Jeder hat schon einmal vom Paradies gehört. Ob nun als Creme, Vogel oder Ort, an den all diejenigen kommen, die fleißig Kirchensteuer zahlen. Während Verkäufer im TV-Shopping die Ansicht vertreten, dass allein der Kauf eines Staubsaugers ausreicht, um den Himmel auf Erden oder zumindest den Teppich zu bringen, sind die meisten anderen der Meinung, Glückseligkeit warte erst, wenn man das Irdische hinter sich hat und dem hellen Licht entgegentritt. Wer schon einmal das Ende des Tunnels erblickt hat, sich dann aber doch noch einmal für den Rückweg entscheiden durfte, widerspricht dieser Erwartung: Am Ende des Tunnels warten nicht Adam und Eva, sondern lediglich Perl und Cattenom…
Das wahre Paradies jedoch findet sich gar nicht im Jenseits, sondern mitten unter uns im Diesseits. Das dürfte nun diejenigen enttäuschen, die sich für einen Suizid entschieden haben und vorher nur noch kurz diese Kolumne lesen wollten. Der Himmel ist nah, nicht aber die Apokalypse, wie es die Zeugen Jehovas prophezeien. Insofern besteht auch kein Grund, an der Haustüre in ein Abonnement für deren Erlöserzeitschrift zu investieren, die für Klopapier zu glatt und für einen wackeligen Tisch zu dünn ist. Statt Geld in bar in eine Sekte zu stecken, lohnt es sich vielmehr, Geld in einer Bar in Sekt zu stecken. So ist es später auch leichter zu verdauen, wenn Gott beim jüngsten Gericht kocht…
Der paradiesischste Ort auf Erden ist keine Kirche, dennoch aber ein Tempel gottgleichen Werkens. Während der Herr die Welt in sieben Tagen erschuf, kommen hier Jünger zusammen, die Ähnliches an nur einem Wochenende vollbringen wollen. Statt schnöder Holzkreuze gibt es hier Holzzuschnitt nach Maß. Anstelle harter Kirchenbänke findet man hier gepolsterte Terrassenliegen und statt kalter Taufbecken beheizbare Gartenpools. Dazu Werkzeuge für jeden Gebrauch, die sogar Jesus am Berg Golgatha gefallen hätten. Die Rede ist von der heiligen Stätte am Stadtrand, zu der Gleichgesinnte pilgern, um Inspiration zu finden und ihre Sorgen und Frauen hinter sich zu lassen: der Baumarkt…
Baumärkte sind für uns Männer das Paradies auf Erden. Hinter der Himmelspforte aus Glasschiebetüren warten göttliche Gaben aus der Bibel eines jeden Heimwerkers, dem wöchentlichen Werbungsfaltblatt. Was könnte für einen Mann nach einer Woche im Büro, in der sich die handwerkliche Betätigung auf Hosentaschenbillard beim Anblick der Praktikantin beschränkt hat, befriedigender sein als samstags den Blaumann anzuziehen und sich auf zum Baumarkt zu machen? Wer stolzer Besitzer eines Autoanhängers ist, führt diesen dabei stets mit sich, auch wenn er nur eine Schachtel Schrauben kaufen will. Denn mit Anhänger parkt man wie ein Heimwerkergott ganz vorne…
Schon seit der Bauecke im Kindergarten überkommt uns Männer regelmäßig der Drang, Dinge auf-, ab- oder umzubauen zu wollen. Da kann es schon einmal zum spontanen Einreißen einer tragenden Wand oder zum Einbau eines Dachfensters in der Kellerwohnung kommen. Nicht lange fackeln, sondern ran an den Bohrhammer und Fakten schaffen. Die Bretter, die die Welt bedeuten, sind für einen Mann zehn Millimeter dick und aus Holzfurnier. Seit jeher beschäftigen Männer sich lieber mit Werkzeugen als mit Kinderzeugen. Daher sollten Frauen auch akzeptieren, wenn es zum Valentinstag vom Liebsten statt roter Rosen einen pinkfarbenen Akkuschrauber gibt …
