerschein verloren wegen Trunkenheit am Steuer. Das finde ich auch sehr scheiße heute, aber so ist das halt bei uns aufm Land. Alle, die ich kenne, trinken dann fünf, sechs Bier und dann fahren die noch. Irgendwie war das bei mir auch drin und ich hab‘ dummerweise gedacht, das ist okay, was es nicht ist. Auf jeden Fall bin ich seitdem Fahrradfahrer und wenn ich in Wien ein Konzert spielen will, dann bestrafe ich mich noch mal und fahr mal mit dem Fahrrad von Saarbrücken nach Wien und koppele das Ganze dann noch an eine Spendennummer für den guten Zweck.

L!VE: Du fährst alleine oder treten noch andere von der Band oder Freunde und Bekannte ebenfalls in die Pedale?

Lucy: „Ich wollte eigentlich alleine fahren, aber einer meiner besten Freunde hat sich einfach aus Bock angeschlossen und filmt dann so ein bisschen auch mich, während ich fahre. Aber ansonsten außer ihm nur ein Wagen für das Gepäck und die Sachen, wenn wir was brauchen, und ein bisschen Proviant.“

L!VE: Und das werden ganz normale handelsübliche Fahrräder bzw. E-Bikes sein?

Lucy: „Ja, genau, es müssen halt E-Bikes sein, weil ich mit einem normalen Fahrrad 900 Kilometer in nur sechs Tagen nicht schaffen würde und mehr Zeit habe ich nicht. Das wäre ganz unrealistisch und dazu müsste ich schon ein austrainierter Profi-Radfahrer sein. Das bin ich aber nicht, ich bin ja noch nicht mal sportlich, ohne jegliche sportliche Ambition. Ich rauche ein Päckchen Zigaretten am Tag und bin wirklich nicht der Allersportlichste oder Gesündeste auf der Welt. Und ich glaube auch, selbst mit dem E-Bike ist in sechs Tagen nach Wien zu kommen, ist schon Challenge genug, auch wenn alles etappenweise geplant und vorbereitet ist. Wir haben uns Checkpoints gesetzt, und der, der da mit dem Auto fährt, der hat die Route geplant. Das ist dann immer natürlich davon abhängig, wie gut wir vorangekommen sind und wie wir uns fühlen. Wenn der mich anruft und ich sage, ich packe noch 40 Kilometer, dann fahre ich auch noch 40 Kilometer und dann werden wir da irgendwo übernachten. Wir überlegen deswegen auch, ein Wohnmobil mitzunehmen, wo wir dann ganz flexibel immer dort pennen können, wohin wir es geschafft haben.“

L!VE: Und du wirst dich, weil ja auch schon deine Unsportlichkeit angesprochen hast, auch nicht irgendwie vorbereiten oder steht jetzt noch ein Trainingslager an?

Lucy: „Aber sicher doch! Ich bin richtig am Pumpen und jogge jeden Morgen um den Niederwürzbacher Weiher und dann am Abend noch ins Fitnessstudio. Also zweimal Sport am Tag. Ich mach schon ein bisschen was, sonst hätte ich Angst, dass meine Muskeln völlig versagen. Die müssen schon wenigstens an die Bewegungen gewöhnt werden.“

L!VE: Alles andere wäre fatal, denn Du hast ja durch die Show in Wien ein Zeitlimit und kannst nicht überziehen, oder?

Lucy: „Sechs Tage geplant und mehr Zeit ist nicht! Okay, einen Puffertag haben wir für alle Eventualitäten eingeplant. Allerdings hoffe ich, dass ich den nicht für die Strecke brauche und den Tag zum Ausruhen nutzen kann. Dann würde ich meine Großmutter besuchen in Wien, um mich ein bisschen von ihr aufpäppeln zu lassen, worüber ich mich sehr freuen würde. Und dann am nächsten Tag ist schon die Show, zu der dann auch die anderen alle angefahren kommen, die Band und das Management und die ganzen Freunde. Aktuell kommen etwa 40 Leute aus Saarbrücken mit nach Wien. Also es wird eine lustige Geschichte!“

L!VE: Und schon irgendwelche Pläne für direkt nach der Show? Fahrrad verbrennen?

Lucy: „Nee, ich habe ja noch mehr Familie da, nicht nur meine Oma. Da gibt es noch zwei Onkel, Großtanten, Großonkel, also ziemlich viel Familie eigentlich. Mein Großvater ist aus Griechenland, meine Großmutter ist aus Österreich. Also die sind da alle und ich werde da ein bisschen Familie besuchen. Und dann werde ich noch ein bisschen Musik machen mit ein paar Künstlern aus Wien. Nur Fahrrad fahren werde ich erstmal sicher nicht!“

L!VE: Besten Dank für Deine Zeit und Grüße an den Drahtesel!

JONAS KAMMER

FOTOFINESSEN & FALLSCHIRMSPRÜNGE

Manch einer zeigt sein Talent im Architekturstudium, ein anderer beim Fallschirmspringen in der deutschen Nationalmannschaft und ein Dritter im Umgang mit der Kamera. Jonas Kammer beeindruckt gleich auf allen drei Gebieten – wobei wir uns besonders für seine Fotografien interessieren.

Tatsächlich hat der 1997 in Lebach als Ältester von drei Brüdern Geborene nach seinem Fachabi für vier Jahre sein Geld als Profi-Fallschirmspringer in der deutschen Nationalmannschaft in München verdient. Eigentlich schon eine tolle Geschichte, aber uns hat er doch um einiges mehr mit seinem Talent am Fotoapparat überzeugt. Und genau dem widmet er sich zunehmend, seit er im Alter von 23 in seine saarländische Heimat zurück gekehrt ist. Mit Ende der Coronakrise hat er dann zwar hier angefangen Architektur zu studieren, doch der Fokus auf der Fotografie blieb.

