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Mel´s Mikrokosmos

Wasting my young years

Hallo Mikrokosmonauten: Lasst uns zurückkehren zur Unbeschwertheit! 

Sommer 1994. Ich hoffte, er ginge nie zu Ende. Meine Cousine hatte gerade den Führerschein frisch in der Tasche und wir düsten mit dem alten Kadett ihres Vaters durch unsere Hood. Sie war damals neben Alicia Silverstone aus den Aerosmith-Videos mein absolutes Vorbild. Wir liebten Holzfällerhemden und schnitten die Hosenbeine unserer ausgemusterten 501er so kurz es ging und es für unsere Mütter moralisch noch im Rahmen war. Unser Bewegungsradius begrenzte sich auf etwa 15 Kilometer. Für mich bedeutete eine Fahrt von meinem Heimatort nach Saarbrücken fast eine Weltreise. Ich ließ mir heimlich ein Nasenpiercing stechen und nahm es zum Sonntags-Besuch bei Opa immer raus. Gelegentlich gab es einen  Jungen, den ich in einer dunklen Ecke küsste. Und immer wieder Freibad, zelten und Pizza beim Lieblings-Italiener. Natürlich zum Mitnehmen und an einem verlassenen Ort essen. Gerne an einer Lichtung zwischen zwei Wäldchen. Letztendlich war dies die schönste Zeit meines Lebens, wenngleich es auch damals schon schöne und weniger schöne Tage gab. An den weniger schönen rief niemand an oder das Wetter war schlecht. Oder der süße Junge aus dem Schwimmbad lächelte nicht zurück. Oder mein geliebtes Joghurt-Eis war aus. Andere Probleme gab es nicht.

Zu Alicia Silverstone gesellte sich irgendwann Liv Tyler und es konnte kein Zufall sein, dass das Musikvideo zu „Crazy“ so frappierende Ähnlichkeit zu meinem Leben hatte. Alicia und Liv – das waren meine Cousine und ich. Im alten Kadett. Laute Musik hörend und verrückt sein. Der Sommer 1994 war unendlich. Ich war unsterblich. Ich fühlte mich danach nie wieder so frei, so unbeschwert, so schön, wild und unbesiegbar.

Aber die Erde dreht sich weiter, Jahreszeiten wechseln, Tage und Jahre vergehen, der Wind ändert die Richtung und am Ende ist 2021 und ich sitze im Garten unseres Hauses in Frankreich und schaue gedankenverloren in die Ferne. Es riecht nach frisch gemähtem Gras. Ein Duft der mich jedes Mal an ferne Stunden im Bliesgau erinnert, als ich glaubte, alles ginge ewig so unbeschwert weiter.

Manchmal frage ich mich: „Warum ging es eigentlich nicht so unbeschwert weiter?“

Aus einer besten Freundschaft entbrannte über die Jahre hinweg ein Konkurrenzkampf und familiärer Zwist und Zerwürfnisse taten ihr Übriges. Ich wurde älter, orientiere mich in andere Richtungen, kam vom Weg ab. Verlorene Jahre an eine vermeintliche Glitzerwelt, die im Grunde so viel mit Glamour zu tun hatte, wie ein Camping-Urlaub in Castrop-Rauxel. Zwanghaftes Mithalten. Dazugehören. Es war so anstrengend. Klar gab es zwischendurch auch schöne Zeiten. Reisen. Liebe. Und neue Freunde, die mich eine Zeitlang auf meinem Weg begleiteten. Und natürlich immer eine große Portion Glück, denn sonst säße ich heute nicht gut gelaunt und gesund hier. Aber immer wieder die Frage:

„Vergeude ich meine Zeit?“

Heute weiß ich: Diese Reise war nötig. Denn nach und nach komme ich doch wieder dorthin zurück, wo alles begann. Im Sommer 1994. Der Sommer, der sinnbildlich für mein persönliches Erwachen steht. Der bewusste Sommer. An dem ein Tag noch ein Tag war und kein stumpfsinniges Aneinanderreihen von Stunden, die am Ende des Tages einfach nur abgesessen wurden. Zurück zum Ländlichen, kleinen. Zurück zu Holzfällerhemden und abgeschnittenen Jeanshosen. Vom Techno zum Rock. Von der Stadt zum Dorf.

Es fällt schwer und ist doch so leicht.

Ich bin älter. Das ist mir bewusst. Aber kann ein Leben verdammt nochmal nicht einfach so gelebt werden wie damals? Ohne den ständigen Ermahner in uns, der an den Verstand appelliert und dich daran erinnert, dass der Kontostand noch gecheckt werden muss?

Lasst uns zurückkehren zu diesem einen unbeschwerten Sommer, der uns als erstes ins Gedächtnis kommt. In dem ein Tag im Freibad noch ein Tag im Freibad war und nicht ein „Ich geh mal noch ne‘ Stunde nach dem Job ins Schwimmbad 50 Bahnen schwimmen!“. Ein Sommer, in dem man seine Lieblingsmusik im Auto rauf und runter hörte. Vielleicht dieser eine Sommer am Meer, als man zum ersten Mal nachts in die Fluten sprang und Schiss hatte, von einem Ungeheuer in die Tiefe gezogen zu werden. Dieser Sommer, als es noch das „Sommertouren-Ticket“ gab und Zelten auf einem Festival das Größte war. Als es noch keine Handys gab und man sich aus dem Urlaub Postkarten schrieb.

Am Ende ist es doch so: Das Ende kommt. Ob wir wollen oder nicht. Ich glaube, die Tatsache, dass wir sterblich sind, macht das Leben extrem lebenswert. Zumindest so sehr, dass man am Ende einer langen Reise wieder dorthin zurückkehrt, wo alles seinen Anfang nahm. Und wo Alicia Silverstone mit flatterndem Holzfällerhemd auf dem Brückengeländer steht und am Bungee-Seil einfach ins Ungewisse springt.

I`m wasting my young years

It doesn`t matter if

I`m chasing old ideas

It doesn`t matter if

 

-Für meine Arbeitskollegin Martina-

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