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Titelstory

Same same but different

Jess Giata und James Boyle: so verschieden und doch auch so gleich. Beide sind echte Hingucker, kommen aus unserer Region, leben für ihre Musik – und mindestens halb Deutschland kennt sie aus dem Fernsehen.

Das Wichtigste aber, hat schon einer der ersten Kommentare auf den Punkt gebracht, den James nach seinem ersten Prime-Time Auftritt im bundesweiten Fernsehen bei Günter Jauch lesen durfte: „Endlich mal ein Saarländer im Fernsehen, der nicht peinlich ist!“  Diese Tatsache lässt sich eins zu eins auf seine Teilnahme bei der aktuellen Ausgabe von „The Voice of Germany“ übertragen, wie auf Jess Giatas Abstecher in die letzte Staffel von „Love Island“ übertragen, weil sie gleichermaßen keinerlei Anlass zum Fremdschämen gab. Das Geheimnis dahinter? Ganz einfach, beide sind sich selbst treu geblieben, waren authentisch und haben sich null verstellt.

Doch damit haben die Gemeinsamkeiten scheinbar erstmal ein Ende, zu unterschiedlich Alter, Geschlecht, Herkunft, Größe, Musikgeschmack und und und … Jess ist ganz klar die angesagteste DJane für Black- und Clubsounds in unserer Region und studiert „im normalen Leben“ in Mannheim Naturheilkunde. James hingegen ist der wohl bekannteste Piercer unserer Region und mit seiner Blues Rock Formation „Honey Creek“ der gefeierte, sprichwörtliche bunte Hund auf den Bühnen zahlloser Konzerte und Festivals. Selbst ihre bemerkenswerte Bildschirmpräsenz fußt auf denkbar unterschiedlichen TV-Genres. Während die 24-jährige, albanisch-stämmige Jess vielen aus einem Dating- und Reality-Format bekannt sein dürfte, kommt der in Los Angeles geborene James mit seinen 54 Jährchen und der Teilnahme an Quiz- und Casting-Show ein gutes Stück weit traditioneller daher. Doch bei allem Unterschiedlichkeiten habe beide ganz ähnliche, interessante Erfahrungen gemacht und da macht es natürlich Sinn, bei einem kleinen Gedankenaustausch darüber ein paar Fragen loszuwerden. Die erste Überraschung gab es dann schon beim ersten Treffen, denn die zwei kannten sich tatsächlich nicht. Das ist allein schon deswegen bemerkenswert, weil sich beide ja auch losgelöst vom Fernsehen in unserer Region einer ansehnlichen Popularität erfreuen

Da ihr euch bis jetzt überraschenderweise gänzlich unbekannt wart, liegt eine Frage sofort auf der Hand: Schaut ihr selbst denn gar kein Fernsehen?

Jess: „Das Ding ist, ich habe tatsächlich eigentlich gar kein Fernsehen geschaut. Erst seitdem ich da selbst dabei war schaue ich schon viel, aber eben nur Trash-Formate.“

James: „Doch schon, aber eher Filme und es kommt immer drauf an, was wann wo läuft, denn bei uns ist das so ein bisschen wie Radio. Wenn zufällig ein Film kommt, der mir gut gefällt, dann finde ich das cooler, als gezielt irgendwo was auszuwählen. So kommt man halt zu Sachen, die man gar nicht mehr auf dem Schirm hatte, was nicht passiert, wenn man selbst auswählt.“

Wie hat euer privates Umfeld reagiert als ihr von euren Fernsehplänen berichtet habt? Bei Dir, James, war ja Deine Tochter durchaus ein bisschen die treibende Kraft zur Teilnahme an „The Voice“?

James „Ja, die wollte unbedingt, dass ich ins Team von Nico Santos gehe, aber der war ja bei dieser Staffel gar nicht dabei. Aber blöderweise war der dann genau an dem Tag, als wir zum Dreh in Berlin waren, zu einem Konzert in Luxemburg, wo eine Freundin von mir, easy eine Meet & Greet für uns hätte klarmachen können. Dafür darf meine Tochter mich jetzt zum Finale von „The Voice begleiten.“

Deine Familie, Jess, war ja eher ein bisschen skeptisch, oder?

