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Grüne Tomaten schlafen wütend

Zuhause mit Zombies

Immer wieder wurde die Menschheit von Krankheiten heimgesucht. Früher waren es Pest und Cholera, heute sind es Corona und TikTok. Auch wenn nach und nach Mittel gegen die meisten von ihnen gefunden wurden, ist es bislang nicht gelungen, eine der größten Gottesgeißeln auszurotten. Die Rede ist nicht von Covid, AIDS oder einem anderen Virus, sondern von einer Pandemie, die seit Menschengedenken täglich unzählige Opfer fordert. Wir sind ihr hilflos ausgeliefert, denn Impfungen gibt es nicht. Einzige Hoffnung ist, immun zu werden, sollte man sie überstanden haben. Sie kommt über Nacht und verändert Körper und Geist. Nach ihr ist nichts mehr wie es war: die Pubertät…

Neben der Dummheit ist die Pubertät die am weitesten verbreitete Seuche auf Erden. Sie bewirkt, dass aus süßen Kindern, die mit einem Dino im Auto sitzen und Vögel gerne mögen, in kürzester Zeit verbitterte Teenager werden, die mit einem Dildo im Auto liegen und gerne Vögeln mögen. Es scheint, als wären alle Regeln und Sitten, die einem die Eltern über Jahre beigebracht haben, von jetzt auf gleich weggeblasen und durch das Gegenteil ersetzt. Mütter werden bestätigen, dass die Schmerzen der Geburt nichts gegen die Schmerzen sind, die es zu erleiden gilt, wenn der eigene Spross in der Pubertät steckt, die der Metamorphose einer Raupe zum Schmetterling gleicht; nur eben umgekehrt…

Alle Eltern sehen dem Tag mit Schrecken entgegen, an dem ihr Kind am Morgen das Haus mit einem Kaugummiautomatenring am Finger und einer Packung Tempos verlässt und es am Abend mit einem Metallring in der Nase und einer Packung Tampons wieder betritt. War der Streuselkuchen eben noch in der Pausenbrotbox des Nachwuchses, ist er plötzlich in dessen Gesicht. Bunte Kritzeleien auf den Armen von Sohnemann oder Töchterchen stammen auf einmal nicht mehr von Buntstiften, sondern vom Tätowierer. Gestern noch mit den Nachbarskindern auf der Wiese, heute schon mit ihnen auf Gras. Nur noch die Kinderfotos an der Wohnzimmerwand erinnern an glückliche Zeiten…

Wie Gremlins nach Kontakt mit Wasser verwandeln sich Menschen zwischen 13 und 15 über Nacht in Zombies. Was bei deren Eltern nicht selten die Frage aufwirft, ob ein Schwangerschaftsabbruch seiner Zeit nicht doch die bessere Alternative gewesen wäre. Mutter und Vater sind hilflos, wenn aus einem Traum von Kind von jetzt auf gleich ein Alptraum von Teenager wird. Man wünscht sich wie bei Dornröschen einen vergifteten Apfel, der das eigene Kind so lange schlafen lässt, bis es aus der Pubertät heraus ist. Wer täglich mit einem Clearasil-abhängigen Nachwuchstyrannen zu tun hat, versteht es, warum Jugendliche dieses Alters vor achtzig Jahren an die Front geschickt wurden…

Vergleicht man menschlichen Emo-Nachwuchs mit tierischem Emu-Nachwuchs, fällt auf, dass die Zahl australischer Laufvögel, die in jungen Jahren auf die Idee kommen, sich ihr Gefieder grell zu färben und Metallstifte durch den Schnabel jagen zu lassen, recht gering ist. Tätowierungen sind im Tierreich allenfalls bei jungen Katzen angesagt. Es überrascht, dass unsere Spezies es im Laufe der Evolution offenkundig nicht geschafft hat, den Übergang vom heranwachsenden zum ausgewachsenen Exemplar so zu gestalten, dass er für alle Beteiligten erträglich ist. Anders als Hundewelpen pinkeln pubertierende Teenager zwar nicht ins Wohnzimmer, dafür kotzen sie ins Bad…

Man kann dem pickeligen Nachwuchs jedoch keinen Vorwurf machen, dass er vom kuscheligen Welpen zum kratzbürstigen Werwolf wird. Schuld sind die Hormone, die ab der Pubertät unser Leben bestimmen. Sie machen aus elfengleichen Jungenstimmen etwas, was sich anhört wie eine gefrorene Katze unter der Kreissäge, und sorgen bei Mädchen dafür, dass die Entwicklung ihres Gehirns mit der ihrer sekundären Geschlechtsteile nicht mithalten kann. Fand man als Junge vor der Pubertät Mädchen doof, eingebildet und uninteressant, bewirken aufkochende Hormone, dass Jungs zwar nach wie vor Mädchen doof und eingebildet finden, aber plötzlich gerade deshalb interessant…

Der heimtückische Hormoncocktail versetzt Pubertierende in den Irrglauben, dass Gangster-Rapper ein veritabler Beruf sei. Es ist aber auch nicht einfach, tagsüber mit Konjugationen und nachts mit Ejakulationen zurecht zu kommen. Während Mädchen in der Pubertät ihren ersten BH bekommen, um fremde Blicke im Zaum zu halten, sind Jungen auf sich alleine gestellt, wenn sie im Sportunterricht mit der Latte zu kämpfen haben. Mit der Pubertät wird bei Mädchen ein Problem immer gewichtiger: ihr Körper. Es wird in ihrem weiteren Leben kein Tag mehr vergehen, an dem sie sich nicht darüber beklagen, dass Brüste oder Po entweder zu groß oder zu klein sind und nicht so wie bei Heidi Klum…

Waren damals im Kindergarten Ärztin oder Prinzessin noch angesagte Berufswünsche, sind pubertierende Mädchen überzeugt, Karriere als Instagram-Model machen zu müssen. Um entdeckt zu werden, posten sie nicht selten täglich neue Selfies, auf denen sie dank Muttis Schminke und dem richtigen Foto-Filter auszusehen glauben wie Mitte 20. Dabei erinnern ihr schräger Duck-Face-Blick und der vermeintliche Kussmund eher an einen Schlaganfall. Viele Eltern hoffen in dieser Phase, dass am Märchen vom hässlichen Entlein etwas dran ist, da die Modelkarriere der Tochter ohne digitale Fotobearbeitung allenfalls für eine Werbekampagne für Hundefutter ausreichen dürfte…

Doch was kann man nun wirklich tun bei der Diagnose Pubertät? Nichts. Man kann allenfalls frühzeitig überlegen, ob man sich statt Kindern vielleicht doch lieber einen Hund zulegt. Den kann man nach 12 bis 14 Jahren im Zweifelsfall einschläfern lassen oder an der Autobahn aussetzen, wenn er zu viel nervt. Außerdem lassen sich Hunde viel besser an die Leine legen und rufen nachts nicht an, wenn sie besoffen irgendwo aufgesammelt werden müssen. Und ständig das neuste Smartphone brauchen sie auch nicht. Zuhause mit Zombies… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Die sicherste Verhütungsmethode bei den meisten pubertierenden Teenagern ist ihr Aussehen.

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