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Titelstory

WAS FÜR EIN THEATER

Perspectives 2024 – ein ganz besonderer Jahrgang

Das Festival Perspectives gehört ohne jede Frage zu den interessantesten kulturellen Errungenschaften unserer Region. Das gilt selbstverständlich auch für die diesjährige Ausgabe, die unter denkbar widrigen Umständen an den Start gehen wird. Die frühere Festivalleiterin Sylvie Hamard trat vor schon vor rund einem Jahr zurück und im Herbst verließen mit Marion Touze und Martha Kaiser auch die beiden Stellvertreter die Perspektives. Die 45. Ausgabe muss daher erstmals ohne Leitung auskommen. Dass dennoch ein Event auf dem Niveau seiner Vorgänger realisiert werden konnte, ist vor allem zweierlei Umständen zu verdanken: dem Einsatz – und auch der Leidensfähigkeit – des aktuellen Rumpfteams und der ausgezeichneten Vorarbeit der alten Leitung bis zu deren Abgang. Das wirft einige Fragen auf, die wir der neuen Pressereferentin Frieda Maas stellen konnten.

L!VE: Hätten Sie sich träumen lassen, was in Ihrem ersten Jahr auf Sie zukommt?

Frieda Maas: Na ja, nicht ganz. Als gebürtige Saarbrückerin kannte ich das Festival natürlich. Ich habe auch schon in verschiedensten Funktionen gearbeitet, bin aber erst jetzt als vollwertige Referentin im Amt. Letztes Jahr war dieser große Umbruch, als mit Sylvie und dann Martha und Marion, praktisch alle Köpfe das Festival verlassen haben. Dass ich dann eingesprungen bin, war Zufall. Ich befinde mich eigentlich im Endspurt meines Studiums, mir fehlt praktisch nur noch die Abschlussarbeit, aber die habe ich jetzt kurzerhand in den Winter geschoben, einfach weil ich ein großer Fan des Festivals bin und mir dachte, tolles Angebot und noch mehr, eine super Chance!

L!VE: Abgesehen von den drei angesprochenen, wesentlichen Eckpfeilern, ist das Team unverändert geblieben?

FM: Das Team wechselt sowieso jedes Jahr ein bisschen durch. Es gab und gibt neben Marion und Martha nur ein paar Festangestellte, also zum Beispiel Célia Galiny, die jetzt für die Koordination zuständig ist und kommissarisch eben Marthas Stelle mit übernommen hat. Dann haben wir noch ein paar andere feste Köpfe in der Verwaltung und jedes Jahr viele Praktikanten in allen Bereichen. Dennoch insgesamt ein sehr kleines Team, auch wenn jedes Jahr ein, zwei neue Köpfe dazugekommen, wie jetzt beispielsweis Anna, die letztes Mal schon im Vorverkauf mitgearbeitet hat und den dieses Jahr leitet. Also, man findet sich immer wieder.

L!VE: Trotzdem war dieses Mal doch alles anders. Gab es da manchmal Zweifel, ob das unter diesen Umständen überhaupt zu stemmen ist?

FM: Viele der Produktionen, die wir einladen, muss man schon Jahre im Voraus anfragen und buchen. Das heißt, bis auf ein, zwei Programmpunkte und Teile des Musikprogramms war alles schon vorbereitet. Das geht auf Martha und die Leitung unter Sylvie zurück. Um ein paar kleinere Programmpunkte hat sich die Célia dann gekümmert. Das mit den Zweifeln ist dann immer so die Sache. Wir sind halt ein sehr kleines Team wie jedes Jahr. Das war ja auch das, was Martha und Marion zu Recht bemängelt und angemahnt hatten. Daran hat sich jetzt nach deren Weggang nicht viel verändert.

L!VE: Losgelöst von unglücklichen Bezeichnung „Interimsausgabe“ ist die Tatsache ohne echte Leitung agieren zu müssen, vielleicht auch eine Chance zu sagen, jetzt erst recht. Jetzt zeigen wir, was wir können?

FM: Anders wird es ab nächstem Jahr unter der neuen Leitung sowieso. Von daher haben wir dieses Jahr nichts zeigen müssen, da das Programm in wesentlichen Teilen nicht von uns gestemmt wurde, sondern wirklich auf das alte Team unter Martha und Sylvie zurückgeht.

L!VE: Zurück ins Theater. Auch dieses Jahr gibt es wieder neue, spannende Spielorte. Wie finden eigentlich Produktion und Location zueinander?

FM: Es kommt immer ganz darauf an, wie wie das Bühnenbild aussieht, welcher Platz benötigt wird und wie viel technisches Equipment. Das hängt von dem jeweiligen Stück ab, welcher Spielort sich am besten eignet. Zum Beispiel manche Stücke, wie das kleine Objekt-Theaterstück „Star Show“ der Compagnie Bakélite, das würde in einem großen Haus wie dem Staatstheater nie funktionieren, weil das Bühnenbild zu klein ist. Außerdem ist der Zeitpunkt mit entscheidend, also wie früh wir wissen, wann die Kompanien Zeit haben oder wann wir tatsächlich die Zusage von den Künstlergruppen bekommen? Und dann wiederum zählt die Frage, welche Spielorte sind überhaupt noch frei? Wir haben ja manche Kooperationspartner wie das Saarländische Staatstheater oder auch das Le Carreau in Forbach. Die haben ihre eigene Saison. Das bedeutet, wir müssen uns dann natürlich immer ein bisschen anpassen, was frei ist und eben auch, was das Stück hergibt. Das alles gilt natürlich auch für unsere drei neuen Spielorte, darunter die Kirche St. Jakob in Alt-Saarbrücken, die ein besonderes Highlight beherbergen wird.