Jess: „Anfangs, nach dem ich meiner Mutter und meiner Schwester erzählt hatte, dass ich angeschrieben worden bin, ob ich mir eine Teilnahme vorstellen könnte, wussten die erstmal echt nicht, was sie davon halten sollten. Die waren nicht wirklich sicher, ob das bei „Love Island“ auch wirklich alles so seriös ist, aber ich konnte sie schnell davon überzeugen, dass da alles cool ist und auf jeden Fall die Erfahrung wert. Mir war auch wichtig, dass ich mich nicht verstellen musste oder mich als etwas präsentieren, was ich gar nicht bin. Schließlich haben die dann gesagt, komm, wenn Du es unbedingt machen willst, dann go for it.““

Ihr seid Beide gewohnt vor, Publikum zu agieren, hat das den Umgang mit den Kameras erleichtert?

Jess: „Zu Beginn der Dreharbeiten sind alle schon sehr bewusst damit umgegangen und man versucht sich in seiner Ausdrucksweise zurückzuhalten. Das Ding war, bei uns hingen ja wirklich überall im Haus Kameras, plus vier große Kameras draußen im Garten. Anfangs achtest Du schon darauf und siehst, hier ist eine Kamera, da ist eine Kamera, und wenn Du läufst, verfolgen sie Dich. Da denkst Du Dir schon wie krass das ist, denn selbst auf der Toilette waren ja welche. Da wurde uns zwar gesagt, dass die nichts übertragen würden, bzw. erst nach zehn Minuten mal geschaut wird, ob es uns gut geht, auch wegen möglicher Kreislaufprobleme, da es während der Dreharbeiten ja sehr heiß war. Allerdings gab es auch Szenen zu sehen, wo ich auf der Toilette geweint habe, und da war ich bestimmt noch keine zehn Minuten drin. Da haben die Kameras direkt aufgezeichnet, als ich reingerannt bin. Aber irgendwann ist man vertraut mit der Situation, wird lockerer, und hat sich an Kameras und Mikrofone gewöhnt, ohne sie wirklich zu vergessen. Die Tatsache, dass man 24/7 gefilmt wird, tritt dann schon in den Hintergrund.“

Bei Dir, James, hatte man keine Sekunde den Eindruck, dass Dich die Kameras beeinflussen?

James: „Wenn ich mich tatsächlich mal anders verhalten haben sollte, dann lag das nur daran, das es mir stellenweise in bisschen peinlich war, dass ich kein Hochdeutsch kann. Das war der Grund, warum ich beim Jauch für meine Verhältnisse sehr wenig geredet habe, weil ich deswegen schon nervös war. Jetzt bei „The Voice“ war alles easy peasy, was das angeht. Ich hatte durch die Erfahrungen vorher gelernt, lockerer zu sein, was das angeht.“

War bei der Produktion irgendetwas ganz anders als ihr es erwartet hattet?

Jess: „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das alles ziemlich live ausgestrahlt wurde, also nur einen Tag versetzt. Deswegen wurde uns auch die Handys abgenommen und so mussten zum Beispiel meine Schwester in der Zeit auch alle meine Social Media Accounts managen.“

James: „Ich war positiv überrascht, dass es von Anfang an ganz bewusst hieß, kein Fremdschämen. Uns wurde gleich im ersten Briefing erklärt, wenn sich bei den Blind Auditions keiner umdreht und das euch peinlich ist, dann sagt Bescheid, dann stahlen wir das nicht aus. Es wurden ja auch alle Talents von Psychologen begleitet.“

Gab es auch Moment oder Erfahrungen, die nicht ganz so prickelnd waren?

James: „Da wurde schon auch versucht bei Interviews so manche Dinge rauszulocken, bei denen ich nicht bereit war zu antworten. Vor den Battles, in meinem Fall ja gegen 20jährige Zwillingsmädels, kann die Frage, was ich denke, wer gewinnen wird? Ich hab‘ dann nur gesagt, dass mir das egal sei. Wir drei hatten auch schon vorher drüber gesprochen, dass wir uns gegenseitig unterstützen und pushen wollen. Uns war klar, dass, wenn ich gewinne, liegt das an meiner Erfahrung, und bei ihnen daran, dass sie niedlich waren und schön singen konnten.“

Jess: „Was ich ein bisschen unangenehm empfand, war, wenn man zum Beispiel geheult hatte, man gleich zum Interview gerufen wurde und das dann noch voll unter den Emotionen halten musste. Klar, die müssen gerade sowas liefern, aber das war schon nicht so toll, wenn man geheut hat oder wegen irgendwas noch voll sauer war. Da muss man schon aufpassen, was man sagt und wie man sich ausdrückt.“

James: „Bedeutet das, wenn man nie heult, wird auch nie zum Interview gerufen?