L!VE: Du hast doch aber wahrscheinlich schon in Bayern beim Fallschirmspringen Fotos gemacht?

Jonas Kammer.: „Ja, damit hat es eigentlich begonnen. Ich hab‘ relativ früh Interesse dran gehabt, aber auch immer so ein bisschen Respekt davor und wollte das nie so angehen, auch weil ich wusste auch, dass das teuer ist. Und irgendwann habe ich mich doch dafür entschieden, auf Ebay Kleinanzeigen eine alte digitale Spiegelreflex zu kaufen für unglaubliche 50 Euro. Die hab‘ ich immer mit auf Partys genommen und so lange benutzt, bis da irgendwann mal der Spiegel einen Schaden hatte. Dann hab ich relativ schnell geswitcht auf analog, womit ich dann so richtig durchgestartet habe.“

L!VE: Und dann hast du liebe zur anlogen Fotografie entdeckt?  

J. K.: „Ja, sogar relativ schnell. Dass man da nur 36 Bilder hat, also in einem Film nur 36 Schuss, das hat es mir angetan. Du musst halt jedes Mal genau überlegen, ob und wann du abdrückst. Und ich bin der Überzeugung, dass ich so den Wert von Bildern schätzen und dann auch lieben gelernt habe und das hat mir ultimativ viel Spaß gemacht. Ich hab‘ mir dann am Ende des Monats die ganzen Filme entwickeln lassen und hab‘ die dann immer den ganzen Leuten, die ich fotografiert hab, zukommen lassen und die haben sich allemal gefreut über besondere Bilder zum Anfassen.“

L!VE: Entwickelst du die Bilder auch selbst?

J. K.: „Ich hab‘ mich in Deutschland schon ausprobiert an diversen Studios. Ich habe jetzt so meine zwei, drei Studios, mit denen ich immer gerne zusammenarbeite, wo ich weiß, dass ich da gute Ergebnisse rausbekomme. Ich würde liebend gerne mal selbst entwickeln, nur mit Farbe ist halt schwierig. Schwarz-Weiß kann man zu Hause machen. Ich habe auch einen Kumpel, der das das kann, mit dem ich mich unbedingt mal treffen müsste. Aber so schicke ich die meistens ein. Ist auch der einfachere Weg, je nachdem wie viel man hat.“

L!VE: Hast du dich von anderen Fotografen beeinflussen lassen?

J. K.: „Es gibt einige Fotografen, die mich ziemlich begeistert haben oder bis heute noch begeistern. Es gibt da einmal den Paul Hüttemann. Das ist ein Fotograf aus Berlin, der auch durch Zufall mehr oder weniger an die Fotografie gekommen ist, also auch ähnlich wie bei mir. Andrè Josselin, den ich sehr gut finde. Der hat eine Bildsprache, die keiner so hinbekommt wie der, gerade was Street Fotografie anbelangt und von den Farben her. Und Thomas Höpker, ein sehr alter Fotograf, der mittlerweile, glaube ich, leider an Alzheimer erkrankt ist und trotzdem immer noch fotografiert und immer noch die Liebe daran hat. Das finde ich beeindruckend, dass das halt auch so bis ins hohe Alter gehen kann.“

L!VE: Hattest du auch einen „Lehrmeister“?

J. K.: „Analog habe ich mir alles selbst beigebracht. Und digital hat mir ein befreundeter Fotograf Jonas Ziegler die Essentials und mehr beigebracht. Wir haben uns auf einer Hochzeit kennengelernt. Ich als Gast, er war Hochzeitsfotograf. Da sind wir ins Gespräch gekommen und er hat gesagt hat, er will auch mal gerne analog fotografieren, worauf ich meinte, ich würde mal gerne mehr ins Digitale, weil es ja auch ziemlich teuer und ich weiß nicht, welche Kamera ist gut. Da hat er gesagt, komm vorbei. Er hat mir dann sein Equipment in Höhe von zig Tausend Euro in die Hand gedrückt, obwohl wir uns kaum kannten und ich durfte einfach machen, wofür ich ihm mein Leben lang dankbar sein werde. Da hab ich auch gemerkt okay, das Digitale geht mir auch gut ab.“

L!VE: Hast Du ein Lieblingsgenre in dem Du Dich besonders wohlfühlst?

J. K.: „Also bevorzugt mache ich auf jeden Fall Porträt- und Dokumentations-Fotografie bzw Reportage-Fotografie, weil ich für mich gemerkt habe, dass ich glaube ich mit meiner Art auch oftmals mit den Leuten so connecten kann, dass die mit relativ wenig Input von meiner Seite die Bilder hinbekomme wie ich sie mir vorstelle. Ich mag es nicht so gestellte Bilder zu machen, ich mag Bilder aus dem Moment raus und das sind dann auch meiner Meinung nach die schönsten Bilder, die ich mache.“

L!VE: Wie wichtig ist dir Nachbearbeitung?

J. K.: „Also Nachbearbeitung betreibe ich in dem Sinne nur, dass ich so mein Branding drunter setze. Und ich habe eine gewisse Vorstellung von den Farben, wie die wirken sollen. Ich arbeite digital ausschließlich mit RAW Dateien und alles was ich fotografiere, geht erst über Lightroom und ich versuche das so anzupassen, dass ich sage, das ist mein Stil, den ich die ganze Zeit anstrebe und jedes Bild eigentlich mehr oder weniger ins Detail rein.  Nachbearbeitung mit Photoshop mache ich gar nicht.“

L!VE: Tatsächlich ist es ja ein bisschen schwierig, Bilder von dir zu sehen,  zumindest aktuell noch?

