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Mel´s Mikrokosmos

Als Günther Jauch mich rettete

Hallo Mikrokosmonauten: Licht. Kamera. Lampenfieber.

Es war irgendwann in den 2000ern als ich inmitten der Menge vor Frankfurts angesagtestem Club stand und Radu Rosetti – der Chef himself nach draußen trat, sich auf ein Podest stellte und mit seinem spitzen Kinn und verwegener Arroganz auf einige wenige Leute wies, um ihnen die Ehre zu erweisen, einzutreten. Für andere war es irgendein Club von unzähligen Clubs auf der Welt, aber ich wollte jetzt genau dort rein! Es gab für mich keine andere Option. Und immer, wenn es für mich ums Ganze geht, verändern sich die Schwingungen um mich herum. Vielleicht ist es dieser Urinstinkt in mir, die Dinge genau jetzt und hier mit all der mir zur Verfügung stehenden kosmischen Energie zu beeinflussen. Und da ich seit jeher der Meinung bin, dass man das Schicksal definitiv zu seinen Gunsten drehen kann, passieren die Dinge schlussendlich auch so, wie ich es erhofft habe! „Und du!“, hörte ich Radu Rosetti sagen, sein Kinn in meine Richtung weisend. Und ich stolzierte. Mit wackeligen Knien zwar, aber es war ein eindeutiges Stolzieren. Ein herzrasendes, unsicheres Stolzieren. Da staunte ich mal wieder über mich selbst, dass ich es wirklich geschafft hatte. Aber merkte, dass ich zwar durchaus an kosmische Energie glaube, aber zuweilen weniger an mich und meinen Erfolg.

Erfolg – ein Mix aus Charme, Glück und Können

Damals war es ein Club in Frankfurt, heute sind es andere Bretter, die meine Welt bedeuten. Und trotzdem stehe ich immer wieder auf wackeligen Beinen, sobald ich sie betrete. Weil ich zweifle und mitunter auch verzweifle. Dabei stehen die Zeichen eigentlich meist auf Top statt auf Flop. Eigentlich weiß ich auch, dass ich durchaus erfolgreich sein kann. Ich glaube nur zu selten daran. Immerhin kann ich aus dem Stand heraus 42 Kilometer laufen und weiß von jedem Prominenten das Sternzeichen. Gebracht hat mir das bis jetzt zwar nicht viel, aber immerhin:  

Ich habe es auf den Stuhl von „Wer wird Millionär“ geschafft!

Statt also selbstsicher und entschlossen nach vorne zu preschen und meine talentfreien Talente unter Beweis zu stellen, taumelte ich an besagtem Tag regelrecht auf diesen bis zu diesem Moment meilenweit entfernten Rate-Thron! Mensch, da bin ich einmal bei „Wer wird Millionär“ und prompt weiß ich nicht mehr, wie ich heiße! Und plötzlich bekommt der Spruch „Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt!“, eine ganz neue Bedeutung. Im Grunde fehlt sie mir, sobald etwas passiert, auf was ich gefühlte 142 Jahre hingearbeitet habe. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich bin so der Drückeberger-Typ. Wenn es ernst wird, bin ich noch immer abgehauen und war plötzlich ganz klein mit Hut. Bei Streitereien werde ich oft ungehalten und laut, haue aber ab, sobald ich mit Gegenwind zu rechnen habe. Den Vogel zeige ich ausschließlich im Straßenverkehr, weil ich mit durchdrehenden Rädern abdüsen kann, sobald der andere reagieren kann. Und geht mir der Arsch mal so richtig auf Grundeis, möchte ich mich eigentlich nur noch verkriechen. Aber vor laufender Kamera bei RTL geht das nun mal schlecht.

