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Mel´s Mikrokosmos

Im Rausch

Hallo Mikrokosmonauten: Dosiert ihr noch oder überdosiert ihr schon?

Fakt ist: Man kommt viel schneller an Drogen ran als an einen Termin beim Psychologen. Wer das nicht glauben kann, sollte einen Blick in einen hundsgewöhnlichen Supermarkt werfen, denn Drogen sind viel mehr als „kolumbianisches Marschierpulver“ oder „Afghan Kush“!

Es ist eine regelrechte Schande, dass sich im Edeka unseres Vertrauens ganz unverblümt allerlei Rauschmittel freizügig in der Auslage fläzen. Es ist wirklich wahr! Unsere heile Welt gerät regelrecht aus den Fugen, wenn wir uns vor Augen halten, dass Globus und Konsorten die schlimmsten Dealer überhaupt sind. Da bekommt der Werbeslogan „Da ist die Welt noch in Ordnung“ ja eine ganz neue Dimension!

Drogen – ein breit gefächerter Begriff. Laut Wikipedia werden unter dem Namen „Drogen“ allerlei Stoffe aufgeführt, die einen gewissen Rausch verursachen und kein Nahrungsmittel sind. Letztere werden unter dem Begriff „Genussmittel“ geführt. Allerdings verschwimmen hier die Grenzen. Entschuldigt, wenn ich das so frei heraus sagen muss, aber an alle Naschkatzen, Kaffee- oder Biertrinker, Raucher und Fast-Food-Lover da draußen: Ihr seid Junkies!

Ich denke, man macht es sich recht einfach, wenn man nur Rauschgifte als Drogen deklariert und Dinge wie Koffein, Tabak, Zucker und sogar Alkohol in die Genussmittel-Kategorie einordnet. In meinem Podcast beschäftige ich mich unter anderem mit Süchten aller Art und habe in diesem Zusammenhang einen Aufruf gestartet, um in den Dialog mit meinen Hörern und Hörerinnen, ebenso auch mit meinen Lesern und Leserinnen zu gehen. Was dabei herauskam, war erstaunlich. Das Wort „Sucht“ wird hier nämlich ziemlich weitläufig genutzt.

Man spricht dann von Sucht, wenn jemand sein Leben auf den Konsum einer bestimmten Substanz oder auf eine bestimmte Verhaltensweise ausrichtet. Komischerweise wird dieses Thema derzeit nicht nur in meinem Podcast heiß diskutiert, sondern auch in diversen Talkshows. Nicht zuletzt seit dem Thema der Cannabis-Legalisierung.

So antwortete der Journalist Jenke von Wilmsdorff neulich im „Kölner Treff“ auf die Frage „Hat der Mensch ein Recht auf einen Rausch?“ mit einem klaren: „Ja, definitiv!“. Und er bezeichnet auch Zucker als Droge. Wilmsdorff sagt aber auch, es läge an uns, wie wir all diese Drogen dosieren und das jeweilige Potenzial nutzen. Und genau hier liegt das Problem. Wenngleich ich in Verbindung mit Rausch das Wort „Problem“ nicht hören will. Aber das ist es ja! Unser Gehirn kann ab einem gewissen Rauschpunkt nicht mehr erkennen, ob wir noch dosieren oder bereits überdosieren. Mag sein, dass es Menschen da draußen gibt, die sich so unter Kontrolle haben, dass sie den Überblick niemals verlieren, aber seien wir mal ehrlich: „Wenn etwas doch so gut ist – warum dann aufhören?“

Die Dosis macht das Gift

Ja, ich bin suchtgefährdet. Das gebe ich offen zu. Weniger am Rande der Legalität, aber mitnichten harmloser. Im Gegenteil! Ich bin sogar der Auffassung, dass gängige Süchte viel gefährlicher sind, da die Rauschmittel leichter zu beschaffen sind. Zucker, Alkohol, Koffein, Nikotin – all das gibt es gleich im nächsten Laden und ist auch noch gesellschaftsfähig. Dass diese Dinge genauso krank machen, wie Kokain und andere illegale Drogen wird einfach ignoriert. Dabei haben sie doch allesamt eine Gemeinsamkeit: Sie machen mehr oder weniger abhängig!

