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Grüne Tomaten schlafen wütend

Vom Löwen zum Kater

Tarnung hat sich im Tierreich als durchaus cleverer Schachzug erwiesen, der das Flüchten vor Feinden und das Hetzen nach Beute entbehrlich macht. Wer beneidet nicht die Fähigkeit des Chamäleons, sich unsichtbar zu machen, wenn einem wieder einmal die Zeugen Jehovas oder die Ex-Freundin mit ihrem neuen Partner begegnen. Seit jeher eifern Menschen der Natur in Sachen Tarnung nach, was beim Militär zu trister Tarnkleidung und im Büro zu tristen Anzügen geführt hat, die das gleiche Ziel verfolgen wie das weiße Fell des Polarhasen; nämlich nicht wahrgenommen zu werden…

Besondere Bedeutung genießt Tarnung bei Menschen zur Karnevalszeit, wenn eine Verkleidung als Cowboy und Co. davor schützen soll, von denjenigen erkannt zu werden, die einen nur seriös und nüchtern am Tisch sitzend statt peinlich und besoffen auf selbigem tanzend kennen. Denn wer möchte schon montags bei jemandem eine Immobilie kaufen, der freitags der Oma ihr klein Häuschen versäuft. Während Tarnung bei Tieren perfektioniert ist, garantieren Karnevalskostüme bei Menschen jedoch nicht unbedingt, unerkannt zu bleiben, wenn man kopfüber in der Toilette hängt…

Es ist immer wieder faszinierend, wie vielen von uns eine vermeintlich lustige Verkleidung als Anlass und Rechtfertigung genügt, Er- und Beziehung vollends zu vergessen. Dabei sind Hawaiihemd und Sonnenbrille weder kreativ, noch verschaffen sie einem eine neue Identität. Mit ihrem Schlips verlieren selbst grundseriöse Bankangestellte am Fetten Donnerstag alle Hemmungen und lassen sich auf mehr ein als nur auf Zahlungsverkehr. Da wird Karnevalstreiben schon einmal wörtlich genommen und der hübsche junge Azubi von der älteren Kollegin nicht nur in die Bankgeschäfte eingeführt…

Karnevalsmuffel sollten sich über die tollen Tage lieber eine Grippe zuziehen oder Tante Amanda in Uganda besuchen. Es dürfte ihnen nämlich kaum gelingen, auch nur einen Schritt vor die Tür zu setzen, ohne auf jemanden im Pippi-Langstrumpf- oder Matrosen-Kostüm zu treffen. Wer kann im Supermarkt ruhigen Gewissens hundert Gramm Mettwurst im Naturdarm bestellen, wenn hundert Kilo Metzgereifachverkäuferin im Primaballerinakostüm unmissverständlich signalisieren, dass jemand für einen letzten Seitensprung vor dem letzten Eisprung bereit ist. Im Karneval ist eben alles anders…

Ärzte verkleiden sich als Müllmänner, Müllmänner als Ärzte und Aschermittwoch hat man entweder eine Beziehung zu viel oder eine zu wenig. Bei Faschingsveranstaltungen gibt jeder mit seiner Jacke auch sein Hirn an der Garderobe ab. Alkohol- und Hormonspiegel lassen selbst Hardrock-Fans bei Viva Colonia schunkelnd vergessen, dass sich ihre Zunge in irgendeiner Heidi befindet, die ihre Mutter sein könnte. Ob mit dem Plastikgewehr oder der Granate von der Bar, es wird geknallt bis niemand mehr weiß, ob die Krankenschwester, die sich über einen beugt, knutschen oder reanimieren will…

Früher war Karneval allerdings lustiger, als man am Tag nach dem Feiern nicht von dutzenden Fotos auf dem Smartphone an das erinnert wurde, was zehn Schnaps am Abend zuvor dankenswerterweise aus dem Gehirn gelöscht hatten. Damals musste man seiner Freundin nur den Kater im Kopf, nicht aber die Mieze auf dem Schoß erklären, die auf diversen Schnappschüssen zu sehen ist. Dank Facebook, Instagram & Co. weiß der Partner heutzutage eher Bescheid, wem man bei der Polonäse von hinten mehr als nur an die Schultern gefasst hat, als man sich Ausreden einfallen lassen kann…

Grund für Tarnung ist im Karneval wie in der Tierwelt die Jagd. Für Anwälte und BWLer ist Fasching schließlich die einzige Chance außerhalb von Swingerclubs, Frauen kennenzulernen, die bei Absätzen nicht nur an Gesetze denken. Frauen in Nonnenkostümen signalisieren für viele Männer, dass sie gern aufs Kreuz gelegt würden, solche in Krankenschwester-Outfits dagegen, dass sie auf Spritzen stehen. Und was Pferdekostüme für zwei Personen angeht, sind diese für denjenigen im Kopf stets lustiger als für denjenigen im Hintern. Vor allem wenn es mittags Bohnensuppe gab…

Nicht jede Verkleidung kommt gleich gut an. Wer sich als Feuerlöscher kostümiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er seinen Brand allein löschen muss. Selbst der attraktivste Mann sieht in einem Penis-Kostüm eben nur aus wie ein blöder Sack. Spongebob-Kostüme sind dagegen zwar durchaus hübsch anzusehen, aber das sind Igel auch. Und mit denen möchte auch niemand schlafen. Grundsätzlich gilt: Eine Faschingsverkleidung ist nur dann besonders gut, wenn man erst nach stundenlangem Knutschen bemerkt, dass der Gegenüber der eigene Partner ist…

Was Männer mit grüner Oger-Maske angeht, sei gesagt: Keine Frau lässt sich auf jemanden ein, von dem sie nicht weiß, ob er unter seiner Verkleidung nicht noch s(c)hre(c)klicher aussieht als mit. Kreativer ist es da schon, eine Warnweste mit Aufschrift „ADAC“ zu tragen und Frauen mit dem Spruch anzubaggern, dass man nur hier sei, um sie abzuschleppen. Das ist zumindest lustig, wenn auch nicht unbedingt erfolgsversprechend. Aber schließlich gibt es keinen Anmachspruch, der im Karneval nicht schon funktioniert hat. „Ich bin vom TÜV, darf ich mal deine Hupen testen?“…

Wer am Ende des Tages nach dem zehnten Bier dann unbedingt eine heiße Mieze als vermeintlich neue Liebe mit nach Hause nimmt, sollte bedenken, dass nachts alle Katzen grau sind, es manche jedoch auch tags darauf bleiben, wenn man sie im Tageslicht sieht. Nicht jeder Alptraum ist nämlich am Morgen danach zu Ende. Vor allem wenn er dann noch ungeschminkt neben einem sabbelnd im Bett liegt. Was dann von einem selbst als Partylöwen von gestern noch übrig bleibt, ist meist nur noch ein räudiger Kater…

Übrigens: Ich verkleide mich dieses Jahr an Karneval als Schlumpf und bin einfach blau. Vom Löwen zum Kater… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Wer sich im Karneval als Müllmann verkleidet, darf sich nicht über Abfuhren beschweren.

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