J. K.: „Im Moment schon, das ging alles so schnell und die Entwicklung hat mich etwas überrollt. Ich mache ich das ja auch erst seit Anfang des Jahres, habe da ja auch erst das Gewerbe angemeldet. Ich hatte mir eigentlich gesagt, ich gehe das jetzt an, versucht es und hab‘ mir dieses Jahr so mehr oder weniger als Ausprobierjahr vorgestellt. Aber dann ging das richtig flott, zumindest flotter als gedacht. Immerhin habe ich mir schon eine Domain gesichert, aber bis jonikamma.de online geht kann es gut Ende des Jahres werden. Ich mache halt auch alles selbst und dementsprechend kann das ein bisschen dauern.“

L!VE: Wie ist Dein Verhältnis zu Social Media, Insta & Co?

J. K.: „Da ich ja von Analogfotografie komme, habe ich relativ schnell gemerkt, dass die Wertschätzung von Bildern auf Instagram nicht so gegeben ist, wie ich es mir erhoffe. Das wird da immer schnelllebiger und schnelllebiger. Und wenn ich Bilder veröffentliche, die ich gut finde, weiß ich aber gleich, gucken die Leute gucken die nur eine Sekunde an und dann wird weitergescrollt. Dafür finde ich das Ganze einfach zu wenig wertgeschätzt. Dementsprechend habe ich tatsächlich meiner Meinung nach die schönsten Bilder noch gar nicht veröffentlicht. Ich spiele allerdings eher mit dem Gedanken, eine erste Ausstellung zu machen. Da hätte ich auch definitiv Freude daran die Bilder zu zeigen, die ich noch nicht veröffentlicht habe.“

L!VE: Geht das vielleicht sogar schneller als die Website?

J. K.: „Ich hab‘ Connections zu einer Location in der Mainzer Straße, die einem Freund gehört und der hatte das schon vor ein paar Monaten angeboten. Er sagte, er fände das richtig cool, was ich da mache und würde sich freuen, wenn so was bei ihm stattfinden würde. Aber ich sammel‘ grad noch so ein bisschen. Ich hab‘ eine ganz schöne Reihe an Amerika fotografiert, als ich in New York war. Die würde ich liebend gerne ausstellen, auch weil die zu einer Hälfte analog und zur anderen digital geschossen sind. Allerdings habe ich ein Stück weit noch so ein zwiespältiges Verhältnis. Müsste ich jetzt mehr veröffentlichen? Oder lieber noch warten Das ist das Problem bei mir.“

L!VE: Da bleibt nur zu hoffen, dass Du Dich zu mehr Öffentlichkeit durchringen kannst. Einstweilen besten Dank für das Gespräch und hoffentlich bis bald!

Instagram: @jonikamma

Website: www.jonikamma.de

Mein Lieblingsding:

Das Saxophon

Die ungemein attraktive Celia Baron ist seit Jahren ein echtes Highlight auf zahllosen Konzerten, Festen und verschiedensten Events. Mit ihrem Saxophon beweist sie immer wieder aufs Neue ihr beeindruckendes, musikalisches Talent. Der große Erfolg kam schon in der Pubertät: „Ich bin da mehr oder weniger so ein bisschen reingeschubst worden, weil die Leute gesagt haben, Du machst das ja toll, kannst du nicht hier auf dieser oder jener Feier mal spielen? Und dabei war ich am Anfang ja total schüchtern und habe mich dann so nach Möglichkeit irgendwo versteckt.“ Die Schüchternheit hat sie inzwischen glücklicherweise abgelegt und sich darüber hinaus auch noch zur Komponistin, Producerin und DJane entwickelt. Zu ihrem Lieblings-Saxophon kam sie dann über einen kleinen Umweg: “Eigentlich hatte ich mir das Instrument vor sechs oder sieben Jahren nur als reines Tour-Saxophon gekauft, weil ich immer Angst hatte, wenn ich zum Beispiel auf Jamaika tourte, dass mein vorher genutztes hochwertiges Instrument irgendwie abhanden kommt oder irgendwas drankommt, wegen des Klimas oder des Meeres. Auf dem „Günstigen“ bin ich dann aber komplett hängengeblieben und hab‘ das andere seitdem nicht mehr angerührt.“ Wie das dann auf Jamaica aussieht, verrät Celia Baron im YouTube-Video zu ihrer neuen Single „Under my Sea Grape Tree“.

Ursulas Rache

Hallo Mikrokosmonauten: Welche Gouvernante wohn in euch?

Jüngst feierte mein jung gebliebener, aber dennoch wesentlich älterer Partner im Pacha auf Ibiza mit einem gefragten DJ hinter den Decks. Heute nennt man den Bereich rund hinter dem DJ-Pult ja „Family Lounge“, früher war es einfach nur der VIP-Bereich und basta. Nicht die Tatsache, dass er dort war stört mich, sondern der Fakt, dass Männer jenseits der 40 oder 50 immerzu noch ohne inneren Moralapostel feiern können, und im Zweifelsfall mit dem Manager oder dem DJ einen trinken können. Im Gegensatz werden Frauen ab 40 schräg beäugt, wenn sie sich diesen Spaß erlauben wollen.

Es nervt mich einfach nur!

Selbst wenn ich es krachen lassen möchte und durchaus auch noch eine Augenweide bin, macht mir meine Einstellung stets einen Strich durch die Rechnung. Es ist die innere „Ursula“, die mir dann ständig sagt: „Mensch benimm dich mal, du bist alt!“.

Ursula, so habe ich mein alter Ego genannt.

