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Mel´s Mikrokosmos

Brautkleid bleibt Blaukraut

Hallo Mikrokosmonauten: Braut oder nicht Braut?

Viele haben es ja bereits vermutet oder geahnt. Es ist jetzt auch wirklich allmählich an der Zeit. Endlich! Nach endlosen Jahren und unzähligen Hoffnungen, die ich mir machte, und die schlussendlich immer wieder zerschlagen wurden. Und immer diese Fragen: „Na? Wann ist es denn bei dir endlich soweit?“ oder Sätze wie: „Ach, ich könnte mir das bei dir sooo gut vorstellen!“. Und nun kann ich es endlich verkünden. Nach Jahren des Dahindarbens! Nach Jahren, in denen ich geglaubt habe, niemals als das gesehen zu werden, was ich bin! 

Ich gebe hiermit offiziell und feierlich bekannt: Ich werde Traurednerin!

Man erkennt endlich mein wahres Talent! Oder was habt ihr jetzt gedacht?

Nun ist es aber so, dass ich mit Hochzeiten seit jeher aufs Kriegsfuß stehe. Weil ich bisher nie Braut war! So viel Ehrlichkeit muss sein. Ja, es kotzt mich an, dass ich mich noch nie in einem Hochzeitskleid-Marathon wiederfand und auch noch nie einen Gang zum Altar entlangschreiten durfte. Und ich wäre der Inbegriff einer schreitenden Braut, soviel steht fest!

Und jetzt stecke ich in einem Dilemma. Denn seit ich weiß, dass man mich auserwählt hat, ein Brautpaar in einer freien Trauung zu Eheleuten zu machen, geht mir der Arsch auf Grundeis! Ich soll zwei Menschen voller Glaube, Liebe und Hoffnung in den Hafen der Ehe leiten. Wie zum Teufel soll ich das anstellen? Schon alleine die Eröffnung, dass meine Freundin heiratet, lässt meinen Cortisol-Spiegel schon wieder schlagartig in die Höhe schnellen!

Als ich es erfuhr musste ich gleich fünf Stunden online shoppen, um mich zu beruhigen. Ich musste ja den Schock darüber, dass es schon wieder nicht meine eigene Hochzeit sein würde, irgendwie verdauen. Aber ich ertappte mich dabei, wie ich wie hypnotisiert auf der Seite „Brautmoden Tausendschön“ nach Meerjungfrauenkleider Ausschau hielt. Weil sie mir so sehr gefallen und ich darin einfach granatenmäßig aussehen würde! Bis mir wieder einfiel, dass ich nicht die Braut war, Herrgott nochmal!

Nach drei Gläsern „Katzenpipi auf einem Stachelbeerstrauch“, einem eigentlich tollen Sauvignon Blanc aus Neuseeland, lag ich also in desolatem Zustand auf der Couch, weil meine eigene Boho-Hochzeit gerade in einer weinerlichen Seifenblase zerplatzt war! Ihr müsst Nachsicht mit mir haben. Auf die Frage einer dir nahestehenden Person: „Willst du unsere Traurednerin sein?“, antwortet man nicht mit „Och nö.“. Da sagt man „Ja!“, das ist einfach so. In meinem Fall war es sogar ein flötendes: „Ja, ich will!“, und ein darauffolgendes weiteres Gläschen Katzenpipi. Und noch eins.

Dabei ist es eine große Ehre. Man hat offensichtlich Vertrauen in mich, dass ich so etwas beherrsche.

Na schön, wenn wenigstens die beiden an mich glauben, dann muss ja was dran sein.

Aber was tut man überhaupt als Traurednerin? Im Grunde geht es doch nur um den Segen, die Ringe und so etwas wie „Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau“, oder?

Bis mir klar wurde, dass es viel mehr ist.  

Einäugig, da immer noch schwer verkatert, öffnete ich einen Tag nach der Verkündung mein Google und suchte nach den entsprechenden Key-Words, was man als Trauredner so tut. Mit jedem weiteren Bericht wurde mir schwindliger. Was ein Pfarrer bei konventionellen Hochzeiten übernimmt, tut ein Trauredner bei einer freien Trauung. Es gibt im Rahmen dieser Zeremonie unzählige Rituale und Bräuche, die man einbauen kann und im Mittelpunkt steht immer das Brautpaar, ihre Geschichte, ihr Liebe und all das, was möglichst unterhaltsam ist und im Optimalfall die Gäste zu Tränen rührt. Ich fragte mich:

„Kann ich das schaffen?“

Und dann ging mir plötzlich ein Licht auf. Eigentlich ein ganzes Lichtermeer. Denn im Grunde hatte ich mich mein halbes Leben immer so sehr darauf fokussiert, irgendwann mal Braut zu sein, dass ich überhaupt nicht sah, dass eine ganz andere Rolle viel besser zu mir passt.

Wenn sie keine Braut wird, soll sie doch Torte essen!

Vielleicht ist so ein Trauredner-Job gar nicht übel. Ich wäre so etwas wie ein Moderator. Eine Person, an dessen Lippen man im besten Falle hängt. Und im schlimmsten Fall mit Tomaten beworfen wird. Aber das käme mitnichten vor. Vor Rührung weinende Gäste treffen nämlich nicht. 

Klar muss ich als Traurednerin frei reden können. Für jemand, der sich sogar aufschreiben muss, was er bei seiner nächsten Gehaltsverhandlung sagen muss (Spickzettel mit den Worten „Ich will mehr Geld!“), ist das eine große Herausforderung! Und jemand, der bisher immerzu nur gut über sich reden konnte, aber weniger über andere, mag eventuell für diesen Job nicht unbedingt erste Wahl sein. Aber wartet es nur ab: Ich starte jetzt durch!

Als Braut mag es für mich in diesem Leben nicht so recht klappen, aber es eröffnet sich hier für mich eine viel größere Chance.

Und war es denn nicht schon immer so? Das, was ich mir für mich immer gewünscht habe, ist eigentlich nie in Erfüllung gegangen. Das fängt ja schon damit an, dass ich immer viel lieber Querflöte gespielt hätte. Und dass ich an Fasching immer gerne Prinzessin gewesen wäre, aber meine Mutter mich in ein Robin Hood-Kostüm gesteckt hat. Und es endet in so manchem Verflossenen, der einfach nur eine Pfeife war. Es musste alles so sein. Das wird mir jetzt bewusst.

Am Ende ist es doch so: Zuweilen sehen wir uns in einem völlig falschen Licht und verkennen unsere wahre Passion. Vielleicht müssen uns andere erst das Streichholz in die Hand legen, bevor eine Idee zünden kann!  Vielleicht müssen erst andere uns mit der Nase darauf stoßen, was wir wirklich können.

Jetzt weiß ich es.

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