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Titelstory

Was für ein Freak!

Radio, Fernsehen, Internet und Konzertbühnen – Freaky Jörn lässt wirklich nichts aus. Dabei sieht er nicht nur komisch aus und macht komische Sachen, der ist auch wirklich noch so! Was da schiefgegangen ist, haben wir versucht im Gespräch mit einem der auffälligsten Saarländer herauszufinden.

Jörn Dressler ist ein etwas anderer freier Journalist, Moderator und Musiker. Er kommt aus Aßweiler im Biosphärenreservat Bliesgau, wohin er nach langen Jahren im Saarbrücker Nauwieser- und Luisenviertel und nach Gründung einer Familie wieder zurückgekehrt ist. Er ist Jahrgang 1980, mittlerweile also 42 Jahre alt und weiß, dass man es ihm das nicht ansieht, gibt aber zu, dass es sich mitunter so anfühlt, besonders sonntagmorgens. Er hat praktisch alle Schulformen durchgemacht, die es so gibt, inkl. Gewerbeschule, Sozialpflegeschule bis hin zur Krankenpflege mit Praktika in Krankenhäusern. Allerdings hat er immer wieder nach längerer oder kürzerer Zeit für sich selber gemerkt: nö, das ist es nicht. Irgendwann hat er sich dann gedacht, mal eine Maler-, Lackierer- und Raumgestalter-Lehre zu machen. Diese zog er auch drei Jahre bis zum Gesellenbrief durch, sagte sich aber anschließend, okay, ein Jahr arbeite ich noch in dem Betrieb, aber dann höre ich auf. Immerhin hatten seine Eltern ihm eindringlich erklärt, wenn er einmal einen Abschluss erreicht hat, kann er anschließend machen, was er will.

Just zu dieser Zeit, etwa 1997, hat er das vielleicht für ihn einschneidendste Erlebnis und gewinnt bei einem Metalhammer-Gewinnspiel ein Meet&Greet mit Lemmy Kilmister von Motörhead.

„Ich traf die Band anlässlich eines Konzerts in Mannheim. Gitarrist Phil Campbell und Schlagzeuger Phil Taylor saßen ganz relaxed in einem Backstage-Raum und unterschrieben mir meine CDs und Platten. Dann entdecke ich eine offenstehende Tür zum Nachbarraum – und da saß er. Ganz klassisch am Daddelautomaten, mit einem Päckchen Kippen, ‘ner Flasche Cola und ‘ner Flasche Whisky und vor allem mit seinen weißen Schlangenlederstiefeln. Und frech wie ich bin, lief ich natürlich gleich auf ihn zu, nur um nach wenigen Schritten von einem Security-Typen gestoppt zu werden, der mir kurz und knapp aber sehr eindringlich erklärt hat: Niemand, aber auch wirklich niemand, geht zu Lemmy. Wenn, dann kommt Lemmy zu Dir! In dem Moment haben dann zwei Leute ihn für die Show aus seinem Sitz hochgehievt – vor der Show so beeindruckt. Er hat sich dann zu mir umgedreht, den Arm um meine Schultern gelegt, auf einen von zwei kleinen Kühlschränken gezeigt und mir erklärt: Das ist Deiner, daneben ist meiner und den rührst Du nicht an. So kam ich voller Stolz zu meinem eigenen Kühlschrank voller Dosenbier im Backstage von Motörhead. Dann hat er auch noch ein Foto mit mir gemacht – mit Stinkefinger! Zuerst wusste ich nicht, was ich davon halten sollte, aber als in einer späteren Metalhammer-Ausgabe ein Poster rauskam mit Lemmy und allen möglichen anderen Superstars, denen er allen den Finger zeigt, da wusste ich, ich bin angekommen! Und spätestens da wurde mir klar wie cool es ist, berühmte Leute zu treffen und mit denen zu schnacken, das weiter zu geben und vielleicht auch ein bisschen damit anzugeben.“

(Foto <IMG_8683>, Jörn mit Lemmy)

Hals und Beinbruch

Neben Chucks und Tubesocks sind vor allem auch kurze Hosen dein unverkennbares Markenzeichen. Waren die normalen, langen alle in der Wäsche?

