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Aprilwetter

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der April und mit ihm die Zeit, in der das Wetter unberechenbarer ist als ein russisches Staatsoberhaupt. Beschränkt der Mensch seine üblen Späße im April für gewöhnlich auf den Monatsersten, präsentiert das Wetter seine Aprilscherze nicht selten den ganzen Monat lang. Da ist es schon einmal möglich, dass man bei zwanzig Grad und blauem Himmel mit dem Auto in die Waschstraße fährt und diese bei zwei Grad und Schneeregen wieder verlässt. Die lang ersehnte erste Cabriofahrt des Jahres kann einem im April schon einmal vermiest werden, wenn man blauäugig dem Wetterbericht vertraut und Sonne erwartet, dann jedoch mit offenem Verdeck auf der Autobahn eines Besseren belehrt wird und bis zur nächsten Haltemöglichkeit das Wasser schön knöchelhoch im Fußraum hat...

Früher machte Petrus das Wetter, später dann Jörg Kachelmann. Mittlerweile präsentieren unzählige Internetseiten und Smartphone-Apps für den gleichen Ort zur gleichen Zeit völlig unterschiedliche Wetterprognosen, die alle nur darin übereinstimmen, dass keine von ihnen richtig ist. Darüber sehen viele Nutzer jedoch großzügig hinweg, solange zumindest die neben den bunten Wettersymbolen eingeblendeten noch bunteren Werbeanzeigen für Schuh- oder Viagra-Schnäppchen der Wahrheit entsprechen. Früher hielten sich die Wettervorhersagen gerade im April mit klaren Aussagen bewusst zurück und kündigten stets nur „heiter bis wolkig, zeitweise Regen“ an. Keiner traute sich damals mehr Verbindlichkeit zu. Heute liefern Internet und Apps bereits Monate im Voraus zielsicher Temperatur- und Luftdruckangaben auf die zweite Nachkommastelle genau für jede Hausnummer…

Allen Wetterdiensten und Wetterregeln zum Trotz ist zu Beginn des Frühjahrs niemand wirklich in der Lage, verlässlich vorherzusagen, was sich in der Atmosphäre tut. Egal ob über Deutschland oder der Ukraine. Selbst Siri und Alexa wissen morgens noch nicht, ob man mittags besser Flipflops oder Gummistiefel tragen sollte. Das Wetter im April verhält sich wie ein Teenager mit Frühlingsgefühlen, dessen Stimmungsschwankungen einem den Tag verhageln können. Auch wenn kein Wetterfrosch es zugeben würde, übersteigt die Prognosegenauigkeit der Wettermodelle am Frühlingsanfang kaum die Trefferquote einer Jahrmarktswahrsagerin. Eher findet man die richtigen Lottozahlen in einer Buchstabensuppe als die richtigen Temperaturen im Wetterbericht. Irgendwie passen die Vorhersagen nicht zum Wetter oder – wie der Meteorologe sagen würde – das Wetter nicht zu den Vorhersagen…

Wenn zur Eröffnung der Grillsaison bei angekündigten frühsommerlichen Temperaturen erst einmal der Grill vom Schnee befreit werden muss, wird von Wetterexperten die Schuld nachträglich wieder auf ein Tief geschoben, das irgendwie nicht hoch kam und sich lange nicht entscheiden konnte, ob es nun über Island schlummern oder sich bei uns austoben will. Man muss sich ja auch nicht wundern, dass das Wetter nie zur angekündigten Zeit am angekündigten Ort ist: Bei dem Gewirr aus Linien, Zahlen und Farben ist es mit Wetterkarten nicht anders als mit Autofaltkarten von früher. Die halfen auch nie dabei, ans richtige Ziel zu kommen und ließen mehr als nur einen Urlaub ins Wasser fallen. Vor allem wenn Vati erst nach Stunden auffiel, dass Mutti die Karte falsch herum hält und man den anstehenden Mittelmeerurlaub deshalb an der Nordsee verbringen durfte…

In Wetterberichten von früher war stets der Golf von Biskaya der Ursprung allen Übels. Als Kind lernte man damals, dass schlechte Menschen aus Russland, schlechte Angewohnheiten vom vielen Fernsehen und schlechtes Wetter aus dem Golf kommt, von dem niemand wusste, wo er liegt. Irgendwann hat es sich die Biskaya dann wohl mit dem Deutschen Wetterdienst verscherzt. Seitdem hört man vielmehr von Funtensee, dem deutschen Kältepol bei Berchtesgaden. Ankündigungen von Fronten und Stürmen aus Berchtesgaden sind dem deutschen Volk ja vertraut. Dort wusste man schließlich schon vor achtzig Jahren, ob man Bombenwetter oder Blitz kriegt. Hätte man damals zeitig erkannt, dass die angekündigten Hochs eigentlich Tiefs waren, man hätte sich für den Ausflug nach Stalingrad noch ein Paar Socken mehr einpacken können…

Wer den Wetterbericht im Fernsehen verfolgt, dem stellen sich unweigerlich Fragen: 1.) Nach welchem Prinzip werden eigentlich die Städte ausgewählt, die auf den Wetterkarten abgebildet sind? 2.) Sind die Ratiopharm-Zwillinge und der Grippostad-Pinguin überhaupt daran interessiert, dass es gutes Wetter gibt? Und 3.) Woher kommen die vermeintlich seriösen Wetterfeen, die keine Schwierigkeiten hätten, bei Heidi Klum einen Vertrag zu bekommen, es aber vorziehen, im Nachmittagsprogramm über Kaltluft im Hunsrück zu berichten? Geht man von der üblichen Meteorologie-Studentin aus, die selbst nackt aussieht als würde sie einen Norwegerpulli tragen, vollbringt Fernsehschminke entweder wahre Wunder oder aber die Modelmiezen, die tief dekolletiert über das Wetter am Jadebusen berichten, haben keine Ahnung von dem, was sie ablesen und halten einen Zyklon für eine einäugige Sagengestalt und Graupel für den Körnerkram in Omas Suppe...

Und so warte ich in diesen Tagen wieder jeden Abend gespannt vor dem Fernseher auf eine neue Wettermärchenstunde, während ich mich mit Wolldecke und Tee von dem am Vortag angekündigten „ersten herrlichen Frühlingstag“ erhole, der mich mittags beinahe weggeblasen hätte, wäre ich nicht vorher schon weggespült geworden. Während im Fernsehen etwas von einer gestern noch nicht absehbaren Verzögerung des Hochs und garantiert blauem Himmel morgen berichtet wird, beginnen meine Terrassenmöbel über den überfluteten Balkon zu schwimmen, während seltsam weißes Zeug vom Himmel fällt. Aber was will man auch von einem Hoch erwarten, das Kevin heißt? Aprilwetter… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Satte 299 Euro plus Mehrwertsteuer kostet die Namenspatenschaft für ein Hochdruckgebiet. Dafür kann man nun wirklich gutes Wetter erwarten.

Übergriffiges Sexualverhalten im schulischen Umfeld

Ein Krisenteam hat grundsätzlich vier Aufgaben. Erstens die Prävention, zweitens die Vorbereitung auf Krisen, drittens den Ernstfall managen und viertens die Nachsorge von Krisen. Das sind zum Beispiel allgemeine Krisen im Kontext Gewalt, Mobbing, der Umgang mit Tod und Trauer, Vandalismus, Graffitis. Seit sich die Schülerinnen und Schüler in den sozialen Medien bewegen, sind neue Krisen hinzugekommen – Stichwort: Cybermobbing. Der erste Kriminalhauptkommissar Hagen Berndt verrät im Interview mit dem Psychologen Martin Ernst vom Landesinstitut für Präventives Handeln welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt. 

Martin Ernst: Du stehst als Koordinator des Arbeitsbereichs „schuleigene Krisenteams“ im Austausch mit den Lehrkräften. Gibt es ein Thema, das die Schulen derzeit vor besondere Herausforderungen stellt?

Hagen Bernd: „Wir haben speziell im letzten Jahr häufig Anfragen von Schulen als auch von Schulpsychologen bekommen, dass übergriffiges Sexualverhalten von Schülerinnen und Schülern beobachtet wird. Konkret sind das Fälle von Weitergabe pornografischer Filme oder Bilder, das sogenannte Sexting. Das sind die Krisen, die die Schulen derzeit beschäftigen.“

M.E.: Diese Phänomene sind ja an sich nicht neu. Hast du einen Erklärungsansatz?

HB: „Genau, diese Krisen sind nicht neu, sie haben aber eine neue Dimension erhalten durch die sozialen Medien. Durch die technischen Möglichkeiten der virtuellen Verbreitung hat das Verhalten zugenommen. Ich denke, eine der Ursachen ist zum einen das unreflektierte Handeln ohne ein Unrechtsbewusstsein der Täter, zum anderen aber auch eine niedrige Hemmschwelle, Inhalte unkompliziert – meist mit nur wenigen Klicks - ins Netz stellen zu können.“

M.E.: An wen können sich Betroffene wenden?

