• Termine, News und Wissenswertes aus Saarbrücken, dem Saarland und der Welt:

Grüne Tomaten schlafen wütend

Sandi, Patrik und ich

Schwedisch für Anfänger: God Tag = Guten Tag; Viren = WC-Bürste mit Halter; Lustifik = Hut- und Schuhablage; Gutviken = Waschbecken; Kryp Nyckelpiga = Nylonmatte mit Latexbeschichtung…

Was sich anhört, wie die ersten Laute eines Kindes mit schwedisch-türkischem Migrationshintergrund oder wie außergewöhnliches Pech beim Scrabble-Spielen, ist für alle diejenigen, die sich nicht zu schade dafür sind, die neueste Ausgabe der „Schöner Wohnen“ auch einmal unter das zu kurz geratene Tischbein zu legen, verzückende Worte, die ganz oben auf dem Wunschzettel stehen…

Macht es bei der Wahl des Partners Sinn auf innere Werte zu achten und zu prüfen, was sich unter der blank polierten Oberfläche befindet, kann es einem bei Möbeln egal sein, ob sich im Inneren ein guter Kern oder bloß Sperrholz befindet. Wichtig bei Partnern und bei Möbeln ist allerdings, dass beide beim Besuch der Schwiegereltern nicht so voll sind, dass sie ihre Klappe nicht mehr halten…

Während manche es vorziehen, ihre Nächte in einem vererbten Eichenholzbett zu verbringen, in dem die letzten vier Familiengenerationen gezeugt wurden und Uropa seine letzte Ruhe fand, sind andere modebewusster und verzichten darauf, ihre Wohnung mit Möbeln einzurichten, die schon zwei Weltkriege überstanden haben und den Charme einer Dorfpension in Pirmasens ausstrahlen…

Die Art und Weise der Wohnungseinrichtung lässt tief in die Seele eines Menschen blicken. Für den einen dürfen es nur unbehandelte Vollholzmöbel aus heimischen Hölzern sein, die jeden erfreuen, der sie beim Umzug in den vierten Stock tragen darf. Bei anderen genügt es, wenn ein Möbelstück seine Funktion erfüllt und den Blick aus dem Fenster nicht verdeckt…

Kritik an funktionalen Pressholzmöbeln ist vor allem dann unangebracht, wenn diese aus dem schwedischen Einrichtungshaus stammen, in dem das Essen so heißt wie es sich bricht: Köttbullar. Die Farbe der Verzückung ist für viele nämlich weder rot wie die Liebe, noch rosa wie die Brille, sondern blau-gelb. Ein Hoch auf das Einrichtungshaus unserer Träume, ein Hoch auf IKEA…

IKEA, das sind vier Buchstaben, die Lebensgefühl ausdrücken: Innovatives Wohnen, Einkaufsfreude, und allerlei pseudo-günstiger Krempel, den man nicht braucht, aber dennoch so gerne kauft. Dazu stets eine Schraube weniger als zum Aufbau eigentlich benötigt wird. Ein Tag bei IKEA ist für jeden wie eine Reise in die Kindheit; inklusive Fiebertraum in den buntesten Farben…

Man kann Richtungspfeilen folgen wie bei einer Schnitzeljagd und sich mit Schuhen auf frisch gemachte Betten werfen. Es gibt Aufbauanleitungen wie bei LEGO und Überraschungen wie beim Ü-Ei, wenn das gekaufte Schuhregal sich nach der Montage doch als Stehlampe entpuppt. Man fühlt sich wie Ken und Barbie im Puppenhaus, nur eben im Einrichtungshaus und mit Geschlechtsteilen…

Konnte Uropa damals Geschichten über zerlegte Franzmänner und seine Narben von Granatsplittern erzählen, wird es unserer Generation dank IKEA einmal möglich sein, Enkeln über zerlegte Billys und Narben zu berichten, die man sich durch Pressholzsplitter zugezogen hat. Und was war Stalingrad 1942 schon gegen die Schlacht letzten Samstag an der Hotdog-Station…

IKEA ist eine Tupperparty zum Wohnen. Alles ist aus Plastik, quietschig bunt und darf ausprobiert werden. Vom echten Elchfell aus Polyester als Bettvorleger bis hin zum Regal mit Klapptüren als Alternative zu Omas Sarg. Das skandinavische Freudenhaus hat für jeden etwas, der mit einem Innensechskantschlüssel umgehen kann und Platz für kostenlose Bleistifte in der Hosentasche hat…

War IKEA früher als Sammelort sandalentragender Ökobastler verrufen, bietet es mittlerweile Spaß für die ganze Familie. Mutti darf sich mit Kissen und Kerzen vergnügen, während Papi sich im Hochregallager vor der Kasse wie im Baumarkt fühlen kann. Dazu die Hoffnung, dass man den nervigen Sohnemann am Ende des Tages im Smaland gegen ein anderes Kind eintauschen darf…

