• Termine, News und Wissenswertes aus Saarbrücken, dem Saarland und der Welt:

Titelstory

Im Osten viel Neues

Der Saarbrücker Osten beginnt in der Mainzer Straße und wenn‘s irgendwo passiert, dann war das in den letzten Jahren immer genau hier. Das kommt natürlich nicht einfach so von alleine, sondern dahinter stecken immer Köpfe, die ihr Ding machen. Und von diesen Machern profitiert im Zweifelsfall dann ein ganzes Viertel oder sogar die gesamte Stadt. Genauso so einer ist Nico Weber mit seinen Gastro-Objekten in der Mainzer Straße.

Die Namen Pizza Gotti, Baba Shuk, Nori und Red Octopus stehen nicht nur für die interessantesten gastronomischen Angebote der letzten Jahre im Quartier Mainzer Straße, sondern sind auch schlichtweg kaum außerhalb dieses hippen Kiezes vorstellbar. Denn genau solche Lokale stehen sinnbildlich für das Flair dieses Straßenzuges, zeigen dessen Besonderheit und machen leicht nachvollziehbar, warum nicht wenige hier die beliebteste Ecke der Landeshauptstadt vermuten. Hier ist halt manches hipper, bunter abwechslungsreicher, vielleicht sogar großstädtisch, aber auf jeden Fall anders. Das reicht vom Angebot im Supermarkt über das etwas andere Küchenstudio, den Tierbestatter und den kleinen Club der fast ausschließlich Livemusik bietet, bis hin zu Gastronomieperlen wie Einraum, Jules Verne oder Hunter Thompson – und eben den eingangs schon genannten vier Lokalen, die allesamt Nico Weber ersonnen hat und die doch von der Ausrichtung kaum unterschiedlicher sein könnten.

Höchste Zeit also den Mann zu treffen, der irgendwie wie für den Mainzer-Straßen-Kiez gemacht zu sein scheint und mit zu den Persönlichkeiten gehört, die dieses Viertel in den letzten Jahren ganz weit nach vorne gebracht haben. Da tut es dem Ganzen auch keinen Abbruch, wenn er mit dem Baba Shuk mittlerweile eines der Objekte wieder aufgegeben hat, denn auch dessen Einfluss ist kaum bestreitbar. Der 38-Jährige, stammt ursprünglich aus St. Ingbert, lebt aber seit gut 20 Jahren in Saarbrücken. Er hat Marketing-Kommunikation studiert, anschließend ein bisschen im Bereich Werbung und bei einer Wochenzeitung gearbeitet und dann noch zwei drei Jahre im Veranstaltungsbereich, bevor er sich entschied, sich selbstständig zu machen. Sein Herz schlug praktisch von Anfang an für die Mainzer Straße und er hat seit er nach Saarbrücken kam immer hier gelebt, höchstens mal in einer Seitenstraße wie Uhland- oder Arndtstraße. Erste gastronomische Fußabdrücke hinterließ er seit 2012 mit seinen Beteiligungen an der Burgerei am St. Johanner Markt und dem Herzenslust im Nauwieser Viertel und seit der Eröffnung des Pizza Gotti im Jahr 2020 „bespielt“ er die Mainzer Straße. Sein Traum war dabei eigentlich immer irgendwas in der Gastronomie zu machen, irgendwas, was mit Kochen zu tun hat, weil das immer schon sein Hobby war.

Warum hast Du eigentlich dann nicht Koch gelernt, immerhin entwickelst Du ja auch immer wieder Gerichte für Deine Läden?

Also ich wollte tatsächlich früher schon mal Koch werden, hab‘ auch einige Praktika gemacht unter anderem in Frankreich. Ich hab‘ dann relativ schnell gemerkt, dass die Arbeitszeiten nicht so meins waren, wenn ich dann abends um elf nach Hause kam und am nächsten Morgen wieder um zehn da sein musste. Da hab‘ ich mich dann doch für was anderes entschieden. Aber der Bereich hat mich trotzdem immer da hingezogen und irgendwas mit Essen zu tun, das ist eigentlich das, was mich erfüllt, was mir Spaß macht.“

Wie kamst Du in die Mainzer Straße?