HB: „Zunächst ist das Krisenteam der eigenen Schule auch eine Beratungsstelle für Betroffene. Es hat auch eine Lotsenfunktion von der Schulsozialarbeit über die Schulpsychologie bis hin zur Polizei. Dazu kommen auch die Beratungsstellen in den jeweiligen Fachgebieten, das können zum Beispiel beim Thema Salafismus die Fachstelle „Yallah!“ oder beim Thema Sexualverhalten die Beratungsstellen „Nele“, „Phoenix“ oder der Kinderschutzbund sein.“

M.E.: Nun stehen wir den saarländischen Lehrkräften in Präventionsfragen als Ansprechpartner zur Seite. Welches Thema wird vermutlich Schwerpunkt der diesjährigen Fachtagung sein?

HB: „Wir fragen jedes Jahr bei den Krisenteams im Rahmen eines Netzwerktreffens ab, welche Themen die Schulen beschäftigen. Diese Themen fließen bei den Planungen unserer jährlich stattfindenden Fachtagung ein. Das machen wir schon seit sieben Jahren so und bei der letzten Abfrage wurde das Thema „übergriffiges Sexualverhalten im schulischen Umfeld“ als besonders häufig benannt. Wir wollen uns genau diesem schwierigen Thema bei unserer Fachtagung widmen, die in diesem Jahr am Donnerstag, dem 30.06.2022 online stattfindet. Es ist uns dabei erneut gelungen, Experten zum Thema zu gewinnen, um den Schulen im Saarland bei dem wichtigen Thema Handlungssicherheit zu geben. Sozusagen als Hilfe zur Selbsthilfe.“

Landesinstitut für Präventives Handeln - Hanspeter-Hellenthal-Straße 68, 66386 St. Ingbert, Tel: 0681-5013853

Nur Schnaps, keine Cocktails

Der „Nilles“ ist ein echtes und unverwechselbares Einzelstück der Saarbrücker Kneipenlandschaft. Das Motto „Erst tut es weh, dann ist es schön“ bringt den Charme des Nauwieser Juwels auf den Punkt. Jetzt wird Jubiläum gefeiert: das Zwanzigste!

Nur ganz wenige Etablissements der saarländischen Gastronomie-Szene haben es zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Neben den mit Michelin-Sternen gekrönten Restaurants gehört der „Nilles“ dazu. In der „Kneipe der Hoffnungslosigkeit“ im Saarbrücker Nauwieser-Viertel wird man per Handschlag begrüßt, soweit so ungewöhnlich. Der Laden hat derart viel Atmosphäre, dass das Wort Alleinstellungsmerkmal genau hier erfunden worden sein muss, obwohl gerade hier keiner lange alleine steht. Das alles macht den Nilles zum Kult im Nauwieser Viertel. Hier ist vieles anders, denn erst tut es weh, dann ist es schön und schließlich will man gar nicht mehr woanders hingehen. Das liegt neben den Spielautomaten, der Jukebox, den Darts und dem Billardtisch vor allem aber an der charismatischen Persönlichkeit von Wirt Frank Nilles. Er schafft ganz locker den Spagat zwischen Sportsbar mit Fußball-Liveübertragungen und regelmäßigen Konzerten – und manchmal sogar beides gleichzeitig. Selbst Renovierungen steckt der Laden ganz charmant weg, ohne auch nur eine Spur des ganz eigenen Nilles-Feelings zu verlieren. Kann man nicht beschreiben, muss man erleben! Nur eines gibt es hier nicht: Cocktails – und das ist auch gut so!

Wenn sich jetzt am 18. März die Eröffnung zum zwanzigsten Mal jährt ist Wirt Frank Nilles schon längst einer der dienstältesten Wirte im Studenten- und Party-Kiez, nur ganz knapp übertroffen von Marwan Amr mit seinem Bleistift. Das Lokal gibt es aber schon wesentlich länger, denn seit den 50er Jahren begrüßte Familie Schneider im gleichnamigen Gasthaus ihre Gäste. Frank Nilles allerdings erblickte erst gut ein Jahrzehnt später das Licht in Berlin, als Kind einer Saarbrücker Familie im Exil, die es dann auch bald zurück in die Heimat an der Saar zog. Er machte in jungen Jahren eine Kochausbildung im Schwarzwald, kochte ein paar Jahre beim Bund und versuchte sich als Betreiber eines Autohofs. Zwischendurch war er auch mal in einer Jugendherberge sieben Jahre Herbergsvater, also praktisch der gleiche Job, den er bis heute macht, nur dass die zu betreuenden Menschen etwas älter sind.

„Es war halt eine echte Notlösung, ohne Plan. Das Ganze hat sich dann so entwickelt.“

Die Übernahme der Kneipe war allerdings ein gutes Stück aus der Not heraus geboren. Nach dem Fehlschlag mit der Autobahnraststätte suche Frank nach einer Alternative. Vater Bubi, seines Zeichens mit der eigenen Kneipe eine echte Legende des ursprünglichen Chinesenviertels, hatte mitbekommen, dass das Gasthaus Schneider einen neuen Pächter suchte. Und da war klar, was Frank, der mit Ehefrau Monika einen starken Rückhalt an seiner Seite hatte, zu tun hatte. Natürlich sah der Nilles damals noch ganz anders aus, war sozusagen naggisch. An die ganzen Memorabilien, die sich über die Jahre angesammelt haben und die heute einen Großteil des Charmes ausmachen, war noch nicht zu denken. Die hölzerne Sitzgruppe stand noch im legendären Dr. HC in der Blumenstraße und die vielen großen Flatscreens waren noch nicht mal erfunden. Die hielten stückweise Einzug, umso mehr das Interesse an Fußball Live-Übertragungen wuchs. Außerdem kamen die Live-Konzerte hinzu, die heute schlichtweg nicht mehr wegzudenken sind. Das hängt natürlich auch mit der Veränderung des Publikums zusammen. Als der Nilles eröffnete, hatte das Viertel durchaus noch viel vom einstigen Arbeiter- und Rotlichtmillieu, eben dem Chinesenviertel. Mit der Übernahme des Viertel durch jüngere, studentische Bewohner, blieb das natürlich nicht ohne Einfluss auf die Gästestruktur im Nilles. Das hat sich bis heute erhalten, auch wenn einige der damaligen Stammgäste, die zwar bis heute zu den treuesten Seelen des Nilles gehören, das Studium nach dem 50. Semester haben gut sein lassen.

Überhaupt ist es dieses wunderbar haarsträubende Panoptikum an den besten Stammgästen der Welt, die die Einzigartigkeit dieses Kneipenbiotops ausmachen. Konzerte, Fußball, Billard und Darts gibt es in vielen Läden zwischen Großherzog Friedrich- und Schumannstraße, aber eben nicht diese besondere Mischung an Ausnahme-Charakteren vor und ehrlich gesagt auch hinter dem Tresen. Den Soundtrack dazu liefert dann die vielleicht letzte aktive Musicbox der Stadt, die mit einem grandios abgefahrenen Musikmix von Wirtschaftswunder-Schlager bis Hardcore. Da wundert es dann noch nicht mal groß, wenn plötzlich Rapper Moses „P“ Pelham vor der Theke auftaucht und gleich eine ganz Wanne voll mit Getränken kauft. Zum Glück bieten die hier ausgeschenkten 45 Sorten Bier reichlich Möglichkeiten zur Selbsterfahrung.

String-Tangas und 45 Sorten Bier

Nicht zu unterschätzen für den Erfolg des Lokals in der Blumenstraße ist auch sein vielseitiges soziales Engagement. Das beginnt, gemeinsam mit anderen Viertelkneipen, bei der klaren Positionierung gegen Rechts, und reicht bis zur Unterstützung lokaler Sportvereine per Trikotwerbung, wie beispielsweise aktuell beim FC St. Arnual. Aber natürlich gehören dazu auch ganz ausgefuchste Aktionen zur Kundenbindung, wie zum Beispiel, dass jeder Stammgast, der Geburtstag hat, umsonst trinken darf. Aber Vorsicht, die Betonung liegt auf Stammgast. Ähnliche Specials gibt es zu Weihnachten oder zum Tag der Arbeit – und besonders die Wahlpartys sind vielen in lebendiger Erinnerung, obwohl gerade hier eigentlich gelten müsste: wer sich erinnert, war nicht dabei! Zum Glück gibt es da ja aber auch noch die umfangreiche Kollektion von Merchandising-Artikeln, angesichts deren Umfang selbst namhafte Bands nicht mithalten können. Da gibt es wirklich alles von den üblichen T-Shirts und Caps bis hin zu Tassen, Badetüchern, Wolldecken, Jacken, Westen und String-Tangas.

Das I-Tüpfelchen auf der Cocktailkirsche über dem Sahnehäubchen auf dem Nilles-Gesamtkunstwerks-Kuchen sind die zahllosen Werbemittel, mit denen alle Räume ausdekoriert sind. Da kommt selbst bei Designmuffeln Neid auf und die Finger werden auch schon mal zu lang. Aktuelles, trauriges Beispiel ist das wunderbar antike Schloss-Bräu-Emaille-Werbeschild das „irgendwie“ abhandengekommen ist, aber immerhin erwartet den ehrlichen Zurückbringer eine Belohnung von stolzen 200,- Euro. Die Chancen, dass das gute Stück also wieder heimfindet, stehen übrigens tatsächlich ganz gut, denn ob man es glauben mag oder nicht: die große Bettlerfigur vom Fensterbrett wurde schon dreimal gestohlen – und jedes Mal wieder zurückgebracht. Im Nilles ist halt wirklich alles ein bisschen anders!