Ursula trägt Faltenrock und einen strengen Pferdeschwanz und eine einwandfreie unbehandelte Stirn, die sie so richtig gut in Falten legen kann. Und wann immer ich freidrehen will, nimmt sie ihre Gerte und erteilt mir Schläge. Mich nervt das, weil Ursula bis vor einigen Jahren nicht existent war. Im Gegenteil. Früher stand an ihrer Stelle Frau Rampensau und machte mit mir gemeinsame Sache. Ursula hingegen ist dafür, dagegen zu sein. Immer! Selbst wenn in gewöhnlichen Alltagssituationen mein Blick versucht ist, sich auf einem gut gebauten Mittzwanziger auszuruhen, stört sie den Frieden. Dann erhebt sie die Stimme und sagt einfach nur „Pfui!“.

Ich hasse sie.

Und weil ich Ursula hasse, beginne ich alles zu hassen, was ein bisschen mit Spaß zu tun haben könnte. Was nicht heißt, dass ich eine Spaßbremse bin, ganz in Gegenteil. Und mitnichten bin ich eine beugsame Frau. Aber kennt ihr das, wenn ihr etwas verrücktes macht, aber im gleichen Moment mögliche Folgen in Betracht zieht? Früher war das nicht so, aber seit Ursula sich mit mir meinen Körper teilt, hat sich in dieser Hinsicht einiges geändert. Stellt euch vor, sie nennt mich sogar „impertinent“!

Irgendwas hat sich im Laufe der letzten Jahre gravierend verändert. Mein Partner feiert plötzlich mehr als ich. Und wenn ich es mal krachen lassen möchte, ist da meine persönliche Gouvernante, die mich stündlich mein Handy zücken lässt, um meinem Angebeteten Rückmeldung zu geben, dass alles okay ist.

Hallo? Wie weit ist es inzwischen gekommen? Was ist mit mir passiert? Wo ist die Mel, die ungeachtet aller Vernunft und in nahezu egoistischer Superlative tat, was sie wollte? Ist sie abgetaucht? Oder am Ende sogar – ich wage es ja nicht auszusprechen – tot?

Bitte nicht!

Ich muss mir einfach eingestehen, dass meine Zeit vorbei ist. Das ist irre schwer, weil ich ja eigentlich nie etwas anderes konnte, als aufzufallen und na ja, mich auszuziehen! Alternativ konnte ich auch noch ein bisschen tanzen, aber das war meist nicht nötig, weil mein pures „Rumstehen im Minirock“ ausreichte, um gesehen zu werden. Ursula hätte mich mehrere Köpfe kürzer gemacht, wenn sie damals schon gewesen wäre, da bin ich sicher.

Aber letztendlich ist es für Frauen wie mich unheimlich schwer, ihre Bestimmung zu finden, wenn sie älter werden. Wenn man sonst nichts kann, bleibt man entweder weiterhin eine Geißel der Nacht oder ist so clever, sich einen reichen Ehemann zu suchen. Also Ursula fände letztere Option bestimmt hervorragend. Eine „Frau von“ sein, wie herrlich! Aber diese Genugtuung bin ich nicht bereit, ihr zu bescheren. Es reicht, dass sie einfach da ist und mich terrorisiert. Und ich bin gleichzeitig mehr als gestraft mit der Einsicht, dass ich offensichtlich einfach doof bin. Und ich fische an dieser Stelle gewiss nicht nach Komplimenten. Ich weiß einfach, dass ich mich jahrelang auf meinem Aussehen und auf meiner Jugend ausgeruht habe und sonst nichts. Viel früher hätte ich bereits Grundsteine für meine Zukunft legen müssen. Vielleicht oder gerade deswegen hat mir der Kosmos Ursula geschickt. Ich frage mich:

„Mussten wir uns treffen, um Weichen zu stellen?“

Ursula heißt nicht nur Rottenmeier mit Nachnamen, sie trägt manchmal auch dieses entsetzliche Monokel, obwohl ich ihr schon mehrfach zu verstehen gab, dass es sie noch älter aussehen lässt. Ich ertappte mich neulich sogar dabei, dass ich zu ihr sprach, und nicht umgekehrt. In diesem Moment war ich wie vom Donner gerührt, weil ich ihr niemals Aufmerksamkeit schenken wollte. Kritik allerdings verträgt sie so gar nicht und strafte mich unvermittelt mit einem schrecklich schlechten Gewissen, weil ich mir einen Nachschlag am Dessertbuffet genehmigt hatte.

Ich muss es einfach akzeptieren. Mein Partner war jetzt einmal feiern. Er hat das erlebt, was ich früher zuhauf hatte. Es ist jetzt halt seine Zeit. Ich hatte meine schon. Dort wo er jetzt ist, komme ich schon her. Es ist schwer zu begreifen, aber in dieser Hinsicht hat meine innere Gouvernante recht, wenn sie mir das Gefühl gibt, nicht mehr dazuzugehören. Was will ich auf ausgetretenen Pfaden wandern, weil ich glaube, sonst nichts zu können?

Minirock-Mel ist Geschichte. Ich erfinde mich einfach neu!

Damals konnte ich unheimlich gut rumstehen und gut aussehen. Ich hatte es perfektioniert. Ich hatte aus vermeintlicher Talentfreiheit etwas geschaffen, was mich zu meinen selbst gesteckten Zielen führte. Und wenn etwas zielführend ist, setzt das Energie voraus. Und nicht nur das. Energie, gepaart mit Willen, Interesse, Kunst und ein klein wenig Qualifikation ergibt Talent. Punkt.

Ursula ist jetzt halt da und geht so schnell auch nicht mehr weg. Ich habe ihr mehrfach damit gedroht, mich nie wieder zu duschen und aus dem Bett aufzustehen, denn das wäre ja ihr persönlicher Untergang. Seitdem haben wir uns arrangiert. Sie findet es insgeheim gut, dass ich Projekte verfolge, die nicht voraussetzen, dass ich mich nackig machen muss. Aber wehe, ich flippe etwas zu sehr aus oder will Achterbahn fahren. Dann kommt sie wieder hervor in ihrer ganz eigenen Rottenmeier-Art und ruft mich zur Räson!