„Ein Herz für die Mainzer Straße hatte ich schon immer und so war es eine ganz bewusste Entscheidung, hier was zu machen. Mir wurden auch viele Läden hier und da angeboten, alle natürlich viel besser und, und, und. Aber ich hab‘ keinen Bock auf Markt, weil das ganz bestimmte Ding, das mir vorschwebte, das passt nicht an den Markt, weil man da nun mal ein anderes Publikum hat. In die Nauwies würde ich auch nicht mehr gehen, obwohl das Viertel supercharmant ist. Allerdings finde ich es schade, weil dort immer mehr Abwanderung stattfindet. Es hat sich leider über die ganzen Jahre so ein bisschen zurückentwickelt, anders als es ganz früher war und eine coole Subkultur entstehen konnte. Unterm Strich glaube ich, dass meine Ideen nicht so gut laufen würden, wenn es im Viertel wäre. Hier in der Mainzer hat man einfach mehr Laufkundschaft, also bin ich hier super happy mit der Lage. Nur die Parkmöglichkeiten sind so ein Ding, vor allem für die, die von außerhalb kommen. Ich hoffe ja immer noch, das wird schon noch, wie man seit Jahren sagt. Es wird ja so langsam sukzessive ein bisschen mehr, dass sich die Mainzer Straße schon noch mehr entwickelt und so langsam in dem Glanz erstrahlt, der ihr eigentlich gerecht wird. Schlussendlich ist die Mainzer Straße einfach das Viertel hier, was ich am spannendsten finde. Und hier herrscht schon etwas mehr Gemeinschaft unter den Gewerbetreibenden und keiner ist irgendwie verfeindet. Wir sind hier alle sehr gut eingeschworen und verstehen uns alle gut.“

Reisen ist für Dich ganz offensichtlich immer ein Quell der Inspirationen?

„Ich bringe schon viel mit von den Reisen. Das ist ja auch ein Hobby von mir und meiner Frau, eigentlich relativ viel zu reisen. Neue Sachen zu entdecken, ob das jetzt Design ist oder Food, ist da auch unsere Inspiration. Und deswegen reisen wir viel, eigentlich überall hin. Auch viel in Asien, denn meine Frau hat zum Beispiel länger dort gelebt, in Taiwan. So ist man eigentlich relativ viel unterwegs.“

Neben der großen Vielfalt fällt vor allem die visuelle Stärke der Locations auf. Das heißt, dass der Look und das Branding von allen alles was du machst, Dir durchaus sehr am Herzen liegt?

„Schön, dass man das sieht! Man kann das selber ja schlecht einschätzen, wie das ankommt oder ob das auffällt. Ich würde mich einfach nicht wohlfühlen, wenn das nicht gut aussieht, gleich wie gut die Küche wäre. Das steht oft geschäftlich ein bisschen im Konflikt, wenn man merkt, wenn man es etwas mehr kommerzieller machen würde oder gemacht hätte, würde es vielleicht noch besser laufen. Vielleicht steht man sich da manchmal selber im Weg. Man hat ja einen gewissen Anspruch an sich selber, an seinen eigenen Geschmack. Wir haben ja eine gewisse Design- und Food-Affinität und da kann man es einfach nicht schlecht machen.“

Ein Herz für die Mainzer Straße

Das ist ein interessanter Punkt, denn es gibt ja noch andere Beispiele, wo ihr nicht den einfachsten Weg geht. Ich denke da beispielsweise an die eingeschränkten Reservierungsmöglichkeiten?