Das alles wäre natürlich undenkbar ohne einen Hausbesitzer, der hinter dem Laden steht, einem unfassbar treuen Stammpublikum und dem besten Team der Welt, dem Frank Nilles am liebsten die nächsten zwanzig Jahre danken würde für ihren unvergleichlichen Einsatz. Bleibt zum guten Schluss nur ein einziger Herzenswunsch vom Chef an alle, trotz 2jährigem: Geht wählen! Und dem ist nun wirklich rein gar nichts mehr hinzuzufügen!

Lenas Theke – Landtagswahl Spezial

Wer ist Anke Rehlinger? Was will Tobias Hans im Saarland besser machen? Wie kam Lisa Becker zur Politik? Diese Fragen beantwortet Lena Ziegler im Gespräch mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten zur Landtagswahl im Saarland an der Theke im #UnionSquare im Haus der Union Stiftung.  „Lenas Theke“ heißt das Talk-Format der Union Stiftung, das regelmäßig auf dem YouTube Kanal der Union Stiftung erscheint. Vor der Landtagswahl im Saarland am 27. März hat Lena die Spitzenkandidaten der großen Parteien eingeladen, um mit ihr über Politik und die Zukunft des Saarlands zu sprechen. Zu Gast sind u.a. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD), Lisa Becker (Die Grünen), und Angelika Hießerich-Peter (FDP). Moderatorin und Gastgeberin ist Lena Ziegler. Sie macht seit Mai 2021 ihr Volontariat bei der Saarbrücker Zeitung.

Lenas Theke - alle 14 Tage auf dem YouTube Kanal der Union Stiftung #UnionSquareTV

Einfach mal abheben!

Der Sprungpark bietet Fun & Action für Jung und Alt, Groß oder Klein, Anfänger oder Profi, mit besonderen Attraktionen auf verschiedenen Trampolinflächen. Trampolinspringen hat nicht nur einen gesundheitlichen Aspekt, denn es fördert die Kondition und stabilisiert die Muskulatur, die vielseitige Sportart verspricht auch Faszination und Spaß für alle, die sie ausüben! Wer vom Springen und Toben erschöpft ist, kann anschließend im Bistro aus dem umfangreichen und kinderfreundlichen Angebot an Getränken und Snacks wählen. Das Highlight und der Bestseller ist hier der rechtzeitig reservierte Kindergeburtstag, der ab 6 Gästen buchbar ist. Jede Menge Spaß für die Kinder und Entspannung für die Begleitpersonen sind garantiert! Wer zur Aufsicht dabei ist, zahlt übrigens keinen Eintritt! Rechtzeitige Reservierungen sind sehr zu empfehlen und die beste Idee, um auch sicher am geplanten Tag die nötigen Plätze zu ergattern. Also am besten gleich online buchen – und nichts wie hin!

Sprungpark Saarbrücken - In der Galgendell 56, 66117 Saarbrücken, Tel: 0681-38751770, www.sprungpark.de

Mein Lieblingsding: Das Vintage-Bike

Zwei Sachen besitzt der Exil-Saarbrücker Patrik Schwindt, die er niemals verkaufen würde. Das ist neben einer Metallplastik des Saarbrücker Künstlers Horst Erlenbach, die wir gerne bei anderer Gelegenheit vorstellen, vor allem sein Fahrrad. Ein wunderschönes Bianchi Via Brera aus den Sechzigern. Gekauft hat er es das Vintage-Bike vor gut 15 Jahren im Radhaus am Rathaus und seitdem von Grund auf restauriert und traumhaft aufgehübscht. „Ich hab‘ wirklich alles komplett auseinandergebaut bis auf den blanken Rahmen und dann angefangen mir mühsam die einzelnen Teile möglichst original im Internet oder auf Trödelmärkten zusammenzusuchen. Insbesondere die flaschengrünen Kabel- und Bremszüge waren eine echte Herausforderung, aber auch die alten Aufkleber sind nicht eben einfach zu finden gewesen. Es war mir aber sehr wichtig, wo immer möglich nur Originalteile zu verbauen.“ Dass er zurecht mehr als stolz auf seinen fahrbaren Untersatz ist, kann man auf diesem Foto unschwer erkennen, das ihn gemeinsam mit seinem Lieblingsding am krachneuen Humboldt-Forum in Berlin zeigt.

Abbruchfreude

Hallo Mikrokosmonauten: Nicht jede Kapitulation ist gleich eine Niederlage!

In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der unseren ist es nicht ungewöhnlich, dass wir uns tagtäglich und immer wieder aufs Neue die Sporen geben und uns wie Rennpferde zu Höchstleistungen antreiben. Wir müssen funktionieren. Im Job und im Leben. Viel schlimmer als das pure Prinzip der funktionstüchtigen Maschine in Menschengestalt ist obendrein der Gedanke des Gewinnens. Das Streben nach Erfolg. Nach Ruhm. Nach Macht. Oder einfach nur das vermeintlich sieghafte Beendigen einer arbeitsintensiven Woche, in der mal wieder alles andere zu kurz kam, man sich nach Feierabend nur mit Hängen und Würgen noch ins Gym schleppt und wo für Treffen mit Freunden einfach keine Zeit ist oder die Kraft fehlt. Wow, wir können echt stolz auf uns sein. Nicht!

End-Scheidet euch!

Ab einem gewissen Punkt im Leben ist es an der Zeit, sich die Frage zu stellen: Weitermachen oder abbrechen? Getreu dem Motto: Ziele aufgeben, um neue Ressourcen zu schaffen, habe auch ich gewisse Pläne ad acta gelegt. Nein, ich möchte nicht mehr im Ausland leben und auch keine Strandbar mehr in Portugal eröffnen. Mich von einigen Life-Goals zu verabschieden, schmerzte sehr, hinterließ dieser Schritt schließlich eine kleinere oder größere Lücke in meinem Leben. Dabei muss ich gestehen, dass ich bis vor kurzem diese gewissen abbruchfreudigen Leute verteufelt habe, die Beziehungen beenden, weil es quietscht im Getriebe oder die alle zwei Jahre einen neuen Job haben, weil sie meinen, sich jedes Mal wieder neu erfinden zu müssen. Heute weiß ich, dass auch diese Menschen mit sich ringen, ehe sie diese Entscheidungen fällen. Die meisten zumindest. Und dass auch sie sich mitunter schäbig und mies fühlen, wenn ein gestecktes Ziel nicht erreicht wurde. Etwas anderes kann ich mir kaum vorstellen. Aber ist nicht genau dann der richtige Zeitpunkt, um neue Projekte anzufangen? Focus on! Und für alle anderen, die sich immer noch nicht sicher sind, ob sie nun weitermachen oder abbrechen sollen, gilt der simple Tipp mit der Münze: Kopf oder Zahl?

Sich von fremden Wünschen und Erwartungen freimachen

Vieles ist zur Gewohnheit geworden. Sind wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg oder sind wir irgendwann zwischen beruflicher Etablierung und korrektem Commitment falsch abgebogen? Was ich damit sagen will: Es lohnt sich, auf dem Weg zu seinem Ziel mal eine Pause zu machen und sich zu fragen: Will ich überhaupt noch dahin? Vielleicht handelt es sich nämlich lediglich um die erstrebenswerten Visionen von anderen und weniger den eigenen. Vielleicht haben wir uns nämlich selbst inzwischen insoweit transformiert, dass wir auch gar nicht mehr dorthin wollen, wo wir noch vor einigen Jahren hinwollten. Denke ich heute an meine vergangenen Vorhaben und Pläne, bin ich regelrecht erleichtert, dass ich manche Ziele nicht ganz so konsequent verfolgt habe, sonst wäre ich heute wahrscheinlich eine unglückliche Ehefrau an der Seite eines alten Oligarchen. Oder eine Heiratsschwindlerin. Und der ganz große Plan war ja auch, als wunderschöne Leiche in der besten Suite im Plaza Athénée gefunden zu werden und damit die Titelblätter sämtlicher Gazetten zu schmücken: „Außer ihren Perlen trug sie nichts."

Und dennoch dürfen wir uns niemals selbst entfremden, in dem wir nur leben, um es anderen recht zu machen und deren Erwartungen zu erfüllen. Übrigens ein Thema, auf das ich in meinen Texten nur zu gerne eingehe. Vielleicht, weil es mich auch selbst immer wieder betrifft und es wohl zu einer meiner  Lebensaufgaben geworden ist. Es ist dauerhaft einfach toxisch, immer Dinge zu sagen, die andere hören wollen und den Verhaltenskodex zu wahren, den andere voraussetzen. Nicht immer, aber immer öfter. Und am Ende ertappen wir uns dabei, wie wir unweigerlich zugeben müssen:

Wir sind nicht in unserem Element.

