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Titelstory

Immer noch einfach Emma

Vor zwei Jahren trafen wir Emma das erste Mal und stellten die Geschichte ihrer Transition vor. Höchste Zeit nachzuhören, wie es ihr seitdem ergangen ist.

Was bisher geschah: eigentlich ist Emma Lesch eine ganz normale, junge Frau und die mittlerweile 27jährige arbeitet nach wie vor in einem ganz normalen Beruf, hat ganz normale Hobbys und lebt ein ganz normales Leben. Höchstens die roten Haare lassen sie nach wie vor aus der Masse herausstechen, zumindest mehr als der nicht wirklich sichtbare Umstand, dass sie eine Mann–Frau Transition durchlebt hat. Nachdem sie die Erkenntnis, dass bei ihr irgendwas anders ist, lange Jahre nur mit sich selbst ausgemachte, war Silvester 2020 ein Facebook-Post, in dem sie ihr neues Selbst mit den Worten „Hallo Emma“ begrüßte, der erste entscheidende Schritt. Es folgten langwierige bürokratische Hürden, von mehreren Gutachten und diversen Anträgen bis schließlich hin zur geschlechtsangleichenden Operation, die ja auch nicht ohne Risiken ist. Das war der Stand als wir sie 2021 trafen.

Inzwischen ist das Thema Transgender erfreulicherweise ein Stück weit in der Normalität angekommen. Selbstredend ist da noch Luft nach oben, aber immerhin haben seitdem Trans-Menschen wie Alex Mariah Peter Heidi Klums GNTM gewonnen oder Jolina Mennen beim Promi-Turmspringen und im Dschungelcamp überzeugt. Aber die allermeisten der Betroffenen sind weiterhin keine schillernden Ausnahmeschönheiten, sondern gar normale Menschen, wie eben Emma.

L!VE: Wie hast Du denn das Feedback auf den damaligen Artikel erlebt?

Emma Lesch: „Das war vor allem die Erfahrung, dass Begegnungen mit Leuten, die mich zum ersten Mal wieder getroffen haben, deutlich angenehmer war. Jeder wusste jetzt Bescheid, ich musste nicht mehr großartig erklären. Ich konnte einfach durch Saarbrücken laufen und sein, wer ich bin und wenn es Reaktionen gab, dann waren die durchweg positiv.“

L!VE: Was gibt es abgesehen davon Neues im Leben der Emma Lesch?

E. L.: „Eigentlich nicht viel. Ich habe einfach mein Leben weiter gelebt, ganz normal mit Arbeit, immer noch bei der alten Firma, und natürlich immer noch mit Handball, leider inklusive Auf- und Abstieg, wo ich sogar eigentlich eher noch mehr Zuspruch erhalten habe. Auch körperlich keinerlei Komplikationen im Nachhinein. Alles fühlt sich so an, als wäre es ursprünglich so gewollt und auch in dieser Hinsicht keinerlei negative Erfahrungen. Wirklich neu ist nur die Tatsache, dass ich jetzt gerade auch noch mit Tennis anfange aufm Altenkessel, nachdem ich gewissermaßen aus Versehen ein Turnier im Rahmen des Handballtrainings gewonnen hatte, ohne vorher jemals wirklich einen Schläger in der Hand gehabt zu haben. Aber auch da ist meine Transition kein Thema, die kennen ja alle meine Geschichte.“

L!VE: Auch an dem beispielhaften Rückhalt Deiner Familie hat sich nichts geändert?

E. L.: „Ich würde sogar behaupten, dass wir aufgrund meiner Geschichte und wie das dann alles so gekommen ist, als Familie noch enger zusammen gewachsen sind. In jeder Hinsicht und egal was da kommt, unsere Familie ist einfach stark, gleich welcher Situation wir uns gegenüber sehen. Tatsächlich ist uns durch diese Erfahrung nochmal klar geworden, wir sind einfach eine saugeile Familie!“

L!VE: Man kann also sagen, dass Dir in der Zwischenzeit nichts widerfahren ist, was den damaligen Entschluss auch nur ansatzweise in Frage stellt?

E. L.: „Absolut nichts, nur positives Feedback. Für mich ist alles weiterhin ganz normal, beziehungsweise wie damals der Titel war, einfach Emma.“

L!VE: Du würdest also auch mit dem Abstand jetzt, alles nochmal genauso machen, wie Du es getan hast?