„Also eigentlich war am Anfang der Grundgedanke, dass es hier gar keine Reservierungen gibt, wie man es auch von Großstädten kennt, um das Ganze ganz einfach zu halten. Klar, für größere Gruppen, das muss man machen. Ich wollte es einfach ein bisschen einfacher machen, dass man sagt,  ich hab Lust was essen zu gehen, gehen wir doch einfach da und da hin. Man kriegt einen Platz und gut, wenn nicht, wartet man einfach zehn Minuten und kriegt dann einen Platz. Einfach was gutes Essen in einer ungezwungenen Atmosphäre, das war schon immer so mein Motto. Ohne irgendwie einen stylishen Kellner, für den man sich schick anziehen muss. Einfach locker und unbefangen irgendwo hingehen und man kriegt trotzdem was Gutes zu essen, was in der Regel eigentlich auch funktioniert hat. Dennoch haben wir gemerkt, manche Leute hier wollen die Sicherheit eines reservierten Tisches haben, weil sie sonst denken, die müssten dann stundenlang im Regen stehen und warten und dann kriegen sie nichts zu essen und verhungern. Weswegen jetzt auch zum Beispiel im Nori ab vier Personen Reservierungen über WhatsApp möglich sind.

Zum Thema alles andere als einfach gehört auch die ungemein hohe Authentizität, gleich ob bei neapolitanischer Pizza oder japanischer Brühe.

„Das ist mir persönlich extrem wichtig, weil ich finde immer, es fehlt ein bisschen an Läden, die es genauso authentisch machen wie wir. Und natürlich war man oft in Neapel gewesen und hat sich dort alles bis ins kleinste Detail genau angeschaut. Und deswegen habe ich einem extrem hohen Anspruch, an das was wir machen. Ich will es genauso machen wie in Neapel. Ich will die besten Zutaten haben, die lassen wir jede Woche aus Italien liefern. Ich will genauso einen Teig haben und ich will so ein Ofen haben. Das ist unser Standard, wo wir hin müssen und drunter machen wir es nicht.

Trotz dieser unbedingten Treue zum Original gelingt Dir dann aber auch mitunter eine Cross-Promo der Läden untereinander.

„Das entsteht eher zufällig, weil die Jungs aus den Läden mir natürlich immer Rückmeldungen geben. Da hieß es dann, wir brauchen unbedingt eine Pizza mit Thunfisch, alle fragen nach Thunfisch-Pizza. Ich sag dann okay, wir sind aber kein Standard Restaurant. Wir machen keine Thunfisch Pizza. Dann höre ich wieder, das sind aber echt viele, die fragen. Schließlich habe ich gesagt, wisst ihr was, wir machen eine Thunfischpizza, aber mit Frühlingszwiebeln und unserem Nori’s Chili Crisp Oil oben drüber und haben somit auch noch bisschen Werbung fürs Nori mit drin.“

Ist das Baba Shuk eventuell ein Stück weit Opfer dieser Authentizität geworden?

„Ich war ja, glaube ich, fünfmal in Tel Aviv in Nähe, hatte mich da so ein bisschen verliebt in die Küche und habe gesagt, das ist cool, das müsste man irgendwie nach Saarbrücken bringen. War vielleicht auch noch einen kleinen Tick zu früh, jetzt ist das ein bisschen mehr in aller Munde. Es war die Zeit, vielleicht auch pandemiebedingt, wo das ganze Personalthema so ein bisschen im Umbruch war. Die Leute haben sich anders orientiert, andere Ansprüche gestellt und da war es dann schwierig einen Koch zu finden, nachdem unser Hauptkoch wegen seiner Familie zurück nach Frankfurt ging. Die Köche danach haben es einfach nicht so weitergeführt, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich musste viel selbst da sein, was auch nicht funktioniert hat und hab seitdem gesucht, gesucht, gesucht. Ich habe ein Jahr lang keinen Koch gefunden, der Lust auf so eine Küche hatte oder Bock, mal was Neues zu lernen, aber da ging gar nichts. Irgendwann habe ich dann resigniert und entschieden, bevor wir es schlecht machen, machen wir es lieber gar nicht. Es war dann einfach am Schluss nur noch ein Klotz am Bein. Sehr, sehr schade. Wir haben sehr viel Herzblut in alles reingesteckt.“

Wie geht man damit um?

