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Titelstory

TOUCHDOWN FÜRS SAARLAND

Das Saarland wird beherrscht von Wölfen, Mustangs, Terriern, Kelten, Heiligen und Wirbelstürmen, zumindest wenn man nach den Namen der saarländischen American Football Teams geht. Und die haben einiges zu bieten und das unmittelbar vor der Haustür, ganz ohne nachtschlafende TV-Übertragungen!

American Football ist die boomende Sportart der Stunde und das gilt natürlich auch im Saarland. Seit Mitte der Achtziger wird auch hierzulande um Raumgewinn und Touchdowns gekämpft, zum Teil mit so geselligen Namen wie den „Ghostbusters“ und den Saarwiesen als Trainingsgelände.  Aktuell hat jeder der sechs saarländischen Landkreise mindestens ein Football-Team vorzuweisen. Am Spielbetrieb im schönsten Bundesland der Welt nehmen insgesamt 14 Mannschaften aus sechs Vereinen, den Saarland Hurricanes (Saarbrücken), Saar-Pfalz Celtics (Homburg), Saarlouis Saints, South West Wolves (St. Wendel), Merzig Mustangs und White Terriers Illingen, teil. Die beiden Letztgenannten ausschließlich im wesentlich körperloseren, aber immer populärer werdenden Flagfootball. Im Tackle-Bereich, also dem klassischen Football, wie man ihn zum Beispiel aus der NFL kennt, ein Damen- und fünf Herrenteams sowie vier Jugendmannschaften. Im Flagfootball-Bereich, wo die Spieler durch Abziehen eines lose am Gürtel befestigten Textilstreifen, einer „Flag“, gestoppt werden, sind es weitere drei Erwachsenen- und eine Jugendmannschaft.

Die Zahl der Aktiven hat die 1.000er Marke mittlerweile deutlich überschritten, wobei die genauen Ergebnisse erst nach der jährlichen Bestandsmeldung im Mai feststehen. Der Aufwärtstrend in allen Bereichen allerdings ist unübersehbar. Das gilt natürlich auch für das eng mit dem American Football verbundene Cheerleading, wo in den zwei Verbänden Cheerleading und Cheerperformance, schon letztes Jahr knapp 300 Mitglieder gemeldet waren. Das gibt deutlich Anlass von einem weiterführenden Aufwärtstrend auszugehen, wenn gleich Torsten Reif, der Präsident des saarländischen Football-Verbands AFCV und selbst lange Jahre Spieler bei den Saarbrücker Wölfen und den Saarland Hurricanes, auch Bereiche mit Luft nach oben ausmacht:

„Die Entwicklung ist auf jeden Fall positiv. Selbst in den schwierigen Coronazeiten hatten die Vereine Zulauf. Dennoch könnten die Zuwachsraten größer sein, deshalb versuchen wir als Verband die meist jungen Vereine bei Ihrer Jugendarbeit zu unterstützen. Dem medialen Hype um die NFL müssen auch entsprechende Angebote vor Ort gegenüber stehen, wenn diese zunehmende Popularität auch im Verband ankommen soll. Insofern sind wir froh, dass es neben dem Aushängeschild Saarland Hurricanes mittlerweile in allen Landkreisen weitere Footballangebote gibt. Mit Blick auf die Olympischen Spiele 2028 wird dem Flagfootball eine immer größere Bedeutung zukommen, auch weil gerade die NFL das Thema Flagfootball pusht. Wir wollen als Verband sicherstellen, dass wir diese Entwicklung voll mitgehen können. Immerhin ist der Headcoach der Deutschen Damen-Flagfootball-Nationalmannschaft zu den Canes gewechselt, um diese neue Sparte weiter aufzubauen.“

Als eines der  32 Teams der höchsten deutschen Spielklasse, der German Football League (GFL), sind die Saarland Hurricanes natürlich das Aushängeschild des saarländischen Footballs. Wenn die neue Saison im Mai startet, kann wohl mit einiger Sicherheit wieder mit Rekordbesucherzahlen im Ludwigspark gerechnet werden, auch wenn die Canes ihr erstes Heimspiel erst am dritten Juni bestreiten werden. Immerhin hat das Team bereits viele Jahre in der German Football League und German Football League 2 gespielt. Entstanden sind die Saarland Hurricanes 1996 aus einer Fusion der Dillingen Steelhawks und der Saarbrücken Wölfe. Bereits im ersten Jahr wurden die Hurricanes Meister der 2. Bundesliga Süd und stiegen 2000 in die German Football League auf. Unter Coach Kirk Heidelberg, erreichten die Hurricanes 2005 dort erstmals die Teilnahme an den Play-Offs. 2011 wurde das eigene Trainingsgelände „Home oft he Canes“ mit Kunstrasenplatz am Saarbrücker Matzenberg eingeweiht. 2013 wurde dann zum bislang erfolgreichste Jahr der Vereinsgeschichte, mit Platz fünf in der GFL und vier von sieben gewonnen Heimspielen.“

Dass im Saarland bei diesem vermeintlich so männlichen Sport, auch Frauen ein wichtiges Wörtchen mitzureden haben, beweist seit Oktober vergangenen Jahres Annika Krämer. Die Bankerin ist als Vizepräsidentin im Bereich Kommunikation und Marketing erste Frau im Vorstand der Saarland Hurricanes. Zum Football kam sie übers Cheerleading und ist seit 2009 bei den Canes. In ihrer aktuellen Position fühlt sie sich sehr wohl und ist nebenbei bemerkt auch sehr zufrieden mit ihrer „Boy Band“. Natürlich hat sie eine eigene, klare Vorstellung vom Status Quo und der Entwicklung des Footballs an der Saar:

„Prinzipiell merken wir schon was von der steigenden Popularität. Vor ein paar Jahren habe die Leute noch verwundert auf Football und Cheerleading reagiert und gefragt, ob es das hier überhaupt gibt. Aber mittlerweile hat sich das schon in den Köpfen drin. Die Beurteilung der Entwicklung in den letzten Jahren ist dennoch etwas schwierig, weil da ja noch Corona war. Ich denke, das braucht noch ein, zwei Jahre bis deutlich wird, wie krass der Schub im Endeffekt wirklich war. Unterm Strich kann man aber jetzt schon sagen, die Leute interessiert das Thema Football immer mehr und sie verfolgen auch uns und unsere Spiele immer aufmerksamer. Das gilt natürlich auch fürs Cheerleading, wo wir in den letzten Jahren ebenfalls einen echten Boom verzeichnen konnten. Wir mussten tatsächlich zum ersten Mal mit Wartelisten arbeiten, sonst hätten wir in jeder der vier Sparten jeweils über 60 Leute beim Training gehabt, was nicht zu bewältigen gewesen wäre. Selbst den Pee Wee Bereich, also unser jüngstes Kinderteam, mussten wir in pure Anfänger und Fortgeschritten aufspalten, da es sonst wirklich nicht mehr händelbar gewesen wäre. Generell kann man sagen, dass sich in den Köpfen der Leute durchgesetzt hat, dass Cheerleading viel mehr ist als das reine Sideline, sondern eben echter Leistungssport, wie ja auch die vielen Wettbewerbe und Meisterschaften zeigen.“

Doch Cheerleading ist nicht der einzige Bereich, in dem Frauen und Mädchen bei den Hurricanes auftrumpfen können. Die 2014 gegründeten Saarland LadyCanes, die Damenmannschaft der Saarland Hurricanes, starteten 2016 in ihre erste Saison und wurden überraschend gleich Dritter. Seither sind die Lady Canes eine feste Größe im American Football, was sich auch darin zeigt, dass zuletzt gleich vier Spielerinnen aus ihren Reihen, darunter auch Quarterback Mona Stevens, in die deutsche Nationalmannschaft berufen wurden. Darauf ist Frau Vizepräsidentin besonders stolz, zumal die LadyCanes jetzt gerade in die erste Bundesliga aufgestiegen sind. Dort, bzw. in der GFL haben sich ihre männlichen Kollegen ja mittlerweile etabliert und haben schon die neue Saison fest im Blick und Annika Krämer kennt natürlich auch die Zielsetzungen der Canes für 2023:

 „Mindestens die Playoffs. Die sind natürlich auch dieses Jahr wieder ein erstes Ziel von uns, das wir ja auch schon oft erreicht haben. Nun ist es aber so, dass sich in Deutschland mit der European League of Football ELF eine neue Liga gegründet hat, die prinzipiell der GFL durch das Abziehen von Talenten schon ordentlich weh tut. Es wäre vielleicht schön, wenn da besser zusammengearbeitet worden wäre und vielleicht gelingt das ja in Zukunft. Für uns als Canes ist das allerdings fast schon ein Vorteil, da wir hier in der Umgebung kein ELF-Team haben und so unseren Stamm und unsere Qualität halten konnten, was für unsere Konkurrenten vielleicht nicht in gleichem Maße gilt. Aus diesem Blickwinkel betrachtet könnte diese Season für uns besonders interessant werden, zumal uns einige interessante Neuverpflichtungen gelungen sind und wir auch noch weiter recruiten. Es wird wirklich spannend.“

Die Rolle der EFL und deren Einfluss auch auf den Football im Saarland sorgt auch bei Verbandspräsident Reif nicht unbedingt für ungeteilte Freude:

„Als Verband können wir der EFL nur kritisch gegenüber stehen. Die ELF ist ein einzig auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtetes Unternehmen, die versucht die besten Footballspieler aus den Vereinen abzuziehen und mit ihnen einen Profit zu generieren ohne in den Sport zu investieren. Die ELF versucht über den Medienpartner Pro7 die große Aufmerksamkeit der NFL auf das eigene Produkt zu lenken und verkauft sich gerne als kommender Partner des großen Bruders aus den USA. Da die NFL aber zunehmend den Fokus auf Olympia legt, kann der deutsche Verband  hoffentlich enger an die NFL heranrücken und diese Kooperation nutzen, um die eigenen Ligen wieder aufzuwerten. Außerdem kann die EFL kann Flag-Football nicht bedienen, was langfristig für sie sicherlich problematisch wird.  Was die sportliche Stärke angeht bin ich der Überzeugung, dass der aktuelle deutsche Meister Schwäbisch Hall Unicorns den Meister der ELF, die Vienna Vikings in einem direkten Aufeinandertreffen geschlagen hätte. Wenn ich darüber hinaus die Qualität des Livestreams der Saarland Hurricanes mit den Übertragungen der ELF vergleiche, können nur wenige deren Formate mithalten, sowohl was die Technik als auch was den sportlichen Inhalt betrifft.“

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