oder Die unleichte Erträglichkeit des Seins
Sandra Feit macht den Menschen Mut. Im Rahmen ihres Facebook-Projekts „Mutmalerin“ schreibt die Dudweilerin individuelle Briefe aus dem Land der Fantasie für Kinder und auch für Erwachsene, die etwas Mut und Zuversicht im Leben brauchen.
Hättet ihr gedacht, dass sich unser Leben einmal so schnell so massiv verändern würde? Wir erfahren im Moment durch ungewohnte Einschränkungen und Abstand, der uns schützen soll, die wohl radikalste Umstellung unseres Lebens. Der Wocheneinkauf erinnert mittlerweile an einen Eiertanz. Ein Schritt vorwärts, ein Schritt seitwärts und immer bemüht den richtigen Tanzabstand einzuhalten. Ich möchte aber nicht über all die Merkwürdigkeiten schreiben, die uns in den letzten Wochen verfolgen und teilweise ungläubig aus der Wäsche schauen lassen, denn für viele Menschen ist diese Zeit eine enorme Herausforderung und Zerreißprobe. Ungewissheit, Ängste und Unsicherheiten ploppen unkontrolliert wie heißgewordener Popcorn-Mais in uns auf. Da ist plötzlich nicht nur der räumliche Abstand zu Menschen, sondern vor allem eine enorme Distanz zu unserem bisherigen Leben.
Doch was bleibt eigentlich, wenn uns das Leben aufs Wesentliche zurückwirft? Wenn da scheinbar nichts mehr ist, außer uns selbst? Im ersten Moment mag es sich leer, ungewohnt und seltsam anfühlen. Wir blicken auf unbeschriebene und ungenutzte Seiten in unserem Buch. Etwas, das wir von unserem Alltag so gar nicht kennen. Ein leeres Blatt ist aber nicht einfach nur ein leeres Blatt. Es bietet Platz für Neues! In diesen leeren Räumen entstehen unendlich viele Möglichkeiten, Chancen, kreative und innovative Ideen. Sogar Träume können wahr werden. Ihr glaubt mir nicht? Nun einen Beweis dafür haltet ihr schwarz auf weiß in euren Händen. Ich habe nicht damit gerechnet, hier für euch schreiben zu dürfen. Doch seit ein paar Wochen ist nichts mehr normal oder gewöhnlich. Und so befindet ihr euch gerade mitten in meinem wahr gewordenen Traum, nämlich ein paar Zeilen Mut für euch. Schreiben war schon immer ein Teil von mir. Trotzdem habe ich Menschen immer beneidet, die malen konnten. So ticken wir Menschen nun mal. Wir schauen immer auf die anderen und was sie können, anstatt auf uns selbst. Es hat über vier Jahrzehnte gebraucht, bis ich verstand, dass auch ich male. Zwar nicht mit Farben aber mit Worten. So entstand vor einiger Zeit mein Projekt „Mutmalerin“. Ich schreibe Briefe für Menschen, die etwas Mut und Zuspruch in Ihrem Leben brauchen. Mich selbst habe ich nie für besonders wichtig gehalten. Was kann ich schon groß verändern in der Welt? Meine Worte sind schließlich nur Worte! Doch im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, wie wichtig und wertvoll meine Arbeit ist. Was für mich ganz selbstverständlich auf dem Papier landet, nährt andere Menschen und schenkt ihnen Kraft. Man könnte sagen, ich koche so was wie eine sehr gute Gemütsbuchstabensuppe.
Das Rezept dafür entstand übrigens in meiner eigenen Existenzapokalypse. Ich kann daher sehr gut nachfühlen, was in den meisten Menschen gerade vorgeht. Und was so einfach daher gesagt ist, ist eigentlich, eine harte Vertrauensprobe ins Leben – aber haltet durch! Greift zu den „Buntstiften“ und werdet zu einem echten Trotzkopf! Kippt etwas Farbe in diese ganze Schwarzmalerei und haltet trotz Krise den Blick nach vorne gerichtet. Ich kann euch nämlich hingegen der apokalyptischen Gerüchteküche versprechen: es geht weiter. Kein Moment und keine Situation hält ewig. Weder die guten, noch die schlechten. Unser Leben verläuft nicht linear. Es hält sehr viele Überraschungen für uns bereit, die furchteinflößend, überwältigend, ungewiss aber auch aufregend, schön und voller Freude stecken. Ich sehe das Leben als Abenteuerreise und jeder Mensch ist der Held seiner eigenen, ganz individuellen Geschichte.
Im Moment stehen wir allerdings alle im Stau auf der C19. Um hier gut durchzukommen, brauchen wir eine enorme Kraft, die weit über Optimismus hinausgeht. Wir brauchen Hoffnung! Sie ist dieser eine entscheidende Schritt, den wir zwischen unserem Abenteuer und dem Game-Over setzen. In schwierigen Phasen fällt es uns schwer, die Hoffnung zu aktivieren, doch sie ist immer da. Sie treibt uns voran, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Hoffnung ist diese kleine feine Stimme in uns, die uns zuflüstert, dass unser Tun einen Sinn ergibt, auch ohne das Ergebnis zu kennen. Schaut doch mal zurück, was ihr bereits alles im Leben geschafft und angepackt haben. Wie viele große und kleine Hürden ihr schon erfolgreich genommen haben. Was ihr alles gelernt, euch angeeignet oder erschaffen habt. Ich rede hier nicht nur von eurem Schulabschluss und eurer Arbeit als Ingenieur oder Bäcker. Ich meine vor allem die scheinbar kleinen Dinge in unserem Alltag wie zum Beispiel ein gelungener Kuchen, der gewechselte Reifen, das selbst gebaute Hochbeet, das aufgeräumte Wohnzimmer, die überwundene Flugangst, das Lächeln des eigenen Kindes, die getrockneten Tränen der besten Freundin. Zieht mal Bilanz, was ihr wirklich alles könnt – da ist so viel mehr! Und dann seid einfach mal verdammt stolz auf euch, denn das ist euer Werk!
Vielleicht hat der Superstau auf der C19 für immer unsere Reiseroute verändert, vielleicht kommen wir auch einfach nur langsamer ans Ziel. Das weiß im Moment keiner. Doch ich bin sicher, dass unsere zukünftige Reise sehr viel wertvoller und bewusster sein wird, da wir uns in diesem Stillstand wieder auf das Wesentliche besinnen können. Auf uns und unsere Werke! Auf all die leeren Seiten, die wir wieder mit mehr Aufmerksamkeit, einer helfenden Hand, einem Lächeln, einem guten Wort oder ein paar Zeilen Mut ausfüllen können, einfach so, von Mensch zu Mensch!
Passt gut auf euch auf und bleibt gesund!