L!VE: In jüngster Zeit kam immer wieder die Frage auf, ob die Perspectives 2024 zu unpolitisch seien…  

FM: Ja, das ist tatsächlich eine Kritik, die jetzt seit unserer Pressekonferenz des Öfteren kam, dass wir sehr zirkuslastig wären dieses Jahr, dass wir weniger Theater hätten. Ich habe mir das nochmal angesehen, weil ich der Meinung bin, das stimmt so nicht. Wir haben nämlich einmal das Eröffnungsstück. Das ist natürlich an sich Zirkusakrobatik, aber das hat auch sehr viele echte theatrale Elemente. Andererseits haben wir aber auch reines Sprechtheater, wie „Elles vivent“ das wir am letzten Tag zeigen. Dann haben wir noch „The Making of Berlin“ von Berlin, die ja schon mit „True Copy“ bei uns waren. Und schließlich noch „Hokuspokus“ das Masken-Theaterstück der Familie Flöz und das Objekt-Theaterstück „Star Show“ der Compagnie Bakélite, das ich gerade schon angesprochen habe. Das alles ergibt ein wie ich finde sehr ausgewogenes Programm. Es ist ja immer Auslegungssache, da viele von den Stücken ja sehr spartenübergreifend sind, sich nicht eindeutig kategorisieren lassen.

L!VE: Dass mit Berlin und der Familie Flöz gleich zwei Wiederholungstäter am Start sind, ist aber keine risikoscheue Entscheidung der Umstände halber?

FM: Nein, das würde ich so absolut nicht behaupten. Martha und Sylvie, haben immer so ein bisschen die Linie verfolgt, zu schauen, wie sich die Künstlergruppen mit den Jahren weiter verändern, um auch die natürliche Entwicklung, die diese Künstlergruppen mit ihren verschiedenen Werken durchleben, zu zeigen. Und gerade die Familie Flöz, die zugegebenermaßen schon sehr oft bei uns waren, hat das Publikum jedes Mal begeistert. Ja, wieso sollte man solche Publikumslieblinge also nicht mehr einladen?

L!VE: Für viele ist das Gastspiel von Meute das größte Ausrufezeichen im Programm. Diese Kooperation mit den Musikfestspielen Saar ist schon außergewöhnlich.

FM: Ja sicher, aber ich finde, das passt sehr gut in unser Programm. Wir haben ja oft sehr viel alternative, junge französische Künstler zu unserem Musikprogramm eingeladen. Und bei Meute ist es wirklich ein bisschen zielgruppenübergreifend, denn die bedienen ja wirklich Leute von bis. Wir sind wirklich froh, dass wir mit den Musikfestspielen kooperieren können, da die Zielgruppen mit unseren in etwa übereinstimmen. Es war praktisch ein Perfect Match, da zusammenzuarbeiten.

L!VE: So turbulent wie die vergangenen Monate waren, setzt mit dem Start des Vorverkaufs jetzt eine gewisse Erleichterung ein?

FM: Ja klar. Mit der der Veröffentlichung des Programms ist uns der erste Stein vom Herzen gefallen. Allerdings ist es so, dass unser Vorverkauf dieses Jahr ein bisschen speziell ist. Wir hatten sonst immer am St. Johanner am Markt ein Ladenlokal für die die Festivalsaison angemietet, wo immer drei Personen an sechs Tagen die Woche vor Ort für die Leute da waren. Wir haben damit supergute Erfahrungen gemacht und hätten wir das gerne beibehalten, aber auch das geht dieses Jahr einfach aus Personalmangel nicht. Wir haben eine Telefonhotline und Infostände, also für die Programmberatung, unter anderem im Kulturpoint neben dem Kulturcafé, aber eben keine Verkaufsstelle mehr. Das muss jetzt der Webshop übernehmen.

L!VE: Ab nächstes Jahr leitet Kira Kirsch das Festival. Was hältst du davon?

FM: Im Endeffekt war es eine politische Entscheidung, mit der wir als Team ja nichts zu tun hatten. Sie hatte bei ihrer Bewerbung ein Konzept vorgelegt, dass was wir im Nachgang auch angucken konnten. Alles sehr ambitioniert und tolle Ideen, die sie da einbringen will. Natürlich auch mit ihrer eigenen Handschrift, aber wer würde das schon machen und so ein Festival einfach so lassen, wie es ist. Aber in welche Richtung sich das bewegt bleibt vorerst offen. Die Spekulationen sind ja auf jeden Fall da. Sie hat ja viel mit der freien Szene gearbeitet und ist es gewohnt, ohne festen Spielort ein Programm zu konstruieren und auf die Beine zu stellen. Sie wird mit ihren eigenen Visionen da ran gehen, was klar ein Umbruch sein wird, aber das kann ganz spannend werden.

L!VE: Abschließend nochmal zurück zum diesjährigen Programm: was sind denn Ihre ganz persönlichen Favoriten?

FM: Mein persönliches Highlights von den Gastspielen sind „Hokuspokus“ und „Making of Berlin“. Und vielleicht auch „Armour“, eins von den drei Stücken, die in der Kirche St. Jakob spielen, was von der Thematik vielleicht ein bisschen gewagt ist, das in einer Kirche zu spielen. Ein tolles Stück voller Selbstironie. Aber unterm Strich bleibe ich bei „Hokuspokus“

L!VE: Vielen Dank für das Gespräch und starke Nerven für die nächsten Wochen!

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