Ich möchte hiermit eine Lanze brechen für all diejenigen, die kämpfen und kämpfen, obwohl die Lage aussichtlos ist. Ich fühle mit euch. Vielleicht, weil unter meiner harten Schale ein empathischer Kern steckt. Und das Eingeständnis: „Ich bin eine von euch!". Ich hatte in den letzten Monaten und Jahren viel Stress. Unverdaute Wut. Und einen exorbitant hohen Ungeduldigkeits-Level, der mich allmählich zur Strecke bringt. Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, Leute nicht verstehen, was ich ihnen sagen will oder ich nur schon 5 Minuten im Stau stehe, explodiere ich. Machen wir uns nichts vor, aber Stress, das Festhalten an unrealistischen Plänen und diese ganzen aussichtlosen Kämpfe sind allesamt Krankmacher. Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen: „Ist es der chronische Durchfall wirklich wert?".

Drop it!

Es ist doch so: Man scheitert nicht gleich, wenn man aufgibt. Vielmehr befreien wir uns von etwas, was einfach nicht gepasst hat, oder die Zeit erst noch kommt. Bis dahin steckt man sich neue Ziele, aber nicht, bevor man erstmal durchatmet und sich fragt, was man eigentlich will. Was kann bleiben, was muss weg? Und über all dem die Gefühle zulassen, die vorübergehende Leere spüren, den Schmerz gewähren lassen. Und ja, auch die Gedankenspirala à la „War es die richtige Entscheidung?", „Hätte ich mehr tun müssen?" und so weiter akzeptieren. Durch diese Lektion müssen wir wohl oder übel durch.

Und einfach so kommt ein neues Ziel.

Es gibt einen einfachen Mood-Booster. Eine Imaginations-Strategie, in der man sich positive Fantasien ausmalt und diese im nächsten Step auf Hindernisse abcheckt. Danach versucht man möglichst realistisch einzuschätzen, wie gut die Chancen sind, diese zu überwinden. Das Gute an all dem ist, dass nach einem aufgegebenen Ziel beim nächsten Ziel viel sorgfältiger vorgeht. Man hat schließlich dazugelernt.

Seid euch über eines gewiss: Ihr seid nicht alleine. Es ist bekanntermaßen so, dass man alle drei bis sieben Jahre einen Transformationsprozess durchläuft, in dem man sich neue Ziele steckt, neue Pläne schmiedet und sich neu ausrichtet. Das ist weder verwerflich noch abnormal. Und zuweilen gibt man einfach auf. Um zu gewinnen.

Endlich wieder Urlaub

Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Christoph Columbus zum Beispiel wusste was zu erzählen, nachdem er auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien irgendwo im Atlantik falsch abbog und Amerika entdeckte. Was ihm bis heute niemand verziehen hat. Ebenso Marco Polo, der alle übrigen Länder der Welt entdeckte und seine Erlebnisse in kleinen Reiseführern mit Insider-Tipps niederschrieb. Selbst meine Ex-Freundin weiß stets von ihren Reisen zu erzählen. Wenn auch nur, dass sie in der Karibik nicht nur Rum mochte, sondern auch rum machte. Was ihr einen unvergesslichen Trip, vor allem aber auch einen noch unvergesslicheren Tripper bescherte...

Reisen dienen seit jeher dazu, fremde Kulturen und Arten zu erleben. Egal ob im tiefsten Südamerika, Senegal oder Sachsen. Noch besser geeignet sind Reisen jedoch dazu, bereits bekannte Kulturen und Unarten zu erleben. Noch lehrreicher als einen Vierbeiner des Nachbarkontinents im Zoo zu beobachten, ist es, einen Zweibeiner des Nachbartischs im Urlaub zu beobachten. Ganz ohne Zaun oder Gitter kann man da Verhaltensweisen studieren, die man sonst nur aus Tierreportagen im Fernsehen kennt: Futterneid, Revierkämpfe und Balzrituale. Der Urwald auf Madagaskar ist nichts gegen den Urlaub auf Mallorca. Das hätte man nach zwei Jahren Pandemie fast schon vergessen…

Im Vergleich zu Menschen in einem Pauschalurlaub verhalten sich Tiere in freier Wildbahn geradezu menschlich. Beobachtet man das Gedränge und Geschiebe am Büffet eines Pauschalurlauber-Hotels, gewinnt man den Eindruck, es ginge um Leben oder Tod und nicht bloß um Fleisch oder Fisch. Als stünde ein Krieg bevor, kennen hungrige All-Inclusive-Urlauber keine Gnade, wenn es um die größten Portionen geht. Ob das, was da im Affekt handbreit auf dem Teller übereinander gestapelt wird, überhaupt zusammenpasst oder ob man da nicht doch gerade Eierlikörsoße über den Blumenkohl gießt, ist erst einmal Nebensache. Liegenlassen kann man es ja schließlich immer noch…

Wie wir alle spätestens seit Corona wissen dürften: Der Mensch kann einfach nicht das intelligenteste Lebewesen auf diesem Planeten sein. Ameisen schaffen es zu Abertausenden, sich zu organisieren und aus dem Weg zu gehen. Wir Menschen dagegen sind nicht einmal im Dutzend in der Lage, zu begreifen, an welcher Seite einer Büffetschlange man sich anstellen muss. Dabei sind es keineswegs nur die an Linksverkehr gewöhnten Engländer, die einem am Büffet als Geisterfahrer mit Teller und Besteck entgegenkommen. Wahrscheinlich würde es eine mittelbegabte Ameise auch eher schaffen, eine FFP2-Maske richtig über ihrer Nase zu tragen, wenn sie denn eine Maske und eine Nase hätte…

Wenn es um Essen geht, muss Corona kurz warten. Was das Einhalten von Abständen betrifft, sollte man gerade mit uns Männern Nachsicht haben. Seit der Pubertät haben wir nachweislich Probleme damit, Längen richtig abzuschätzen. Beim wem 30 Zentimeter gerade einmal so lange sind wie ein Finger, ist 1,50 Meter Abstand zum Vordermann eben auch nicht mehr als eine Tellerbreite. Gerade für viele männliche Ü20er ist aufgrund der Corona-Beschränkungen in Bars und Diskotheken das Hotelbüffet noch die einzige Möglichkeit, beim Malle-Urlaub dem anderen Geschlecht ungefragt näher zu kommen und ihm das Sommerkleid zu versauen…

Im Gegensatz zum Verhalten vieler Hotelurlauber beim Essen wirkt es geradezu friedfertig, wenn ein ausgehungerter Löwe ein Gnu bei lebendigem Leibe zerfetzt. Die Tischsitten in Urlaubshotels erinnern weniger an das Essverhalten von Homo sapiens als an das von Würgeschlangen, die Beute am Stück herunterschlingen. Die lange Zeit im Home-Office in der Pandemie hat auch hier Spuren hinterlassen. Viele haben hörbar vergessen, dass Rülpsen und Furzen ursprünglich keine üblichen Tischgespräche waren. Es ist faszinierend wie erschreckend zugleich, wie manche Menschen ein weichgekochtes Ei essen und es schaffen, dass danach der Tisch aussieht, als wäre ein ganzes Huhn explodiert...

Die Geräuschkulisse in All-In-Hotelrestaurants erinnert an das Geschmatze einer Ferkelherde. Von fressenden Schweinen sind essende Hotelgäste oft nur durch die teilweise Bedeckung ihres Specks zu unterscheiden. Sofern Muskelshirts bei Ihm und Wickeltücher bei Ihr als Kleidung zählen und nicht bereits als Zumutung. Da kann im Hotelprospekt zigmal stehen, dass Abendgarderobe erwünscht ist. Wenn Papi Shorts, Sandalen und Socken tragen möchte und Mutti ein zu knappes, durchsichtiges Strandkleid, dann tun sie es. Der Gast ist schließlich König. Ich bin für solche Anblicke eigentlich immer dankbar, mindern sie als natürliche Appetitzügler doch die Gefahr, im Urlaub zuzunehmen…

Es ist beeindruckend wie befremdlich zugleich, die Hast und Aggression vieler Erholungssuchender zu sehen, die im Urlaub mehr Stress haben als zuhause. Daher sind viele nach zwei Wochen auch froh, wenn es wieder heimwärts geht, wo alles seine gewohnte Ordnung hat und es sonntags Rinderrouladen gibt. Schließlich ist Erholen gar nicht so einfach, wenn man sich andauernd Gedanken machen muss, ob noch genügend Nachtisch und freie Plätze am Pool vorhanden sind. Vor allem bei uns Deutschen gilt: Was inklusive ist, wird auch genutzt! Das gilt für Snacks am Mittag ebenso wie für Shows am Abend. Egal ob man Lust auf sie hat oder nicht. Bezahlt ist schließlich bezahlt…

Auch wenn er gar nicht vorhat, sich an den Pool zu legen, markiert der anständige Deutsche in aller Herrgottsfrühe mit seinem Handtuch oder jetzt noch wirksamer mit seiner Mund-Nasen-Maske sein Territorium am Becken. Auch wenn er die Liege eigentlich gar nicht braucht, heißt das nicht, dass er sie jemand anderem gönnt. Dabei ist der Pool eigentlich nichts für Deutsche mittleren Alters. Sammeln sich im Wasser doch immer nur Keime und Kinder. Und beide möchte man sich im Urlaub vom Leibe halten. Außerdem ist da ja eh wieder kein Hotelpersonal, das überwacht, dass niemand vom Beckenrand springt. Da könnte man sich ja nicht mal erholen, wenn man sich erholen könnte…

Wer glaubt, entsprechenden Exemplaren der eigenen Spezies aus dem Weg gehen zu können, indem er sich ein Urlaubsziel sucht, das nicht jeder kennt, der muss leider eines Besseren belehrt werden oder in die Antarktis reisen. Egal ob Mallorca, Malta oder Madeira, Pauschalurlauber gibt es wie Corona überall. Und beide nerven ähnlich. Weltreisen, die Columbus und Polo noch Ewigkeiten im Voraus planen mussten, können heute last-minute beim Discounter gebucht werden. Was Herpesviren für den Menschen, sind Pauschaltouristen für Urlaubsorte: Jeder hat sie, es ist nur die Frage, wann sie unangenehm in Erscheinung treten und einem die Laune vermiesen...