„Bei mir kam das durch New Metal und hat angefangen, mit Korn und den Deftones, deren Sänger hatte sowas immer an. Mit Skaten hatte das weniger zu tun, einfach weil ich immer der schlechteste Skater von allen war und hab‘ mir auch immer regelmäßig richtig weh getan. Deswegen war ich auch ständig im Krankenhaus, was sich im Übrigen bis heute nicht geändert hat. Einmal im Jahr bin ich mindestens im Hospital und seit ich bei der Sportarena bin, wird das sogar dokumentiert. Ich soll zum Beispiel ein Probetraining bei einer Footballmannschaft mitmachen, zack, Rippe gebrochen. Mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, Schulter gebrochen, beim Beachvolleyball mit einer Hörergruppe in Spanien den Meniskus zertrümmert, Knöchel und Handgelenk gebrochen, die Liste hat kein Ende. Als ich neulich mit einer meiner Töchter im Fitness-Studio angemeldet habe, hat mich eine Angestellte nach Vorerkrankungen gefragt und ob ich schon mal was gebrochen gehabt hätte. Zu der hab‘ ich nur gesagt, sie soll sich setzen und wie viel Zeit sie denn hätte.“

Doch zurück zum Beginn des Mythos Freaky Jörn. Das Karma schlug damals in Gestalt der Großmutter seines besten Freundes zu, die in der Zeitung über UnserDing gelesen hatte und darüber, dass der Saarländische Rundfunk für dieses neue, junge Radio Leute suchen würde und ein Casting veranstalten würde. Da solle er doch mal hingehen, weil er ja sowieso den ganzen Tag nur am schwätzen wäre und so bekäme er vielleicht auch noch Geld dafür. Also macht er sich auf zum Halberg und muss dort als erste Aufgabe in jenem Casting eine Nachrichtenmeldung so umschreiben, dass auch ein elfjähriges Kind sie verstehen könne. Da wurde im klar, dass es sich um eine Veranstaltung für News-Redakteure handelte und das wollte er ja gar nicht sein. Aber wenn er schon mal da war, nahm er die eigentlich todernste und traurige Meldung und formulierte sie komplett um zu einem lustigen und leichten Beitrag, nicht zuletzt, weil ihm klar war, dass er hier keinen Blumentopf gewinnen würde. Als anschließend die Siegerin verkündet wurde ist er schon auf dem Weg nach draußen, als ihn eine SR-Mitarbeiterin aufhält und ihn bittet, mal ganz kurz mitzukommen. So lernt er seinen späteren, langjährigen Chef Sokrates Evangelidis kennen, der ihn zwar augenzwinkernd fragt, was er sich bei dem Text gedacht hätte, ihm dann aber ebenfalls einen Praktikumsplatz anbietet. Ein ganz wichtiges und folgenschweres Detail zu diesem Treffen, darf nicht unerwähnt bleiben: Jörn trägt ein T-Shirt seiner damaligen Band „Urobäx“, auf dem vorne nur groß „Freak“ draufstand. Als Evangelidis das sieht, meint er nur knapp: „Japp, das passt! Freaky Jörn!“ Dass er dabei quasi nebenbei einen Markennamen aus der Taufe hebt, ist in seiner vollen Tragweite erst jetzt heute klar.

Die ganze Zeit über blieb Freaky Jörn sich und seinem Style absolut treu, doch vor knapp zwei Jahren kommt es zu einem einschneidenden Ereignis. Er trennte er sich von einem seiner Markenzeichen, seinen Dreadlocks, die er seit der Jahrtausendwende bis auf eine beeindruckende Länge von über einem Meter „gezüchtet“ hatte. Wie konnte es dazu kommen?

„Neben meinem Dasein als Moderator, Musiker und Rampensau, bin ich auch für das Kultusministerium und das Landesinstitut für Pädagogik und Medien an Schulen unterwegs. Ich mache da beispielsweise Wochenprojekte mit den Schülern und zeige denen, wie macht man Frühstücksfernsehen, eine Radiosendung oder wie führt man ein Interview macht. Bei so einer Gelegenheit war ich an einer Schule in Luxemburg im Einsatz und da kommt auf einmal ein Mädel auf mich zu, zeigt auf den Boden hinter mir und sagt: “Entschuldigung, sie haben da gerade was verloren.“ Ich hab‘ mich rumgedreht und da lag dann ein fast ein Meter langer Dreadlock von mir. Mir war sofort klar, jetzt wird’s Zeit, jetzt bin ich in der Mauser.“

(Foto <vivien.huss.fotografie-09669 3>, Jörn mit ohne Haare)

Seinen Status als freier Mitarbeiter nutz er weidlich aus, um seinen unterschiedlichsten Talenten und Ambitionen Raum zu geben. Neben offensichtlichen Auftritten in verschiedensten Radio- und Fernseh-Formaten, Off-Air Moderationen auf Konzerten und Festivals, machte er beispielsweise auch viel Öffentlichkeitsarbeit für den SR und produziert mit großem Spaß Beiträge für die „Sportarena“.