Und einfach so haben wir uns fast schon mögen gelernt. Also zumindest tolerieren wir uns. Mögen ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, würde Frau Rampensau auch einfach nicht mehr zu mir passen. Ist im Alter wohl normal, diese Rottenmeier-Manier

Jetzt auch noch Kartoffeln

Kunst schreibt sich mit „K“, genau wie Können, aber eben auch wie Kartoffeln und wie Karle, um präziser zu sein Alexander Karle. Und eben der macht jetzt mit genau denen von sich reden. Inwieweit da Kunst und Können eine Rolle spielen wollen wir im Gespräch herausfinden.

Wir treffen den mehrfach preisgekrönten und fast ebenso oft verurteilten Alexander Karle in der Pfarrer Köllner Anlage an der Breite Straße in Malstatt. Hier, wo zuvor jahrelang das Zelt eines Corona-Testzentrums auf einer wenig gepflegten Wiese stand, treibt der Künstler, HbK Absolvent und Meisterschüler seit Anfang des Jahres sein neuestes Projekt voran, wieder mit reichlich Hinguckerpotential, allerdings diesmal nur äußerst geringer Chance, deswegen wieder vor dem Kadi zu landen. Er hat in der kleinen Grünanlage eine Pflanzung angelegt – mit behördlichem Segen – und will dort Kartoffeln anbauen. In Anspielung auf seinen Nachnamen soll das also ein „Karltoffelplatz“ werden. Diese Hingabe an die Botanik verblüfft auf den ersten Blick (und auf den zweiten auch), denn bisher hat der inzwischen 45jährige eher mit urbanen Themen wie z.B. den Skulpturen vor der Europagalerie, der „Karte für junge Reisende“ und dem Nauwieser Artwalk sein Talent bewiesen, allerdings auch mit überaus kontroversen Aktionen, von Liegestützen auf dem Altar der Basilika bis zum Besprayen der Wilhelm-Heinrich-Brücke mit Schriftzügen.

L!VE: Wie um alles in der Welt kommt man auf die Idee, mitten in der Stadt einen Acker anzulegen?

Alexander Karle: „Also, die Idee dafür ist im März diesen Jahres entstanden. Ich hatte hier unweit in der Ludwigstraße über einen Monat an einem Projekt der Kunsthochschule gearbeitet, der Ausstellung „Ich hab dich lieb wie ein Computer“. Und obwohl ich täglich dort gearbeitet habe und auch hier in der Nähe, nur zwei Straßen weiter, wohne, hatte ich vorher diesen Platz gar nicht so auf dem Schirm. Man muss sagen, dieser Platz liegt einer sehr zentralen Stelle inmitten des unteren Malstatt. Hier entsteht seit einigen Jahren ein neues syrisches Viertel und gleichzeitig hat man viele Menschen, die hier schon lange wohnen. Das kollidiert gerade ein bisschen, obwohl das eigentlich eine sehr schöne Entwicklung ist. Auch diese Anlage hier wurde vor ein paar Jahren neu gemacht, aber dann stand hier fast drei Jahre ein Corona-Testzentrum drauf und hat den ganzen Platz eingenommen. Als das wieder abgebaut wurde, lag der Platz so ein bisschen brach und ich dachte, dass es eine tolle Möglichkeit sei, einen interessanten neuen Ort zu schaffen.“

L!VE: Und warum ausgerechnet Kartoffeln?

A. K.: „Die Frage höre ich öfter. Oder auch: Das kann ja jeder. Macht der jetzt auf Bauer und tut so, als wäre es Kunst. Dabei geht es ja viel mehr darum, über den Umweg des Pflanzens von Kartoffeln diesem Platz, eine neue Identität zu geben, ein neues Gesicht, so dass hier ein Ort entsteht, an dem man sich gerne trifft, an dem man vielleicht auch mal kleine Konzerte macht, Lesungen, Ausstellungen, in dem einfach ein anderer Vibe ist. Und diesen Vibe zu erzeugen, das zu gestalten und zu vermitteln, das ist für mich eine gewisse Art von Stadtforschung und Kunst. Und da ich Kartoffeln sehr mag und die mit ihrer Herkunft aus Südamerika und ihrer jetzigen Rolle in der saarländischen Kultur ein Musterbeispiel für Integration sind, kam mir dann der Gedanke, einen Platz zu entwickeln, wo man den Bürgern anbietet, gemeinsam mit mir langfristig Kartoffeln anzubauen.“

L!VE: Bisher warst Du ja durchaus auch ein wenig kontrovers bis provokant unterwegs. Ist der „Karltoffelplatz“ jetzt ein Ausdruck von Altersmilde oder der neuen Rolle als Vater?

A. K.: „Nicht ganz. Ich wurde ja zu einer relativ hohen Geldstrafe, die ich nicht bezahlen konnte. verurteilt, weil ich unter der Wilhelm-Heinrich-Brücke gesprüht hatte. Dann hatte ich die Wahl 90 Tage Gefängnis, was natürlich mit einem kleinen Kind, das ich täglich betreue, nicht in Frage kommt, oder 360 gemeinnützige Arbeitsstunden. Da ich hier in Malstatt bereits einige Bürger Kulturprojekte gemacht hatte, habe ich bei der Diakonie Saar angefragt. Ich habe gesagt, Leute, wenn ihr wollt mache bei euch Arbeitsstunden, aber ich setze mich nicht ins Büro und drehe Däumchen, ich möchte etwas Sinnvolles machen. Ich habe eine ganz konkrete Idee, die ich gerne realisieren würde. Das wird sehr viel Arbeit, ich plane das Projekt, ich führe es durch, ich dokumentiere es und begleitete es auch medial. On top mache ich hier noch zwei, drei kleinere Projekte, wie zum Beispiel in der Breiten Straße fünf Stromkästen zu bemalen, dann haben wir das mit den Stunden.“

L!VE: Woher die Verbindung nach Malstatt? Die Leute würden Dich ja wahrscheinlich eher mit dem Nauwieser Viertel oder dem Mainzer Straßen Kiez in Verbindung bringen?