Warum ich selbst trotz allem ab und an Pauschalurlaub mache? Weil ich gerne Bücher auf blockierten Poolliegen vertausche und es mag, mir am Büffet ausgiebig Zeit zum Studieren der Essensschilder zu nehmen. Das entspannt ungemein, zumindest mich. Das Gute am Pauschalurlaub während der Pandemie ist übrigens, dass man sich dank hoher Inzidenzwerte und überfülltem Charterflug keine Gedanken mehr zu machen braucht, was man den Lieben zuhause mitbringt. Und was ist nach einer Woche Urlaub im Süden schöner als noch eine Woche Urlaub zuhause hinterher? Manches muss man eben einfach positiv sehen. Endlich wieder Urlaub… gruenetomaten@live-magazin.de.

Patrik Wolf

P.S. Geschichten, Hotelhandtücher oder Corona – Mitbringsel gehören zu jedem Urlaub.

The Show must go on

Whitney Houston, Elton John, Snoop Dogg, die Rolling Stones und Queen, David Guetta oder Bruce Willis, Kevin Costner und zahllose andere Megastars hätten garantiert keine Verbindung zu Saarbrücken, wenn da nicht Veranstalter Dragan Nikitovic wäre. Der arbeitet nämlich seit über 50 Jahren nur mit den wirklich ganz Großen im Showbusiness zusammen. Jetzt feierte der Mann seinen 70. Geburtstag gehabt.

Ganz aktuell sind seine nächsten Konzerte Gitarrenlegende Eric Clapton in Prag und die mehrfache Grammy-Abräumerin Dua Lipa in Bratislava. Allein damit stellt Dragan Nikitovic zweierlei unter Beweis: erstens die unglaubliche Bandbreite an Megastars, die er auf die Bühne bringt und zweitens sein internationales Renommee, das es ihm erst ermöglicht, solche Events in aller Herren Länder auf die Beine zu stellen. Entsprechend erreicht Namedropping bei ihm ganz andere Größenordnung, denn die Reihe der bereits genannten lässt sich praktisch beliebig und durch alle Musikrichtungen ergänzen: AC/DC, Foo Fighters, Motörhead, Simple Minds, Lionel Richie, Ice-T, 50 Cent, Kylie Minogue,  Bob Marley, Julio Iglesias, Jose Carreras, Montserrat Caballé – um nur mal ein weiteres Dutzend seiner „Schützlinge“ zu nennen.

Aber beginnen wir am Anfang. 1962 kommt er mit seinen Eltern ins schöne Saarland immigriert und wächst in Spiesen auf. Er geht ganz normal zur Schule, mal abgesehen von der Tatsache, dass damals sogenannte „Gastarbeiterkinder“ schon noch einen gewissen Seltenheitswert hatten und schafft es zuletzt sogar aufs Gymnasium in Dudweiler. Doch schon mit 15 Jahren erwischt ihn dann der Konzertvirus, der sein Leben bis heute bestimmt. Sein erstes Konzert veranstaltete Dragon in der Spiesener Turnhalle. Die lokale Band Napalm und RS Rindfleisch aus Saarbrücken stehen auf der Bühne und das Ganze wird ein voller Erfolg. 1970 setzt er sich in den Kopf, die Krautrocklegenden Guru Guru, die in Deutschland ganz weit vorne waren, zu buchen. Die Kohle für die Vorkasse, insgesamt 3.000 Mark (Für die jüngeren und ungebildeteren Leser, das war die Währung, bevor der Euro kam. – Anm. d. Red.), musste er sich von seinem Vater leihen, der ihm im Gegenzug das Versprechen abnahm, sich danach voll auf die Schule zu konzentrieren. Entsprechend angespannt war der knapp 18jährige dann am Abend der Veranstaltung.

„Das Konzert begann um 19.00 Uhr mit einer Vorband und als dann gerade mal fünf oder sechs Leute kamen, verlor ich ein bisschen die Nerven, bin aus der Halle raus, und ins „Lord Nelson“ gefahren, die erste Disko von Frank Farian. Da war ich dann drauf und dran mir die Kante zu geben, obwohl ich eigentlich ja nicht trinke, aber dann kamen immer mehr Leute rein, die erzählten, dass in beim Konzert mittlerweile die Hölle los war und Mitfahrgelegenheiten suchten. Ich ins Auto und zurück in die Halle und die platzte tatsächlich aus allen Nähten.“

Sensationelle 4.000 Mark hat er an diesem Abend verdient. Trotzdem erinnerte sein Vater ihn an das Versprechen, sich auf die Schule zu konzentrieren, was aber dann komischerweise irgendwie im Sande verlief. Denn Dragan hat in der Folge praktisch alle bekannten deutschen Bands nach Spiesen und Völklingen gebucht und hatte damit auch Erfolg. Immerhin war er damals tatsächlich der Einzige, der im Saarland Rock-Konzerte machte. Der nächste Schritt war dann der nach Saarbrücken in die ATSV-Halle, wo damals dann die ersten internationalen Bands wie T. Rex, King Crimson oder Manfred Mann’s Earthband auf der Bühne standen. Wenn es tatsächlich mal schlecht lief, ist er Taxi gefahren und als Diskjockey war er auch noch am Start.

1975 startet er weiter durch, nutzt auf dem Uni-Campus auch Aula und Audimax für Konzerte und veranstaltet dann zusätzlich wenig später die legendären „Gaudimax“ Faschingspartys. Ein ausgesprochen erfolg- wie ertragreicher Abschnitte seines Schaffens, doch für ihn ist es der Moment für eine erste Auszeit. Er schnappt sich sein ganzes Hab und Gut, 80.000 Mark in bar, und macht sich von Istanbul aus mit dem Bus durch Persien und Afghanistan auf nach Indien. Nach elf Monaten war das Geld alle und nachdem die letzten Groschen für das Flugticket nach Frankfurt draufgegangen waren, musste er als Schwarzfahrer im Zug nach Saarbrücken reisen. Bei einem Kneipenbesuch im Jahr 1978 bekam Dragan dann zufällig mit, dass der Laden zu verkaufen war und übernahm ihn kurzerhand. So beginnen die Jahre im „Brennenden Berg“, mit kleinen Konzerten in der Kneipe und größeren unter anderem dann auch in Sulzbach und der Saarlandhalle. Aber gleich wo, alle Konzerte laufen unter dem Label „Brennender Berg präsentiert“.

„1985 habe ich AC/DC mit Whitesnake als Vorgruppe in der Saarlandhalle gemacht. Die fragten dann nach dem Konzert, wo sie denn was zu Rauchen und so bekommen könnten. Ich hab‘ denen dann gesagt, da müsst ihr in diese Kneipe, hab‘ aber verschwiegen, dass die mir gehört. Eigentlich war da Montagabends um 23 Uhr natürlich überhaupt nix los, aber da fuhren dann in dieser Nacht vier Tour-Busse vor und es gab eine Wahnsinnsparty, denn natürlich hatten auch längst „normale“ Konzertbesucher mitbekommen, wo immer die Aftershow-Partys stiegen.“

Dragan baut sein Konzertbusiness weiter aus und beginnt auch außerhalb des Saarlandes Konzerte zu organisieren. Den Brennenden Berg aber, muss er nach sieben Jahren und Streit mit den Verpächtern verlassen, findet aber sofort in Herrensohr das vormalige katholische Vereinshaus und macht daraus sein „Waldcafé“. Nach über einem halben Jahr Renovierungsarbeiten hat er jetzt nicht nur eine neue Kneipe, sondern gleich auch einen dazugehörigen Saal, der sogar für Konzerte mittlerer Größe geeignet ist. Der war zwar nur zur Hälfte gestrichen, weil schließlich das Geld nicht reichte, doch das tat der spektakulären Eröffnung mit keinem Geringerem als Eric Burdon auf der Bühne keinen Abbruch.