„Das erste was ich da gemacht hatte, war ein Stück über den olympischen Fünfkampf, was ich mit den Jungs von Ungekocht Genießbar realisiert habe. Das war einfach unglaublich, ich habe sofort wieder Blut geleckt und gesagt: Das brauch ich und will ich und in Zukunft noch viel mehr!“

Wer probt, kann nix

Wovon er außerdem noch viel mehr braucht, gerade nach den letzte zweieinhalb Jahren, ist natürlich Musik machen.

„Die letzten Jahre waren für uns alle eine harte Zeit und ich hatte echt keinen Bock mehr nur noch via Facetime präsent zu sein. Wir hatten zwar lustige Projekte und Ideen, um uns bei Laune zu halten, aber ich war jetzt echt froh, als diese Zeit vorbei war und wir tatsächlich nochmal richtig loslegen konnten. Trotzdem ist es in dieser Zeit um meine Band Membran etwas ruhiger geworden, neue Projekte haben sich gebildet und letztlich haben wir Membran jetzt nach 16 Jahren zumindest zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Für mich hieß das zum Beispiel, Zeit zu haben für das Project „Midlife Crisis“ mit Sascha Waack. Hat alles sauviel Spaß gemacht, aber jetzt bin ich gerade an einem echt großen Ding dran, einer Metal Big Band! So richtig mit Bläsern und Background Sängern, aber halt richtig hart. Insgesamt stehen dann mit mir, zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, drei Sängerinnen, drei Bläser, einem Keyboarder und einem DJ dreizehn Leute auf der Bühne. Das sind dann schon so viel, dass wir nicht mehr zusammen proben können, aber das braucht man ja heute gar nicht mehr – und überhaut, wer probt kann nix. Das Ganze heißt „Stillmuff“. Ich fand das Wort schon vom Aussehen her richtig cool und dachte mir, wenn man das jetzt noch englisch ausspricht und ihm einen mittelmäßigen Schriftfont verpasst, dann ist das unschlagbar. Dann kommt keiner drauf, dass Stillmuff eigentlich eine praktische und kleinformatige Alternative zum Stillkissen bezeichnet, damit die Köpfchen von kleinen Babys beim Stillen nicht unbequem auf dem harten Unterarm zu liegen kommen.“ In jedem Fall hab‘ ich den Namen und entsprechende Websites schon schützen lassen.

Und wie sieht’s aus mit Live-Auftritten? Wann können wir Stillmuff auf der Bühne bewundern?

„Das ist momentan gar nicht mal so unbedingt unsere Priorität. Mein Fokus liegt im Augenblich erstmal darauf geile Songs zu produzieren, im Studio. Was ich gerade saugut finde ist, einen einzelnen Song zu machen, dann dazu ein Video und das dann rausballern und gucken was passiert. Natürlich stehe ich auch immer noch auf Bands, die so Konzeptalben gemacht haben, die man von vorne bis hinten durchhören kann, aber die Zeit ist jetzt eine andere. Und da ich ja einer bin, der ja auch beruflich ständig auf der Bühne steht, brauch‘ ich das im Augenblich nicht mehr so sehr.“

Wie sieht es aus mit anderen Projekten neben der Bigband? Du hast doch bestimmt einiges am Start?

„Was mich sehr gefreut hat, war tatsächlich, dass die Saarländische Krebshilfe auf mich zugekommen ist, mit der Frage, ob ich mir vorstellen könnte, bei einer Plakatkampagne für sie mitzumachen. Weil wenn ich mich als professioneller Spaßvogel da einbringe, erzeugt das eine ganz besondere Aufmerksamkeit und catcht die Leute nochmal mehr. Und natürlich habe ich sofort ja gesagt. Ansonsten bin ich dringend auf der Suche nach einem alten Kaugummiautomaten, weil ich mir einen Bienenfütterautomaten bauen will. Neben meinem Haus führt ein Wander- und Fahrradweg vorbei, da kommen jeden Tag hunderte von Leuten vorbei, und hintendran fängt gleich ein Feld an. Da will ich so einen Automaten aufstellen und Blumensamen reinmachen, die man sich dann für 20 Cent ziehen und ein Stück weit die Welt retten kann.“

Da bleibt uns nur uns für das Gespräch zu bedanken und falls unter den Lesern jemand einen Kaugummiautomaten übrighat, bitte einfach bei uns in der Redaktion abgegeben. Vielleicht geben wir ihn an Jörn, wenn er uns nicht gefällt.

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