A. K.: „Ja, ich wohne seit einigen Jahren hier in Malstatt und denke, dass da hier ein Geheimtipp ist, so wie das Nauwieser Viertel von vor 20, 30 Jahren. Hier ist der spannendste Ort in ganz Saarbrücken. Aber ich bin noch alle paar Tage im Viertel und fühle mich da auch sehr wohl. Aber hier ist wirklich noch mehr Freiraum. Das hier ist ein Viertel im Wandel, hier gibt es noch Vakuum, hier kann man noch was entwickeln und deswegen finde ich es sehr angenehm, hier zu leben.“

L!VE: Obwohl du inzwischen eigentlich ein vertrautes Bild hier im Viertel sein müsstest gucken einige Passanten immer noch überrascht und die Anwohner interessieren sich immer noch sehr dafür, was du da eigentlich machst.

A. K.: „Ja klar. Ich bin schon eine Weile hier. Ich musste sehr lange, konkret viereinhalb Monate warten, bis ich eine Genehmigung hatte von der Stadt. Aber in den letzten zwei Monaten bin ich täglich hier und hab den ganzen Boden umgegraben, die Steine entfernt, erst mal rausgefunden, wo welche Art von Boden ist. Hier war ganz viel Bauschutt, Betonteile, Pflastersteine, gute Stellen, nicht so gute. Dabei habe ich dann auch die Form entwickelt und die Erde ausgetauscht. Die Stadt hat uns, also meinem Projektpartner Diakonie Saar und Quartier Malstatt, dann zwei Kipper Muttererde geschenkt. Die haben wir dann aufgefüllt und das war super, super viel Arbeit. Man muss sich auch vorstellen, im August hat es teilweise fast jeden Tag geregnet, aber ich wollte unbedingt weiterkommen und das haben die Leute natürlich mitbekommen. Am Anfang die Leute alle gedacht, ich wäre ein etwas komischer Mitarbeiter der Stadt, doch als ich dann aber täglich bis so gegen 18, 19 Uhr hier war, kamen die ersten zu mir und haben gesagt, du bist ja gar nicht von der Stadt, die hören nämlich um 16.00 Uhr auf. Ich hab dann erklärt, dass es ein Kartoffelplatz wird und das schien für sie normal zu sein, zumindest gab es da relativ wenig Nachfragen. Irgendwann haben wir dann unter Absprache mit dem Grünamt im Wald Holz und Holzstöcke für die Einfriedung gesammelt. Es war mir wichtig, dass wir kein neues Holz aus dem Baumarkt benutzen, sondern dass wir Holz nehmen, was von Bäumen bereits abgefallen war. Damit und mit viel Mühe und Aufwand, auch mit Hilfe einiger Bürgern, entstand dann diese Befriedung gebaut. Die ist eher so eine symbolische Abgrenzung ist, denn wer will kann ja jederzeit auf den Platz. Da ist zwar ein Tor, aber die ist ja nicht verschlossen. Es geht natürlich auch darum, dass nicht so viele Hunde dahin kacken oder im besten Fall gar keine. Man soll halt auch sehen, dass es hier nichts perfekt ist, sondern von Leuten selbst gemacht und, dass das eine gewisse positive Aura ausstrahlt. Das soll natürlich auch dazu führen, dass der Platz mehr und mehr respektiert wird.

L!VE: Obwohl es ja schon mal vorgekommen ist, dass irgendwelche „Vandalen“ den kunstvoll verknüpften Zaum umgetreten haben?

A. K.: „Genau. Also vor ungefähr zwei Wochen, Anfang September war das. Es gab wirklich Probleme, dass einzelne Jugendliche massiv, also wiederholt bis zu einem Drittel der Befriedung rausgerissen hatten und ich das dann jedes Mal erneuern musste mit viel Mühe und Arbeit. Man muss sich vorstellen, ich stecke ja nicht die Stöcke einfach in den Boden und das war’s. Das ist ja Totholz, was heißt, ich muss gucken, wie die Stöcke angeordnet werden müssen, die wieder entfernen, die Schnüre alle abschneiden, den Boden noch mal ein bisschen verdichten und festigen, die neuen Stöcke einbringen und alles wieder miteinander verbinden. Es gab letztlich keine andere Lösung und ich habe das dann einfach für mich genutzt, habe es immer wieder neu gemacht und war damit auch wieder mehr im Dialog mit den Bürgern. Dieser Platz hat natürlich eine ganz andere Wirkung, wenn jemand hier ist, der dran arbeitet.“

L!VE: Hast du vorher schon irgendwie einen grünen Daumen gehabt?

A. K.: „Nee, gar nicht, weder beim Urban Gardening noch habe ich zu Hause besonders viele Pflanzen. Allerdings habe ja über die Jahre immer wieder mit dem Element Pflanzen gearbeitet, weil die eine gewisse Geschwindigkeit haben, und alle paar Jahre kam und kommt es immer wieder vor, dass ich Installationen mache, die dann wachsen.

L!VE: Zum Abschluss mal Hand aufs Herz: abgesehen von Kresse und Bohnen wächst hier aber noch nix, auch keine Kartoffeln, oder?