„Man lernt dazu und im Nachhinein weiß ich gar nicht, ob man sauer auf sich ist, weil man es vielleicht falsch eingeschätzt hat. Man schafft etwas, was in seiner Vorstellung cool war und denkt okay, gut gemacht und muss dann erkennen, das war für den größten Teil der Saarbrücker einfach vielleicht nichts oder zu viel. Das ist oft, was einen so ein bisschen sauer macht oder wo man irgendwie die Lust verlieren könnte. Die Saarländer und Saarbrücker sprechen ja gerne von der Genuss-Region und sollen kulinarisch ein Stück weit open-minded sein, es könnte meiner Meinung nach aber immer noch mehr sein.“

Und deswegen ist Dein neuestes Objekt die Bar „Red Octopus“ ja auch kein Restaurant?

„Der Raum war da und dann auch noch direkt neben dem Nori. Wir bezahlen den, haben den immer nur als Lager genutzt und Pappe da reingeworfen? Da ist es so schade, habe ich mir gedacht, wir  müssen da irgendwie was machen. Und da ich gerade irgendwie kein Bock mehr hatte, Essen zu machen, entstand die Idee, was mit Drinks zu machen. Cocktails mach‘ ich auch ganz gern zu Hause, wenn Freunde kommen. Es wäre doch cool, eine kleine Bar zu haben, wo es einfach gute Drinks gibt und wo auch ein DJ auflegt. Aber es ist halt auch sehr, sehr klein, muss man dazu sagen. wir machen bewusst nicht so viel Werbung, weil wir jetzt auch nicht so den Mainstream anziehen möchten.“

Trotz allem hält es Dich im Quartier Mainzer Straße?

„Vor Jahren haben wir schon mal überlegt, nach Berlin zu ziehen, weil wir da auch relativ viele Leute kennen. Aber wenn schon wegziehen dann lieber an einen Ort wo Ästhetik und Natur mehr im Einklang sind. Aber eventuell entsteht jetzt was Neues in einer anderen Stadt, sogar in einem anderen Land, in Tiflis in Georgien. Wir sind da relativ gut vernetzt, dort entsteht gerade eine supercoole Subkultur mit Clubs, Bars und Restaurants. Hätte ich vorher niemals gedacht und ja, da würde ich es relativ spannend finden was zu entwickeln.“

Luft nach oben

Was kann man in deinem Kiez verbessern?

„Ich finde es schade, dass die Weiterentwicklung der Bahnhofstraße nicht noch etwas in die Mainzer Straße gezogen wurde. Eine verkehrsberuhigte Zone würde hier mehr Sitzplätze für die Gastronomen ermöglichen und mit breiteren Gehwegen und einer verkehrsberuhigten Zone mehr Leute anziehen. Das gilt natürlich insbesondere für den „hinteren“ Teil der Mainzer Straße, so ab der Kreuzung mit der Paul-Marien-Straße, da wird es ein bisschen ruhiger, obwohl es auch da interessante Angebote gibt. Mich würde es freuen, wenn die Ströme ein bisschen weiter nach hier verlängert würden. Dadurch entstehen vielleicht noch mehr Konzepte und da profitiert ja dann jeder hier davon.“

Hast du schon mal bereut, Gastronom zu sein?

„Man tut halt die Dinge, weil sie einem Spaß machen und weil man Bock drauf hat, sie zu tun – und nicht rein um Geld zu verdienen. Klar, manchmal denke ich auch, ich würd lieber was anderes tun, wo ich einfacher mein Geld verdienen kann. Aber ist auch schwierig … ich kann halt nix anderes.

(Sagt’s und schmunzelt)

Previous ArticleNext Article