In letzter Zeit habe ich viele Gespräche geführt und es hat mich kaum überrascht, dass insbesondere Frauen über die Jahre diverse Süchte in Verbindung mit Essen entwickelt haben. Ein Beispiel: Mir erzählte eine Frau, dass sie bereits mit 15 eine Essstörung entwickelte, da man ihr damals ständig sagte, ihr Po sei zu fett. Also hörte sie einfach auf zu essen, was natürlich dauerhaft nicht ging, also entwickelte sie eine Ess-Brech-Sucht. Heute wiederum fragt man sie, ob sie bei ihrem Po operativ nachgeholfen hätte, da sich unser Schönheitsideal seit den Kardashians geändert hat. Was für eine kranke Welt! Aber wie dem auch sei, die Frau berichtete, dass sie während einer Fressattacke wie im Rausch war. Und der Rausch interessierte sich nicht für die Dosierung, er wollte Rausch bleiben und so aß sie so viel, bis sie dachte, sie stirbt. Ich kann dies nur bestätigen, da ich seit Jahren ebenfalls unter unkontrollierbaren Fressanfällen leide, wenngleich es nicht so schlimm ist, wie in obigem Fall. Was sich lustig anhört, ist nicht komisch. Kontrollverlust ist in Verbindung mit Achterbahnfahren ganz cool, aber wenn es um waschechte Binge-Eating-Anfälle geht, ätzend.

Und mehr noch: Als Suchtgefährdete gilt bei mir seit jeher das Motto: „Ganz oder gar nicht!“, was im Übrigen ein Slogan für alle zu sein scheint, die sich mit Süchten herumschlagen. Ich bin mittlerweile über 40 und dank diverser Therapien halten sich meine Süchte weitestgehend unter Kontrolle. Aber ich muss ständig aufpassen, dass es nicht ins Extreme geht. Mein Leben besteht darin, dauernd die Balance zu halten. Manchmal komme ich mir vor wie ein Jongleur, der versucht, all die Bälle in der Luft zu halten, damit es rundläuft. Wenn mein Verhältnis zum Essen normal scheint, fange ich in Bezug auf Sport an zu übertreiben und wenn es das nicht ist, bin ich versucht, mich in einen Rausch zu shoppen. Balance ist hier tatsächlich das Zauberwort!

Süchte sind vielfältig und fast jeder hat eine. Eine Sucht beginnt schon, wenn man morgens seine Tasse Kaffee braucht. Und sie endet, wenn man glaubt, ohne die Substanz nicht mehr sein zu können, selbst wenn man Salz über seine linke Schulter wirft, denn da sitzt bekanntermaßen der Teufel, der die Sucht anheizt.  

Zucker gilt unter Wissenschaftlern nicht als Droge. Das süße Weiß kommt oft in einer süßen, bunten Verkleidung daher. Unserer angeborenen Vorliebe für süßen Geschmack geschuldet fallen wir auf diese verkleidete Droge herein. Zucker aktiviert im Übrigen die gleichen Hirnregionen wie Kokain. Das Ende vom Lied: Zucker verschafft uns zwar aufgrund seiner Dopamin-Ausschüttung Glücksgefühle, macht uns jedoch auf Dauer dick und obendrein zum Diabetiker. Entschuldigung, aber so ein „devil in disguise“ ist doch echt hinterhältig ohne Ende!

Ich könnte ewig so weitermachen, aber der Platz reicht nicht aus. Was ich jedoch bemerke ist, dass wir eine Gesellschaft aus Süchtigen sind, aber zwischen Sucht und Sucht immer noch differenzieren.

Am Ende ist es doch so: Drogen, Rausch und Süchte sind so alt wie die Menschheit. Sie lauern überall und wir laufen ständig Gefahr in eine Abhängigkeit zu verfallen. Schlussendlich hat Wilmsdorff aber vielleicht doch recht: Wir sind es, die entscheiden, wie weit wir damit gehen. Wir haben jeden Tag die Möglichkeit zu „Take“ oder „Toss“.

Für was entscheidet ihr euch?

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