E. L.: „Ganz genauso, wie ich es gemacht habe! Es war ja auch alles von Anfang an bis ins Detail durchstrukturiert. Ich hatte mir tatsächlich so eine Art To-Do-List erstellt und habe die Punkt für Punkt abgearbeitet. Klar hat sich wegen Corona hier und da manches ein bisschen verzögert, aber letztlich war das vielleicht auch nur ein halbes Jahr.

L!VE: Der ganze Hype um Transmenschen in den sozialen Netzwerken bis hin zu Promi-Turmspringen und Dschungelcamp geht weiterhin spurlos an Dir vorbei?

E. L.: „Dschungelcamp hab‘ ich halt gar nicht geguckt und für mich persönlich, hat das auch nichts mit mir und meinem Leben zu tun. Ich feier‘ jeden, der den Schritt macht und sich entscheidet seinen Weg zu gehen. Ich bereue es auf gar keinen Fall! Ich sag‘ mal so, hätte ich das damals nicht getan, würde es mich heute wohl nicht mehr geben.“

L!VE: Und wahrscheinlich hast Du auch immer noch wenig bis gar nichts mit der Schwulen und Lesben-Szene zu tun?

E. L.: „Für mich ging es eben nur um das Trans-Thema und nicht noch der ganze Anhang, den viele da mit reinbringen. Ich finde es cool und auch wichtig, dass es da eine Gemeinschaft gibt, aber dadurch, das dann auch viele andere Menschen mit anderen Hintergründen dabei sind, wird das Trans-Thema oft in eine Schublade gesteckt, in die es eigentlich nicht reingehört. Das Trans-Thema ist eben nicht zwangsläufig ein schwul-lesbisches Thema. Das gilt auch nach wie vor für mich, denn ich bin offen für den- oder diejenige, die ich vielleicht dann mal finde, bin da aber überhaupt nicht festgelegt.“

L!VE: Hast Du denn durch Deine „Bekanntheit“ in der Zwischenzeit auch andere Trans-Menschen kennengelernt?

E. L.: „Bei Facebook wurde ich nach eurem Beitrag von einer angeschrieben, mit der ich dann auch kurz im Austausch war. Das hatte sich dann aber relativ schnell wieder erledigt, weil es ihr nur um Hilfe und Informationen bei den Abläufen usw. ging. Aber das hatte ich ja auch schon in dem Interview alles geschildert, da konnte man das quasi nachlesen. Natürlich haben sich in den Jahren neue Freundschaften ergeben und ich habe viele neue Leute kennengelernt, beim Feiern in der Garage und so, aber das hatte nichts mit meiner Geschichte zu tun. Halt alles ganz normal, ich steh‘ morgens auf, lebe mein Leben und geh‘ abends wieder ins Bett. Kein Hype, kein Drama, einfach Emma. Ich glaube ich bin die normalste Person, die es gibt.“

L!VE: Also auch beim Thema Kennenlernen alles ganz normal?

E. L.: „Die einzig neue Erfahrung, die ich in der Beziehung gemacht habe, ist der Erstkontakt mit Kindern. Die sind nämlich die misstrauischsten Menschen der Welt und halten damit auch nicht hinterm Berg. Ich habe halt immer noch meine relativ tiefe Stimme und da stehen die dann schon mal mit großen Augen da und man kann ihnen richtig ansehen, wie es in ihren Köpfen rattert. Mann? Frau? Mann? Frau? Die sind das halt nicht gewöhnt, dass da jemand vor ihnen steht, vom Aussehen her Frau, von der Stimme ein Mann. Die allermeisten Kinder denken durch ihre Eltern, Väter und Mütter, ganz natürlich erstmal nur in diesen zwei Kategorien und wenn sie dann etwas begegnen, das da irgendwie nicht rein passt, irgendwie in der Mitte zu sein scheint, dann beschäftigt die das natürlich. Aber irgendwann haben sie sich auch dran gewöhnt und dann ist auch alles gut. Besonders knifflig wurde es besonders nur bei den älteren Geschwistern meines zweijährigen Patenkindes. Die hatten mich nämlich noch als Mann kennengelernt und da musste schon eine gute Geschichte her, die sie auch verstehen konnten. Wir haben denen dann erzählt, ich hätte damals eine Wette verloren und hätte ein Jahr als Mann rumlaufen müssen. Das hat als Erklärung gereicht.“

L!VE: Abschließend müssen wir natürlich noch fragen, wie präsent ist denn da das Thema nach fast drei Jahren überhaupt noch für Dich?

E. L.: „Ach, ich schau‘ mir schon noch gerne Dokumentationen darüber an oder wie es anderen Menschen ergangen ist bei ihrer Transition. Das finde ich immer noch interessant und davon sollte es ruhig mehr geben.“

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