Gottseidank gibt es Günther Jauch. Sowieso müsste jeder einen Günther Jauch an seiner Seite haben. Ein Günther Jauch hat nämlich die Souveränität, die einem selbst zuweilen abhandenkommt. Ein Günther Jauch funktioniert immer. Und ein Günther Jauch ist väterlicher Beistand, wenn er eine Blondine vor sich sitzen hat, die tatsächlich auch blond zu sein scheint. Vielleicht ist es die Tatsache, dass es bei „Wer wird Millionär“ auch wirklich um etwas geht. Aber Fakt ist, dass ich als großmäulige Kolumnistin noch nicht mal mehr smalltalken konnte, als ich da saß. Ich dachte an Radu Rosetti und fragte mich: „Hätte er mich in diesem erbärmlichen Zustand in seinen Club gelassen?“ Ich dachte an meinen besten Freund Adrian, der mir immerzu einbläut: „Du musst im Leben nur zwei Dinge: Sterben und Funktionieren. Und heute musst du funktionieren!“. Und schlussendlich dachte ich an all die großen und kleinen Erfolge, die ich in meinem Leben trotz blauäugiger Naivität und völliger Ahnungslosigkeit verbuchen konnte. Ist Erfolg am Ende doch nur eine Einstellung der Eigen-Vermarktung? Und während ich wie ein Roboter irgendwelche Fragen beantwortete, lag schon wieder etwas Magie in der Luft.

Ich glaube nicht an Gott, aber ich glaube daran, dass jemand von oben auf mich herabblickt und sagt: „Reiß dich verdammt noch mal zusammen!“. In diesem Falle war es mein verstorbener Opa, der plötzlich von der Studiodecke hinunterschaute. Er hatte meinen ebenfalls verstorbenen Kater auf dem Schoß und obendrein trug er einen Trainingsanzug! Ich war geschockt. Nicht, weil er mir erschien, sondern weil er einen dieser Achtziger Jahre-Trainingsanzüge trug und das auch noch in Flieder! All das passierte, während Günther Jauch versuchte, mich im Diesseits zu behalten! Wahrscheinlich ahnte er, dass mit mir etwas nicht stimmte. Ich wollte ihm zurufen: „Ja Herr Jauch, mit mir stimmt gar nichts!“. Und wie konnte ich überhaupt jemals so bösartig sein und über die vermeintliche Dummheit irgendwelcher Kandidaten in irgendwelchen Shows ablästern? Dafür würde ich in der Hölle schmoren! Ich sank auf meinem Ratestuhl regelrecht zusammen, wollte unsichtbar sein. Aber die Kamera zoomte noch näher. Und Günther Jauch? Blieb souverän. Er hatte ja keine andere Wahl.

Machen wir uns nichts vor: Die wenigsten sind die Ruhe selbst, wenn es um etwas geht. Mit Licht, Kamera und Publikum ist es noch eine Spur härter. Aber ich sollte mir auch eingestehen, dass ich nie ein Leben im Schattendasein führen wollte. Als Kind wollte ich Schauspielerin werden. Als Teenager traf ich die Backstreet Boys persönlich statt sie mir wie alle anderen auf der Bühne anzusehen. In meinen Zwanzigern und Dreißigern wollte ich gehört, gesehen und gelesen werden statt lediglich Hörer, Seher und Leser zu sein! Und wenngleich ich mich oft als frei von jeglichen Talenten tituliere, so frage ich mich: Besitze ich am Ende vielleicht doch welche?

Den sterbenden Schwan, kann ich jedenfalls unheimlich gut spielen. Außerdem kann ich meine augenscheinliche Blödheit mit charmantem Augenaufschlag und ein paar mehr oder weniger lustigen Sprüchen so vermarkten, dass es fast schon wieder clever ist.

Und da ist er wieder, dieser unbändige Wille und Glaube, dass ich es trotz aller Zweifel tatsächlich schaffen könnte! Dass ich es sogar schaffen kann! Wenn es hart auf hart kommt, könnte ich sogar ein Fenster streifenfrei putzen, da bin ich ziemlich sicher! Und wie ich einst, zwar unsicher aber immer noch aufrecht in diesen Frankfurter Club reinmarschierte, so marschierte ich auch aus Köln-Hürth raus! Und einfach so marschiere ich weiter, auch wenn ich gelegentlich stolpere oder sogar falle.

Am Ende ist es doch so: Nein, ich bin nicht dumm. Ich bin gelegentlich sogar ziemlich pfiffig, auch wenn ich nicht weiß, wie ich das mache! Ich stehe zuweilen auf einem ziemlich dicken Schlauch, aber mein Opa im fliederfarbenen Trainingsanzug hilft mir da drüber hinweg und Günther Jauch leistet seelischen Beistand, auch wenn er kein Psychologe ist.

Wer wird Millionär, RTL, 10.04.23, 20.15 Uhr

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