A. K.: „Nein, keine einzige, dafür haben wir zu spät beginnen können und die verbliebene Zeit zu knapp. Natürlich wachsen hier jetzt ganz viele andere spannende Dinge. Brennnessel Beifuß, Löwenzahn, alles Mögliche. Und man sieht an der Wiese nebendran, die ich nicht bearbeitet habe, dass bei mir wesentlich viel mehr wächst und viel mehr Vielfalt ist. Was natürlich auch schön ist. Der Plan war eigentlich mit Vertragsende Ende Oktober, das Totholz zu verbrennen und darauf Kartoffeln für alle zu kochen und ein Fest zu feiern. Jetzt ist aber so, dass dieser Platz so gut angenommen wird, dass es so viel Arbeit war und dass jetzt vor allem so viele Vorarbeit geleistet ist. Wir haben hier jetzt beispielsweise Buschbohnen angebaut, weil die sehr schnell wachsen, und Kresse, damit der Wall gehalten wird. Und letztlich ist das der Dünger für nächstes Jahr. Und die Idee ist jetzt natürlich, zum  Stadtplanungsamt zu gehen und sagen Leute, lass mich mindestens noch bis nächstes Jahr Herbst weitermachen. Lasst uns bitte diesmal im Frühling wirklich Kartoffeln pflanzen, früh genug und ich kümmere mich drum. Ich such mir noch zwei, drei Bürger und dann wuppen wir das Ding, bauen die Befriedung nach oben weiter, bis sie sich schließt zu einer Kuppel und dann nach und nach mit Plastiktüten zum Beispiel von arabischen Läden, mit gelben Säcken, Verpackungen, eine Art Dach hintackere, so dass über Herbst und Winter hier ein neuer Ort entsteht, in dem auch mal können kleine Konzerte sein, Lesungen oder wo die Leute bei schlechtem Wetter sich einfach aufhalten können, wo trotzdem sehr hell sein wird. Und im Frühjahr baue ich das wieder zurück bis zu einer gewissen Höhe und pflanze endlich die Kartoffeln.“

L!VE: Wir haben zu danken für Deine Zeit und wünschen viel Erfolg mit der „Ernte“. Halt‘ uns auf dem Laufenden!

Sandi, Patrik und ich

Schwedisch für Anfänger: God Tag = Guten Tag; Viren = WC-Bürste mit Halter; Lustifik = Hut- und Schuhablage; Gutviken = Waschbecken; Kryp Nyckelpiga = Nylonmatte mit Latexbeschichtung…

Was sich anhört, wie die ersten Laute eines Kindes mit schwedisch-türkischem Migrationshintergrund oder wie außergewöhnliches Pech beim Scrabble-Spielen, ist für alle diejenigen, die sich nicht zu schade dafür sind, die neueste Ausgabe der „Schöner Wohnen“ auch einmal unter das zu kurz geratene Tischbein zu legen, verzückende Worte, die ganz oben auf dem Wunschzettel stehen…

Macht es bei der Wahl des Partners Sinn auf innere Werte zu achten und zu prüfen, was sich unter der blank polierten Oberfläche befindet, kann es einem bei Möbeln egal sein, ob sich im Inneren ein guter Kern oder bloß Sperrholz befindet. Wichtig bei Partnern und bei Möbeln ist allerdings, dass beide beim Besuch der Schwiegereltern nicht so voll sind, dass sie ihre Klappe nicht mehr halten…

Während manche es vorziehen, ihre Nächte in einem vererbten Eichenholzbett zu verbringen, in dem die letzten vier Familiengenerationen gezeugt wurden und Uropa seine letzte Ruhe fand, sind andere modebewusster und verzichten darauf, ihre Wohnung mit Möbeln einzurichten, die schon zwei Weltkriege überstanden haben und den Charme einer Dorfpension in Pirmasens ausstrahlen…

Die Art und Weise der Wohnungseinrichtung lässt tief in die Seele eines Menschen blicken. Für den einen dürfen es nur unbehandelte Vollholzmöbel aus heimischen Hölzern sein, die jeden erfreuen, der sie beim Umzug in den vierten Stock tragen darf. Bei anderen genügt es, wenn ein Möbelstück seine Funktion erfüllt und den Blick aus dem Fenster nicht verdeckt…

Kritik an funktionalen Pressholzmöbeln ist vor allem dann unangebracht, wenn diese aus dem schwedischen Einrichtungshaus stammen, in dem das Essen so heißt wie es sich bricht: Köttbullar. Die Farbe der Verzückung ist für viele nämlich weder rot wie die Liebe, noch rosa wie die Brille, sondern blau-gelb. Ein Hoch auf das Einrichtungshaus unserer Träume, ein Hoch auf IKEA…

IKEA, das sind vier Buchstaben, die Lebensgefühl ausdrücken: Innovatives Wohnen, Einkaufsfreude, und allerlei pseudo-günstiger Krempel, den man nicht braucht, aber dennoch so gerne kauft. Dazu stets eine Schraube weniger als zum Aufbau eigentlich benötigt wird. Ein Tag bei IKEA ist für jeden wie eine Reise in die Kindheit; inklusive Fiebertraum in den buntesten Farben…

Man kann Richtungspfeilen folgen wie bei einer Schnitzeljagd und sich mit Schuhen auf frisch gemachte Betten werfen. Es gibt Aufbauanleitungen wie bei LEGO und Überraschungen wie beim Ü-Ei, wenn das gekaufte Schuhregal sich nach der Montage doch als Stehlampe entpuppt. Man fühlt sich wie Ken und Barbie im Puppenhaus, nur eben im Einrichtungshaus und mit Geschlechtsteilen…