Neben Urinieren im Stehen gibt es kaum etwas Männlicheres als in die endlosen Weiten der Paletten und Hochregale eines Baumarkts abzutauchen und sich inmitten betörender Lösungsmitteldämpfe darüber zu informieren, welche Fortschritte die Welt der Kombizangen und Gipskartonplatten seit dem letzten Besuch vergangene Woche gemacht hat. Ein echter Handwerker würde eher auf seine Niere verzichten als auf seinen Werkzeugkasten. Wäre es erlaubt, Männer würden ihren Nachwuchs Makita oder Metabo nennen und ihnen zur Geburt statt eines Sparbuchs eine Kundenkarte für den Baumarkt besorgen. Stets in der Hoffnung, ihre späteren Ehepartner hießen mit Nachname Bosch oder Einhell…
Der Baumarkt ist ein Einkaufsparadies ganz nach Männergeschmack: mit einer Schuhabteilung ohne Sandälchen und Stiefeletten, dafür mit Sicherheitsschuhen und Gummistiefeln, sowie mit einer Kosmetikabteilung ohne Lidschatten und Lippenstift, dafür mit Acryllack und Rallyespray. Um Männerherzen höher schlagen zu lassen, braucht es keine Teelichter, Räucherstäbchen oder Meditationsmusik, sondern Halogenstrahler, Schmierölgeruch und den Klang einer neuen Kettensäge. Man könnte vor Glück heulen, wenn man nicht ein Mann wäre. Wie in jedem Paradies hat Mann auch in einem Baumarkt nur eines zu fürchten: Schlangen…
Bei aller männlichen Sentimentalität kann es schon einmal sein, dass selbst gestandene Heimwerker sich von ihren Gefühlen leiten lassen, wenn sie die passende Axt zu ihrem Holzfällerhemd finden oder sich die neuste Generation Arbeitshandschuhe toll anfühlt. Schnell verliebt Mann sich da auch einmal in einen fabrikneuen Aufsitzmäher mit Kehrfunktion, den man direkt gegen den alten Besen eintauschen würde, mit dem man verheiratet ist. Wenn die Partnerin schon glaubt, Anrecht auf einen Saugroboter zu haben, steht einem Mann doch erst recht ein Mähroboter zu. Selbst wenn das Zuhause statt eines Gartens nur vier Quadratmeter Balkon hat…
Um im Kaufrausch nicht die Kontrolle zu verlieren wie Frauen in Schuh- oder Drogerieläden, gelten für Männer in Baumärkten drei goldene Regeln: (1.) Es wird nur gekauft, was auch wirklich gebraucht wird. Und vielleicht noch das ein oder andere mehr, was irgendwann einmal gebraucht werden könnte. Auch wenn man noch nicht weiß, wann oder für was. (2.) Artikel im Sonderangebot oder solche, die weniger als 10 Euro kosten, werden doppelt gekauft. Denn so billig kommt man an diese sicherlich nie wieder dran. Zumindest nicht diese Woche. Und (3.) Messer, Klebeband und Kabelbinder kann Mann nie genug haben. Das hat man schließlich als Kind von MacGyver und dem A-Team gelernt…
Dennoch: Egal wie viele Werkzeuge und Eisenwaren man als Mann im heimischen Keller auch hat, sicher ist, dass beim Aufhängen eines Bildes nächsten Samstag wieder irgendein überlebenswichtiger Nagel fehlt. Und so wird es auch dann wieder heißen: „Schatz, ich fahr‘ mal kurz in den Baumarkt!“ und danach bis zur Sportschau dauern, bis Frau den Vermissten wiedersieht. Er gehe derweil mit Gottes Sägen oder wie der Lateiner sagt: Obi et Orbi… gruenetomaten@live-magazin.de.
Patrik Wolf
P.S. Warum gibt es in Baumärkten eigentlich Tiernahrung? Eine Zoohandlung führt doch auch keine Rasenmäher!
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Bildunterschrift: Auf ewig bis ans Lebensende mit dem gleichen Mann ist für viele Frauen kein Problem. Aber mit ihm auch nur einmal samstags zusammen in den Baumarkt? Da hört die Liebe auf!