Hallo Mikrokosmonauten: …die Kotztüten sind alle!
Für mich ist es unerlässlich, über meinen Tag zu sprechen. Oft auch, während er noch läuft. Zuweilen muss ich kurz die Pause-Taste drücken und wie ein Kommentator aus dem Off erklären, was hier gerade so abläuft. Ich erzähle manchmal wildfremden Menschen, was ich erlebe. Einfach, weil es Tage gibt, die so unfassbar gut oder schlecht sind, dass ich sie „anekdotieren“ muss. Kommunikation ist bei mir ausdrücklich und immerzu erwünscht!
„Hallo Fremder, meine Kaffeemaschine ist gerade explodiert!“
Im besten Falle spricht man ja mit Freunden, mit dem Partner oder dem Haustier über seinen Tag mit all seinen Höhen und Tiefen. Aber es gibt Situationen, in denen das gerade nicht geht. So geschah es, als ich neulich einen wichtigen Termin bei meiner Bank hatte und der Auspuff meines Autos einfach abfiel. Ich stand also im Nadelstreifenkostümchen am Straßenrand, hatte es eilig und es war weit und breit niemand da, dem ich unverzüglich davon berichten konnte. Außerdem musste ich hier schnellstmöglich weg, also beschloss ich, zu trampen. Ein Lastwagen der Mülldeponie hielt an. Hach, was hatten wir einen regen Austausch! Der Fahrer erzählte mir, er müsse jetzt noch kurz zur Deponie zum Schutt abladen, und dass ein Sturm seine Gartenmöbel zerstört hätte. Im Umkehrschluss palaverte ich, während wir auf der Müllkippe standen, dass mein Kaffee heute Morgen viel zu stark war, und dass das mit meinem Auto ja der Höhepunkt des Tages wäre und das noch vor Zwölf! Es war eine recht kuriose Situation, da wir, zwei völlig fremde Menschen, eines gemeinsam hatten: Den Drang, sich mitzuteilen und ganz nonchalant zu kommunizieren.
Offene und authentische Kommunikation ist ein Stück Lebensqualität
Machen wir uns nichts vor: Die Steinzeitmenschen hatten gewiss wichtigeres zu tun, als über ihren Tag zu sprechen und es war auch sicherlich nicht überlebenswichtig. Aber der gewöhnliche Steinzeitmensch wurde auch nur circa 35 Jahre alt. Bei ihnen ging es mehr um das alltägliche Überleben als um zwischenmenschliche Kommunikation. Dabei ist Kommunikation heute umso wichtiger. Sagen, was man will und was man nicht will und zwischendurch gewisse Updates, wie es sonst so läuft. Danach sieht der Tag einfach schon viel besser aus und man fühlt sich befreit. Also ich bin ja eine Verfechterin der offenen Worte. Ich mag ungern um den heißen Brei reden, und zwischen den Zeilen lesen kann ich schon mal gar nicht. Aber schlussendlich haben wir in der Gesellschaft in Sachen Kommunikation leider eine Art Knigge, der immerzu auch den erhobenen Zeigefinger schwenkt, wenn etwas aus den Fugen zu geraten droht. Oder in meinen Worten: Es ein wenig zu direkt wird. Gerade im Business kann man schließlich nicht einfach daherkommen und sagen, was man denkt. Also man kann schon, aber die meisten haben Angst vor Konsequenzen, Konflikten und am Ende sogar um den Job. Das ist schade, denn neben sogenannten „Feel good-Managern“ müsste es auch genau das Gegenteil geben. Ein Manager, der einen so richtig schön unterstützt, unverblümt einen rauszuhauen. Wobei man sich danach ja durchaus ziemlich „good“ fühlt, also passt die Begrifflichkeit vielleicht ja doch. Der amerikanische Publizist Vance Packard wusste schon: „Die Kunst der Kommunikation besteht darin, auf das Herz zu zielen und den Kopf zu treffen.“
Und mehr noch: Kommunikation sollte im Optimalfall auf offene Ohren stoßen und entsprechend erwidert werden. Denn im zwischenmenschlichen Bereich hilft es ungemein, sich auszutauschen und im Dialog zu bleiben. Kein langweiliger Smalltalk à la „Wie gefällt dir das Wetter heute?“ oder einfach nur „Wie geht’s dir?“. Wenngleich letzteres ohnehin nur ein Synonym für „Ich sag jetzt einfach irgendwas!“ ist. Neulich antwortete ich auf jene Frage einfach mal mit „Ach, nicht so gut.“, und bekam prompt zur Antwort: „Prima. Wunderbar!“, was definitiv ein Indiz dafür ist, dass es die Leute doch überhaupt nicht interessiert, wie es einem geht. Genauso gut könnte man jemandem auch einen schönen Sonntag wünschen, auch wenn erst Freitag ist.
Ich will mehr!
Ich brauche mehr Tiefe und intellektuelle Herausforderung und nun ja, eben auch Wahrheit, auch wenn sie weh tun könnte. Umgekehrt ist es genauso, auch wenn man Gefahr läuft, sich bei offener Kommunikation angreifbar zu machen. Aber damit muss eine starke Persönlichkeit klarkommen. Offene Kommunikation bedeutet schließlich, Gedanken, Gefühle und Ideen ohne Verheimlichung und Angst vor negativen Konsequenzen zu teilen. Es geht darum, ehrlich, transparent und respektvoll miteinander zu kommunizieren. Hört sich einfach an? Ist es für viele nicht. Das liegt weniger daran, dass Sprachstörungen oder Aphasie vorliegen, sondern vielmehr daran, dass die Angst vor Konfrontation immens hoch ist, und machen wir uns nichts vor: Wir sind zu einer Weichei-Gesellschaft verkommen, die Angst vor Missverständnissen und negativen Reaktionen hat.
Also lieber eisiges Schweigen?
Ich für meinen Teil erspüre, wenn etwas ausgesprochen werden will, aber nicht ausgesprochen werden kann, weil man glaubt, die Harmonie dadurch zu zerstören. Aber die negativen Schwingungen, die durch den Raum wabern sind meines Erachtens viel schlimmer und deshalb gehe ich oft den unbequemen Weg der An- und Aussprache.
Zuhören oder Weghören?
Natürlich gibt es auf dieser Welt unzählige Langweiler, deren Gespräche man nicht unbedingt lauschen möchte. Des weiteren gibt es die Schwätzer, die Nörgler und die Jammerlappen. Ich glaube, im alltäglichen Miteinander muss man sich definitiv nicht dazu berufen fühlen, ihnen stets sein Ohr zu leihen. Kommunikation? Ja! Ausdiskutieren? Auf jeden Fall! Aber wir sollten unseren Wert kennen und wissen, wann ein Gespräch nicht weitergeführt werden muss.
Am Ende ist es doch so: Mit einem Müllmann über seinen Tag zu sprechen ist sowohl erheiternd als auch aufschlussreich. Es klappt zuweilen leichter, sich mit Fremden über den Tag auszutauschen als mit der eigenen Familie. Aber wir sollten nie vergessen, dass ein: „Wie war dein Tag?“ bei seinen Liebsten immer noch am besten aufgehoben ist.
Lust auf Kommunikation? melanie.hartmann@live-magazin.de