Ihren Charme erhalten IKEA-Möbel nicht nur durch ihr Design, sondern natürlich auch durch ihre Namen. Wer lehnt sich nicht gerne in einem Sessel zurück, der „Lömsk“ heißt, und trinkt einen Schluck aus dem Becher „Saftig“? Keiner möchte einen Wohnzimmerschrank, der wie in anderen Möbelhäusern auf den Namen „Odenwald“ hört oder ein neues Bett namens „Friedrichshafen“…

Der stolze IKEA-Kunde brüstet sich damit, in einem „Mörkedal“ oder „Bangsund“ zu schlafen, auch wenn sich diese Namen anhören wie die schwedische Übersetzung von Geschlechtskrankheiten. Zudem kann Mann sich eines Schmunzlers sicher sein, wenn er bei der erstmaligen Übernachtung der neuen Freundin aus dem Billy-Regal ein gleichnamiges Kondom hervorholt…

Die besten IKEA-Namen dürften entstehen, wenn Designer am Rechner einschlafen und mit dem Kopf auf die Tastatur knallen. Tags darauf finden sich dann auf dem Bildschirm zig neue Namen für Badematten oder Spülbürsten. Nicht vorstellen möchte man sich dagegen, wie die Tasse „Bang“ und der Sessel „Kimme“ zu ihren Namen gekommen sind; ganz zu schweigen vom Kinderbett „Gutvik“…

Neben 15-jährigen Jungmüttern aus sozialschwachen Wohnsiedlungen am Stadtrand hat IKEA sicher die ausgefallensten Namen für das, was einen die nächsten Jahre zuhause erfreuen soll, bis es dann irgendwann, nach dem es zum dritten Mal zusammengebrochen ist, aus dem Haus fliegt oder für ein paar Euro an einen Nachbarn weitergebenen wird…

Man findet somit bei IKEA nicht nur tolle Möbel, sondern dazu auch noch den passenden Namen für den Nachwuchs, den man darin oder darauf zeugen kann. Für einen „Ole“ eignet sich besonders gut das gleichnamige Sofa, für einen „Lukas“ der so benannte Schreibtisch. Und für einen „Ingo“ muss Mutti derweil ihren Hintern schon einmal auf den Küchentisch hieven…

Meine Eltern haben es demnach wohl auf einem ziemlich unbequemen Stuhl getrieben, genauso wie diejenigen von „Benjamin“, „Stefan“ und „Sandi“. „Hannalenas“ Eltern schafften es übrigens nur bis zum Fenster und in die dortigen Gardinen. Eine schockierende Erfahrung für denjenigen, der feststellt, dass „Philipp“ ein Abfalleimer und „Ramona“ eine Naturholztoilettenbrille ist…

Diese Art der Namensgebung ist für Singles ungemein von Vorteil, die montags im Büro nicht zugeben wollen, dass am Wochenende wieder nichts lief. Sie können ruhigen Gewissens behaupten „Benjamin“ und „Stefan“ wären die ganze Nacht da gewesen und man selbst wäre zwischen „Patrik“ und „Lukas“ eingeschlafen. Hört sich besser an als zuzugeben, am Schreibtisch eingepennt zu sein…

Manche Namen verleiten aber zu Fehlinterpretationen. „Jennylund“ ist nicht etwa eine aufblasbare dralle Schwedin, sondern bloß ein Sessel. Zumindest sind beide abwaschbar. Ein „Bumerang“ ist bei IKEA zwar auch aus Holz, jedoch ein Kleiderbügel, der nur zurückkommt, wenn man ihn jemandem an den Kopf wirft. Und „Pax Grinder“ ist keine neue US-Crime-Serie, sondern bloß eine Schranktür…

Ein treuer IKEA-Kunde weiß übrigens, dass „Poäng“ weder eine chinesische Stadt ist, noch aus dem Arbeitsvokabular einer asiatischen Prostituierten stammt. „Pluggis“ sind in diesem Zusammenhang übrigens auch kein Erwachsenenspielzeug, sondern Zeitschriftenordner. Zumindest ist „Hamarvik“ erwartungsgemäß eine Matratze…

Bleibt abzuwarten, ob es im Sortiment zukünftig auch eine Pfanne „Brutzlig“ und ein Sofa „Renpupen“ geben wird. Oder zumindest den Schrank „Drinverstekke“ und das Schüsselset „Raynkotse“. Vielleicht gibt‘s dann auch ein Duftbouquet „Poupsen“? Sandi, Patrik und ich… grunetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P. S. Das Bettsofa „Lessebo“ darf übrigens auch von Männern gekauft werden.

Previous ArticleNext Article