Jess: „Doch schon. Das war ja auch, wenn man Drama macht oder jemand offensichtlich voll gut findet oder um zu fragen, wie man irgendwelche Spiele gefunden hat. Die haben schon versucht, emotionalere Situationen auszunutzen, um Sachen aus Dir herauszulocken.“

James: „Das klingt ja total extrem, denn eigentlich seid ihr ja in einem richtig gechillten Umfeld gewesen, so in einer Villa auf einer Mittelmeerinsel. Konntet ihr überhaupt mal für einen Moment entspannen und die Zeit genießen?“

Jess: „Nicht so wirklich, weil Du ja schon 24 Stunden mit den Leuten da drinnen zusammen bist. Dazu kommt der fehlende Kontakt zu Freunden und Familie – und letzten Endes auch der Verzicht auf Handy, Social Media und so weiter. Halt null Kontakt zur Außenwelt.“

Gab es mittlerweile neue Anfragen oder seid ihr sogar schon zu Wiederholungstätern geworden?

James: „Ich hab‘ inzwischen auch noch an einer weiteren RTL-Show teilgenommen, „The Wheel – Promis drehen am Rad“ mit Chris Tal als Moderator. Ich bin Kandidat in der vierten Folge gewesen, aber leider wurde die Ausstrahlung der Show nach drei Ausgaben abgesetzt.“

Jess: „Ich wurde inzwischen schon wieder angefragt, aber das habe ich abgelehnt, weil ich das Format für mich nicht so wirklich ansprechend fand. Mir war das ein Stück weit too much, weil klar war, dass es da um exzessiven Saufen und Feiern gehen würde und so habe ich dankend abgelehnt. Aber prinzipiell würde ich es auf jeden Fall gerne nochmal machen.“

James: „Bei mir ganz ähnlich, kommt halt immer drauf an, was kommt. Im Augenblick hat für mich die Band Vorrang, weil wir im Gespräch für eine größere Arena-Tour im nächsten Sommer sind, im Vorprogramm einer sehr bekannten Band. Aber sonst bin ich nicht abgeneigt. Vielleicht noch mal eine Quiz, wo man ein bisschen Kohle gewinnen kann (lacht). Von dem Gewinn bei Günter Jauch konnte ich mir ja endlich eine Brille kaufen! Aber natürlich will ich auch Aufmerksamkeit, ich bin immerhin Frontmann in einer Band und auf der Bühne eine kleine Rampensau und nicht unbedingt schüchtern. Also will ich natürlich auch die Publicity, um meine Sachen zu pushen.“

Die Medienpräsenz hat Dir karrieretechnisch auch nicht wirklich geschadet, oder Jess?

Jess: „Auf jeden Fall ist es für mich als DJane ein großen Plus gewesen und es sind bestimmt in der Folge auch einige Bookings wegen „Love Island“ entstanden. Ich war zuerst ja nur hier in der Region bekannter, das hat sich dann schon deutlich geändert.“

Du hast ja im Oktober schon wieder ein Konzert mit Honey Creek gespielt. War da irgendwas anders?

James: „Wenn überhaupt, dann war das gefühlt nur eine Handvoll Leute, die wegen „The Voice“ da gewesen sind. Die meisten waren wegen der Band da und weil sie die kannten und schätzten. Aber dafür haben jetzt alle verstanden, worum es ging, wenn ich zwischendurch so die ein oder andere Anekdote erzählt habe. Die wussten schon, worum es ging. Und das ist dann schon eher mein Punkt: ich bin zu alt, um noch Rockstar zu werden, aber ich kann noch tolle Geschichten fürs Altersheim sammeln.“

Sind aus dieser besonderen Situation heraus auch Freundschaften über den Dreh hinaus entstanden?

Jess: „Definitiv. Trotz allem, was in der Villa passiert ist, irgendwie ist man dann doch Freundschaften geschlossen und ist bis heute in Kontakt. Die Zeit war zwar recht kurz, aber doch sehr intensiv. Mit einem der Mädchen war ich sogar zusammen im Urlaub in Dubai.“

James: „Ja klar, bei meinen Mädels war ich ja fast schon sowas wie der Papa und hab‘ die tatsächlich auch gecoacht. Ihr Part war halt wirklich undankbar und da habe ich ihnen geraten, macht das doch so und so. Vorher hatte ich gedacht, ich komm‘ da an und bin umgeben von hunderten Diven, die ich nicht ausstehen kann, und das war zum Glück nicht so. Klar waren da schon ein paar dabei, die ich jetzt nicht mehr treffen muss, aber die waren eher die Ausnahme. Witzigerweise habe ich gerade erst ein neues Video gepostet und hab‘ gleich aus „meiner“ Gruppe eine WhatsApp bekommen: Hey, lass uns das zusammen machen. Schick‘ mir mal den Text. Es sind auch Veranstaltungen von ehemaligen „Talents“ geplant, bei denen andere mit von der Partie sein werden!“

Wie hat euer Umfeld euch hinterher aufgenommen?