„Um wirklich große Namen nach Herrensohr zu bekommen, hatte ich den Agenturen, die ich ja alle längst gut kannte, ein einfaches Angebot gemacht: Wenn eure Bands auf Tour gehen, müssen die ja vorher viel proben. Das könnt ihr bei uns machen, kostenlos, und dafür kriegen wir dann das erste Konzert, wenn die Tour losgeht. Das haben viele angenommen und so haben wir Künstler präsentieren können, die sonst niemals in einer Halle dieser Größenordnung gespielt hätten. Das hatte dann aber auch zur Folge, dass es manchmal so voll war, dass wir die Tür zu den Toiletten aushängen mussten, weil die sich vor lauter dichtgepackten Leuten nicht mehr hätten öffnen lassen.“

Wirklich namhafte Acts geben sich fortan die Klinge in die Hand und auch der Saarländische Rundfunk nutzt das „Waldcafé“ für verschiedene Aufzeichnungen. Doch 1990 hat die katholische Kirche genug von dem angeblich unheiligen Treiben, aber wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere. Konzertbesucher bringen ihn auf die Idee, seine Veranstalteraktivitäten ins Ausland zu erweitern.  Damit bloß keine Freizeit aufkommt, steht also ab jetzt auch Luxembourg auf seiner Agenda. 1996 eröffnet er sogar extra eine Niederlassung im Nachbarland und bespielt künftig vor allem die großen Hallen in Remich und Bettange. Wieder sind es die Superstars der Zeit, wie Santana, Jeff Beck und Jethro Tull, die für volle Konzerte sorgen. Gleichzeitig etabliert er Dragan einen ganz neuen Geschäftszweig. Er vermittelt nur die Künstler an Konzertmacher, anstatt selber den Veranstalter zu geben.

„1998 kam eine erste Anfrage aus Russland. Da hatte Veranstalter vergeblich versucht die Soul-Legende James Brown zu buchen. Ich konnte helfen und das Resultat waren dann zwölf Konzerte in ganz Russland, von St. Petersburg bis Wladiwostok. Bei der Premiere in Moskau hatte allerdings die Airline große Teile des Gepäcks verschlampt, weswegen die Band barfuß auftreten musste. Das wiederum war dann das Thema für die russischen Reporter, die unbedingt von mir wissen wollten, warum die ohne Schuhe aufgetreten mussten und da eine Riesenstory über den Umgang mit Farbigen beim Klassenfeind erwarteten.“

Zu der Zeit beginnt Dragan dann damit Anzeigen in Lifestyle-Magazinen wie GQ oder Playboy zu schalten, um mit Blick auf die östliche Oligarchie seine Dienste bei der Vermittlung von Weltstars für private Feste der Superreichen anzubieten. So kommt zur Zusammenarbeit mit Jennifer Lopez, dann reist er mit Kylie Minogue unter anderem zu einem Auftritt bei einem 30. Geburtstag in St. Petersburg und mit Julio Iglesias zum 60. des Präsidenten von Kasachstan, feiert mit Kochikone Paul Bocuse in einem extra ausgeräumten Naturkundemuseum und eröffnet mit Bruce Willis das Filmfestival in Nur-Sultan.

„Das Problem war ganz oft der Alkohol, denn die haben Roederer Cristal Champagner gesoffen. Mir war das egal, weil ja keinen Alkohol trinke, aber mancher Künstler hatte da das Nachsehen. Eines Morgens beim Frühstück kam eine sichtlich derangierte Kylie zu mir an den Tisch und hielt sich den Kopf. Ich habe sie natürlich gefragt, was denn so schlimm sei. Da hat sie ihre Hand von der Stirn genommen und zum Vorschein kam die unübersehbar „eingeprägte“ Spur der Kante des Tisches, auf dem sie mit dem Kopf drauf eingeschlafen war.“

Seit Mitte der 2000er hat sich Dragan immer mehr auf solche Vermittlungen konzentriert, auch wenn er natürlich weiterhin eigene Konzerte auf die Beine stellt. Doch die Tatsache, dass sich zum Beispiel hier in Saarbrücken mittlerweile eine Vielzahl von Mitbewerbern gegenseitig das Leben schwer macht, bremst seine Begeisterung zunehmend. Selbstverständlich hatte auch ihn die Pandemie ausgebremst, doch ganz aktuell plant er bereits an acht Terminen mit der Band Foreigner und hat schon wieder drei eigene Riesenkonzerte in der Durchführung - mit Eric Clapton, Dua Lipa und den Red Hot Chilli Peppers. Und mit den DJ-Größen unserer Tage hat er unlängst auch schon seine Erfahrung gemacht.

„David Guetta hab‘ ich mal nach Belgrad vermittelt, noch gar nicht so lange her. Eine Viertel Million Euro für drei Stunden laut Vertrag. Nach zwei Stunden und ein bisschen meint der zu mir: „So, noch fünf Minuten.“. Ich gucke ihn verwundert an und sage: „Aber im Vertrag hatten wir doch drei Stunden ausgemacht?“ Darauf er: „Meine Stunde hat nur 45 Minuten.“ Ich direkt zum örtlichen Veranstalter und habe dem das erzählt. Der wiederum zu mir: „Sag ihm, wenn er jetzt aufhört, brechen wir ihm beide Beine und beide Arme und darüber beschweren kann er sich dann auch nicht, weil auch sein Kiefer gebrochen wird.“ Das habe ich Guetta ausgerichtet und er hat drei volle Stunden plus zehn Minuten Zugabe gespielt.“

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„Die Original „Lucille“ ist ein Geschenk von Blueslegende B.B. King und Dragan wird sie nie hergeben, auch wenn Sammler aus Fernost sechsstellige Angebote machen“

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Francis Prymerski

Einer der profiliertesten Konzertfotographen Europas

„Dragan ist einer meiner besten Freunde! Wir teilen viele Erinnerungen und Anekdoten, die sich während zahlloser Konzerte, Festivals und Tourneen angesammelt haben. Es sind diese Begegnungen, die wir nicht vergessen können, die Teil unseres Schicksals sind. Mit einem Freund wie Dragan an meiner Seite scheint in dieser Unterhaltungsindustrie kein Weg zu lang zu sein. Danke Dragan, dass du mein Freund bist! „Alte Freundschaft fürchtet keinen Rost“ (französisches Sprichwort).“

Jörn „das Freak“ Dreßler

Saarlands bekanntester Radio- und Musik-Freak

„Dragan Nikitovic, ich kenne keinen bekloppteren Musikfreak, im positiven Sinn. Von Dragan könnte der Satz stammen: „Geht nicht - Gibt es nicht!“ Ich liebe all diese verrückten Geschichten aus dem Leben des Dragan, als Frank Zappa von Dragans Mama bekocht wurde, der brennende Berg, ZZ Top und Gary Moore in Saarbrücken… Das wäre ein echt guter Stoff für einen Film!“

Jörn Mundanjohl

L!VE Konzert & Co Ressortleiter

„Wenn ich an Dragan denke, muss ich immer an ein Gespräch mit dem legendären US-Promotor Barrie Marshall im Umfeld eines Paul McCartney Konzertes in Zürich denken. Barrie Marshall fragte mich: „Aus welcher Stadt kommst du?“. Mit der Antwort „Saarbrücken, Saarland“ konnte er nicht viel anfangen konnte, bis ich erklärte „Saarbrücken, that’s the city where Dragan from Joybringer Concerts lives!“ und er freudig strahlend entgegnete „Oh yes, Dragan! All my best wishes to him and the beautiful city of Saarbrücken!“ Alles Gute zu Deinem 70. Geburtstag, Dragan!“

Anke Rehlinger

„Älter werden ist gut, weniger werden dagegen ist doof“

Die Landtagswahl im Saarland geht in die heiße Phase. Genau der richtige Zeitpunkt die Saar-SPD-Vorsitzende Anke Rehlinger zu den Inhalten ihres Wahlprogramms und über queerpolitische Themen zu befragen. Unser Autor Marc Kirch hat die aussichtsreichste Kandidatin auf den Job des nächsten Ministerpräsidenten in ihrer Saarbrücker Parteizentrale getroffen. Das vollständige Video-Interview gibt es hier:


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MK: Frau Rehlinger, Sie sind jüngst von Ihrer Partei auf Bundesebene mit überwältigender Mehrheit zur stellvertretenden Parteichefin gewählt worden. Im Ampelkoalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sind konkrete Punkte definiert, welche Gleichberechtigung von LSBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen) in unserer Gesellschaft fördern sollen. Was sind denn die Hauptziele in dieser Legislaturperiode? 
AR: In der Tat hat sich die Fortschrittskoalition auch gesellschaftlichen Fortschritt auf die Fahnen geschrieben. Diese Punkte waren in den Koalitionsverhandlungen auch mit am einfachsten auszuverhandeln, was sehr schön ist. Denn viele diesbezügliche Erfolge der Vergangenheit, wie z.B. „die Ehe für alle“ waren ja hart erkämpfte Punkte mit dem damaligen Koalitionspartner. Jetzt geht das hier offensichtlich in besserer Übereinstimmung. So finde ich ist das Selbstbestimmungsrecht ist ein ganz wichtiger Punkt, auch die Frage wie wir Lebenspartnerschaften und Verantwortungsgemeinschaften definieren. Das ist ein Punkt mit dem der Bundesjustizminister sehr früh an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ich glaube alles sind Punkte, die mit dazu beitragen, dass die rechtliche Situation nicht länger einer gesellschaftlichen Situation hinterherläuft. Dafür finde ich ist es jetzt allerdings höchste Zeit und dafür gibt es jetzt gute Signale. 