Konnte Uropa damals Geschichten über zerlegte Franzmänner und seine Narben von Granatsplittern erzählen, wird es unserer Generation dank IKEA einmal möglich sein, Enkeln über zerlegte Billys und Narben zu berichten, die man sich durch Pressholzsplitter zugezogen hat. Und was war Stalingrad 1942 schon gegen die Schlacht letzten Samstag an der Hotdog-Station…

IKEA ist eine Tupperparty zum Wohnen. Alles ist aus Plastik, quietschig bunt und darf ausprobiert werden. Vom echten Elchfell aus Polyester als Bettvorleger bis hin zum Regal mit Klapptüren als Alternative zu Omas Sarg. Das skandinavische Freudenhaus hat für jeden etwas, der mit einem Innensechskantschlüssel umgehen kann und Platz für kostenlose Bleistifte in der Hosentasche hat…

War IKEA früher als Sammelort sandalentragender Ökobastler verrufen, bietet es mittlerweile Spaß für die ganze Familie. Mutti darf sich mit Kissen und Kerzen vergnügen, während Papi sich im Hochregallager vor der Kasse wie im Baumarkt fühlen kann. Dazu die Hoffnung, dass man den nervigen Sohnemann am Ende des Tages im Smaland gegen ein anderes Kind eintauschen darf…

Ihren Charme erhalten IKEA-Möbel nicht nur durch ihr Design, sondern natürlich auch durch ihre Namen. Wer lehnt sich nicht gerne in einem Sessel zurück, der „Lömsk“ heißt, und trinkt einen Schluck aus dem Becher „Saftig“? Keiner möchte einen Wohnzimmerschrank, der wie in anderen Möbelhäusern auf den Namen „Odenwald“ hört oder ein neues Bett namens „Friedrichshafen“…

Der stolze IKEA-Kunde brüstet sich damit, in einem „Mörkedal“ oder „Bangsund“ zu schlafen, auch wenn sich diese Namen anhören wie die schwedische Übersetzung von Geschlechtskrankheiten. Zudem kann Mann sich eines Schmunzlers sicher sein, wenn er bei der erstmaligen Übernachtung der neuen Freundin aus dem Billy-Regal ein gleichnamiges Kondom hervorholt…

Die besten IKEA-Namen dürften entstehen, wenn Designer am Rechner einschlafen und mit dem Kopf auf die Tastatur knallen. Tags darauf finden sich dann auf dem Bildschirm zig neue Namen für Badematten oder Spülbürsten. Nicht vorstellen möchte man sich dagegen, wie die Tasse „Bang“ und der Sessel „Kimme“ zu ihren Namen gekommen sind; ganz zu schweigen vom Kinderbett „Gutvik“…

Neben 15-jährigen Jungmüttern aus sozialschwachen Wohnsiedlungen am Stadtrand hat IKEA sicher die ausgefallensten Namen für das, was einen die nächsten Jahre zuhause erfreuen soll, bis es dann irgendwann, nach dem es zum dritten Mal zusammengebrochen ist, aus dem Haus fliegt oder für ein paar Euro an einen Nachbarn weitergebenen wird…

Man findet somit bei IKEA nicht nur tolle Möbel, sondern dazu auch noch den passenden Namen für den Nachwuchs, den man darin oder darauf zeugen kann. Für einen „Ole“ eignet sich besonders gut das gleichnamige Sofa, für einen „Lukas“ der so benannte Schreibtisch. Und für einen „Ingo“ muss Mutti derweil ihren Hintern schon einmal auf den Küchentisch hieven…

Meine Eltern haben es demnach wohl auf einem ziemlich unbequemen Stuhl getrieben, genauso wie diejenigen von „Benjamin“, „Stefan“ und „Sandi“. „Hannalenas“ Eltern schafften es übrigens nur bis zum Fenster und in die dortigen Gardinen. Eine schockierende Erfahrung für denjenigen, der feststellt, dass „Philipp“ ein Abfalleimer und „Ramona“ eine Naturholztoilettenbrille ist…

Diese Art der Namensgebung ist für Singles ungemein von Vorteil, die montags im Büro nicht zugeben wollen, dass am Wochenende wieder nichts lief. Sie können ruhigen Gewissens behaupten „Benjamin“ und „Stefan“ wären die ganze Nacht da gewesen und man selbst wäre zwischen „Patrik“ und „Lukas“ eingeschlafen. Hört sich besser an als zuzugeben, am Schreibtisch eingepennt zu sein…

Manche Namen verleiten aber zu Fehlinterpretationen. „Jennylund“ ist nicht etwa eine aufblasbare dralle Schwedin, sondern bloß ein Sessel. Zumindest sind beide abwaschbar. Ein „Bumerang“ ist bei IKEA zwar auch aus Holz, jedoch ein Kleiderbügel, der nur zurückkommt, wenn man ihn jemandem an den Kopf wirft. Und „Pax Grinder“ ist keine neue US-Crime-Serie, sondern bloß eine Schranktür…

Ein treuer IKEA-Kunde weiß übrigens, dass „Poäng“ weder eine chinesische Stadt ist, noch aus dem Arbeitsvokabular einer asiatischen Prostituierten stammt. „Pluggis“ sind in diesem Zusammenhang übrigens auch kein Erwachsenenspielzeug, sondern Zeitschriftenordner. Zumindest ist „Hamarvik“ erwartungsgemäß eine Matratze…

Bleibt abzuwarten, ob es im Sortiment zukünftig auch eine Pfanne „Brutzlig“ und ein Sofa „Renpupen“ geben wird. Oder zumindest den Schrank „Drinverstekke“ und das Schüsselset „Raynkotse“. Vielleicht gibt‘s dann auch ein Duftbouquet „Poupsen“? Sandi, Patrik und ich… grunetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Das Bettsofa „Lessebo“ darf übrigens auch von Männern gekauft werden.