Jess: „Ich bin rausgekommen und hab‘ wirklich nur positive Nachrichten erhalten. Familie und Freunde waren auch sehr stolz und haben gesagt, dass ich mir treu geblieben bin. Nur drei weniger nette Nachrichten waren dabei, aber ich weiß wer die sind. Zwei aus dem Saarland und einer aus Kaiserslautern, die mich eh‘ auf dem Kicker hatten, aber ansonsten alles wie gesagt sehr positiv.“

James: „Bei mir war’s wie erwartet, weil ich ja ganz viele Leute aus der Alternativ- und Künstler-Szene habe. Die haben mich dann schon gefragt: Wie kannst Du nur so einen Scheiß machen? Aber damit hatte ich schon gerechnet, als ich gesagt hatte, ich bin dabei. Doch als dann ein, zwei Ausstrahlungen gelaufen waren, waren die voll dabei. Es gab zwar kein „Ich hab‘ mich geirrt“, aber dafür „Du machst das super“, als die geschnallt haben, dass ich mich nicht verstellt habe und einfach ich geblieben bin. Wenn dann überhaupt noch was Kritisches kam, war das wegen meines Aussehens bzw. meines Outfits, aber das war auch beim Jauch schon so.“

Gibt es irgendwas, was ihr Leuten mitgeben würdet, die auch mit dem Gedanken spielen, im TV dabei zu sein?

James: „Wenn jemand Bock darauf hat, sage ich: mach’s! Es ist zwar anstrengender als es im Fernsehen aussieht, aber gerade bei den Formaten, wo ich dabei war, gilt, die wollen keinen linken oder über den Tisch ziehen.“

Jess: „Für ein albanisches Girl ist es halt nicht so üblich ins TV zu gehen, deswegen ist, was ich den Leuten mit auf den Weg geben will, ruhig mal aus der eigenen Comfort-Zone rauszugehen und sich einfach mal Sachen zu trauen und den eigenen Weg zu gehen. Ich habe auch diesbezüglich positive Kommentare bekommen, dass die Leute meinten, dass sei voll krass, als Mädchen mit albanischer Herkunft da reinzugehen und mich traue, das zu machen. Die würden das auch gerne machen, aber deren Familien würden das niemals akzeptieren. Deswegen bin ja ich auch so froh, dass meine eigene Familie da so open minded ist.“

James: „Meine Familie war schlimmer. Das begann damit, dass mein Vater drei Jahre kein Wort mehr mit mir geredet hat wegen ein paar Ohrringen, einem Nasenring und bunten Haaren. Meine Mutter war Baptistin und mein Vater erzkatholisch, da ging’s schon los. Viele nehmen gerne die muslimische Kultur wegen sowas ins Visier, aber das gibt’s genauso in anderen Kulturen. Mich persönlich hat dann Yvonne Craig, das erste Batgirl, gerettet. Die hat bei uns in der Nachbarschaft gewohnt, war mit uns befreundet, und ihr Sohn hatte lange Haare und auch einen Ohrring. Sie hat dann mal auf einem Familienfest mal drei Stunden intensiv mit meiner Mutter geredet, was genau weiß ich nicht. Aber scheinbar hat Batgirl meine Mutter überredet, mich in Ruhe zu lassen und die hat dann tatsächlich nie wieder ein Wort über mein Aussehen verloren.“

Wäre für euch auch das Genre des anderen in Frage gekommen, also James in der Dating Show und eine singende Jess?

Jess: „Ich kann tatsächlich singen, war auch mal im Kirchenchor und „The Voice“ fand ich schon früher richtig cool, aber ich glaube meine Stimme reicht da vielleicht doch nicht ganz.“

James: “Also, wenn ich Single wäre: Nö! Ich such‘ schon gern meine Partner selbst aus und brauche sowas auch nicht, um meine Schüchternheit zu überwinden.“

Wer DJane Jess Giata einmal live erleben möchte, hat dazu jeden Freitag aufs Neue im Saarbrücker „Seven“ die Gelegenheit und darüber hinaus in Clubs in ganz Deutschland. Honey Creek mit Frontmann James Boyle stehen dieses Jahr nur noch einmal auf der Bühne, dafür aber bei einer ganz besonderen Veranstaltung, einem Benefizkonzert in Illingen am 16. November. Zum Schluss bleibt nur noch: Jess und James, vielen Dank für eure Zeit und ein interessantes Gespräch!

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