MK: Die von Ihnen erwähnte sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung durch Erweiterung Artikel 3 des Grundgesetzes ist ja jüngst, nicht zuletzt durch die Enthaltung des Saarlandes bei der diesbezüglichen Abstimmung, auf Bundesebene gescheitert. Können Sie der LGBTQ-Community denn heute einen Ausblick geben, wie lange das voraussichtlich noch dauern wird, bis da ein Erfolg zu erwarten ist? 
AR: Na ja, in der Tat habe ich es bedauert, dass wir uns als Saarland enthalten mussten. Ich hätte dem Antrag bei der letzten Abstimmung bereits sehr gerne zugestimmt. Den exakten Zeitplan muss ich jedoch leider schuldig bleiben. Es gibt momentan noch kein veröffentlichtes Arbeitsprogramm. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass das einer der frühen Punkte ist, die man aufgreift. Es gibt eine große Einigkeit innerhalb der Koalition. So wichtig und so groß der Schritt auch ist, den man damit geht und die Aussage die damit verbunden ist, so rechtlich kompliziert scheint es mir nicht zu sein. Deshalb könnte man es jetzt auch relativ früh anpacken! Also ich wäre auf jeden Fall gerne dabei. 

MK: Weiterer Punkt ist das Blutspendeverbot für homosexuelle Männer. Die jüngste Verbesserung, dass homosexuelle Männer nun nur 4 Monate enthaltsam leben müssen, wohingegen es vorher noch nachweislich mindestens 12 Monate sein mussten, ist „nur„ eine „Aufweichung“. Den Umstand der diesbezüglichen „institutionalisierten Diskriminierung“ homosexueller Männer schafft diese „Verbesserung“ jedoch nicht ab. Ist das auch ein Punkt, den wir als lösbar im Rahmen der aktuellen Ampelkoalition erwarten dürfen? 
AR: Ich glaube der Punkt muss lösbar sein, denn ich finde das ist ein Unding! Ich war gerade bei der Blutspende und habe auch dafür geworben, dass das viele andere auch tun. Dann muss man ja immer diesen Zettel ausfüllen bezüglich der Verwendung und der diesbezüglichen Zustimmung. Dann stehen dort die Gründe, in welchen Fällen das gespendete Blut nicht verwendet werden darf und weshalb man dann „nein“ sagen soll. Ich schaue da jedes Mal völlig erschüttert auf diesen Zettel und denke mir immer: ´Mein Gott, das ist einfach Diskriminierung pur!´Deshalb, ich finde: ´je schneller desto besser! Ich hoffe dass wir das jetzt wirklich gelöst bekommen. Diese Regelung ist einfach von vor vor vorgestern - und selbst da war es nie aktuell und angemessen! 

MK: Gibt es denn schon weitere im Ampelkoalitionsvertrag verankerte Punkte, die schon jetzt Auswirkungen auf die saarländische Landespolitik haben, welche die Förderung von Gleichberechtigung zum Inhalt haben und welche die Ent-Diskriminierung von LSBTI betrifft? 
AR: Meines Erachtens durchaus die Frage, wie wir jetzt mit dem Thema von Verantwortungsgemeinschaften umgehen. Das hat nochmals unmittelbare Rückwirkungen. Wichtig ist aber auch, dass wir als Land nicht nur nach Berlin schauen. Ganz viel wird ganz grundsätzlich dort geregelt, das stimmt wohl. Ganz viel haben wir aber auch selbst in der Hand. Wir haben das jetzt erlebt mit dem saarländischen Landesaktionsplan, der endlich gekommen ist. Wie ich glaube ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Man hätte ihn etwas früher gehen können, das tut jedoch der Qualität dieses Schritts zunächst einmal keinen Abbruch. Jetzt gehts darum, was wird davon konkret, wie schnell und wie beherzt angegangen. Auch wesentlich: „was kann man als saarländische Landesregierung noch darüber hinaus tun, in einer nächsten Legislaturperiode?“ Ich persönlich finde, dass die Bekämpfung von trans- und homophober Gewalt ein weiterer wichtiger Punkt ist! Das beginnt bereits bei der Sichtbarmachung, dass diese in einer relevanten Größenordnung existieren. Das gelingt einem natürlich am besten, wenn man diese begangenen Straftaten tatsächlich auch in einer Kriminalstatistik ausweist und damit gleichzeitig auch Gefahren aufzeigt. Darüber hinaus sollte dafür eine Anlaufstelle geschaffen werden, möglicherweise bei der Polizei. 

MK: In der Polizeigewerkschaft bzw. der Landespolizei einiger anderer Bundesländer gibt es bereits LGBTIQ-Beauftagte. Auf bundespolitischer Ebene ist Sven Lehmann von den Grünen in ein neu geschaffenes Amt des offiziellen „Queer-Beauftragten der Bundesregierung“ berufen worden. Wenn wir nach der bevorstehenden Landtagswahl als neuen Ministerpräsidentin des Saarlandes beglückwünschen dürfen, wären dann auch solche Ämter einer bzw. eines Queerbeauftragten auf Landesebene und/oder bei der Polizei konkret geplant? 
AR: Darüber kann man auf jeden Fall reden. Wenn man deren/dessen Aufgaben beschreibt, gilt es zu klären und wo diese/r angesiedelt sein sollte, damit sie/er auch angesprochen wird/werden von Betroffenen. Das ist denke ich ein sehr sensibler Punkt. Denn nur durch die konkrete Ansprache und Benennung von Fällen, können diese einer Lösung zugeführt werden und man kann ggf. auch dort wo die Dinge nicht in Ordnung sind ein Schlaglicht darauf werfen. Dadurch erreichen wir auch die erhoffte Sichtbarkeit dieser Delikte. Das ist sicherlich ein Punkt der in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden kann. 

MK: Der von Ihnen angesprochene saarländische Landesaktionsplan „Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identität akzeptieren - gegen Homo- und Transfeindlichkeit“ definiert konkrete Handlungen und Maßnahmen in allen Lebensbereichen, um diskriminierungs- und gewaltfreie Lebensbedingungen zu schaffen und die Akzeptanz von Vielfalt mit allen Kräften ministerienübergreifend zu fördern.    Wie sehen Sie die Relevanz dieses Landesaktionsplans, wenn der aktuelle Ampelkoalitionsvertrag der Bundesregierung bereits viele dieser Punkte übergeordnet regelt? Wird dieser deshalb obsolet oder für das Saarland sogar noch wichtiger? 
AR: Ich finde der Rechtsrahmen ist immer das eine, aber wie der Name schon sagt: Ein „LandesAKTIONsplan“ sollte ja bestenfalls dann auch zu AKTIONEN führen, in einem dann besseren Rechtsrahmen. In einem Rechtsrahmen der ausgeweitet ist, der präziser ist, der den Anliegen mehr Rechnung trägt. Insofern finde ich erst recht, dass dieser Landesaktionsplan eine gute Arbeitsgrundlage dafür bietet, zu definieren was denn jetzt der jeweils nächste Schritt ist, wie wir diesen angehen und was wo dazu erledigt werden muss. Insofern finde ich, wenn uns rechtlich mehr Möglichkeiten gegeben werden, wird der Landesaktionsplan für mich umso wichtiger. So gilt es ihn auch zu aktualisieren und fortzuschreiben. 

MK: Sie kandidieren als SPD-Spitzenkandidatin Ihrer Partei bei der am 27. März bevorstehenden Landtagswahl. Wenn Sie zur nächsten Ministerpräsidentin des Saarlandes gewählt werden, was sind dann ihre Hauptanliegen und was liegt ihnen dann am meisten am Herzen? 
AR: Bezüglich unserer heutigen Kernthemen wie wir mit Gleichberechtigung und mit Selbstbestimmung umgehen, ist es mir ein absolutes Kernanliegen dafür zu sorgen, dass es hier bei uns im Saarland ein dafür förderliches Klima gibt. Klimaschutz wird ja momentan in einem völlig anderen Zusammenhang diskutiert. Ich finde ein gutes Klima in einem Land zu haben, heißt nicht nur auf die CO2-Werte zu blicken, sondern auch auf die Fragen des Miteinanders, des Respekts, des zwischenmenschlichen Umgangs. Da kann man natürlich auch auf die Frage, wie man Dinge miteinander bespricht, wie man in der Öffentlichkeit über bestimmte Fragestellungen redet, dazu beitragen dass sich das Thema positiv entwickelt. Ich bin sehr dafür, dass wir einen respektvollen und toleranten Umgang miteinander pflegen. Das ist immer auch eine Aufgabe die von der Spitze genau so wahrgenommen werden muss. Dies ist mir ein sehr wichtiges Anliegen. Gleichzeitig sage ich: Der gute Umgang miteinander ist das eine. Frei sein von existenziellen Ängsten und Nöten ist das andere -völlig unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlecht oder Herkunft, spielt das für alle gleichermaßen ebenfalls eine wichtige Rolle. Deshalb ist für mich auch die Frage von Arbeitsplätzen für unser Land Kernthema. Meine Kernanliegen sind der Erhalt von bestehenden Arbeitsplätzen, das Schaffen neuer Arbeitsplätze in einer extrem herausfordernden Zeit. Das würde ich gerne, so wie ich es als Wirtschaftsministerin bereits getan habe, dann als Ministerpräsidentin zur Chefinnensache machen. Ich finde wir sollten im Saarland da auch gar nicht ambitionslos sein und uns wirklich etwas zutrauen. 400.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, das sollte ein Punkt sein, den wir uns ambitioniert vornehmen! Trotz aller Schwierigkeiten oder vielleicht gerade angesichts der bestehenden Herausforderungen, die uns die Möglichkeit geben die Dinge nochmal neu zu gestalteten und dabei neue Kräfte zu entfalten. Das ist mir ein sehr wichtiger Punkt, zusammen mit der Fragestellung: „Wie kann Klimaschutz dazu beitragen, dass wir neue Geschäftsmodelle entwickeln und dabei neue zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem Land entstehen?“. Das wird uns auch nur gelingen, wenn wir neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und gewinnen, die mit den neuen Technologien umgehen können. Folglich sind Weiterbildung und Qualifizierung wichtige Themen. Bereits angefangen beim Beginn der Bildungskette in Kitas und Schulen, gilt es Investitionen in Bildung als wirkliche Zukunftsinvestitionen in unser Land zu verstehen. Das sind alles ein paar wenige, aber sehr bedeutsame Punkte, von denen ich denke dass wir dort richtig rangehen müssen! 

MK: Wenn wir bei diesen wesentlichen Punkten nochmals die Brücke zum Landesaktionsplan schlagen. In ihrer aktuellen Position als Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr haben sie die diesbezüglichen Handlungsfelder und Maßnahemen des Landesaktionsplans federführend mit gestaltet. Welche Rolle und Relevanz kommt denn der Förderung von Vielfalt und gleichberechtigender Akzeptanz für LGBTQ zu, bei den von ihnen genannten Schwerpunktthemen Arbeitsplätze und Bildung?  
AR: Ganz klar: Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens! Das ist jetzt auch nicht nur nett daher gesagt. Sondern das ist mittlerweile auch anhand zahlreicher Studien und Statistiken handfest nachgewiesen: Unternehmen die vielfältig aufgestellt sind, die sich offen zeigen - gegenüber Familien traditioneller Art, gegenüber LSBTIQ, gegenüber Migration etc., gegenüber allem was Vielfalt ausmacht - diese Unternehmen sind schlicht und ergreifend erfolgreicher. Weil es anscheinend ein gutes Miteinander gibt, eine gute Kooperation gibt. Wenn es einen respektvollen Umgang miteinander gibt, dann ist das ein Ort an dem man sich wohlfühlt, an dem es auch um Kreativität geht. Also kein Ort an dem die Motivation leidet, weil man ausgegrenzt wird. Sondern im Gegenteil, weil man sich als Teil eines erfolgreichen gemeinsamen Projekts versteht. In diesem Sinne geht es wirklich darum, den Unternehmen, die das vielleicht noch nicht verstehen und diese Chance für sich noch nicht erkannt haben, diesen Weg aufzuzeigen und dafür zu werben. Man kann innere Haltung schlecht verordnen, insofern geht es dabei um überzeugen, lenken und leiten sowie das Fördern dieser Selbsterkenntnis was die jeweilige Unternehmensführung auch angeht. Das halte ich für eine ganz ganz wichtige Aufgabe, gerade für ein Bundesland, das die Herausforderung einer negativen demokratischen Entwicklung hat. Wir werden im Saarland leider weniger und wir werden älter. Älter werden ist gut, weniger werden hingegen ist doof. Wir müssen also dafür sorgen, dass die jungen Leute hier bleiben, dass sie gar nicht erst weggehen, weil sie sich hier wohlfühlen. Gleichzeitig sollten andere ein Blick auf dieses Land haben und erkennen welch schöner Ort das hier ist und spüren dass sie hier willkommen sind. Direkt neben „willkommen“ liegt dann auch „will bleiben“. Das hilft dann auch unserem Wirtschaftsstandort Saarland. Und das fällt hier auch auf einen fruchtbaren Boden, denn Saarländerinnen und Saarländer sind zumindest nach meiner Einschätzung bodenständig und gleichzeitig weltoffen. Das wird uns auch so zugeschrieben und hat sicher mit unserer Geschichte und unserer geografischen Lage zu tun. Daraus können wir gemeinsam etwas machen! Denn wir erleben es ja auch gerade in anderen Bundesländern, die gerade in diesen Fragen mit einem Negativimage kämpfen. Ich prophezeie, dass diese Länder auch wirtschaftlich abgehängt werden! Ich möchte natürlich solche Grundhaltungsfragen und Fragen des Respekts sowie der Würde des Menschen nicht wirtschaftlich taxieren, wenn es allerdings gleichzeitig zusätzliche Argumente dafür sind, dann ist es legitim diese auch dafür anzuwenden. 

MK: Dafür gibt es auch Förderprogramme, die dieses von Ihnen angesprochene unternehmerische Bewusstsein dafür auch schärfen sollen und eine solche Unternehmenskultur - bei Bedarf auch wandelnd - harmonisch zu integrieren. Welche Fördermöglichkeiten sind das? 

AR: Ja in der Tat gibt es über saaris (saarland.innovation&standort e.V.) bestimmte Beratungsprogramme bei denen es auch darum geht Fachkräftesicherung in Unternehmen zu betreiben und zu überprüfen, wie bin aufgestellt, was heißt das für das Thema Gesundheit in meinem Unternehmen, Gesundheit am Arbeitsplatz, Familienfreundlichkeit, Diversity und wie viel Vielfalt lasse ich tatsächlich zu? Da ist das also einer der wesentlichen Punkte unter der großen Überschrift „Arbeitgeberattraktivität als Schlüssel zur Fachkräftesicherung“. Hier wollen wir aktiv unterstützen und beraten. Dazu einfach auf den Webseiten des Wirtschaftsministeriums oder bei saaris vorbeischauen und sich über die aktuellen Hinweise und Möglichkeiten informieren. 

MK: Im Kontext der bereits angesprochenen Themen Wertschätzung und Respekt in Unternehmen und in unserer Gesellschaft, sind auch so genannte „Schutzräume“ für LGBTQ ein damit eng verwobenes Thema. Diese „Schutzräume“ sind ein vom LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland) und der Community selbst oft angesprochenes Thema in Corona-Zeiten. Die große Sorge ist es, dass es durch die Pandemie-bedingte wirtschaftlich sehr herausfordernde Lage, die letzten saarländischen Schutzräume - wie zum Beispiel das History, der Einraum 2.0 oder die Finally-Party - diese Zeit nicht überstehen werden. Die große Sorge ist es, dass diese letzten noch vorhandenen Schutzräume dauerhaft schließen müssen. Gibt es hier mit Ausblick auf die kommende Legislaturperiode Möglichkeiten diese „Schutzräume“ zu „schützen“ bzw. deren Erhalt zu unterstützen? 
AR: Wir haben natürlich allgemein die Situation, dass Corona sehr sehr viele belastet, insbesondere die Gastronomie und die Veranstaltungswirtschaft. Wir versuchen hier grundsätzlich den Branchen generell so gut es geht zu helfen. So greifen in diesen genannten Fällen natürlich die allgemeinen Unterstützungselemente, die wir zur Verfügung stellen. Ich verstehe die in dem genannten Zusammenhang die besondere Problematik und Relevanz, dass der Erhalt dieser noch wenigen vorhandenen „Schutzräume“ für die Community besonders wichtig ist. Hier müssen wir vielleicht auch gar nicht die letzte Legislaturperiode abwarten, denn die Probleme sind ja bereits jetzt schon da. Ich biete dafür deshalb schon jetzt sehr gerne das konkrete Hilfs- und Unterstützungsangebot an, mit allen die einen solchen LGBTQ-Schutzraum betreiben und erhalten möchten, zusammenzukommen und gemeinsam nochmal drüberzuschauen, ob alle Hilfen bereits beantragt sowie ausgeschöpft sind und was wir ggf. noch tun können, um einen dauerhaftes Fortbestehen zu gewährleisten. Wenn das gewünscht ist, machen wir da eine Runde mit allen Betreibern bzw. Veranstaltern von LGBTQ-Schutzräumen. So etwas ist im Saarland immer schnell und gut möglich, dafür stehe ich sehr gerne zur Verfügung. 

MK: Vielen Dank für dieses konkrete Angebot. Sehr können sich die Betroffenen auch bei uns zum Stichwort „L!VE Magazin Perspektivwechsel“ melden. Wir koordinieren dann sehr gerne diese gemeinsame Runde. 

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